Antikorruptions-Compliance

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b) Erkenntnisse aus Betriebsprüfungen und aufgrund von Finanzermittlungen

101

Von erheblicher praktischer Bedeutung ist, dass gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 S. 3 EStG die Finanzbehörden Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat gem. der §§ 299a und b StGB begründen, der Staatsanwaltschaft mitteilen müssen. Dies bedeutet, dass die Finanzbehörden im Rahmen einer Betriebsprüfung auch Hinweisen auf Korruptionstaten gem. den §§ 299a und b StGB nachgehen müssen. Sollten sich entsprechende Anhaltspunkte ergeben, so müssen von den Betriebsprüfern von Amts wegen sowohl die Steuerfahndung wegen der steuerstrafrechtlichen Aspekte als auch die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechung im Gesundheitswesen eingeschaltet werden.

Eine weitere Durchbrechung des Steuergeheimnisses und damit die Möglichkeit, dass Bestechungsfälle im Gesundheitswesen von den Steuerbehörden aufgedeckt und der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden, sieht § 30 Abs. 4 Nr. 5 b AO (zwingendes öffentliches Interesse) vor. Die §§ 299a und b StGB sind Wirtschaftsstraftaten gem. § 74c Nr. 5a GVG. Die Offenbarung oder Verwertung von durch das Steuergeheimnis geschützter Daten ist hier u.a. zulässig, wenn die Straftat nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet ist, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs erheblich zu erschüttern.[74] Jedenfalls größere und erhebliches Aufsehen erregende Korruptionsfälle im Gesundheitswesen werden daher auch unter § 30 Abs. 4 Nr. 5 b AO fallen.

c) Hinweise von den Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen

102

§ 81a Abs. 4 (für die kassenärztlichen Vereinigungen) und § 197a Abs. 4 (für die gesetzlichen Krankenversicherungen) des SGB V verpflichten die dortigen Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen, die Strafverfolgungsbehörden bei Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Straftat mit nicht nur geringfügiger Bedeutung unverzüglich zu unterrichten. Diese Verpflichtung gilt auch für Hinweise auf mögliche Korruption im Gesundheitswesen gem. den §§ 299a und b StGB.

d) Verfahrensfragen

103

Die §§ 299a und b StGB wurden nicht in den Katalog nach § 100a StPO aufgenommen, so dass die Anordnung einer Überwachung der Telekommunikation nicht zulässig ist.

104

Nach § 74c Nr. 5a GVG gehören Verfahren wegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen bei den Landgerichten in die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer.

105

Insbesondere auf der Geberseite wird regelmäßig auch die Verhängung von Geldbußen gegen juristische Personen und die Abschöpfung der durch die Bestechung gemachten Gewinne nach § 30 OWiG zu prüfen sein. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn in einem Unternehmen die Leistung von Bestechungsvorteilen an Angehörige von Heilberufen mehr oder weniger ausgesprochener Teil der gelebten Unternehmensstrategie ist und auch der Vorwurf der Verletzung der Aufsichtspflicht durch Leitungspersonen gem. § 130 OWiG im Raum steht.

6. Compliance

106

Die erheblichen rechtlichen Risiken, die mit der Einführung der §§ 299a und b StGB entstanden sind, vermeiden diejenigen am besten, die durch eine effektive und ernst gemeinte Compliance Organisation schon einen bösen Anschein vermeiden.

107

Von großer Bedeutung ist das Transparenzprinzip. Soweit Vorteile überhaupt angenommen werden, so sollte dies so transparent wie möglich erfolgen, beispielsweise durch Genehmigungen der Vorgesetzten oder Offenlegungen in anderer Weise. Niedergelassene Ärzte können in einigen Bundesländern Kooperationen bei Clearingstellen der Landesärztekammern vorlegen. Die Bayerische Landesärztekammer, die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns und die Bayerischen Krankenhausgesellschaft beispielsweise haben eine sektorenübergreifenden Clearingstelle gegründet. Deren Aufgabe ist es, bestehende oder zukünftig beabsichtigte Kooperationen zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten auf ihre Rechtskonformität zu prüfen.[75] Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern hat eine Broschüre erarbeitet, die sich anhand von Fallkonstellationen mit der Frage einer Strafbarkeit gemäß den §§ 299a und b StGB befasst.[76]

108

Zur Transparenz von Vorgängen gehört insbesondere auch, die Vorgänge in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren (Dokumentationsprinzip). Dies gilt z.B. für die Empfehlung bestimmter Leistungserbringer, die Bemessung von Honoraren oder Mieten sowie ggf. die genauen Umstände der Erbringung der jeweiligen Leistungen. Eine in sich schlüssige und nachprüfbare Darlegung der Vorgänge vermeidet zum einen den Verdacht, dass es sich in Wahrheit nicht um tatsächlich werthaltige Leistungen, sondern um Scheinvorgänge handelt. Als Negativbeispiele seien hier Honorarzahlungen für tatsächlich wissenschaftlich sinnlose Forschungsvorhaben, Zuschüsse für zweifelhafte Tagungen oder nicht transparente Leistungen für Honorarärzte als versteckte „Zuweiserprämie“ für Patienten genannt. Zum anderen lassen sich mögliche sachliche Gründe für eine Bevorzugung bestimmter Heilberufler wie etwa deren besondere Expertise und Ausstattung sowie der Hintergrund von auf den ersten Blick außergewöhnlichen Honoraren oder Mietzahlungen so dokumentieren, dass die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung auch für medizinische Laien nachvollziehbar ist (Äquivalenzprinzip). Die Gefahr der Einleitung von Ermittlungsverfahren kann durch Beachtung dieser Grundsätze deutlich reduziert, im besten Falle vollständig ausgeschlossen werden.

Anmerkungen

[1]

Die Verfasser dieses Beitrags geben allein ihre persönliche Auffassung wieder.

[2]

Www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/_inhalt.html.

[3]

Www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche_Finanzen/Bundeshaushalt/2016-12-27-bundeshaushalt-2017-ohne-neue-schulden.html;jsessionid=7D37C49FC5FA88706A58597AB1F30AAE.delivery1-replication.

[4]

BKA Bundeslagebild Korruption 2018, 4.

[5]

BGH 29.3.2012 – GSSt 2/11.

[6]

BT Drucks. 18/8106.

[7]

BMJV Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 4.2.2015, 20 und 11.

[8]

BMJV Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 4.2.2015, 16.

[9]

Schönke/Schröder/Eisele StGB § 299a Rn. 9.

[10]

BGH 11.4.2001 – 3 StR 503/00.

[11]

BMJV Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 4.2.2015, 16.

[12]

BT Drucks. 18/6446, 17.

[13]

Vgl. BGH NJW 2016, 3253.

[14]

BT Drucks. 18/6446, 20.

[15]

BT Drucks. 18/6446, 22.

[16]

BT Drucks. 18/6446, 20.

[17]

BT-Drucks. 18/6446, 18.

[18]

BT-Drucks. 18/6446, 18 unter Verweis auf BGH 10.3.1983 – 4 StR 375/82.

[19]

BT-Drucks. 18/6446, 17 f.

[20]

Vgl. Schönke/Schröder/Eisele § 299a Rn. 22 und Köbler MedR 2017, 784 ff.

[21]

Vgl. BT-Drucks. 18/6446, 21 und BT-Drucks. 18/8106, 15 f.

[22]

Vgl. Schönke/Schröder/Eisele § 299a Rn. 41.

 

[23]

Nicht ausreichend sind hingegen erkennbar vordergründige und mangelhafte Auskünfte sowie Gefälligkeitsgutachten, vgl. zum Ganzen Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster § 17 Rn. 18 und BGH 3.4.2008 – 3 StR 394/07, Rn. 40 mwN.

[24]

Vgl. Schönke/Schröder/Eisele § 300 Rn. 3 m.w.N.

[25]

Vgl. BT-Drucks. 18/6446, 17 f.

[26]

Vgl. Fischer § 299a Rn. 20 und MK-StGB/Hohmann § 299a Rn. 24.

[27]

Vgl. Fischer § 299a Rn. 20 und MK-StGB/Hohmann § 299a Rn. 24.

[28]

Vgl. Schönke/Schröder/Eisele § 299a Rn. 28.

[29]

Vgl. Köbler MedR 2017, 786 f. m.w.N.

[30]

Vgl. Köbler MedR 2017, 789 sowie auch Schneider medstra 2016, 201.

[31]

Vgl. Köbler MedR 2017, 788 f.

[32]

Vgl. BVerfG 19.11.1985 – 1 BvR 38/78, Rn. 30 und BGH 29.5.2008 – I ZR 75/05, Rn. 20.

[33]

Vgl. BT-Drucks. 18/6446, 19 unter Verweis auf BGH 13.1.2011 – I ZR 111/08.

[34]

Vgl. Bundesärztekammer DÄBl 2013, A 2229 und Harneit MedR 2017, 690 f. m.w.N.

[35]

Vgl. Harneit MedR 2017, 693. Ein Formulierungsbeispiel für die Information von Patienten findet sich bei Rönnau/Wegner NZWiSt 2019, 85 f.

[36]

Vgl. zum Ganzen eingehend Schönke/Schröder/Eisele § 299a Rn. 29.

[37]

BT-Drucks. 18/6446, 18.

[38]

Vgl. BT-Drucks. 18/6446, 18 f.

[39]

Vgl. die detaillierten Empfehlungen zum ärztlichen Aufklärungsgespräch und seiner Dokumentation bei Schneider/Ebermann medstra 2018, 69 f. und weiter die Empfehlungen bei Pragal/Handel medstra 2016, 23.

[40]

Vgl. zum Ganzen detailliert Reimer/Penner GuP 2018, 121 ff. und Bahner/Bechtler/Hartmannsgruber/Piltz/Schulz-Hillenbrand medstra 2016, 343 ff. sowie auch Schönke/Schröder/Eisele § 299a Rn. 30 ff.

[41]

Vgl. Schneider/Reich medstra 2019, 17 und auch Reimer/Penner GuP 2018, 127.

[42]

Vgl. BT-Drucks. 18/6446, 18, 22 und BGH 23.10.2002 – 1 StR 541/01.

[43]

Vgl. ausführlich Taschke/Zapf medstra 2015, 333, 335 f.

[44]

Vgl. Broch PharmR 2016, 315.

[45]

Vgl. die detaillierte Untersuchung von Koch/Appel/Lubner/Kölbel/Lieb MedR 2018, 225 ff.

[46]

Vgl. BT-Drucks. 18/6446, 19.

[47]

Www.kbv.de/html/themen_23913.php.

[48]

Vgl. eingehend zu den arzneimittel-, straf- und kodexrechtlichen Anforderungen von AWB Broch PharmR 2016, 314 ff.

[49]

Vgl. zum Ganzen Koyuncu PharmR 2009, 214 ff. sowie Koch/Appel/Lubner/Kölbel/Lieb MedR 2018, 226 m.w.N.

[50]

BT-Drucks. 18/6446, 20.

[51]

BT-Drucks. 18/8106, 15.

[52]

Vgl. Schneider/Ebermann medstra 2018, 71 f.

[53]

Vgl. eingehend Rönnau/Wegner MedR 2017, 209 ff. sowie zum Umgang mit Rechtsunsicherheiten in diesem Bereich Sommer MschrKrim 2018, 465 f. m.w.N.

[54]

Vgl. BT-Drucks. 18/6446, 18 f.

[55]

BGH 15.11.2001 – I ZR 275/99, Rn. 43 und BGH 24.06.2010 – I ZR 182/08, Rn. 23 f.

[56]

BT-Drucks. 18/6446, 16; ausführlich zur Problematik: Seifert medstra 2017, 280; Schönke/Schröder/Eisele StGB § 299a Rn. 44; NK-StGB/Dannecker/Schröder § 299a Rn. 209-215.

[57]

Fischer § 299a Nr. 28.

[58]

Fischer § 78a Nr. 8 m.w.N.

[59]

BGH NJW 2008, 3076.

[60]

NK-StGB/Dannecker/Schröder § 299a Rn. 219.

[61]

BFH 20.7.2007 – XI B 193/06.

[62]

Ausführlich zu den steuerrechtlichen Aspekten: Rübenstahl medstra 2017, 194 ff.

[63]

Rübenstahl medstra 2017, 194, 203.

[64]

NK-StGB/Dannecker/Schröder Vorbemerkungen zu §§ 298 ff. Rn. 40.

[65]

BVerwG 18.8.2011 – 3 B 6/11.

[66]

BVerwG 18.8.2011 – 3 B 6/11.

[67]

VGH München 8.11.2011 – 21 B 10.1543.

[68]

VGH München 15.2.2000 – 21 B 96.1637.

[69]

BVerwG 18.8.2011 – 3 B 6/11.

[70]

VGH München 28.3.2007 – 21 B 04.3153; VGH München 8.11.2011 – 21 B 10.1543; VGH München – 21 B 96.1637.

[71]

BVerfG 26.9.2016 – 1 BvR 1326/15; SG München medstra 2018, 58.

[72]

BVerfG 14.7.2016 – 2 BvR 2474/14.

[73]

BVerfG 21.1.2008 – 2 BvR 1219/07.

[74]

Vgl. zu den Voraussetzungen: Klein/Rüsken AO § 30 Rn. 185, 186.

[75]

Www.bayerischesaerzteblatt.de/fileadmin/aerzteblatt/ausgaben/2018/12/einzelpdf/BAB_12_2018_698_699.pdf.

[76]

Www.kvb.de/fileadmin/kvb/dokumente/Praxis/Infomaterial/Praxisbetrieb/KVB-Broschuere-Kooperation-versus-Korruption.pdf.

2. Teil Deutsches Recht › 5. Kapitel Sport und Korruption

5. Kapitel Sport und Korruption[1]

Inhaltsverzeichnis

A. Einführung und thematische Abgrenzung

B. Erscheinungsformen korrupten und korrumpierenden Verhaltens im Sport

C. Sonderfall Doping

D. Fazit und Ausblick

Literatur:

Adolphsen/Nolte/Lehner/Gerlinger (Hrsg.) Sportrecht in der Praxis, 2012; Cherkeh/Momsen/Orth Sportstrafrecht, 2020; Fritzweiler/Pfister/Summerer Praxishandbuch Sportrecht, 4. Aufl. 2020; Kubiciel Die Straftatbestände des Sportwettbetrugs und der Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe, in: Hoven/Kubiciel, Korruption im Sport, 2018; Momsen Sponsoring – Hospitality – Korruption, in: Hoven/Kubiciel (Hrsg.) Korruption im Sport, 2018; Pfister Das Anti-Doping-Gesetz, 2016; Rotsch (Hrsg.) Criminal Compliance – Handbuch, 2015; Thorhauer/Kexel (Hrsg.) Compliance im Sport, 2018; Schröder-Frerkes Der neue § 299 StGB – Anmerkungen aus Ausblick, in: Unternehmensstrafrecht: Festschrift für Jürgen Wessing zum 65. Geburtstag, 2015; Spindler Sportsponsoring – Rechtliche Herausforderungen aus Unternehmenssicht, in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Integrität und Compliance im Sport, Internationale Bezüge des Sports und des Sportrechts, Schiedsrichter im Recht, 2020.

A. Einführung und thematische Abgrenzung

1

Der Sport heutiger Ausprägung hat in vielen Bereichen mit seinem ideellen Ursprung, der rechtsfreien Welt des Sportspiels mit dem Sport als Selbstzweck, nicht mehr viel zu tun.[2] Vielmehr finden sich im professionellen Sport heute Unternehmer, die – häufig auch unter Zurückstellung sportlicher Grundwerte wie Kameradschaft und Fairness – betriebswirtschaftliche Gewinnmaximierung zum Hauptziel erklären. Das Streben nach pekuniären Gewinnen und sportlichen Höchstleistungen führen im Sport – allein und kombiniert – zum Einsatz unredlicher, unsportlicher und korrumpierender Verhaltensweisen. Aufgrund der z.T. milliardenschweren Umsätze sind die großen nationalen Ligen im Fußball (etwa in Europa in Deutschland, England, Spanien, Italien), die internationalen Wettbewerbe (die Champions League, die Welt- und Europameisterschaften) und natürlich die Olympischen Spiele mit den zugehörigen und veranstaltenden Verbänden (z.B. DFB,[3] FIFA,[4] UEFA,[5] IOC[6]) – leider auch mit nicht gerade wenigen Negativbeispielen – in den Fokus der Diskussion geraten.

 

2

Trotzdem hat der Sport neben der wirtschaftlichen Komponente auch immer eine ideelle (= nicht [vordergründig] wirtschaftliche) Komponente. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch alle Erscheinungsformen von Sport (vielleicht abgesehen vom bloßen Sportspiel[7]): So gibt es, wo ein Profisport auftritt, auch immer einen dazu gehörenden Amateursport. In diesen beiden Sportlagern gibt es wiederum immer professionelle Beteiligte (wie etwa Geschäftsführer, Lizenzspieler, Angestellte), die aber durch eine Vielzahl ideell orientierter Personen zum Teil massiv und mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung[8] (indes ohne eigenen materiellen Vorteil) unterstützt werden, die allerdings ganz überwiegend altruistisch tätig werden (Ehrenamtler, Fans, Volunteers usw.).

3

Allein wegen dieser Gemengelage verbietet es sich, für die Betrachtung des Sports auf einen zu engen, wirtschaftlich orientierten Korruptionsbegriff zu rekurrieren, der nur „Bestechlichkeit und Käuflichkeit“ enthalten könnte.[9] Für den Sport ist, auch wegen des im Ausgangspunkt stark ideellen Ansatzes, die moralische Komponente hinzuziehen. Korruption bedeutet auch immer einen moralischen Verfall.[10] Für dieses Kapitel wird daher der sehr weite, aber für den Sport insgesamt äußerst relevante Korruptionsbegriff von Transparency International

„Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“[11]

zu Grunde gelegt.

4

Bei diesem weiten Verständnis ist klar, dass nur ein Teil der unter dem Gesichtspunkt der Anti-Korruptions-Compliance unerwünschten Verhaltensweise unter das staatliche Strafrecht fallen, sei es in Deutschland oder – wenn der internationale Sport betroffen ist – auch in anderen Ländern, insbesondere der Schweiz.[12] Rechtsquellen für verbotenes Verhalten im Sport und seine Sanktionierung finden sich daher häufig entweder in den vom Sport im Rahmen seiner Autonomie selbst gesetzten Regeln sowie in bilateralen Vereinbarungen, insbesondere in Arbeitsverträgen. Dies macht eine Befassung mit Anti-Korruptions-Compliance im Sport besonders herausfordernd.

5

Im Folgenden werden aus dem dreigliedrigen Compliance-Begriff[13] insbesondere die Frage nach Konformität von Verhalten und Prämisse[14] und nach dem Handeln in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht[15] beleuchtet. Die Compliance im organisatorischen Sinne, also die notwendigen Präventionsmaßnahmen im Rahmen eines Content-Management-Systems[16] im Sport,[17] ergeben sich aus den beleuchteten Grenzbereichen.

B. Erscheinungsformen korrupten und korrumpierenden Verhaltens im Sport

6

Die Erscheinungsformen korrupten und korrumpierenden Verhaltens im Sport sind leider vielfältig. Alle, die sich mit Compliance oder der Installationen eines Compliance Management Systems (CMS) im Sport befassen wollen, haben daher eine Mammutaufgabe vor sich, die in den Dachverbänden an die Dimensionen in Konzernen heranreicht und darüber hinaus wegen der Sportbezogenheit und der Vermengung von professionellem Sport und dem Amateurbereich viele unbekannte Fallstricke bietet.[18]

I. Sponsoren und Einladungen

7

Sponsoren, also alle Werbepartner und Geldgeber, die auf den Goodwill der im Sport tätigen Clubs, Sportler, Mannschaften usw. setzen und dafür hohe Geldbeträge für die Sporterzielung aussetzen, um sich durch Namensverbindung selbst im positiven – sportlichen – Image des Gesponserten sonnen zu können, haben eine besondere Bedeutung für den Sport als Wirtschaftszweig und für seine wirtschaftliche Existenz.[19] Hierbei ist ein echtes Mäzenatentum, also die Hingabe großer Geldmenge an den Unterstützten aus bloßem Altruismus und ohne Erwartung einer Gegenleistung, heutzutage eher die Ausnahme. Betätigen sich Unternehmen als Sponsoren, erwarten sie dafür eine konkrete Gegenleistung, die etwa im vorbeschriebenen Imagetransfer, in der klassischen Namensnennung, etwa im Stadionnamen oder bei der Bandenwerbung, oder in der Erschließung neuer Vertriebskanäle (Adressendaten von Club- oder Verbandsmitgliedern) liegen kann.

1. Sponsoren

8

Wie gerade ausgeführt, besteht eine Sponsoringvereinbarung zwischen Sponsor und Gesponsertem im Sinne eines klassischen Vertrags. Dies scheint im Ausgangspunkt eher ein unkritisches Vorhaben zu sein. Aber die Anwendbarkeit strafrechtlicher Normen auf das Sponsoring ist nicht mehr streitig.

9

Zum Schulfall ist im Sportrecht hier ein Fall um den VfL Wolfsburg geworden: Im Jahr 2010 ermittelte die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen T-Systems und VW im Zusammenhang mit Sponsoring-Vereinbarungen zugunsten des VfL Wolfsburg. Die beschuldigten Mitarbeiter von T-Systems und VW sollen versucht haben, einen Großauftrag von VW für T-Systems mit der Verlängerung eines Sponsoringvertrages der Telekom für den VfL Wolfsburg zu verquicken; der lukrative Vertrag sollte nur zustande kommen, wenn die Telekom den Fußballclub weiter finanziell unterstützt. 2014 wurde das Verfahren nach § 153a StPO gegen ein (nach damaligem Recht mit dem höchstmöglichen) Bußgeld in Höhe von 2 Mio. EUR eingestellt.[20] Fraglich war hier, ob es sich beim Verhalten der Beteiligten – ein sog. Kopplungsgeschäft[21] – um eine strafbare „Klimapflege“ oder um eine im engeren Sinne korruptive Verhaltensweise handelte.[22] Es ging jedoch um den Abschluss eines konkreten Vertrages – und nicht etwa um eine nur grundsätzliche positive Einstimmung des Vertragspartners. Damit bleibt im Kern die Frage bestehen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen es eine unlautere Beeinflussung des Wettbewerbs darstellt, wenn ein Auftragnehmer seinem Auftraggeber anbietet, den mit ihm verbundenen Bundesliga-Club zu fördern.[23] Wenn Sponsoring an sich aber grundsätzlich erlaubt ist – woran kein Zweifel besteht –, dann kann die beabsichtige Auftragsvergabe nur dann „unlauter“ i.S.d. § 299 Abs. 1 StGB a.F. gewesen sein, wenn der Auftraggeber infolge der Sponsoringvereinbarung hätte wettbewerbswidrig bevorzugt werden sollen.[24] Diese Sponsoringvereinbarung wird strafrechtlich jedoch nur dann relevant, wenn – bei Vorhandensein im Übrigen gleich geeigneter Mitbewerber – einzig T-Systems die Möglichkeit eines Sponsorings eingeräumt worden wäre. Dann nämlich wäre die Sponsoringvereinbarung eine Art verdeckter Preisnachlass und strukturell sog. Kick-Back-Zahlungen ähnlich.[25] Die Änderungen im Wortlaut der Vorschriften § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. wirken sich nicht auf die skizzierte Grenze der Strafbarkeit im Bereich des Sponsorings in der o.g. Situation aus, die seitens der Staatsanwaltschaft noch nach § 299 StGB a.F. beurteilt wurde.[26]

10

Neben den gerade dargestellten klassischen Korruptionsdelikten sind in der Praxis auf dem schmalen Grat zwischen Sponsoring und strafbarer Korruption § 266 StGB – Untreue z.B. durch Bildung „schwarzer Kassen“ (siehe hierzu Rn. 46) oder durch Bestechung – und § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO (Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall) am relevantesten.[27]

11

Für aufzustellende CMS im Sponsoring-Bereich sollte darauf geachtet werden, sowohl bei der Planung als auch der Ausführung, transparent und im Einklang mit den Formalien zu handeln. Die Kriterien zur Auswahl eines Sponsoring Partners sollten auch nach außen hin nachvollziehbar sein und die Wettbewerbs- und Chancengleichheit potentieller weiterer Sponsoren wahren. Zudem sollten schon zu Beginn potentielle Interessenskonflikte beleuchtet und Verknüpfungen mit anderen Verträgen (Kopplungsgeschäfte) vermieden werden.[28]