Antikorruptions-Compliance

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2. Teil Deutsches Recht › 6. Kapitel Steuerstrafrechtliche Aspekte der Antikorruptions-Compliance

6. Kapitel Steuerstrafrechtliche Aspekte der Antikorruptions-Compliance

Inhaltsverzeichnis

A. Einführung

B. Materielles Steuerstrafrecht

C. Korruption und die Auswirkungen auf die Steuerpflicht

D. Steuerstrafverfahren

Literatur:

Bürger Bestechungsgelder im privaten Wirtschaftsverkehr – doch noch steuerlich abzugsfähig DStR 2003, 1421; Ermert Korruptionsbekämpfung durch das Steuerrecht und Kooperation von Strafverfolgungs- und Finanzbehörden, 2019; Flore/Tsambikakis Steuerstrafrecht 2. Aufl. 2016; Gehm Kompendium Steuerstrafrecht 3. Aufl. 2017; Gotzens Nützliche Aufwendungen und das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG, DStR 2005, 673; Hild/Albrecht Rechtsfragen der Korruption – Vorteilsnahme und Bestechlichkeit – steuerstrafrechtliche Konsequenzen, JR 2005, 490; Höll Die Mitteilungspflichten bei Korruptionssachverhalten im Regelgefüge des Steuergeheimnisses, ZiS 2010, 309; Joecks Abzugsverbot für Bestechungs- und Schmiergelder – Korruptionsbekämpfung durch Steuerrecht?, DStR 1997, 1025; Joecks/Jäger/Randt Steuerstrafrecht 8. Aufl. 2015; Madauß Reichweite der Mitteilungspflicht nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG und Korruptionsbekämpfung, NZWiSt 2013, 176; Maciejewski/Schumacher Endlich eine (steuerrechtliche) Lösung? – Verbleibender Abstimmungsbedarf zwischen Straf- und Steuerrecht nach der Reform der Vermögensabschöpfung, DStR 2017, 2021; Park Die Ausweitung des Abzugsverbots für Bestechungs- und Schmiergelder durch das Steuerentlastungsgesetzt 1999-2000-2002 DStR 1999, 1097; Pelz Aktuelle Rechtsprobleme des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EstG und seine Folgen, DStR 2014, 449; Preising/Kiesel Korruptionsbekämpfung durch das Steuerrecht? – zu den Problemen des Abzugsverbots und der Mitteilungspflicht nach § 4 Abs. 5 Nr. 10 EstG DStR 2006, 118; Sahan Korruption als steuerliches Risiko, Festschrift für Erich Samson, 2010, S. 599; Schmidt Steuerliche Handlungspflicht der Unternehmensleitung im Rahmen einer Internal Investigation, CCZ 2012, 121; Spatscheck Die Rolle des Steuer(straf)rechts bei der Korruptionsbekämpfung, NJW 2006, 641; Stapf Steuerliche Folgen der Zuwendung korrumpierender Vorteile ab 1999, DB 2000, 1092; Walter Angestelltenbestechung, internationales Strafrecht und Steuerstrafrecht, wistra 2001, 321.

A. Einführung

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Eine aus dem Unternehmen heraus begangene Vorteilsgewährung bzw. Bestechung (im geschäftlichen Verkehr oder von Amtsträgern) geht fast notwendigerweise mit einer Steuerhinterziehung einher, weil die gezahlten Vorteile an den Angestellten eines geschäftlichen Betriebes oder den Amtsträger in der Regel unzutreffend als Betriebsausgaben beim Finanzamt geltend gemacht worden sind. Auch der Empfänger von Bestechungsgeldern wird oftmals neben einer Bestechlichkeit auch eine Steuerhinterziehung begangen haben, weil die Einnahmen aus diesen Delikten selten als Einnahmen deklariert werden. In der Regel hat die Unternehmensleitung deshalb nicht nur mit strafrechtlichen Konsequenzen wegen der Korruptionsdelikte zu rechnen, sondern ist auch mit einem damit einhergehenden Steuerstrafverfahren konfrontiert.[1] Ein Steuerstrafverfahren kann vor allem in den Fällen deutlich spürbare Konsequenzen haben, in denen das Verfahren wegen Bestechung oder Bestechlichkeit mangels Beweises eingestellt wurde, das wegen der Steuerhinterziehung aber unabhängig davon fortgesetzt wird. Die Beweislage stellt sich im Steuerstrafrecht oftmals für den Betroffenen ungünstiger dar,[2] so dass ein parallel zum Verfahren wegen Korruption eröffnetes Verfahren wegen Steuerhinterziehung eigenständige Bedeutung erlangen kann. Vor allem, wenn sich abzeichnet, dass ein Strafverfahren wegen des Korruptionsdelikts mangels Beweises scheitern könnte – etwa, weil die Unrechtsvereinbarung nicht nachgewiesen werden kann –, rücken deshalb die oft mitverwirklichten Steuerstraftaten in den Fokus staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen.

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Die steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Auswirkungen einer entdeckten Korruption müssen deshalb von Anfang an im betroffenen Unternehmens berücksichtigt werden.[3] Die Aufklärung begangener Straftaten darf sich nicht nur auf das Korruptionsdelikt beschränken, sondern es sind auch die dabei regelmäßig mitverwirklichten Steuerhinterziehungen in die Untersuchungen einzubeziehen.

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In einigen Fällen kann noch eine Selbstanzeige (§ 371 AO) abgegeben werden, die aber zügig erfolgen muss. Die Untätigkeit trotz der Aufdeckung einer vorangegangenen Bestechung kann aber sogar zu weiteren Straftaten führen. Selbst wenn die Unternehmensleitung weder von dem Bestechungsdelikt noch von der Steuerhinterziehung zum Tatzeitpunkt Kenntnis hatte, ist sie nach Entdeckung in der steuerlichen Pflicht, durch eine Berichtigung der Steuererklärung (§ 153 AO) tätig zu werden. Unterlässt sie dies, kommt eine Strafbarkeit wegen (versuchter) Steuerhinterziehung durch Unterlassen in Betracht.[4]

B. Materielles Steuerstrafrecht
I. Grundlagen des § 370 AO

1. Täuschung über Besteuerungsgrundlagen

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Die Steuerhinterziehung kann durch unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begangen werden oder durch In-Unkenntnis-lassen der Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).

a) Steuerhinterziehung durch unrichtige oder unvollständige Tatsachenangaben

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Die Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht im Machen unrichtiger oder unvollständiger Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gegenüber einer Finanzbehörde oder einer anderen Behörde. Der Steuerpflichtige macht Angaben, wenn er durch ausdrückliches oder schlüssiges Verhalten etwas bekundet,[5] wobei überwiegend aufgrund des formalisierten Verfahrens eine ausdrückliche Erklärung gemacht wird.[6] Entscheidend ist, dass die Angaben steuerlich erheblich sind.[7] Wegen der damit hergestellten Verknüpfung zum Steuerrecht betrachtet die h.M. § 370 AO als Blanketttatbestand.[8] Allerdings werden z.T. auch Einschränkungen gemacht. Teile der Literatur räumen ein, die Steuerhinterziehung sei kein Blankettstrafgesetz im klassischen Sinn, sondern habe nur Blankettcharakter.

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Nach zutreffender Ansicht ist die Steuerhinterziehung dagegen ein vollständiger Tatbestand und das Merkmal der steuerlichen Erheblichkeit ein normatives Tatbestandsmerkmal.[9] Der Steuerhinterziehungstatbestand bedarf also keiner Ergänzung durch das Steuerrecht, sondern beschreibt die Tathandlungen und den Taterfolg vollständig. Die Steuerpflicht und der Steueranspruch sind zwar für die Tathandlungen und für den Taterfolg relevant, das Steuerrecht füllt den Tatbestand deshalb aber nicht aus.[10]

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Umstritten ist, ob Angaben unrichtig sind, die zwar unter Zugrundelegung einer bestimmten Rechtsauffassung nichtzutreffend sind, bei Anwendung einer anderen Ansicht aber korrekt wären. Diese Frage spielt allgemein im Unternehmenssteuerrecht aufgrund der Komplexität des Steuerrechts eine zunehmend große Rolle. Zum Teil wird vorgeschlagen, auf den Empfängerhorizont der Finanzbehörde abzustellen, der durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestimmt wird.[11] Eine unrichtige Angabe läge danach vor, wenn die Erklärung bei Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den konkreten Steuerfall mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt und der Steuerpflichtige nicht kenntlich macht, dass er seiner Erklärung eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat. Andere halten eine Erklärung, der irgendeine vertretbare Rechtsansicht zugrunde liegt, dagegen für zutreffend.[12] Der BGH geht insoweit einen Mittelweg, als er es dem Steuerpflichtigen frei stellt, jeweils die ihm günstigste steuerrechtliche Gestaltung zu wählen. Er muss aber die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vortragen und es dem Finanzamt dadurch ermöglichen, die Steuer unter abweichender rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen.[13] Der Steuerpflichtige muss daher darauf hinweisen, welche Rechtsauffassung er zugrunde legt, wenn er von der Ansicht abweicht, welche die Finanzämter bekanntermaßen vertreten. Trotz der allgemeinen Bedeutung dieser Rechtsprechung für unternehmensbezogene Steuern ist der Anwendungsbereich in Korruptionsfällen wohl eher klein, da die Rechtslage hier wenig auslegungsbedürftig ist.

b) Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges In-Unkenntnis-lassen der Finanzbehörde, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO

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Steuerhinterziehung kann auch durch Unterlassen begangen werden. Dies ist ein übliches Charakteristikum strafrechtlicher Tatbestände, die durch die Anwendung des § 13 StGB zu unechten Unterlassungsdelikten werden. Deshalb kann § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO durch Unterlassen begangen werden, wenn die erforderliche Garantenstellung vorliegt.

 

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§ 370 AO enthält aber mit Abs. 1 Nr. 2 einen eigenständigen Tatbestand, der das Unterlassen einer Steuererklärung unter Strafe stellt. Es handelt sich dabei – anders als bei Nr. 1 – um ein Sonderdelikt, weil nur derjenige, der im konkreten Fall verpflichtet ist, der Finanzbehörde die steuerlich erheblichen Tatsachen zur Kenntnis zu bringen, tauglicher Täter ist.[14] Das Nebeneinander der beiden Alternativen hat zu dem – eher akademischen – Streit geführt, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.[15] Der Disput soll an dieser Stelle nicht aufgegriffen werden, sondern es sei lediglich der Hinweis gegeben, dass nach h.M. § 370 Abs. 1 Nr. 2 in der im Wirtschaftsstrafrecht so wichtigen Konstellation Anwendung findet, in der die Unternehmensleitung erst nach der bereits vollendeten Steuerhinterziehung von ihr erfährt und nach § 153 AO verpflichtet ist, die Angaben zu berichtigen.[16] Das Unterlassen der steuerlichen Berichtigungspflicht ist eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.[17]

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Pflichtwidrig handelt, wer eine Rechtspflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen verletzt. Solche Pflichten ergeben sich i.d.R. aus den allgemeinen Vorschriften der AO und/oder den Einzelsteuergesetzen. Körperschaften haben nach § 137 AO den Finanzbehörden und den für die Erhebung der Realsteuern zuständigen Gemeinden ihre Gründung und den Erwerb der Rechtsfähigkeit mitzuteilen. Nach § 149 AO i.V.m. § 31 KStG i.V.m. § 25 Abs. 3 S. 1 EStG sind sie verpflichtet, eine Steuererklärung über ihren Gewinn einzureichen.

2. Taterfolge der Steuerhinterziehung

a) Verhältnis von Steuerverkürzung und ungerechtfertigter Steuervorteil

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§ 370 AO erfordert den Eintritt eines der beiden in § 370 Abs. 1 AO genannten Taterfolge namentlich entweder eine Steuerverkürzung oder die Erlangung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils. Die Abgrenzung der beiden unterschiedlichen Taterfolge ist unklar und umstritten.[18] Die steuerrechtliche Terminologie hilft hier nicht weiter. Den Begriff des Steuervorteils verwendet die AO nur im Zusammenhang mit Rechtsfolgen, die sich aus dem Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerhinterziehung ergeben (§§ 70, 71, 150 Abs. 6 Nr. 5, 235 Abs. 2 AO), bzw. in Regelungen, die selbst steuerstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechtlicher Natur sind (§§ 371 Abs. 3, 379, 398 AO). Anhaltspunkte für die Abgrenzung lassen sich nur der gesetzlichen Legaldefinition der Steuerverkürzung in § 370 Abs. 4 AO entnehmen. Danach sind Steuern namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Die zutreffende Ansicht entnimmt dieser Formulierung, dass eine Steuerverkürzung und ein ungerechtfertigter Steuervorteil nach dem Verfahrensstand voneinander abzugrenzen sind, in denen die Besserstellung des Steuerpflichtigen eintritt. Eine Steuerverkürzung liegt danach immer nur im Festsetzungsverfahren vor, während alle gewährten Vorteile außerhalb davon als ungerechtfertigte Steuervorteile zu qualifizieren sind.[19]

b) Steuerverkürzung

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Gegenstand der Verkürzung sind nach dem Wortlaut des § 370 Abs. 1 AO nur Steuern, die in § 3 Abs. 1 S. 1 AO legal definiert sind. Danach sind Steuern Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz eine Leistungspflicht knüpft. Dazu zählt z.B. auch der Solidaritätszuschlag. Abs. 3 nennt auch Einfuhr- und Ausfuhrabgaben i.S.d. Zollkodex der Union.

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Nach der Legaldefinition des § 370 Abs. 4 S. 1 ist eine Steuerverkürzung zum einen gegeben, wenn der Vergleich der tatsächlich festgesetzten Steuer („Ist-Steuer“) mit der gesetzlich geschuldeten Steuer („Soll-Steuer“) ein Minus der Ist- gegenüber der Soll-Steuer ergibt,[20] und zum anderen, wenn die Festsetzung nicht rechtzeitig erfolgt, obwohl ein Steueranspruch besteht. Der Gesetzgeber hat damit eindeutig festgeschrieben, dass entscheidendes Merkmal nicht die Zahlung der Steuer ist, sondern nur die Festsetzung. Für die Vollendung der Steuerhinterziehung ist deshalb unerheblich, ob es zu einem endgültigen Steuerausfall kommt. Auf eine spätere Zahlung oder Nichtzahlung kommt es nicht an, sondern es ist nur maßgeblich, dass der Steueranspruch zu niedrig, verspätet oder gar nicht festgesetzt worden ist.[21]

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Dies führt nach Ansicht eines Teils der Literatur dazu, § 370 AO als ein abstraktes Gefährdungsdelikt zu qualifizieren.[22] Die Formulierung des § 370 Abs. 4 S. 1 AO belegt dies aber nicht. Die Definition der Steuerverkürzung enthält nur den im Strafrecht anerkannten Grundsatz, dass auch ein Gefährdungsschaden einen Vermögensschaden darstellt. So wie das täuschungsbedingte Eingehen eines schuldrechtlichen Vertrags mit unausgewogenen Leistungspflichten im Rahmen des § 263 StGB schon einen Vermögensschaden in der Form des schadensgleichen Gefährdungsschadens darstellt, weil es die Leistungspflichten der Parteien konkretisiert, so konkretisiert der Festsetzungsbescheid den Steueranspruch. Nach den beim Betrug entwickelten Grundsätzen zur schadensgleichen Vermögensgefährdung ist deshalb der tatbestandsmäßige Erfolg schon mit der Festsetzung der Steuer eingetreten. Wie der Betrugstatbestand ist deshalb auch § 370 AO ein Erfolgsdelikt in der Form eines konkreten Gefährdungsdelikts.[23]

c) Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile

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Nach der hier vorgenommenen Abgrenzung zwischen Steuervorteilen und der Steuerverkürzung kommen als ungerechtfertigte Steuervorteile nur solche steuerlichen Besserstellungen des Steuerpflichtigen in Betracht, welche die Finanzbehörde außerhalb des Festsetzungsverfahrens gewährt.

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Ein Steuervorteil ist aber nicht jede wirtschaftliche Besserstellung, sondern der Vorteil muss spezifisch steuerlicher Art sein, also sich aus den Steuergesetzen ergeben. Im Übrigen kommen als Steuervorteile nur solche Besserstellungen in Betracht, die bereits im Zeitpunkt ihrer Gewährung zu einer Beeinträchtigung des Steueraufkommens führen.[24] Steuervorteile sind z.B. die Steuerstundung, § 222 AO, der Zahlungsaufschub, § 223 AO, die Niederschlagung, § 261 AO, und der Vollstreckungsaufschub, § 258 AO.

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Nicht gerechtfertigt ist ein Steuervorteil, wenn der Steuerpflichtige keinen Rechtsanspruch auf ihn hat oder wenn die Bewilligung ermessensfehlerhaft war, weil die Finanzbehörde von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist.

d) Kompensationsverbot

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Nach § 370 Abs. 4 S. 3 AO liegt eine Steuerhinterziehung auch vor, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. Damit ist das sog. Kompensationsverbot umschrieben, das den Grundsatz enthält, dass die zur Feststellung der Steuerverkürzung vorzunehmende Gesamtsaldierung auf der Grundlage der Erklärungen des Steuerpflichtigen vorzunehmen ist und nachträglich vorgebrachte steuermindernde Gesichtspunkte bei der Feststellung des Taterfolgs nicht zu berücksichtigen sind.[25] Das Verbot birgt im Steuerstrafrecht ungeahnte Abgrenzungsschwierigkeiten. Es greift nämlich nur, wenn die Steuer „aus anderen Gründen“ hätte ermäßigt werden müssen, was im Umkehrschluss heißt, dass es nicht zur Anwendung kommt, wenn die Gründe für die Ermäßigung mit der verkürzten Steuer zusammenhängen. Der BGH berücksichtigt solche Steuerermäßigungsgründe, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den bei der Berechnung der Soll-Steuer einzusetzenden steuererhöhenden Gründen stehen.[26] Dieses Vorgehen verdient Zustimmung, wenn es sich um Ermäßigungsgründe handelt, die der Täter später nicht geltend machen kann, ohne damit zugleich zu offenbaren, dass er steuererhöhende Tatsachen verschwiegen hat. Bei einer solchen Verknüpfung von Ermäßigungs- und Erhöhungsgründen besteht nämlich nicht die Gefahr, dass der bereits eingetretene Verkürzungserfolg durch die spätere Geltendmachung steuermindernder Gründe noch vergrößert wird. Die praktische Konsequenz des Kompensationsverbots besteht vor allem darin, es dem Gericht zu ersparen, den gesamten Steuervorgang aufzurollen, um den hinterzogenen Betrag zu berechnen. Eingeschränkt muss dieser aber doch bestimmt werden, weil das Kompensationsverbot nicht im Rahmen der Strafzumessung gilt. Das Gericht muss berücksichtigen, ob tatsächlich kein oder nur ein geringer Steuerschaden eingetreten ist.[27] Die Situation gleicht der bei § 263 StGB, weil auch dort zwischen Vermögensschaden als Tatbestandsmerkmal des § 263 StGB und der tatsächlich eingetretenen Schädigung als Strafzumessungsumstand (vgl. § 46 Abs. 2 StGB) zu unterscheiden ist.

e) Verjährung

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Die Verfolgung der Steuerhinterziehung verjährt in 5 Jahren, da die Höchststrafe 5 Jahre nicht überschreitet (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Nach § 376 Abs. 1 AO beträgt in den in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1–6 AO genannten Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung die Verjährungsfrist zehn Jahre.[28]

20

Bei Veranlagungssteuern ist der durch die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung verursachte Erfolg eingetreten, wenn aufgrund der unrichtigen Erklärung die Steuer zu niedrig festgesetzt wird und dies dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wird.[29] Zu diesem Zeitpunkt ist die Tat zugleich beendet, so dass mit der Bekanntgabe des unrichtigen Bescheids die Verjährung beginnt. Gibt der Steuerpflichtige keine Erklärung ab, soll zu seinen Gunsten zu unterstellen sein, dass der Steuerpflichtige der Letzte gewesen wäre, der veranlagt worden ist. Im Zusammenhang mit dem Verjährungsbeginn ist dagegen in dubio pro reo davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige der Erste gewesen wäre, der veranlagt worden ist. Die Verjährung beginnt also schon, wenn die Behörde mit den Veranlagungsarbeiten beginnt.

21

Bei Fälligkeitssteuern ist die durch ein positives Tun bewirkte Tat nach h.M vollendet und beendet, wenn die Steuer bei Fälligkeit nicht oder zu niedrig gemeldet wird.[30] Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt danach mit dem gesetzlichen Termin. Auf die Zahlung der Steuern kommt es dagegen – wie oben bereits ausgeführt – nicht an. Die Verjährung beginnt demnach, wenn der Steuerpflichtige am Stichtag die Steuern nicht oder unrichtig anmeldet.

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Macht der Steuerpflichtige eine Steuervergütung geltend, für die es der Zustimmung der Finanzbehörde bedarf (§ 168 S. 2 AO), ist die Tat also erst mit der Zustimmung der Finanzbehörde beendet.