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Als der General Piré fort war, schickte Napoleon ein Regiment leichter Cavallerie, eine Abtheilung deutscher Reiterei, die bairische Division Werde und die Division Molitor über die Isar, um den Erzherzog Ludwig zu verfolgen, und außerdem wurden 20,000 Mann in kleinen Abtheilungen zwischen der Donau und Isar so aufgestellt, daß sich die äußersten Flügel an Neustadt und Landshut lehnten. Dann schickte er in entgegengesetzter Richtung durch das Thal der großen Laber den General St. Sulpice mit vier Kürassierregimentern, den General Bandamme mit seinen Würtembergern, den Marschall Lannes mit den sechs Kürassierregimentern des General Nansouty und den zwei Divisionen Morand und Gudin.

Es ward Befehl gegeben die ganze Nacht zu marschiren, um Mittag in der Nähe von Eckmühl Halt zu machen, eine Stunde zu rasten und dann anzugreifen.

Napoleon selbst führte die drei Divisionen Massena’s und die Kürassierdivision des General Espagne.

Davoust hatte etwa 35,000 Mann; die Generale Vandamme und St. Sulpice führten ihm 13- bis 14,000, Lannes 25,000, Napoleon 10- bis 12,000 Mann zu; es war also eine Truppenmasse von etwa 75,000 Mann, die der Erzherzog Carl zu bekämpfen hatte. Der österreichische Oberfeldherr faßte nach viertägigem Zögern den Entschluß, auf der französischen Operationslinie dasselbe Manöver zu versuchen, das Napoleon auf der seinigen ausgeführt hatte. Vor Allem sollte Abach angegriffen werden. Da die Kürassiere des General Montbrun, nachdem sie am 19. bei Dingling gekämpft, in Abach geblieben waren und mit den leichten österreichischen Truppen fortwährend scharmützirten, so glaubte der Prinz Carl eine beträchtliche Truppenmacht vor sich zuhaben, obgleich er es nur mit dem Pivot der Armee zu thun hatte, der erst die äußerste Rechte gewesen, nun aber die äußerste Linke geworden war, so wie die französische Nachhut während der ganzen Zeit, wo Napoleon von Abensberg nach Landshut marschirte, die Vorhut wurde, sobald er sich von Landshut gegen Eckmühl wandte.

Um dem General Kolowrat mit dem Rest des böhmischen Armeecorps Zeit zu lassen, über die Donau zu gehen, sollte der Angriff erst zwischen zwölf und ein Uhr Mittags stattfinden, und dies war, wie erwähnt, gerade die Zeit, wo sich Napoleon auf Eckmühl werfen wollte.

Zu dieser Bewegung sollten zwei Colonnen verwendet werden: eine von 24,000, die andere von 12,000 Mann, die von verschiedenen Seiten anrücken sollten, während die dritte, 40,000 Mann starke, aus dem Corps des General Rosenberg, dem Hohenzollernschen Corps und der Reserve bestehend, Befehl erhielt, während des Vorrückens der beiden andern unbeweglich zu bleiben.

Die Streitkräfte, über die der Prinz Carl am 22. April hätte verfügen können, und die er von dem wahren Kampfplatze entfernte, um ein anderes Schlachtfeld zu suchen, das er nicht fand, waren also die 24,000 Mann des General Kolowrat und die 12,000 Mann des Fürsten Johann von Liechtenstein.

Der 36,000 Mann starke rechte Flügel des Erzherzogs sollte also angreifen. der linke, 40,000 Mann stark, sollte sich auf die Defensive beschränken.

Unter diesen Vorbereitungen verging die Nacht. Am andern Morgen war das Wetter trübe, ein dichter Nebel bedeckte die ganze Ebene und verschwand erst gegen neun Uhr.

Dem General Kolowrat mußte, wie oben erwähnt, Zeit gelassen werden, über die Donau zu gehen. Dieser Uebergang wurde erst gegen Mittag vollendet. Bis dahin hatte man nicht einen einzigen Musketenschuß gehört. Die beiden Armeecorps wollten sich eben, das eine gegen Abach, das andere gegen Paising in Marsch setzen, als man plötzlich einen fürchterlichen Kanonendonner in der Richtung von Burghausen hörte.

Die ganze von Napoleon geführte französische Armee rückte nun gegen Eckmühl. Napoleon hatte nicht nöthig gehabt, das verabredete Zeichen zu geben, denn der Feind empfing ihn mit einem furchtbaren Kartätschenhagel Die Würtemberger, welche die Vorhut bildeten, wurden anfangs durch dieses Geschützfeuer und den damit verbundenen Cavallerieangriff zum Weichen gebracht. Aber Vandamme stellte sich an ihre Spitze und die Divisionen Morand griffen im Sturmschritt an; das Dorf Lintach und die neuen Ankömmlinge vereinigten ihren linken Flügel mit der Division Demont und mit den Tags vorher vorausgeschickten Baiern.

Als der Kanonendonner begann, schob Davoust seine beiden Divisionen vor, die das Zeichen seit einer Stunde mit Ungeduld erwartet hatten. Unter dem furchtbaren Kartätschenfeuer derselben zogen sich die Oesterreicher zurück und empfingen die sie verfolgende Division St. Hilaire mit einem überaus lebhaften Gewehrfeuer; aber sie hatten es mit alten Soldaten zu thun, die an das Feuer gewöhnt waren, und es entbrannte ein höchst hartnäckiger Kampf das zehnte leichte Infanterieregiment verlor in fünf Minuten 500 Mann. Dieser Kampf fand auf einem Plateau unweit eines Waldes statt; in diesen Wald schickte der General Friant seine Division, welche den Feind mit dem Bajonnet auf die nach Eckmühl führende Straße zurückwarf.

Der Kampf wurde nun allgemein. Das Corps des General Rosenberg suchte sich auf der Landstraße gegen den ungestümen Angriff dreier Regimenter zu behaupten; aber die von den französischen Kürassieren unterstützte baierische Reiterei stürmte über die Wiesen heran, und die würtembergische Infanterie, die nach dem zweiten Angriff das Dorf Eckmühl genommen hatte, drang mit solcher Gewalt vor, daß die ganze feindliche Infanterie die Landstraße aufgeben und die Höhen ersteigen mußte.

Aber auch hier wurden sie auf Napoleons Befehl von Lannot, der schnell über die große Laber ging, in der linken Flanke angegriffen. Aus ihrer Stellung vertrieben, zogen sich die österreichischen Generale auf ein anderes Plateau zurück und schickten ihre leichte Reiterei gegen die bairische und würtembergische Reiterei, die vollständig geworfen wurde. Der glänzende Erfolg dieses ungestümen Cavallerieangriffs schien der Sache eine ganz neue Wendung geben zu wollen; aber kaum waren die Bundesgenossen der Franzosen auseinandergesprengt, so griffen die französischen Kürassiere an, durchbrachen die feindliche leichte Cavallerie und erreichten die Höhe der Landstraße in dem Augenblicke, als die Infanterie Gudin’s ebenfalls die Anhöhe erreichte. Das Fußvolk, welches den herrlichen Cavallerieangriff gesehen hatte, klatschte in die Hände und ließ die Kürassiere hoch leben.

Zugleich warf der General St. Hilaire eine andere feindliche Truppenabtheilung von der bewaldeten Anhöhe auf die schon überfüllte Landstraße. Die Verwirrung war unbeschreiblich; die Oesterreicher zogen sich rasch hinter ihre Kürassiere zurück, die bei Egloffsheim, etwa eine Meile von dem eigentlichen Kampfplatz, in Schlachtordnung aufgestellt waren.

Nun rückten auch die französischen Truppenmassen in die Ebene, die Cavallerie in der Mitte, die Infanterie an den Flügeln. Die Cavallerie bestand aus den bairischen und würtembergischen Regimentern und aus den Kürassierregimentern Nansouty und St. Sulpice. Die Erde erzitterte unter den Hufschlägen dieser fünfzehntausend Pferde. Die Divisionen Friant und St. Hilaire durch den bereits erkämpften Sieg begeistert, drangen fast eben so schnell wie die Cavallerie vor.

Der Zusammenstoß dieser Masse mit der ihr entgegen stürmenden österreichischen Cavallerie war furchtbar. Es war schon sieben Uhr Abends, im April die Stunde der Dämmerung.

Es war ein erbitterter, unerhörter Kampf, Mann focht gegen Mann, und jeden Augenblick fanden sich neue Gegner zusammen. Husaren, Chevaulegers, Kürassiere, Baiern, Würtemberger, Oesterreicher, Franzosen schlugen in der Dunkelheit fast aufs Gerathewohl darauf los, nur die aus den Säbeln und Panzern sprühenden Funken erhellten eine Stunde lang die Nacht.

Plötzlich wogte die ganze Reitermasse, wie ein See, der seinen Damm durchbrechen hat, in der Richtung von Regensburg fort. – Der letzte Wall war durchbrochen, der letzte Widerstand besiegt.

Die österreichischen Kürassiere, die den Harnisch nur vorn tragen, waren verloren, als sie den Feind hinter sich hatten. Mehr als 2000 lagen von hinten getroffen, todt auf der Landstraße.

Napoleon gab Befehl, den Kampf zu beendigen; man konnte leicht auf die zweite, noch frische und in Schlachtordnung aufgestellte Armee des Erzherzogs stoßen, und das wäre zu viel gewagt gewesen.

Der Kaiser hatte seinen Plan schon entworfen: setzte sich der Feind vor Regensburg fest, so sollte am folgenden Tage eine zweite Schlacht geliefert werden; ging er über die Donau, so sollte ihn eine beträchtliche Truppenmasse verfolgen.

Auf dem Schlachtfelde sollte bivouaquirt werden. Die Soldaten waren todmüde; die von Landshut gekommenen waren von Tagesanbruch bis Mittag marschirt und hatten von Mittag bis acht Uhr Abends gekämpft. Die drei Divisionen Massena waren erst um drei Uhr Nachmittags angekommen und hatten keinen Theil an dem Kampfe genommen.

Es war ein heißer Tag gewesen, der Sieg, obschon nur etwa 28,000 Oesterreicher gegen 65,000 Franzosen ins Gefecht gekommen waren, theuer erkauft worden. Napoleons Verlust betrug 2500 Mann, der Feind verlor 6000 Mann an Todten und Verwundeten, 3000 Gefangene und 25 bis 30 Kanonen.

Davoust erwarb sich in dieser Schlacht den Titel eines Fürsten von Eckmühl, und Napoleon das Recht einige Stunden zu schlafen.

Es war übrigens zu vermuthen, daß Erzherzog Carl keine neue Schlacht anbieten, sondern über die Donau gehen werde, und dieser Uebergang sollte ihm möglichst erschwert werden. Napoleon hatte richtig vermuthet; der Erzherzog traf in der Nacht seine Vorkehrungen. Auf seinem Marsche gegen Paising überfallen, war er zeitig genug gekommen, um Zeuge der Einnahme des Dorfes Eckmühl zu seyn, aber zu spät, um die rückgängige Bewegung seiner Truppen aufzuhalten. Es hatte nur ein Theil der Armee an dem Kampfe theilgenommen, aber die Soldaten waren so entmuthigt, daß eine Schlacht mit der Donau im Rücken ein zu großes Wagniß gewesen wäre, zumal da die österreichische Cavallerie nicht zahlreich genug war, um die Ebene zwischen Egloffsheim und Regensburg mit Erfolg zu vertheidigen.

 

Es war also mit Sicherheit zu vermuthen, daß der Erzherzog wieder über die Donau gehen werde. Es waren zwei Uebergangspunkte: die steinerne Brücke bei Regensburg und die von der böhmischen Armee mitgebrachte Schiffbrücke.Den Rückzug deckte dann natürlich das Armeecorps des General Kolowrat, dessen Strapazen sich auf den Marsch nach Abach beschränkt hatten.

Um drei Uhr Morgens begann die Armee des Erzherzogs zu defilieren und über die beiden Brücken zu geben. Das ganze Kolowrat’sche Corps stand vor der Stadt, um diese Bewegung zu maskiren und zu decken, vorn die Cavallerie, hinten die Infanterie und Artillerie.

Man war bei Tagesanbruch auf einen Angriff gefaß, und man täuschte sich nicht: um vier Uhr war Napoleon zu Pferde. Sobald der Tag graute, rückte die leichte Cavallerie vor, um zu ermitteln, ob man eine Schlacht zu liefern oder einen Rückzug zu verfolgen habe. Die österreichische Cavallerie ließ ihr nicht Zeit zu Beobachtungen, sie griff die französische Reiterei mit der Erbitterung braver Soldaten an, welche die gestrige Scharte auswetzen wollten.

Es begann nun wieder ein Reitergefecht, wie das von der Nacht unterbrochene. Die österreichischen Reiter zogen sich kämpfend gegen die Stadt zurück; sie lenkten die Aufmerksamkeit der Franzosen auf sich, um den Grenadieren und der übrigen Infanterie Zeit zu lassen, über die Schiffbrücke zugehen und das andere Ufer zu erreichen. Endlich merkten einige Husaren was vorging; sie eilten zum Marschall Lannes und zeigten ihm das Hauptheer, welches unterhalb Regensburg über die Donau ging.

Lannes zog sogleich seine ganze Artillerie herbei, errichtete eine Batterie und beschoß die Schiffbrücke mit Vollkugeln und die Stadt mit Haubitzen Nach einer Stunde war die Brücke zerstört, gegen 1000 Mann waren gefallen oder im Wasser umgekommen, und die brennenden Fahrzeuge wurden die Donau hinunter getrieben.

Kolowrat hielt sich indeß in seiner imposanten Stellung vor der Stadt, er ließ der Armee des Prinzen Carl Zeit zum Defiliren und warf die französischen Voltigeurs zurück. Die Stadt hatte nur eine Mauer und einen Graben. Napoleon befahl die Mauern zu ersteigen, er wollte dem Prinzen Carl nicht Zeit lassen, die steinerne Brücke in die Luft zu sprengen; er brauchte sie, um den Erzherzog zu verfolgen.

Vierzig Kanonen wurden in einer Viertelstunde zu Batterien vereinigt, und sofort wurden die Mauern mit Vollkugeln, die Stadt mit Haubitzen beschossen.

Napoleon näherte sich auf halbe Büchsenschußweite der Stadtmauer, die mit österreichischen Tirailleurs besetzt war. Vergebens baten ihn seine Adjutanten sich zurückzuziehen, er wollte keinen Schritt zurückgehen. Plötzlich sagte er so gelassen wie ein Fechtmeister, der von einem Rapierstoß spricht:

»Genossen!«

Berthier, der ihm nicht von der Seite ging und immer für eine zahlreiche Umgebung sorgte, eilte erschrocken auf ihn zu.

»Ich hatte es Ihnen ja gesagt, Sire!« rief er; »es ist das Seitenstück zu Abensberg . . .«

»Ja,« erwiederte Napoleon; »nur mit dem Unterschiede, daß er in Abensberg zu hoch, in Regensburg hingegen zu tief gezielt hat.«

Am 13. Mai hielt Napoleon seinen Einzug in Wien.

Ein Trommler der Garde betrachtete, den Schnurrbart drehend, die Hofburg und sagte:

»Dies ist also das alte Haus Oesterreich, von dem uns der Kaiser so viel erzählt hat?«

VIII.
Der Student und der Bevollmächtigte

Mittwochs den 11. October 1809, das ist gerade fünf Monate nach der Einnahme Wiens durch den Kaiser Napoleon, ritt ein Offizier von etwa vierzig Jahren, mit freien, offenen Gesichtszügen auf der Landstraße von Altenburg nach Wien. Er trug österreichische Generalsuniform. Zwei Adjutanten und ein Reitknecht folgten ihm.

Aus der edlen Offenheit seines Gesichtes und aus der Klarheit seines Blickes konnte man schließen, daß nach Gall’s phränologischem System List und Schlauheit unter seinen Vorzügen oder Mängeln – nachdem man die Sache vom diplomatischen oder vom moralischen Standpunkte betrachtet – eine sehr untergeordnete Stelle einnahm. Dessen ungeachtet war in seinen Zügen tiefer Unmuth zu lesen.

Die beiden Adjutanten, welche anfangs zu beiden Seiten des Generals ritten, bemerkten seine Verstimmung und blieben etwas zurück, um ihn nicht zu stören und ungehindert mit einander plaudern zu können. Der Reitknecht, der ein Pferd am Zügel führte, folgte ihnen etwa in gleicher Entfernung.

Es war gegen vier Uhr Nachmittags, und die Sonne begann sich zu neigen. Als die Reiter sich näherten, stand ein junger Mann, der vermuthlich an der Landstraße ausgeruht, plötzlich auf und trat vor, um den General sammt Gefolge nahe an sich vorüberreiten zu lassen.

Der junge Mann war von mittlerer Größe, hatte langes blondes Haar, blaue Augen und einen noch schwachen, flaumartigen Schnurrbart. Sein Blick hatte einen düstern Ausdruck, der nicht die Folge einer besonderen Veranlassung, sondern Gewohnheit zu seyn schien. Er trug eine schwarze Kappe, kurzen Ueberrock knappe graue Beinkleider und hohe schlaffe Stiefel, wie sie damals unter den Studenten Mode waren.

Die Bewegung, die er bei der Annäherung des Generals machte, schien anzudeuten, daß er ihn um etwas zu bitten oder zu fragen hatte. Er sah den General mit einem flüchtigen Blick an und sagte zu ihm:

»Herr Graf . . . haben Ew. Excellenz; die Gewogenheit mir zu sagen, ob ich noch weit von Wien bin?«

Der General war so in Gedanken vertieft, daß er den Unbekannten nicht verstand. Der Letztere wiederholte seine Frage.

»Drei Meilen,« antwortete der General sehr freundlich. .

»Herr Graf,« setzte der junge Mann mit fester Stimme hinzu, als ob er eine abschlägige Antwort gar nicht für möglich gehalten hatte, »ich bin am Ziele einer langen Reise und sehr ermüdet. Ich muß diesen Abend in Wien seyn; würden mir Ew. Excellenz gütigst erlauben, das Pferd zu besteigen, das Ihr Reitknecht am Zügel führt?«

Der General sah den jungen Mann aufmerksamer an, als das erste Mal und erkannte in ihm wahrscheinlich einen Mann von feiner Bildung, denn er erwiederte:

»Sehr gern, mein Herr . . . Johann,« rief er seinem Diener zu, »gib das Handpferd . . . Ihr Name?«

»Einem ermüdeten Reisenden, Herr Graf,« antwortete der junge Mann

»Einem ermüdeten Reisenden,« wiederholte der General mit einem Lächeln, welches bewies, daß er das Incognito, das sein Reisegefährte bewahren zu wollen schien, nicht verletzen wollte.

Johann gehorchte, und der junge Mann bestieg unbekümmert um die etwas spöttischen Blicke der beiden Adjutanten das Pferd mit einer Leichtigkeit, welche bewies, daß er der Reitkunst keineswegs fremd war.

Er schien es auch nicht für schicklich zu halten neben einem Bedienten zu reiten, denn er ritt dem letzteren voraus und war mit den beiden Adjutanten bald in einer Reihe.

Der Graf hatte Alles gesehen.

»Herr Musensohn!« rief er ihm nach einer Weile in heiterer Laune zu.

»Herr Graf,« antwortete der junge Mann sein Pferd antreibend.

»Geht Ihr Wunsch, im tiefsten Incognito zu reisen, soweit, daß Sie nicht neben mir reiten wollen.«

»Nein, Excellenz,« antwortete der blinde Passagier; »aber ich habe kein Recht zu einer solchen Vertraulichkeit und überdies würde ich fürchten, Ew. Excellenz in Ihren ernsten Betrachtungen zu stören.«

Der General sah den jungen Mann mit noch größerer Neugier an, als zuvor.

»Sie nennen mich: Herr Graf,« sagte er; »Sie wissen also meinen Namen?«

»Ich glaube,« antwortete der Student, »daß ich die Ehre habe, zur Seite des Herrn Generals Grafen von Bubna zu reiten.«

Der General nickte, um anzudeuten, daß der junge Reisende sich nicht irrte, und erwiederte:

»Sie sprachen von ernsten Betrachtungen . . . Sie wissen also weshalb ich nach Wien gehe?«

»Wenn ich nicht irre, gehen Ew. Excellenz nach Wien, um mit dem Kaiser der Franzosen directe Friedensuntershandlungen anzuknüpfen . . .«

»Entschuldigen Sie, mein lieber Herr,« sagte der Graf von Bubna lachend, »Sie haben sich von meiner Disceretion überzeugt, als es sich um Ihr Incognito handelte; aber Sie werden zugeben, daß wir nicht mehr auf dem Fuße der Gleichheit sind: ich weiß nicht wer Sie sind und was Sie in Wien zu thun haben, Sie hingegen wissen nicht nur wer ich bin, sondern auch weshalb ich nach Wien gehe.«

»Ew. Excellenz,« erwiederte der Student, »dürfen nur einen Blick auf meinen Anzug werfen und sich meiner gehorsamsten Bitte erinnern, sich zu überzeugen, daß ich tief unter Ihnen stehe.«

»Aber Sie kennen mich doch,« entgegnete der Graf von Bubna; »Sie wissen was ich in Wien zu thun habe?«

»Ich kenne Ew. Excellenz, weil ich Sie zu Abensberg und Regensburg, wo ich mich als Dilettant befand, mitten im Feuer gesehen habe. Ich weiß, was Ew. Excellenz in Wien zu thun haben, weil ich von Altenburg komme, wo die Conferenzen zwischen den österreichischen und französischen Bevollmächtigten gehalten worden und weil das Gerücht geht, der Kaiser, des langen Zögerns müde, lasse Sie zu sich in das Schloß Dotis kommen, um Sie zum Bevollmächtigten zu ernennen.«

»Ich muß gestehen, Herr Musensohn, daß Sie sehr gut unterrichtet sind; aber erlauben Sie mir, daß ich in Ermanglung Ihres Vertrauens meinen Scharfblick geltend mache: an Ihrer Aussprache errathe ich, daß Sie ein Baier sind.«

»Ja, Herr Graf; ich ein von Eckmühl.«

»Wir sind also Feinde?«

»Feinde!« erwiederte der Student erstaunt, »darf ich fragen, was Ew. Excellenz meinen?«

»Wir haben ja gegen einander gekämpft.«

»Als ich Ew. Excellenz in Abensberg und Regensburg sah,« entgegnete der Student, »kämpfte ich keineswegs gegen Sie, so lange Sie Krieg führen, sind wir keine Feinde, aber wir können’s werden, wenn Sie Frieden schließen.«

Der Graf sah seinen Reisegefährten scharf und forschend an.

»Herr Student,« sagte er nach einer Pause, »Sie wissen, daß Alles in dieser Welt Glück und Unglück ist: der Zufall hat uns zusammengeführt, der Zufall wollte, daß mein Diener ein Pferd am Zügel führte, der Zufall hat es gefügt,daß Sie ermüdet waren und das leere Pferd zu besteigen wünschten. Ein Anderer würde es Ihnen, als einem Unbekannten, abgeschlagen haben; ich habe Ihnen die Bitte gewährt, wie einem Freunde.

Der Student verneigte sich.

»Sie sind traurig und niedergeschlagen,« fuhr der Graf fort; »ist Ihre Betrübniß von der Art, daß ich Sie trösten kann? Ist Ihr Unglück von der Art, daß Ihnen zu helfen ist?«

»Ew. Excellenz sehen wohl,« erwiederte der junge Mann mit tiefer Schwermuth, »daß ich nichts vor Ihnen voraus habe und daß Sie mich eben so gut kennen wie ich Sie kenne. Sie haben nichts mehr zu fragen: Sie kennen meine Heimat, meine Gesinnung, mein Herz . . .«

»O ja, ich habe noch etwas zu fragen, denn ich wiederhole meine Frage: Kann ich Sie trösten? kann ich Ihnen helfen?«

Der junge Mann schüttelte den Kopf.

»Nein, Herr Graf, mein Schmerz ist nicht zu heilen, meinem Unglück nicht abzuhelfen.«

»Ich merke schon, junger Manns erwiederte der Graf, »Sie haben eine Herzensangelegenheit . . .«

»Ja, Herr Graf, aber diese Herzensangelegenheit ist nicht mein einziger Kummer.«

»Das ist möglich: aber ich antworte, daß dies Ihr größtes Unglück ist.«

»Ein. Excellenz haben vollkommen Recht.«

»Ist Ihre Geliebte treulos?«

»Nein.«

»Oder todt.«

»Wollte Gott, daß sie todt wäre!«

»Also ist Ihre Geliebte . . .?«

»Sie ist von einem französischen Offizier entehrt worden.«

»Ach! das arme Kind!« sagte der Graf von Bubna und reichte seinem Reisegefährten die Hand zum Zeichen seiner doppelten Theilnahme, die er ihm und dem unglücklichen Mädchen widmete.

»Und was ist aus ihr geworden?« fuhr er weniger aus Neugier als aus wahrer Theilnahme fort.

»Sie hat mit ihrem Vater und ihrer jüngeren Schwester, einem neunjährigen Kinde, die Heimat verlassen; ich habe die Familie in das Badische begleitet, wo sie ihren Namen und ihre Schmach zu verbergen hofft; ich komme soeben von dort her.«

»Ja Fuß?«

»Ja. Ew. Excellenz werden sieh nun nicht mehr wundern, daß ich ermüdet bin, daß ich, nach Wien eilend, Ihre Güte in Anspruch genommen habe.«

»Ich verstehe,« erwiederte der Graf; »der Mann, der Ihre Geliebte entehrt hat, ist in Wien?«

»Und auch der Mann, der mein Vaterland entehrt hat,« sagte der Student, aber so leise, daß ihn der General nicht verstehen konnte.

»Zu meiner Zeit wurden auf den deutschen Universitäten derlei Angelegenheiten mit dem Degen ausgefochten,« sagte der Graf, auf die muthmaßliche Absicht seines jungen Reisegefährten anspielend.

 

Aber der Student antwortete nicht.

»Sie sprechen mit einem Soldaten,« fuhr der Graf fort, »mit einem Manne, der wohl weiß, daß jede Beleidigung Genugthuung fordert und daß man einen Mann, wie Sie sind, nicht ungestraft beleidigt . . . Sie gestehen, daß Sie nach Wien gehen, um dem Mann, der Ihre Geliebte entehrt hat, das Leben zu nehmen . . .«

»Um ihm das Leben . . .«

»Es versteht sich, als Ehrenmann,« unterbrach ihn der Graf, »im ehrlichen Zweikampf auf Degen oder Pistolen.«

»Ich kenne den Mann nicht, ich habe ihn nie gesehen. . . ich weiß nicht wie er heißt.«

»So! dann gehen Sie also nicht um seinetwillen nach Wien?«

»Ich glaube Ew. Excellenz gesagt zu haben, daß meine Herzensangelegenheit mich nicht allein beschäftigt.«.

»Nach der andern Angelegenheit will ich nicht fragen,« sagte der Graf.

»Ew. Excellenz haben Recht, denn ich würde sie Ihnen nicht sagen.«

»Sie wollen mir also nichts weiter mittheilen?«

»Worüber?«

»Ueber Sie, über Ihre Absichten, Ihre Hoffnungen. . .«

»Meine Hoffnungen? ich habe keine mehr; meine Absichten sind die Ihrigen, nur mit dem Unterschiede, daß Sie Oesterreich den Frieden bereiten wollen, ich hingegen den Frieden der Welt will. Ich bin ein armer Student, der nichts vermag, von dem die Welt nichts weiß, obgleich sein Name vielleicht einst bekannt werden wird.«

»Und diesen Namen wollen Sie mir nicht sagen?«

»Herr Graf, ich möchte so früh als möglich in Wien;eintreffen; wollen Sie gütigst erlauben, daß ich vorausreite? »In diesem Falle bitte ich Ew. Excellenz mir zu sagen, in welchem Hotel Sie absteigen, und der Diener, der Ihnen das Pferd bringen wird, soll Ihnen auch meinen verbindlichsten Dank und meinen Namen sagen.«

»Das Pferd, das Sie reiten, gehört Ihnen, Herr Musensohn,« erwiederte der Graf, »ich wohne im *** Hotel; wenn Sie mir etwas mitzutheilen haben, so werden Sie mich daselbst finden.«

»Dann behüte Sie Gott, Herr Graf,« sagte der Student und ritt im Galopp voraus.

Er erreichte bald die Vorstadt, dann das Glacis und er blickte die alterthümliche befestigte Stadt. Auf dem Gacis wandte er sich links und hielt vor einem kleinen Hause der Vorstadt Mariahilf an. Er klopfte dreimal an die verschlossene Hausthür, die sich aufthat, und sich sogleich wieder hinter ihm schloß, als er sich mit seinem Pferde im Hofe befand.

Aber in dem Augenblicke, als der Graf von Bubna ebenfalls die Vorstadt erreichte und von seinen beiden Adjutanten und dem Reitknecht gefolgt, den Weg zu dem Hotel nahm, that sich die Thür des kleinen Hauses in Mariahilf wieder auf, der Student, der eine halbe Stunde zuvor hineingeritten war, kam zu Fuß heraus, ging, alle Kaufläden aufmerksam beobachtend, eine Weile an den Häusern fort und trat endlich in den Laden eines Messerschmiedes.

Hier ließ er sich Messer von verschiedenen Formen zeigen und kaufte endlich ein langes Messer mit schwarzem Griff.

Dann begab er sich wieder in das kleine Haus, wo er, eingekehrt war, und während ein Diener das Pferd des Grafen von Bubna mit Stroh rieb, schliff der junge Mann, das Messer auf einem Schleifstein, und wahrscheinlich um sich zu überzeugen, ob die Klinge spitz und scharf genug sey,»l. schnitt er einen Bleistift, trennte ein Blatt Papier aus seiner Schreibtafel los und schrieb darauf:

»Sr. Excellenz dem Herrn Grafen von Bubna, im *** Hotel,

Sein dankbarer und ergebenster Diener
Friedrich Staps.«

Zehn Minuten nachher war das Pferd im Stalle des Hotels und das Billet in den Händen des Grafen.