Antikorruptions-Compliance

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3. Die Konvention

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Die Konvention ist relativ schlicht aufgebaut. Sie enthält eine Definition des Tatbestandes. Von Bedeutung ist dabei eine „autonome“ Definition des Amtsträgers.[31] Die Einstufung des Empfängers des nicht-gebührenden Vorteils in seinem nationalen Recht ist zwar als Tatfrage relevant, die rechtliche Definition des Amtsträgers, die vor allem auf die öffentliche Funktion abstellt,[32] ist allerdings unabhängig vom Recht des Amtsträgers.

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Von erheblicher Bedeutung war die Regelung der Haftung der juristischen Person für Auslandsbestechung (Art. 2 OECD-Konvention). Der schlichte Text der Konvention wurde in den Länderprüfungen der nachfolgenden Jahre und vor allem in einer OECD Good Practice Guidance von 2009[33] weiterentwickelt: Insbesondere Großbritannien wurde – obwohl es seit Anfang des 20. Jahrhunderts bereits über eine strafrechtliche Unternehmenshaftung verfügte – dazu genötigt, die Haftung auf Kontrollversagen der Manager auszudehnen. In einem Befreiungsschlag schuf Großbritannien mit der UK Bribery Act Art. 7 gleich eine Kausalhaftung des Unternehmens für Bestechung aller Mitarbeiter, unter Vorbehalt einer due diligence-Klausel.[34] Die Konvention verpflichtet die Mitgliedsländer allerdings nicht dazu, eine strafrechtliche Haftung im eigentlichen Sinne einzuführen. Eine verwaltungsstrafrechtliche Norm im deutschen Sinne (OWiG) ist ausreichend, falls sie die nötige Konsequenz aufweist.[35]

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Eine weitere wichtige Regel der OECD-Konvention verbietet die Einstellung oder den Freispruch aus politischen, ökonomischen oder diplomatischen Rücksichten: Einzig professionelle Einstellungsgründe (fehlende Beweise, Verjährung etc.) sind akzeptabel.[36] Diese Regel war in der bisher größten Krise der OECD-Konvention von erheblicher Bedeutung.[37] Als der britische Premierminister, Tony Blair, die Einstellung einer Strafuntersuchung gegen die Waffenschmiede British Aerospace anordnete, weil er seine Beziehungen zu Saudi Arabien nicht gefährden und weil er 20‘000 Stellen in einem seiner wichtigsten Wahlkreise erhalten wollte, setzte sich die OECD heftig zur Wehr.[38] Indirekte Folge des Konfliktes war der Erlass des vermutlich schärfsten Anti-Korruptionsgesetzes der Welt, der UK Bribery Act.[39]

4. Monitoring

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Sämtliche Mitgliedstaaten der OECD-Konvention haben ihre Gesetze angepasst. Die Haupttätigkeit der OECD Working Group on Bribery, des zuständigen Komitees, besteht seither darin, Gesetzgebung und Rechtsanwendung regelmäßig zu überprüfen.[40] Dabei bedient sie sich eines ausgeklügelten Verfahrens der peer-evaluations. Inzwischen ist die Working Group on Bribery in die vierte Evaluationsrunde eingetreten. Der Hauptfokus liegt auf der Rechtsanwendung. Materielles und formelles Recht der Staaten werden differenziert analysiert und unter Umständen konkrete Entscheide öffentlich kritisiert. Die Evaluation folgt – in Abweichung vom allgemein anwendbaren Einstimmigkeitsprinzip nach dem Modell unanimity minus one.[41] Das überprüfte Land erhält zwar das Gehör, darf aber den Entscheid der Gruppe nicht blockieren. Die Ergebnisse werden zwingend veröffentlicht. Auch wenn die Empfehlungen der Working Group on Bribery nicht rechtlich verbindlich sind, werden die Evaluationsergebnisse von den Mitgliedsstaaten sehr ernst genommen.

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Die Verfahrensordnung sieht im Nachgang zur ordentlichen Evaluation mündliche und schriftliche follow-ups vor. Zudem enthält sie eine Reihe von „Strafevaluationen“, wenn ein Land die Anforderungen der Gruppe kontinuierlich nicht erfüllt (von politischer Intervention bis hin zur Wiederholung der Landesprüfung insgesamt).

5. Erweiterungen 2009 und 2019

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Aufgrund der politischen Lage ist an eine rechtlich verbindliche Ergänzung der Konvention (z.B. durch ein Zusatzprotokoll) nicht zu denken. Der Prozess ist stattdessen in Anlehnung an die Financial Action Task Force (FATF)[42] – mit soft law-Instrumenten (Ratsempfehlungen) vorangetrieben worden. Sie erlauben es, auch jenseits von strafrechtlichen Regeln, die OECD-Antikorruptionsnormen weiterzuentwickeln. Nachdem die letzte Reform der Empfehlung 2009/2010 stattfand,[43] ist gegenwärtig eine weitere Reform im Gange.[44] Neben Details zur strafrechtlichen Ausgestaltung werden die steuerrechtliche Behandlung von Bestechungszahlungen, die Whistleblower-Protection, Buchführungs- und Auditregeln, das öffentliche Vergabewesen und Exportkredite angesprochen.

6. Einschätzung

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Für die Compliance-Industrie sind die OECD-Konvention und die sie begleitenden Prozesse von größter Bedeutung. Sie generieren das größte Risiko der Verurteilung von Unternehmen.

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Daß die Umsetzung und Anwendung nach wie vor uneinheitlich ist, hat mit politischer Intervention zu tun: nennen wir es „Heimatschutz“. Es gibt Staaten, die prinzipiell Auslandskorruption kaum verfolgen (Japan) oder solche, die, wenn sie die nationalen „Kronjuwelen“ in Gefahr sehen, von Verfolgung plötzlich absehen (Schweden: im Falle Saab Grippen,[45] Frankreich: Total).

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Allerdings ist mit den Gesetzesänderungen in Frankreich (Loi Sapin II) und in Großbritannien (UK Bribery Act) und mit der Praxisänderung in Deutschland, Italien und der Schweiz Bewegung in die Rechtsanwendung geraten. Nunmehr riskieren Unternehmen Verfolgung nicht mehr alleine seitens der USA.

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Die OECD-Initiative ist deshalb besonders ausführlich dargestellt worden, weil sie den wohl unmittelbarsten Einfluss auf die weltweite Compliance-Industrie ausübt. Daneben ist eine ganze Reihe von regionalen Initiativen und vor allem die UN-Konvention entstanden.

II. Regionale Initiativen

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Bei diesen Initiativen ist wichtig, jeweils die Motivation zur Regelung näher zu betrachten; sie divergiert zum Teil erheblich.[46]

1. Organisation Amerikanischer Staaten (OAS)

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Nominell ist die OAS Antikorruptions-Konvention[47] die erste einer langen Reihe. Der Ausgangspunkt der Initiative war die Flucht einer Gruppe von untreuen Bankiers aus Venezuela in die USA. Bereits 1996 verabschiedeten die lateinamerikanischen Staaten im Rahmen der OAS ein Instrument, das zunächst die Rechtsannäherung zur Erleichterung der Auslieferung im Sinne hatte. Ziel war es insbesondere, die USA zur verstärkten Kooperation zu veranlassen.[48] Inzwischen hat sich der OAS-Prozess stark an die übrigen Instrumente angenähert. Er verfügt seinerseits über ein Monitoringverfahren.[49]

2. Europarat

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Der Europarat hat bereits 1999 sowohl ein Strafrechts- wie ein Zivilrechtsübereinkommen verabschiedet.[50]

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Die Motivation des Europarates zum Erlass von Normen gegen die Korruption ergibt sich am ehesten aus dem Zuschnitt der Instrumente: Sie haben einen klaren Fokus auf nationales Recht, einschließlich der Normen über Korruption im Geschäftsverkehr. Sie beabsichtigen eine Annäherung der Regeln in Europa, wohl ebenfalls um die Kooperation zu erleichtern. Im Übrigen hat das Instrument dazu beigetragen, die Anpassung der neuen EU-Länder an einen gemeinsamen Standard zu bewirken.

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Am überzeugendsten ist wohl das für den Europarat entwickelte Monitoring System: Unter dem Namen GRECO werden Staaten – anders als beim vertikalen Ansatz der OECD (nachdem das ganze Programm länderweise überprüft wird) – horizontal phasenweise alle Länder zu bestimmten Themen evaluiert.[51] Dabei befasst sich der Europarat – anders als etwa die OECD – auch mit Voraussetzungen der Demokratie, wie insbesondere den Risiken der Parteienfinanzierung.

3. EU

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Die Antikorruptions-Instrumente der EU haben das Ziel, die finanziellen Interessen (das Budget) der EU zu schützen. Nach einer Phase, in der das Antikorruptions-Recht im Rahmen der „3. Säule“ in völkerrechtlicher Form verankert war,[52] wurde es ins Gemeinschaftsrecht übergeführt.[53] Zur praktischen Bekämpfung von EU-Betrug, zudem auch der Korruption zum Schaden des Gemeinschaftsbudgets, wurde im Übrigen eine Sonderbehörde geschaffen. OLAF ist als EU-Agentur zu Kontrollen und zur Verfolgung von Missbräuchen zuständig.[54]

III. UN-Konvention (UNCAC)

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Nachdem frühere Versuche zu einer Antikorruptions-Konvention im Rahmen der UNO gescheitert waren (oben B. III.), schien die Zeit – nachdem diverse regionale Initiativen erfolgreich waren – reif für eine weltweite Initiative. Die 2003 verabschiedete United Nations Convention against Corruption (UNCAC)[55] geht das Problem der Korruption auf breitester Front an.[56] Die Konvention beginnt mit präventiven Bestimmungen (Kapitel II). Im strafrechtlichen Teil (Kapitel III) wird die nationale Amtsträgerbestechung, die Auslandsbestechung und (fakultativ) auch die Bestechung im Privatsektor angesprochen. Im Bereiche der Amtsträger-Bestechung werden (ebenfalls fakultativ) zusätzliche Formen neben der eigentlichen Bestechung nahegelegt (Handel mit Einfluss, Amtsmissbrauch und ungerechtfertigte Bereicherung). Im Übrigen enthält die Konvention die klassischen Zusatzbestimmungen zu Geldwäsche, Einziehung und Unternehmenshaftung. Die weiteren Kapitel der UNCAC befassen sich mit der internationalen Zusammenarbeit (Kapitel IV) und der Rückführung von veruntreuten Vermögenswerten (asset recovery, Kapitel V).

 

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Auch die UNCAC verfügt über eine Versammlung der Mitgliedstaaten (Conference of State Parties, COSP, Art. 63) und über ein Evaluationsverfahren.[57] Bislang hat sich das Monitoringverfahren aber noch als eher schwach erwiesen. Etliche Länder wehren sich gegen die Veröffentlichung ihres Berichts und diverse Länder verweigern Nichtregierungsorganisationen die Mitwirkung am Monitoring.

IV. Multilateral Development Banks

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Die sog. Multilateral Development Banks (MDBs oder IFIs) haben eine abrupte Kehrtwende hinter sich. Bis 1996 etwa stand die Weltbank den Antikorruptions-Initiativen äußerst skeptisch gegenüber. Der Rechtschef der Weltbank, Shihata, zögerte das Thema Korruption überhaupt anzusprechen, da er dies als politische Einmischung in die inneren Angelegenheiten der „Kunden“ (der Staaten) betrachtete. Der Weltbankpräsident Wolfensohn warf 1996 das Ruder jäh herum, als er am Jahrestreffen vom „cancer of corruption“ sprach.[58] In drastischen Worten schob er nach, es handle sich nicht um eine rein politische Angelegenheit: „that is bullshit – corruption is as much a political issue as it is an economic issue“.[59] Nun war das Eis gebrochen. Es sollte allerdings Jahrzehnte dauern, bis es der Weltbank und ihren regionalen Schwesterorganisationen gelungen war die Korruptionsstrategien in Alltagsgeschäft umzusetzen (man spricht von mainstreaming[60]).

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Unabhängig von den Antikorruptions-Strategien bei der Kreditvergabe haben alle Entwicklungsbanken (Weltbank, Interamerikanische Entwicklungsbank, Asiatische Entwicklungsbank, Afrikanische Entwicklungsbank, Europäische Entwicklungsbank) Sanktionsinstrumente geschaffen: In-house investigative Einheiten gehen, zusammen mit lokalen Polizeieinheiten in den Kreditnehmerstaaten, Missbräuchen nach,[61] sie übergeben den Fall anschließend einer bankinternen Stelle, die als erstinstanzliche Richterin amtet. Zum Teil gehen die integrity units aber auch gleich mit dem Unternehmen ein settlement ein. Einigt man sich nicht resp. nimmt das fehlbare Unternehmen die Sanktion des erstinstanzlichen Richters nicht an, geht der Fall an ein Sanctions Committee, das entweder ganz oder mehrheitlich mit externen Richtern besetzt ist. Das Sanctions Committee kann das Unternehmen (auf Zeit oder unbestimmt) von künftigen Aufträgen ausschließen (debarment). Das debarment kann von Auflagen abhängig auch bloß bedingt ausgesprochen werden (conditional debarment). Für Unternehmen besonders gravierend ist, daß die MDBs ab einem gewissen Schweregrad der Sanktion zwingend cross-debarment vereinbart haben: Wird ein Unternehmen von einer Entwicklungsbank ausgesperrt, schliessen sich alle anderen der Sanktion an.[62]

V. Transnational Public Policy

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Eine Vielzahl von großen Verträgen (zu denken ist insbesondere an Infrastrukturbauten, wie die Erstellung von Autobahnen, Brücken, Tunnels, Häfen oder Untergrundbahnen) werden mit Schiedsklauseln abgesichert. Streitigkeiten sind typischerweise der nationalen Justiz entzogen. Nachdem auf weltweiter Ebene Regeln gegen die transnationale und nationale Korruption entstanden sind, fragt sich, ob die Schiedsgerichtsbarkeit vom neuen Regelwerk ausgenommen ist.

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Tatsächlich bekunden Schiedsrichter Schwierigkeiten mit dem Thema Korruption (und verwandten Annexthemen wie der Geldwäsche).[63] Das ist insofern nachvollziehbar, als sie nicht über Zwangsmaßnahmen verfügen. Häufig aber zeigen sie geringes Interesse am Thema, weil sie sich weit eher den Parteiinteressen als internationalem öffentlichem Recht verpflichtet sehen.[64]

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Mit Inkrafttreten der OECD- und der UN-Konvention im Besonderen, hat sich die Lage allerdings verändert. Während man bislang in der Schiedsgerichtsbarkeit Illegalität des Grundvertrages dann berücksichtigt hatte, wenn sie vom anwendbaren Verfahrensrecht anerkannt war, hat sich mit den Konventionen ein weltweit anwendbarer Standard etabliert, der generell auch für Schiedsgerichte maßgebend wurde. Unter den Begriff der transnational public policy, gelegentlich auch als ordre public bezeichnet, wurde Korruption für Schiedsgerichtsbarkeit relevant: Im Rahmen der investment arbitration fehlt es an einer gültigen Investition, wenn sie von Anfang an durch Korruption zustande gekommen ist. Unter Umständen ist die Reaktion besonders harsch: Immer wieder haben Schiedsgerichte schlicht ihre Jurisdiktion verneint.[65]

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Wenn die Korruption nur die Vertragserfüllung betrifft oder im Rahmen der commercial arbitration auftritt, tendieren Schiedsgerichte generell dazu, die Beiträge der Parteien zur Illegalität abzuwägen und nach Maßgabe der Verantwortlichkeit der Parteien ausbalancierte Lösungen zu wählen.[66]

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Analysen der Spruchpraxis ergeben ein konfuses Bild.[67] Inzwischen sind verschiedene Initiativen lanciert worden, damit Schiedsgerichte nicht jedes Mal, wenn sie mit dem Thema konfrontiert werden, neue Regeln entwickeln müssen. Als hilfreich angesehen wird in der Branche der Toolkit for Arbitrators.[68]

D. Die Rolle des Privatsektors

I. Die Entwicklung der Compliance

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Mit der Intensivierung der wirtschaftlichen Globalisierung verdienen inzwischen große Unternehmen, aber auch etliche Mittelständler bis zu 50 % ihrer Einnahmen in der Exportwirtschaft. Damit ist das Risiko der Auslandsbestechung prominent geworden.[69] Compliance gilt als „Wunderwaffe“ gegen die Rechts- und Rufrisiken, die mit der Auslandsbestechung verbunden sind.[70]

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Compliance steht für die Techniken, die sicherstellen sollen, daß sich Mitarbeiter und Intermediäre an das nationale und das fremde Recht halten. Darüber hinaus sorgt Compliance für die Respektierung firmeninterner Regulierungen. Während Compliance für viele Unternehmen lange als nice to have galt, ist sie inzwischen zum must have geworden. Bei KMU muss die Funktion nicht unbedingt hausintern wahrgenommen werden. Sie kann auch nach außen delegiert werden. In gewissen Staaten ist die Antikorruptions-Compliance obligatorisch und Defizite sind als solche (verwaltungsrechtlich) strafbar.[71] Andernorts kann das fehlbare Unternehmen einen Strafnachlass für seriöse Compliance beanspruchen.[72]

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Compliance hat sich von einem Instrument zur Risikovermeidung[73] fortentwickelt. Sie gehört neben der Corporate Social Responsibility zu den Instrumenten der Corporate Governance, ist aber viel direkter mit dem Unternehmenszweck verbunden. Neuerdings ist oftmals von Ethics and Compliance die Rede, zumal in den USA.[74] Damit kommt die Erwartung zum Ausdruck, daß der Mitarbeiter sich vom Code of Conduct inspirieren lassen solle und sich jenseits der bloßen Regelbefolgung generell ethisch verhalten werde. In dieser Logik ist es, Compliance als Business Argument zu betrachten.[75]

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Compliance ist ein inhaltliches Programm. Es setzt aber auch eine Organisation voraus: Compliance Officers haben eine wichtige Stabsfunktion. Sie beraten die Linie, entscheiden aber selbst nicht. Hinzu kommen Verfahrensregeln, die für Transparenz sorgen und die Eskalation von Problemfällen ermöglichen sollen.[76]

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Compliance ist ein „offenes Gehäuse“.[77] Korruptionsprävention ist nur eines der Anliegen. Die Vermeidung von Geldwäsche ist ebenso zentral. Im Übrigen werden oftmals auch kartellrechtliche Bestimmungen und Regeln zur Sicherheit am Arbeitsplatz durch Compliance abgesichert.

II. Das Compliance-Programm

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Die klassischen Stationen des Antikorruptions-Compliance-Programmes beginnen bei der Risikoanalyse und der sog. risk map, die auf die besondere Größe, das Geschäftsfeld und den geografischen Tätigkeitsraum des Unternehmens Rücksicht nehmen.[78]

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Eine Reihe weiterer Schritte dient dazu, die corporate culture zu etablieren: Ein Code of Conduct umschreibt in abstrakter und in der Regel knapper Form die ethischen Prinzipien des Unternehmens. Der tone from the top[79] dient dazu, klarzustellen, daß die Unternehmensleitung zu den Prinzipien steht und auch bereit ist, denjenigen zu unterstützen, der ihnen in konkreten Konfliktlagen nachlebt. Zu Recht hat Moosmayer[80] darauf hingewiesen, daß es des buy in des middle management braucht, damit die corporate culture sich etablieren kann.

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Das eigentliche Regelwerk, das sich oft in einem Handbuch als Anhang zum Code of Conduct findet, muss sich einerseits mit Themen aus der Grauzone im Grenzbereich zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem und andererseits mit der Beziehung zu Dritten in der Lieferkette befassen.

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Im Rahmen der Antikorruptions-Compliance werden typischerweise drei Themen im Grenzbereich angesprochen:


facilitation payments,
hospitality und Geschenke und

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Facilitation payments wurden durch die FCPA und auch vom Text der OECD Konvention nicht erfasst. Ursprünglich ging man davon aus, daß kleine Zahlungen zur Förderung von gebundenem Verwaltungshandeln relativ harmlos seien. Inzwischen hat man eingesehen, daß es sich selten um Einzelhandlungen handelt. Facilitation Payments sind typischerweise Teil einer endemischen Korruptionskultur. Etliche OECD Staaten verfolgen daher inzwischen auch facilitation payments im Ausland.[82]

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Hospitality und Geschenke sind oftmals versteckte Bestechungsleistungen.[83] Wenn es sich um richtige Bagatellen handelt, die sozial akzeptiert sind, werden sie aber typischerweise von der Strafbarkeit ausgenommen.

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Politische Beiträge, insbesondere zur Parteienfinanzierung, werden oftmals unter dem Titel der legal corruption abgehandelt. Sie können aber demokratische Strukturen fundamental in Frage stellen, wenn sie nicht klaren Regeln folgen (insbesondere Transparenzvorschriften).[84]

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In über 80 % der bekannten großen internationalen Bestechungsfälle haben sich Unternehmen zur Bestechung Dritter, sog. Intermediäre, bedient.[85] Selbst wo im Anstellungsvertrag mit dem Agenten Bestechung ausdrücklich verboten wird, dienen solche Intermediäre oft dazu, illegale Zahlungen weiterzureichen.[86] Schon bei der Auswahl der Intermediäre hat das Unternehmen besondere Sorgfalt walten zu lassen. Sodann muss die Compliance Abteilung anhand von Listen von sog. red flags die vom Unternehmen beschäftigten business partners kritisch beobachten.[87] Agenten sind eine der häufigsten unternehmensinternen Konfliktzonen zwischen der Compliance Abteilung und der Linie. So hat sich Statoil im Iran-Geschäft[88] oder Och-Ziff im Kongo[89] fragwürdiger Intermediäre bedient. In beiden Fällen haben die Unternehmen große Strafzahlungen leisten müssen. Insgesamt muss das Unternehmen bei der Auswahl, der Beschäftigung und der Beaufsichtigung von Intermediären (insbesondere auch von sog. sales representatives) besondere Sorgfalt walten lassen.

 

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Eine Reihe weiterer Vorkehrungen dienen der Umsetzung des Compliance-Programms: Zunächst müssen die Mitarbeiter und die Intermediäre regelmäßig geschult werden. Bei großen Unternehmen mit stark wechselnder Belegschaft wird elektronische Schulung im Vordergrund stehen, bei KMU die face to face-Schulung.[90]

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Die Compliance-Abteilung hat eine wichtige Funktion bei der Beratung der Mitarbeiter im Alltag.[91] Sodann bedarf es Kontrollvorkehrungen. In diesen Kontext gehören auch die Whistleblower-Portale und der arbeitsrechtliche Schutz von Whistleblowern.[92]

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Schließlich ist zu bedenken, daß Compliance-Programme regelmäßig an veränderte regulatorische Vorgaben und an neue Risikolagen angepasst werden müssen.[93]