Ius Publicum Europaeum

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2. Die Auswirkungen auf Ausbildungsinhalte und -einrichtungen sowie wissenschaftliche Veröffentlichungen

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Zeitgleich mit der Zunahme der Verwaltungsrechtsvorlesungen (in denen dem Europarecht ein immer größerer Stellenwert zukommt) wurden an den juristischen Fakultäten neue Lehrveranstaltungen eingeführt, z.B. „Europäische Institutionen“ oder „Materielles Gemeinschaftsrecht“. Im Titel einiger Masterstudiengänge firmiert jetzt das „Europarecht“, meist im Zusammenhang mit „öffentlichem Recht“ oder „Völkerrecht“. Einige sind der „europäischen Rechtsvergleichung“ gewidmet, allerdings, Irrtümer oder aktuelle Entwicklungen vorbehalten, gibt es keinen zum „europäischen Verwaltungsrecht“.

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Die Zukunft scheint der Schaffung integrierter, von mehreren Universitäten getragener Studiengänge zu gehören. Als Beispiel sei hier der Master of European Governance and Administration (MEGA) der Universitäten Potsdam und Paris I in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern genannt.[169] Auch wenn dieser Master als „Ausbildung zukünftiger Führungskräfte für den öffentlichen Dienst“ und nicht rechtswissenschaftlich angelegt ist, lohnt sich seine Erwähnung, weil er zwangsläufig auf die von der Verwaltungswissenschaft aufgeworfenen Fragen verweist.[170] Wie soll im Zeitalter der governance die Lehre eines europäischen Verwaltungsrechts aussehen? Mit dieser Frage sind, auf die eine oder andere Weise, die länderübergreifenden Forschergruppen konfrontiert, an denen auch die französischen Verwaltungsrechtler, Professoren und Praktiker teilnehmen.[171] Dem sei nur noch hinzugefügt, dass sich infolge dieser Sensibilisierung für das Thema die traditionelle verwaltungsrechtliche Literatur[172] für Publikationen zum „europäischen Verwaltungsrecht“ geöffnet hat.[173]

3. Das Zusammenspiel zwischen nationaler und europäischer Verwaltungsrechtswissenschaft

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Die Sonderausgabe der Zeitschrift AJDA[174] von 1996 erschien mit einem Untertitel, der übersetzt lautet: „Von wechselseitigen Einflüssen zur Perspektive eines europäischen Verwaltungsrechts: Stand der heutigen Diskussion“. Während Jürgen Schwarze nach den Konvergenzen und Divergenzen suchte, behandelte ein anderer deutscher Professor, Eberhard Schmidt-Aßmann, die „Wechselbeziehungen zwischen nationalen Rechtsordnungen und europäischem Verwaltungsrecht“. Er unterschied vier europäische Normkategorien (das Recht der Verwaltung auf Gemeinschaftsebene, gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die nationale Verwaltung, Verwaltungsrecht sonstigen völkervertraglichen Ursprungs sowie das mitgliedstaatliche Verwaltungsrecht) und betonte die Vielfalt an Formen gegenseitiger Beeinflussung. Er beklagte den Mangel an Strukturierung und fuhr fort: „Wenn die Verwaltungsrechtswissenschaft eine Systematisierungsaufgabe hat, dann findet sie hier ihre Spielwiese!“ Jean-Claude Bonichot, Mitglied des Conseil d’État und universitärer Lehrbeauftragter, kam zu einer ähnlichen Schlussfolgerung: „Die Herausforderung der Juristen von morgen besteht in der Vielfalt der Rechtssysteme mit ihrer jeweils eigenen Logik und Organstruktur.“ Wenn die Aufgabe also identifiziert und Gegenstand von Publikationen ist,[175] so muss gleichwohl bezweifelt werden, dass man sie im Jahre 2010 auch schon gemeistert hat!

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Innerhalb des Ganzen war die Gemeinschaftsverwaltung für sich schon eine Herausforderung, die sicher ihrerseits in Frankreich nicht immer auf Gegenliebe stieß und einige Enttäuschung verursachte. In der Tat nennt diese Verwaltung,[176] gelinde gesagt, einige Funktionsweisen ihr Eigen, deren Logik ähnlich irritierend erscheinen mochte, wie die eines Stammes mit fremdartigen Gebräuchen. Dies trieb auch den Conseil d’État noch in seinem Jahresbericht 2007 um.[177]

4. Die Entwicklung der Rechtsvergleichung und die Frage einer Reform des Verwaltungsrechts

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Die Geschichte zeichnet das Bild einer Verwaltungsrechtswissenschaft, die ohne die Auseinandersetzung mit anderen Rechtstraditionen, insbesondere der englischen und der deutschen, nicht zu dem geworden wäre, was sie im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war. Heute ist die Perspektive diejenige eines europäischen Verwaltungsrechts, bislang noch im Wesentlichen verstanden als „Erkundung dessen, was man als Verwaltungsrechtsgemeinschaft bezeichnen kann, in der sich die europäischen Staaten um einige grundsätzliche Richtungsentscheidungen scharen“. Dies geschieht durch „Beschreibung der Analogien, Unterschiede und wechselseitigen Beeinflussungen der verschiedenen Rechtsordnungen“,[178] entweder aus einer allgemeinen Perspektive, um zum Verständnis der jeweiligen rechtlichen Grundbegriffe und zu deren Annäherung beizutragen,[179] oder zu speziellen Einzelthemen, wie z.B. der Verwaltungsgerichtsbarkeit (ein Modethema).[180] In diesem Kontext dominiert die Theorie von der Konvergenz der Rechtsordnungen, weil alle Verwaltungsrechtsordnungen, so wird behauptet, dem gleichen Prozess der Europäisierung unterlägen und die zu lösenden Probleme sich überall glichen. Aus diesem Anlass macht man sich auch Gedanken über die Positionierung Frankreichs im Wettbewerb der Rechtssysteme.[181]

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Gewiss, man kann manchen Gebrauch der Rechtsvergleichung in Frage stellen:[182] „Das rechtsvergleichende Argument ist immer selektiv, häufig zurechtgebogen, sehr häufig instrumentalisiert zur Selbstbestätigung.“[183] Allerdings ist auch festzuhalten, dass in den großen kontinentaleuropäischen Rechtskulturen, der deutschen, spanischen und italienischen, „zweifellos das französische Verwaltungsrechtssystem als historisch bedeutender Beitrag angesehen [wird], aber auch als heute überholt und ergänzungsbedürftig um die Errungenschaften anderer Rechtsordnungen, z.B. der deutschen und spanischen, insbesondere auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit und des Grundrechtsschutzes.“[184] Letzteres ist auch der Standpunkt Eberhard Schmidt-Aßmanns. Für ihn steht es zu erwarten, dass das europäische Verwaltungsrecht dem Einzelnen eine stärkere Rolle im Verhältnis zur Verwaltung zuweist, „entgegen der alten französischen Konzeption, die das Verwaltungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft prägte. Damit werden mittelbar auch die dahinter stehenden Werte des heutigen deutschen Verwaltungsrechts übernommen, das am Individualrechtsschutz ausgerichtet ist.“[185]

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Die Sache scheint also ausgemacht. Aber vielleicht müsste man doch etwas eingehender auf das Beispiel Frankreichs zurückkommen, als das hier möglich war: „Die Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft ist ein weites Forschungsfeld, das noch bestellt werden muss, aber reiche Ernte verspricht.“[186] Gleichzeitig ist die Frage nach einer Reform des Verwaltungsrechts unumgänglich. Intensiven Nachdenkens bedarf dabei die Methodenfrage, insbesondere die notwendige rechtsvergleichende Dimension, worüber freilich die Reformziele nicht aus dem Blick geraten dürfen. Intuitiv richtig scheint das Plädoyer für eine Verwaltungsrechtswissenschaft als Leitwissenschaft, mit dem Anspruch, gesellschaftliche Prozesse wirksam zu steuern.[187] Allerdings mag es auch für Irritationen bei Juristen vom Schlage eines Charles Eisenmann sorgen, der seinen Vorlesungen vorauszuschicken pflegte, dass „der theoretische oder wissenschaftliche Impetus deutlich gegenüber praktischen und anwendungsorientierten Anliegen im Vordergrund“ steht.[188] Keinen Widerspruch wird man demgegenüber mit den Thesen ernten, es sei wichtig, „die Konzepte des Verwaltungsrechts und der öffentlichen Verwaltung“ zu überdenken, einen „Perspektivenwechsel im Verwaltungsrecht“ einzuleiten und zudem „das methodologische Selbstverständnis der Verwaltungsrechtswissenschaft im Allgemeinen und ihrer Beziehungen zu den Nachbardisziplinen im Besonderen“ zu erhellen.[189]

Erster Teil Landesspezifische Ausprägungen › § 59 Wissenschaft vom Verwaltungsrecht: Frankreich › Bibliographie

Bibliographie


Patrick Arabeyre/Jean-Louis Halpérin/Jacques Krynen (Hg.), Dictionnaire historique des juristes français. XIIe-XXe siècle, 2007.


Jean-Bernard Auby/Jacqueline Dutheil de la Rochère (Hg.), Droit administratif européen, 2007.


Grégoire Bigot, Introduction historique au droit administratif depuis 1789, 2002.


François Burdeau, Histoire du droit administratif (de la Révolution au début des années 1970), 1995.


Jacques Caillosse, La constitution imaginaire de l’administration, 2008.


Sabino Cassese, La construction du droit administratif. France et Royaume-Uni, 2000.


Olivier Cayla/Jean-Louis Halpérin (Hg.), Dictionnaire des grandes œuvres juridiques, 2008.


Jacques Chevallier, Science administrative, 42007.


Pierre Legendre, Histoire de l’Administration de 1750 à nos jours, 1968; Neuveröffentlichung unter dem Titel: Trésor historique de l’État en France, l’Administration classique, 1992.


Fabrice Melleray (Hg.), L’argument de droit comparé en droit administratif français, 2007.


Jean-Louis Mestre, Introduction historique au droit administratif français, 1985.

Anmerkungen

[1]

 

Der Beitrag wurde aus dem Französischen übersetzt von Matthias Kottmann. Die Überschrift ist einer Darstellung von François Burdeau, Histoire du droit administratif (de la Révolution au début des années 1970), 1995, S. 105 (Übersetzung), entnommen.

[2]

Dabei ist zu beachten, dass es „notwendigerweise eine Wechselwirkung oder gar eine innere Verknüpfung zwischen dem imaginären Konstrukt der sogenannten Rechtswissenschaft und der Rechtspraxis“ gibt, so Olivier Jouanjan über sein Buch „Une histoire de la pensée juridique en Allemagne 1800–1918“, Droits 42 (2006), S. 153 (Übersetzung), mit Anmerkungen von Olivier Beaud, Otto Pfersmann und Jacky Hummel.

[3]

Pierre Legendre, Histoire de l’Administration de 1750 à nos jours, 1968; Neuausgabe unter dem Titel „Trésor historique de l’État en France, l’administration classique“, 1992, ergänzt um verschiedene weitere Aufsätze, u.a. „La royauté du droit administratif“.

[4]

Prosper Weil/Dominique Pouyaud, Le droit administratif, 212007, S. 17 (Übersetzung).

[5]

Wie soll man also über diese „Wissenschaft“ berichten? Von welchem Standpunkt aus? Auf die Gefahr hin, den Leser zu enttäuschen, werden wir diese grundlegende Frage der Methode beiseite lassen. Damit sei gleichzeitig eingestanden, dass im Falle Frankreichs, zu dem wir hier einige Einblicke zu vermitteln hoffen (was dazu aus Sicht eines Nicht-Historikers gesagt und beobachtet werden kann), der Methodenfrage zu wenig Beachtung geschenkt wurde und immer noch wird. Hätte man, um einen häufig benutzten Begriff aufzugreifen, Paradigmen identifizieren, den Übergang von einem zum anderen dokumentieren und so nach Art Thomas Kuhns die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen freilegen sollen? Gewiss! Allerdings ist „Paradigma“ auch ein mehrdeutiger Begriff. Hat ihn Kuhn am Ende nicht selbst aufgegeben, lieber von „disziplinärer Matrix“ gesprochen und damit auf ein seinerseits noch komplexeres und schwerer handhabbares Konzept verwiesen?

[6]

Legendre (Fn. 3), S. 513. Derselbe schreibt auf S. 510, dass sich bei der Entstehung des Verwaltungsrechts unter der monarchie administrative „in Frankreich und unter liberalen Vorzeichen die Meisterleistung wiederholt, die ursprünglich einmal von der mittelalterlichen Kanonistik erbracht wurde und die damals zur Begründung der ersten zentralisierten und absolutistischen Rechtsordnung geführt hat, dem öffentlichen Recht der römisch-katholischen Kirche“ (Übersetzung). An den Einfluss des Letzteren hat einst Gabriel Le Bras, Les origines canoniques du droit administratif, in: L’évolution du droit. Études en l’honneur d’Achille Mestre, 1956, S. 395 ff., erinnert.

[7]

Z.B. Jean-Louis Mestre, Introduction historique au droit administratif français, 1985.

[8]

Mestre (Fn. 7), S. 159ff.

[9]

Vgl. Nicole Dyonet, Nicolas Delamare, in: Cayla/Halpérin (Hg.), Dictionnaire des grandes œuvres juridiques, 2008, S. 120; Benoît Plessix, Nicolas Delamare ou les fonctions du droit administratif français, Droits 38 (2003), S. 113.

[10]

Zitiert bei Mestre (Fn. 7), S. 166 (Übersetzung). Auszug eines 1789 veröffentlichten Artikels über den Begriff „Verwaltung“.

[11]

Zitiert bei Jacques Chevallier, Science administrative, 42007, S. 11 (Übersetzung).

[12]

Burdeau (Fn. 1), S. 40 (Übersetzung).

[13]

Grégoire Bigot, Introduction du droit administratif depuis 1789, 2002, S. 41 (Übersetzung).

[14]

Burdeau (Fn. 1), S. 111.

[15]

Jean-Louis Mestre, Aux origines de l’enseignement du droit administratif: le Cours de législation administrative de Portiez de l’Oise (1808), RFDA 1993, S. 239.

[16]

Legendre (Fn. 3), S. 30.

[17]

Mit dieser Formulierung Sabino Cassese, La construction du droit administratif. France et Royaume-Uni, 2000, S. 27 (Übersetzung).

[18]

Jean-Jacques Clère, Louis-Marie Cormenin, in: Arabeyre/Halpérin/Krynen (Hg.), Dictionnaire historique des juristes français. XIIe-XXe siècle, 2007, S. 206.

[19]

Yves Gaudemet/Bernard Stirn/Thierry Dal Farra/Frédéric Rollin, Les grands avis du Conseil d’État, 22002, S. 8 (Übersetzung).

[20]

Grégoire Bigot, La dictature administrative au XIXème siècle: théorie historique du droit administratif (définir le droit administratif/2), RFDA 2003, S. 435; ders., Les bases constitutionnelles du droit administratif avant 1875 (définir le droit administratif/1), RFDA 2003, S. 218 (jeweils Übersetzung).

[21]

Näher Cassese (Fn. 17), S. 43ff. Cassese zeigt im Einzelnen auf, welche Faszination England ausübte und welche Rolle dies bei der Entwicklung der Verwaltungsrechtswissenschaft spielte.

[22]

Zitiert bei Legendre (Fn. 3), S. 34 (Übersetzung).

[23]

Beaud (Fn. 2), S. 163, 174.

[24]

Pierre Legendre, Méditation sur l’esprit libéral. La leçon d’Edouard de Laboulaye, Juriste, témoin, RDP 1971, S. 85.

[25]

Jean-Étienne-Marie Portalis, De l’usage et de l’abus de l’esprit philosophique durant le 18ième siècle, Erstveröffentlichung post mortem 1820, Nachdruck der 3. Aufl. von 1834, 2007 (Übersetzung).

[26]

Zitiert bei Burdeau (Fn. 1), S. 121 (Übersetzung). Vgl. weiter: „Die öffentliche Gewalt kennt also keine inhärenten Grenzen als diejenigen, die ihr durch ihre Zielsetzung gesteckt sind und die durch die politische Verantwortung der Regierung gesichert werden.“ Unter diesen Bedingungen kommt das Verwaltungsrecht nur zum Vorschein, wenn das Verwaltungshandeln mit Individualrechten kollidiert“ (Übersetzung).

[27]

Cassese (Fn. 17), S. 26 (Übersetzung).

[28]

Legendre (Fn. 3).

[29]

Sabino Cassese, Une des formes de l’État nouveau du monde. Réflexions sur le droit administratif français, AJDA 1995, Numéro spécial du cinquantenaire: Le droit administratif. Des principes fondateurs à l’effectivité de la règle: bilan et perspectives d’un droit en mutation, S. 167: „Also, so scheint es, darf die Existenzberechtigung des Verwaltungsrechts nicht in diesem selbst gesucht werden, in seiner eigenen Gerichtsbarkeit und dessen besonderen Befugnissen, wie es in der französischen Rechtskultur üblich ist, sondern außerhalb, in dem Umstand, dass die Bürokratie eine fundamentale Position erworben hat und die administrative Gewalt als gegenüber der exekutiven autonom anerkannt ist“ (Übersetzung).

[30]

Legendre (Fn. 3), S. 28 (Übersetzung).

[31]

Burdeau (Fn. 1), S. 115 (Übersetzung). Dareste veröffentlichte 1862 sein Werk Traité de contentieux administratif.

[32]

Jean-Jacques Clère, Rodolphe Dareste, in: Arabeyre/Halpérin/Krynen (Fn. 18), S. 231 (Übersetzung).

[33]

Louis-Antoine Macarel, zitiert bei Burdeau (Fn. 1), S. 120 (Übersetzung).

[34]

Zitiert bei Legendre (Fn. 3), S. 35 (Übersetzung).

[35]

Dies verdeutlicht zum Beispiel die im Jahre 1849 erfolgte Ablehnung eines Planes, der „an allen juristischen Fakultäten eine Ausbildung im öffentlichen Recht und im Verwaltungsrecht, einschließlich der Grundlagen politischer Ökonomie und Statistik“, vorsah. Legendre (Fn. 3), S. 35, stellt dazu fest: „Es war die Zeit, in der die Vorstellungen Auguste Comtes über die Evolution der Gesellschaften, die gleichsam Naturgesetzen gehorchen sollte, große Verbreitung fanden“ (Übersetzung).

[36]

Bigot (Fn. 20), S. 439f. (teilweise Übersetzung).

[37]

Bigot (Fn. 13), S. 97, Kommentar zu dem Urteil in der Rechtssache Landrin, in dem der Conseil d’État am 4.5.1826 einen Erlass, der von einem Präfekten „getätigt [wurde] in Überschreitung seiner Zuständigkeit“, aufgehoben hat. Die dem Urteil zugeschriebene Bedeutung wird heftig bestritten von Jean-Louis Mestre, L’arrêt Landrin, acte de naissance du recours pour excès de pouvoir?, RFDA 2003, S. 211ff., welcher der Ansicht ist, dass hierfür genauso gut frühere Urteile zitiert werden könnten.

 

[38]

Bigot (Fn. 13), S. 158 (Übersetzung), der aber in der Folge die „Grenzen des objektiven Rechtsschutzes“ unterstreicht (S. 169): Damit die Klage zulässig ist, muss der angefochtene Akt „ein Recht und nicht nur ein einfaches Interesse“ verletzen.

[39]

Clère (Fn. 18), S. 206f. (Übersetzung)

[40]

Jean-Jacques Clère, Joseph-Marie de Gérando, in: Arabeyre/Halpérin/Krynen (Fn. 18), S. 362f.

[41]

Ausführlich zum Werk Foucarts Mathieu Touzeil-Divina, Eléments d’histoire de l’enseignement du droit public: la contribution du Doyen Foucart (1799–1860), 2007.

[42]

Burdeau (Fn. 1), S. 110 (Übersetzung).

[43]

François Burdeau, Droit administratif, in: Alland/Rials (Hg.), Dictionnaire de la culture juridique, 2003, S. 423 (Übersetzung).

[44]

Dazu Burdeau (Fn. 1). An seine Ausführungen über ein scheinbar goldenes Zeitalter schließt er sein Kapitel III über die „Krise des Verwaltungsrechts“ an. Zu dieser noch unten Rn. 40.

[45]

Da das Gesetz vorsah, dass der „Conseil d’État letztverbindlich über Verwaltungsstreitigkeiten und Nichtigkeitsklagen wegen Kompetenzüberschreitung gegen Akte der verschiedenen Verwaltungsbehörden [befindet]“, bedurfte es einer dritten Institution, um eventuelle Kompetenzkonflikte zu entscheiden.

[46]

„[L]a responsabilité qui peut incomber à l’Etat pour les dommages causés aux particuliers par le fait des personnes qu’il emploie dans le service public ne peut être régie par les principes qui sont établis dans le code civil pour les rapports de particulier à particulier“. Urteil vom 8.2.1873, veröffentlicht im Recueil Lebon, Teil 2, S. 61.

[47]

René Chapus, Responsabilité publique et responsabilité privée. Les influences réciproques des jurisprudences administrative et judiciaire, 1954, S. 86.

[48]

Marceau Long/Prosper Weil/Guy Braibant, Les grands arrêts de la jurisprudence administrative, 1956.

[49]

Pascale Gonod, A propos des Grands arrêts de la jurisprudence administrative, in: Juger l'administration, administrer la justice, Mélanges en l’honneur de Daniel Labetoulle, 2006, S. 441.

[50]

Wie erwähnt zeigen diese auf, dass unter dem Zweiten Kaiserreich eine „Explosion der recours pour excès de pouvoir“ stattfand, aber auch, dass auf dem hier fraglichen Gebiet der außervertraglichen Haftung schon Lösungen gefunden waren, die das Blanco-Urteil lediglich aufgriff.

[51]

Grégoire Bigot, Les mythes fondateurs du droit administratif, RFDA 2000, S. 527.

[52]

Laut Burdeau (Fn. 1) das „erste Meisterwerk der Verwaltungsrechtswissenschaft“ (S. 323), das „lange Zeit das Standardwerk für die Mitglieder des Conseil bleiben sollte“ (S. 330; jeweils Übersetzung).

[53]

Zitat nach Burdeau (Fn. 1), S. 334: Die Verwaltung handelt „mittels Anordnungen oder in Ausübung hoheitlicher Gewalt“, wenn sie Gesetze vollzieht, die Funktionsweise des service public regelt, ihre polizeilichen Aufgaben erfüllt; privatrechtlich handelt die Verwaltung in ihrer Eigenschaft als „Betreiber und Bewirtschafter von Versorgungseinrichtungen [services publics]“, z.B. in Form von Verträgen („selbstverständlich verfolgen auch diese Allgemeinwohlziele, aber ohne hoheitliche Intervention“; Übersetzung).

[54]

Vgl. dazu unten Rn. 52.

[55]

Pascale Gonod, Édouard Laferrière, in: Arabeyre/Halpérin/Krynen (Fn. 18), S. 450f.

[56]

Pascale Gonod, Édouard Laferrière un juriste au service de la République, Librairie Générale de Droit et de Jurisprudence 1997, S. 224. Bigot (Fn. 13), S. 215, hat Laferrière gegenüber eine differenziertere Meinung. So weist er nach, dass jener beständig von der „Verletzung des Gesetzes und individueller Rechte“ sprach und sich nicht von überkommenen Vorstellungen lösen konnte. Er ist der Ansicht, dass entgegen der vorherrschenden Meinung der recours pour excès de pouvoir bis Anfang des 20. Jahrhunderts – namentlich bis die Rechtsprechung die Rechtsverletzung als Zulässigkeitsvoraussetzung durch die Beeinträchtigung eines bloßen Interesses ersetzt (Casanova-Urteil von 1901) – keine große Bedeutung erlangt. Weiterhin zeigt er auf (S. 221), dass vor dem Ende der 1880er Jahre „kaum Innovationen in der Rechtswissenschaft zu verzeichnen“ sind. Th é ophile Ducrocq (1829–1913), Verfasser eines Cours de droit administratif (11862; 71905) veranschaulicht diese These: Er bricht nicht mit einer traditionellen Vorstellung, die den Staat als Träger öffentlicher Gewalt und als Privatrechtssubjekt auffasst (z.B. 7. Aufl., Bd. 4, S. 11).

[57]

Siehe unten Rn. 20ff.

[58]

Vgl. insbesondere diejenige von Jean Romieu zur Rechtssache Terrier von 1903 (als „großes Urteil“ in dem Werk, das in Fn. 48 zitiert wird, aufgeführt), also zu Beginn des „goldene[n] Zeitalter[s] der Rechtsprechung in den ersten 30 Jahren des Jahrhunderts“ (Bigot [Fn. 13], S. 226, Übersetzung).

[59]

La théorie de la personnalité morale et son application en droit français (2 Bde., 1906/1909).

[60]

Contribution à la théorie générale de l’État (2 Bde., 1920 und 1922).

[61]

René Jacquelin, Une conception d’ensemble du droit administratif, 1899, neu veröffentlicht mit einer Darstellung von Norbert Foulquier 2006 in RFDA, S. 524ff. (Übersetzung).

[62]

Jean-Michel Blanquer, Maurice Hauriou, in: Arabeyre/Halpérin/Krynen (Fn. 18), S. 396. (Übersetzung).

[63]

Éric Maulin, Maurice Hauriou, in: Cayla/Halpérin (Fn. 9), S. 246.

[64]

Katia Weidenfeld, Léon Duguit, in: Cayla/Halpérin (Fn. 9), S. 142.

[65]

Léon Duguit, Manuel de Droit Constitutionnel, 31918, S. 73: „[C]’est toute activité dont l’accomplissement doit être assuré, réglé et contrôlé par les gouvernants, parce que l’accomplissement de cette activité est indispensable à la réalisation et au développement de l’interdépendance sociale, et qu’elle est de nature telle qu’elle ne peut être réalisée complètement que par l’intervention de la force gouvernante“.

[66]

Auch wenn die Individuen und die Regierenden nicht denselben Regeln unterworfen sind, so gibt es doch keine pointierte Gegenüberstellung. Dementsprechend erscheint die Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht zweitrangig. Gleichwohl müssen für den service public „spezielle rechtliche Theorien“ gelten. Für Duguit war die Vorstellung, dass öffentliche Aufgaben durch Private erledigt werden, nicht begründbar. Ausführlich Evelyne Pisier, Le service public dans la théorie de l’État de Léon Duguit, 1972, S. 266ff.

[67]

Die Institution ist eine personnalité morale, eine tatsächliche Gegebenheit, die ihren Ursprung in Gewohnheiten (mœurs) und sozialen Verhaltensweisen hat. An diese tatsächliche Gegebenheit knüpft die Rechtspersönlichkeit (personnalité juridique) an, gleichsam als „technisches Hilfsmittel“ zur Ermöglichung von Rechtsbeziehungen oder als eine „rechtliche Maske“.

[68]

Burdeau (Fn. 1), S. 331.

[69]

Jacques Chevallier, La fin des écoles?, RDP 1997, S. 679.

[70]

Chevallier (Fn. 69), S. 686, spricht (im Gefolge von Carré de Malberg) auch von einer Straßburger Schule und verweist unter anderem auf Charles Eisenmann (1903–1980). Auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts ist dieser sicherlich einer der wenigen, die (im Sinne des zitierten Artikels) ein wirkliches Interesse an der Rechtswissenschaft hatten; auf ihn werden wir noch zurückgekommen (unten Rn. 33 und 38).

[71]

Die Zunahme der öffentlichen Aufgaben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führten auf Seiten der Rechtsprechung zur Anerkennung von services publics in privater Hand und der privatrechtlichen Erledigung öffentlicher Aufgaben.

[72]

Krise deshalb, weil die von der Dogmatik angebotene Definition der zunehmend schwer einzuordnenden Rechtsprechung keine Rechnung trug.

[73]

Jean-Claude Venezia, Gaston Jèze et le service public, Revue d’histoire des Facultés de droit et de la science juridique 1991, S. 101 (Übersetzung). Ebenso aufschlussreich wäre das Beispiel Bonnards, der sich um den Entwurf eines subjektiven Begriffs des öffentlichen Rechts bemüht hat (Norbert Foulquier, Les droits subjectifs des administrés. Émergence d’un concept en droit administratif français de XIXe au XXe siècle, 2003, S. 539ff., spricht ihm eine Führungsrolle zu).

[74]

La documentation française (Hg.), Service public, services publics: déclin ou renouveau?, Rapport public du Conseil d’État, 1994, S. 15 (Übersetzung).

[75]

Ebd.: „[…] Etat pour qui le droit n’est plus seulement un instrument de la puissance publique, mais aussi un instrument pour mener à bien les missions dont il est investi au service de la collectivité.“

[76]

Jean-Jacques Bienvenu, Le droit administratif: une crise sans catastrophe, Droits 4 (1986), S. 96 (Übersetzung).

[77]

Jean Rivero, Les deux finalités du service public industriel et commercial, Cahiers juridiques de l’électricité et du gaz, Sonderausgabe Nr. 500, 1994, S. 375 (Übersetzung).

[78]

Vgl. dazu unten Rn. 50.

[79]

William Bélime, Philosophie du droit, ou cours d’introduction à la science du droit, 1869, zitiert bei Gilles Guglielmi, La notion d’administration publique dans la théorie juridique française. De la révolution à l’arrêt Cadot (1789–1989), 1990, S. 306 (Übersetzung).

[80]

Ebd., S. 307 (Übersetzung).

[81]

Siehe Association française pour la recherche en droit administratif (Hg.), La personnalité publique. Actes du colloque organisé les 14 et 15 juin 2007 par l’Association française pour la recherche en droit administratif, 2007, insbesondere den einleitenden Bericht von Michel Fromont, der gleichwohl zu der Schlussfolgerung kommt, dass „wir Zeuge einer verborgenen Subjektivierung werden“ (Rapport introductif, S. 1, 9; Übersetzung). Dazu noch unten Rn. 52.

[82]

Im engeren und ursprünglichen Sinn ist es das Recht, das in den Bereichen anwendbar ist, die der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit unterliegen. Im weiteren Sinne ist es das Recht der Verwaltung. Welcher Definition soll man den Vorzug geben?

[83]

René Chapus, Droit administratif général, Bd. 1, 152001, S. 9 (Übersetzung).

[84]

Jacques Caillosse, Quel droit administratif enseigner aujourd’hui?, Revue administrative 2002, S. 343 und S. 454 (Übersetzung).

[85]

Man kann Eberhard Schmidt-Aßmann nur zustimmen, wenn er auf die Bedeutung der von ihm so genannten „Referenzgebiete“ hinweist: Principes de base d’une réforme du droit administratif, Partie 1, RFDA 2008, S. 427, 441f.

[86]

Vgl. Bernard Chenot (Mitglied des Conseil d’État, der auch eine Lehrveranstaltung mit demselben Titel am Institut d’Études Politiques de Paris hielt), L’organisation économique de l’État, 1951; André de Laubadère, Droit public économique, 1973 (Titel einer 1970 in den rechtswissenschaftlichen Fakultäten eingeführten Vorlesung).