Tasuta

Der Chevalier von Maison-Rouge

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

XXXII.
Der Schwur

Maurice schauerte; er streckte die Hand nach der Rue Saint-Jacques aus.

»Es brennt!« sagte er, »es brennt.«

»Nun ja,« versetzte Lorin, »es brennt, und was hernach?«

»Oh! mein Gott, mein Gott, wenn sie zurückgekommen wäre!«

»Wer dies?«

»Geneviève.«

»Geneviève, das ist Madame Dirmer, nicht wahr?«

»Ja, sie ist es.«

»Es ist nicht zu befürchten, daß sie zurückgekommen ist, deshalb war sie nicht weggegangen.«

»Lorin, ich muß sie wiederfinden, ich muß mich rächen.«

»Oh! oh1« versetzte Lorin.

 
»Tyrann hinnieden und in hohen Sphären
Braucht Amor Weihrauch nicht auf den Altären.«
 

»Du hilfst mir sie wiederfinden, nicht wahr Lorin?«

»Bei Gott! das wird nicht schwierig sein.«

»Und wie?«

»Allerdings, wenn Du Dich, so sehr als ich glauben muß, für das Schicksal der Bürgerin Dirmer interessierst, so mußt Du sie auch kennen, und wenn Du sie kennst, mußt Du wissen, wer ihre vertrautesten Freunde sind; sie wird Paris nicht verlassen haben; sie haben alle die Wuth, hier zu bleiben; sicherlich hat sie sich zu irgend einer Vertrauten geflüchtet, und morgen erhältst Du durch irgend eine Rosa oder eine Marthon ein kleines Billet, ungefähr in folgenden Worten:

 
Will Mars Cythere wiederfinden,
So borge von der Nacht er ihre Azurtinten
 

und finde sich bei dem Concierge, Straße so und so, Nummero so und so ein, und frage nach Madame Dreigestirn.«

Maurice zuckte die Achseln; er wußte wohl, daß Geneviève Niemand hatte, zu dem sie sich flüchten konnte.

»Wir werden sie nicht wiederfinden,« murmelte er.

»Erlaube mir, Dir etwas zu sagen, Maurice,« versetzte Lorin.

»Was?«

»Es wäre vielleicht kein so großes Unglück, wenn wir sie nicht wiederfänden.«

»Wenn wir sie nicht wiederfinden, Lorin, so sterbe ich.«

»Ah, Teufel!« sprach der junge Mann, »das ist also jene Liebe, an der Du bereits beinahe gestorben wärest?«

»Ja,« antwortete Maurice.

Lorin dachte einen Augenblick nach und sagte dann:

»Maurice, es ist ungefähr elf Uhr; das Quartier ist öde und verlassen; hier steht eine steinerne Bank, welche ausdrücklich zur Aufnahme von zwei Freunden angebracht worden zu sein scheint. Bewillige mir die Gunst einer Privatunterredung, wie man unter dem alten Regime sagte, Ich gebe Dir mein Wort, daß ich nur in Prosa sprechen werde.«

Maurice schaute umher und setzte sich dann auf Bank. Lorin schaute ebenfalls umher und setzte sich neben seinen Freund.

»Sprich,« sagte Maurice, indem er seine beschämte Stirne in seine Hand fallen ließ,

»Höre, lieber Freund, ohne Eingang, ohne Umschreibung, ohne Erläuterung sage ich Dir Folgendes: wir stürzen uns in das Verderben, oder vielmehr Du stürzest uns in das Verderben.«

»Wie so?« fragte Maurice.

»Theurer Freund, es gibt einen gewissen Beschluß des Wohlfahrtsausschusses, welcher für einen Verräther ans Vaterland Jeden erklärt, der Verbindungen mit den Feinden des genannten Vaterlandes unterhält. Wie! kennst Du diesen Beschluß?«

»Allerdings,« antwortete Maurice.

»Du kennst ihn?«

»Ja.«

»Nun wohl, mir scheint, Du bist nicht übel Verräther am Vaterland. Was sagst Du dazu?«

»Lorin!«

»Ganz gewiß, wenn Du nicht etwa als Vergöttern des Vaterlandes diejenigen betrachtest, welche Wohnung Tisch und Bett dem Herrn Chevalier von Maison-Rouge geben, der, wenigstens wie mir scheint, kein überspannter Republikaner und für den Augenblick durchaus nicht beschuldigt ist, er habe die Septembertage gemacht.«

»Ah! Lorin,« versetzte Maurice, einen Seufzer ausstoßend.

»Deshalb,« fuhr der Moralist fort, »deshalb kommt es mir vor, als wärest Du ein wenig zu sehr der Freund eines Feindes des Vaterlandes gewesen, als wärest Du blos noch. Ruhig, ruhig, empöre Dich nicht, theurer Freund, Du bist wie der selige Enkelados, Du würdest einen Berg von der Stelle rücken, wenn Du Dich umdrehtest. Ich wiederhole Dir also, empöre Dich nicht und gestehe ganz einfach, daß Du kein Eifriger mehr bist.«

Lorin sprach diese Worte mit der ganzen Sanftheit, der er fähig war, und indem er mit einer völlig ciceranischen Kunstfertigkeit darüber hinschlüpfte.

Maurice begnügte sich, durch eine Gebärde zu protestieren.

Doch die Gebärde wurde für nicht geschehen erklärt und Lorin fuhr fort:

»Oh! wenn wir in einer von jenen Treibhaustemperaturen lebten, in einer ehrlichen Temperatur, wo der Thermometer nach den Regeln der Botanik unveränderlich 16i Grade anzeigte, so würde ich Dir sagen: Mein lieber Maurice, das ist elegant, das ist geschmackvoll; seien wir von Zeit zu Zeit ein wenig Aristokraten, das thut wohl und riecht gut. Doch wir kochen heut zu Tage in 35 bis 40 Grad Wärme, das Tischtuch brennt, so daß man nur lau ist; bei dieser Wärme scheint man kalt zu sein; ist man kalt, so ist man verdächtig; Du weißt das, Maurice, und wenn man verdächtig ist. . . Du hast zu viel Verstand, mein lieber Maurice, um nicht zu wissen, was man dann bald ist, oder vielmehr nicht mehr ist.«

»Nun wohl, so tödte man mich, und die Sache nehme ein Ende!« rief Maurice; »auch gut, ich bin des Lebens müde.«

»Seit einer Viertelstunde,« sagte Lorin; »in der That, das ist noch nicht lang genug, daß ich Dich in diesem Punkte nach Deinem Willen handeln lassen sollte; und dann begreifst Du, wenn man heutigen Tages stirbt, muß man als Republikaner sterben, während Du als Aristokrat sterben würdest.«

»Oh! Oh!« rief Maurice, dessen Blut sich durch den ungeduldigen Schmerz, der aus dem Bewußtsein der Schuld entspringt, zu entflammen anfing; »oh! oh! Du gehst zu weit mein Freund.«

»Ich werde noch weiter, gehen, denn ich sage Dir im Voraus, wenn Du Aristokrat wirst . . .«

»So zeigst Du mich an?«

»Pfui doch! Nein, ich schließe Dich in einen Keller ein und lasse Dich beim Rasseln der Trommeln wie einen verlorenen Gegenstand suchen; dann erkläre ich öffentlich, die Aristokraten haben Dich, bekannt mit dem, was Du ihnen zugedacht, eingesperrt, gemartert, ausgehungert, so daß Du wie der Prevot Elie von Beaumont, Herr Latude und Andere, wenn man Dich wiederfindet, öffentlich von den Damen der Halle und den Lumpensammlerinnen der Section Victor mit Blumen bekränzt wirst. Beeile Dich also, wieder ein Aristides zu werden, oder Deine Sache ist klar.«

»Lorin, Lorin, ich fühle, daß Du Recht hast, es reißt mich fort, ich gleite auf einem Abhange hin. Grollst Du mir, weil mich das Mißgeschick fortzieht?«

«Ich grolle Dir nicht, aber ich muß mit Dir zanken. Erinnere Dich ein wenig der Szenen, die Pilades täglich dem Orestes machte, dieser Szenen, welche siegreich beweisen, daß die Freundschaft ein Paradoxon ist, da diese Muster von Freunden sich vom Morgen bis zum Abend stritten.«

»Verlasse mich, Lorin, das wird das Beste sein.«

»Niemals,«

»Dann laß mich lieben, mach meinem Gefallen närrisch, vielleicht verbrecherisch sein; denn ich fühle, wenn ich sie wiedersehe, tödte ich sie.«

»Oder Du fällst vor ihr auf die Kniee. Ah! Maurice, Maurice verliebt in eine Aristokratin, das hätte ich nicht geglaubt. Du bist nun wie der arme Osselin bei der Marquise von Charry.«

»Genug, Lorin, ich bitte Dich.«

»Maurice, ich werde Dich heilen, oder der Teufel soll mich holen. Ich will nicht, daß Du in der Lotterie der heiligen Guillotine gewinnst, wie der Spezereihändler der Rue des Lombards sagte. Nimm Dich in Acht, Maurice, Du bringst mich in Verzweiflung. Maurice Du machst einen Blutsäufer aus mir. Maurice, ich fühle das Bedürfniß, die Insel Saint-Louis in Brand zu stecken; eine Fackel, eine Fackel!«

 
»Doch warum Brände und Fackeln begehren,
Dein inneres Feuer kann Städte verzehren.«
 

Maurice lächelte unwillkührlich.

»Du weißt, daß es unter uns verabredet war, nur Prosa zu sprechen,« sagte er.

Du bringst mich auch in Verzweiflung mit Deiner Narrheit,« versetzte Lorin; »es ist auch. . . Höre, komm, laß trinken, Maurice, werden wir Trunkenbolde, machen wir Motionen, studiren wir Nationalökonomie; doch beim Jupiter, seien wir nicht verliebt, lieben wir die Freiheit.«

»Oder die Vernunft.«

»Ah! es ist wahr, die Göttin sagt Dir viele schöne Dinge und findet, Du seist ein reizender Sterblicher.«

.Und Du bist nicht eifersüchtig?«

»Maurice, um meinen Freund zu retten, fühle ich mich zu allen Opfern fähig.«

»Ich danke, mein armer Lorin, und weiß Deine Ergebenheit zu schätzen; aber das beste Mittel, mich zu trösten, besteht darin, daß ich mich mit meinem Schmerze sättige. Gute Nacht, Lorin, besuche Arthemise.«

»Und Du, wohin gehst Du?«

»Ich gehe nach Hause.«

Maurice machte einige Schritte gegen die Brücke.

»Du wohnst also jetzt in der Gegend der Rue Vieille-Saint-Jacques?«

»Nein; doch es gefällt mir, diesen Weg einzuschlagen.«

»Um noch einmal den Ort zu sehen, den Deine Unmenschliche bewohnte.«

Um zu sehen, ob sie nicht dahin zurückgekehrt ist, sie weiß, daß ich sie erwarte. O Geneviève! Geneviève! ich hätte nicht geglaubt, daß Du eines solchen Verrathes fähig wärest.«

»Maurice, ein Tyrann, der das schöne Geschlecht gut kannte, denn er starb, weil er zu sehr geliebt hatte, sagte:

 
»Auf die Treu der Frauen
Darf der Mensch nicht bauen.«
 

Maurice stieß einen Seufzer aus, und die zwei Freunde schlugen wieder den Weg nach der Rue Vieille-Saint-Jacques ein.

Als sie sich dieser Gegend näherten, hörten sie immer deutlicher ein gewaltiges Geräusch und sahen das Licht sich vermehren; sie hörten patriotische Gesänge, welche am hellen Tage, im vollen Sonnenschein, in der Atmosphäre des Kampfes als Heldenhymnen erschienen, aber in de Nacht, beim Schimmer des Brandes den finsteren Ausdruck einer Trunkenheit von Cannibalen annahmen.

 

»O, mein Gott! mein Gott!« sagte Maurice, der vergaß, daß Gott abgeschafft war.

Und er ging, Schweiß auf der Stirne, immer weiter.

Lorin betrachtete ihn und murmelte zwischen Zähnen:

 
»Sitzt die Lieb im Capitol.
Dann, o Klugheit. fahre wohl!«
 

Ganz Paris schien sich nach dem Schauplatz der von uns erzählten Ereignisse zu begeben. Maurice war genöthigt, ein Spalier von Grenadieren, die Reihe der Sectionäre und die gedrängten Banden jenes stets rasenden, stets wachen Pöbels zu durchschreiten, der damals brüllend von Schauspiel zu Schauspiel lief.

Je näher er kam, desto mehr beschleunigte Maurice in seiner wüthenden Ungeduld die Schritte. Lorin folgt, ihm mit Mühe, aber er liebte ihn zu sehr, um ihn im einem solchen Augenblick allein zu lassen.

Es war beinahe Alles vorüber; das Feuer hatte sich dem Schoppen, unter den der Soldat die angezündete Fackel geworfen, und dann den nur von Brettern erbauten Werkstätten mitgetheilt; die Waaren waren verbrannt, das Haus selbst fing an zu brennen.«

»Oh! mein Gott!« sagte Maurice zu sich selbst,, »wenn sie zurückgekehrt wäre, wenn sie sich, umhüllt von kreisenden Klammen, in irgend einem Zimmer befände, mich erwartete, mich riefe! . . .«

Und halb verrückt vor Schmerz stürzte Maurice, der lieber an den Wahnsinn derjenigen, welche er liebte, als an ihren Verrath glauben wollte, gerade auf die Thüre zu, die er im Rauch erblickte.

Lorin folgte ihm beständig; er wäre ihm in die Hölle

Das Dach brannte, das Feuer fing an sich der Treppe mitzutheilen.

Maurice durchsuchte keuchend den ganzen ersten Stock, den Salon, das Zimmer von Geneviève, das Zimmer des Chevalier von Maison-Rouge, die Gänge, und rief mit erstickter Stimme:

»Geneviève! Geneviève!«

Niemand antwortete.

Als sie in das erste Zimmer zurückkehrten, sahen die zwei Freunde Flammenwirbel, welche durch die Thüre einzudringen anfingen. Trotz des Geschreis von Lorin, der ihm das Fenster zeigte, ging Maurice mitten durch die Flammen.

Dann lief er nach dem Hause, durchschritt, ohne sich bei irgend etwas aufzuhalten, den mit zerbrochenen Geräthschaften bestreuten Hof, und fand den Speisesaal, das Wohnzimmer von Dirmer, das Cabinet des Chemikers Morand, Alles voll von Rauch, Trümmern und zerbrochenen Scheiben; das Feuer hatte auch diesen Theil des Hauses erreicht und fing an, ihn zu verzehren.

Maurice machte es, wie er es bei dem Pavillon gemacht hatte, er ließ kein Zimmer undurchsucht, keinen Gang undurchlaufen. Er stieg bis in die Keller hinab, vielleicht hatte sich Geneviève, um dem Brande zu entgehen, dahin geflüchtet.

Niemand.

»Alle Teufel!« sagte Lorin, »Du siehst wohl, daß sich Niemand hier halten würde, mit Ausnahme der Salamander, und es ist nicht gerade dieses fabelhafte Thier was Du suchst. Komm, laß uns gehen, wir fragen, wie erkundigen uns bei den Anwesenden; es hat sie vielleicht irgend Jemand gesehen.«

Es hätte vieler vereinigter Kräfte bedurft, um Maurice aus dem Hause zu bringen; die Hoffnung zog ihn an einem ihrer Haare fort.

Dann begannen die Nachforschungen; sie durchliefen die Umgegend, sie hielten die vorübergehenden Frauen an, sie durchsuchten die Gänge, aber ohne Erfolg. Es war ein Uhr Morgens. Maurice war trotz seiner Athletenstärke gelähmt vor Müdigkeit: er leistete endlich auf sein Lausen und Steigen und auf seine beständigen Conflicte mit der Menge Verzicht.

Ein Fiacre fuhr vorüber, Lorin hielt ihn an.

»Mein Lieber,« sagte er zu Maurice, »wir haben getan, um Deine Geneviève wieder aufzufinden, was Menschen zu thun möglich war; wir haben uns lendenlahm gelaufen; wir haben uns geröstet; wir haben uns für sie geprügelt; Cupido, so anspruchsvoll er auch sein mag, kann nicht mehr von einem Menschen fordern, der verliebt ist, und besonders von einem, der es nicht ist.. Steigen wir in diesen Fiacre und kehren wir Beide nach Hause zurück,«

Maurice antwortete nicht und ließ mit sich schalten.

Man kam vor die Thüre von Maurice, ohne daß die zwei Freunde ein einziges Wort gewechselt hatten.

In dem Augenblick, wo Maurice ausstieg, hörte man ein Fenster der Wohnung von Maurice sich öffnen.

»Ah! gut,« sagte Lorin, »man erwartete Dich, und ich bin nun ruhiger. Klopfe.«

Maurice klopfte, die Thüre öffnete sich.

»Gute Nacht!« sagte Lorin, »morgen früh erwarte mich, um mit mir auszugehen,«

»Gute Nacht,« sprach Maurice maschinenmäßig.

Und die Thüre schloß sich hinter ihm.

Aus den ersten Stufen der Treppe begegnete er seinem Willfährigen.

»Oh! Bürger Lindey,« rief dieser, »welche Unruhe haben Sie uns bereitet.«

Das Wort uns fiel Maurice aus.

»Euch?« sagte er.

»Ja, mir und der kleinen Dame, die Sie erwartet.«

»Der kleinen Dame!« wiederholte Maurice, der den Augenblick schlecht gewählt fand, um mit der Erinnerung zu correspondiren, die ihm ohne Zweifel eine seiner alten Freundinnen gab; »Du thust wohl daran, daß Du mir das sagst, ich werde bei Lorin schlafen.«

»Oh! unmöglich, sie stand am Fenster, sah Sie aussteiqen und rief: »»Hier kommt er!««

»Ei! was ist mir daran gelegen, wenn sie weiß, daß ich es bin; ich habe kein Herz für die Liebe, Gehe wieder hinaus und sage dieser Frau, sie habe sich getäuscht.«

Der Willfährige machte eine Bewegung, um zu gehorchen; doch er blieb wieder stehen und sagte:

»Ah! Bürger, Sie haben Unrecht: die kleine Dame war schon sehr traurig und meine Antwort wird sie in Verzweiflung bringen.«

»Aber wer ist denn diese Frau?«

»Bürger, ich habe ihr Gesicht nicht gesehen, sie ist meinen Mantel gehüllt und weint, das ist Alles, was ich weiß.«

»Sie weint!« versetzte Maurice.

»Ja, aber sehr sanft und indem sie ihr Schluchzen unterdrückt.«

»Sie weint,« wiederholte Maurice, »Es gibt also Jemand aus der Welt, der sich hinreichend für mich interessiert, um sich über meine Abwesenheit zu beunruhigen.«

Und er stieg hinter dem Willfährigen die Treppe hinauf.

»Hier ist er, Bürgerin, hier ist er!« rief dieser in das Zimmer stürzend.

Maurice trat hinter ihm ein.

Er sah dann in einem Winkel des Salon eine zitternde Frau, die ihr Gesicht unter Kissen verbarg, eine Frau, die man für todt gehalten hätte, ohne das krampfhafte Seufzen, das sie beben machte.

Er hieß den Willfährigen durch ein Zeichen hinausgehen.

Dieser gehorchte und schloß die Thüre.

Maurice lief aus die junge Frau zu, welche in das Haupt erhob.

»Geneviève!« rief Maurice, »Geneviève bei mir, mein Gott, bin ich denn verrückt!«

»Nein, Sie haben Ihre ganze Vernunft, mein Freund,« erwiderte die junge Frau. »Ich versprach, die Ihrige zu sein, wenn Sie den Chevalier von Maison-Rouge retten würden, Sie haben ihn gerettet, hier ich, ich erwartete Sie.«

Maurice täuschte sich im Sinne dieser Worte, wich einen Schritt zurück, schaute die junge Frau traurig an und sprach mit sanftem Tone:

»Geneviève, Geneviève, Sie lieben mich also nicht?«

Der Blick von Geneviève verschleierte sich unter Thränen, sie wandte den Kopf ab, stützte sich aus die Lehne des Sopha und brach in ein Schluchzen aus.

»Ach!« sagte Maurice, »ich sehe wohl, daß Sie mich nicht mehr lieben, und Sie lieben mich nicht nur nicht mehr, Geneviève, sondern Sie müssen sogar eine Art von Haß gegen mich empfinden, da Sie so sehr in Verzweiflung sind.«

Maurice hatte so viel Begeisterung und Schmerz in diese letzten Worte gelegt, daß Geneviève sich aufrichtete ihn bei der Hand faste und zu ihm sprach:

»Mein Gott! derjenige, welchen man für den Besten hielt, wird also stets selbstsüchtig sein.«

»Selbstsüchtig! Geneviève, was wollen Sie dann sagen?«

»Sie begreifen also nicht, daß ich leide? Mein Gatte auf der Flucht, mein Bruder geächtet, mein Haus in Flammen, dies Alles in einer Nacht, und dann die furchtbare Szene zwischen Ihnen und dem Chevalier.«

Maurice hörte mit Entzücken, denn selbst die tollste Leidenschaft mußte nothwendig zugeben, daß solche Erschütterungen angehäuft zu dem Zustande des Schmerzes führen konnten, in welchem sich Geneviève befand.

»Sie sind also gekommen, Sie sind hier, Sie werden mich nicht verlassen!«

Geneviève bebte.

»Wohin sollte ich gehen?« erwiderte sie voll Bitterkeit. »Habe ich eine Zufluchtstätte, ein Obdach, einen anderen Beschützer, als denjenigen, welcher einen Preis auf seinen Schutz setzte? Oh! wüthend und toll schritt ich über den Pont-Neuf, Maurice, und als ich darüber ging, hielt ich an, um das düstere Wasser an der Ecke der Pfeiler brausen zu sehen; das zog mich an, das bezauberte mich. . . hier, sagte ich zu mir, hier, arme Frau, ist eine Zufluchtstätte für Dich; hier ist unverletzliche Ruhe, hier ist Vergessenheit.«

»Geneviève! Geneviève!« rief Maurice, »Sie haben das gesagt? . . . Sie lieben mich also nicht mehr?«

»Ich habe es gesagt,« antwortete Geneviève mit leiser Stimme; »ich habe es gesagt und bin gekommen.«

Maurice athmete, sank sachte zu ihren Füßen nieder und flüsterte:

»Geneviève, weinen Sie nicht, Geneviève, trösten Sie sich über all ihr Unglück, da Sie mich lieben. Geneviève, im Namen des Himmels, sagen Sie mir, es sei nicht die Heftigkeit meiner Drohungen gewesen, was Sie hierher geführt. Sagen Sie mir, daß Sie, selbst wenn Sie mich diesen Abend nicht gesehen hätten, nunmehr allein, vereinzelt, ohne Zufluchtstätte, hierher gekommen wären, und empfangen Sie meinen Schwur, Sie von dem Eide zu entbinden, den ich Sie zu leisten genöthigt habe.«

Geneviève senkte aus den jungen Mann einen Blick voll unaussprechlicher Dankbarkeit und rief:

»Edelmüthiger! Oh! mein Gott, ich danke Dir, er ist edelmüthig!«

»Hören Sie mich, Geneviève,« sagte Maurice, »Gott den man hier aus seinen Tempeln vertreibt, den man aber nicht aus unsern Herzen vertreiben kann, in welche er die Liebe pflanzte, Gott hat diesen Abend scheinbar düster, aber im Grunde von Freude und Glück funkeln gemacht. Gott hat Sie zu mir geführt, Geneviève, er hat Sie in meine Arme gelegt, er spricht zu Ihnen durch meinen Hauch Gott will endlich so viele Leiden, die wir ausgestanden so viele Tugenden belohnen, die wir entwickelten, indem wir diese Liebe bekämpften, welche ungesetzlich zu sein schien, als ob ein so lange Zeit reines und stets so tiefes Gefühl ein Verbrechen sein könnte. Weinen Sie also nicht, Geneviève! Geneviève, geben Sie mir Ihre Hand. Wollen Sie bei einem Bruder sein? Soll dieser Bruder, voll Ehrfurcht den Saum Ihres Kleides küssen, sich mit gefalteten Händen entfernen und über die Schwelle schreiten, ohne den Kopf umzuwenden? Sagen Sie ein Wort und Sie werden mich weggehen sehen, Sie werden allein, frei und in Sicherheit sein, wie eine Jungfrau in der Kirche. Doch, meine angebetete Geneviève, wollen Sie sich im Gegentheil erinnern, ich habe Sie so sehr geliebt, daß ich beinahe darüber gestorben wäre, daß ich um dieser Liebe willen, die Sie unselig oder glücklich machen können, die Meinigen verrathen, daß ich mich in meinen eigenen Augen verhaßt und niedrig gemacht habe; wollen Sie an Alles das denken, was uns die Zukunft an Glück vorbehält, wollen Sie an die Kraft und an die Energie denken, welche sich in unserer Jugend und in unserer Liebe findet, um dieses beginnende Glück gegen Jeden, der es angreifen wollte, zu vertheidigen? Oh! Geneviève, Du, die Du ein Engel bist, willst Du, sprich? Willst Du einen Menschen so glücklich machen, daß er das Leben nicht mehr beklagt und nicht nach der ewigen Seligkeit begehrt? Dann lächle mir, meine Geneviève, statt mich zurückzustoßen, laß mich Deine Hand an mein Herz legen, neige Dich herab zu demjenigen, welcher mit seiner ganzen Macht, mit seiner ganzen Seele, mit allen seinen Sinnen, mit allen seinen Wünschen zu Dir emporstrebt. Geneviève, meine Liebe, mein Leben, Geneviève, nimm Deinen Schwur nicht zurück!«

Das Herz der jungen Frau dehnte sich aus bei diesen Worten: das Schmachten der Liebe, die Anstrengung der vorhergegangenen Leiden erschöpften ihre Kräfte, die Thränen traten nicht mehr in ihre Augen, und dennoch hob ein Schluchzen ihre brennende Brust.

Maurice begriff, daß sie nicht mehr den Muth hatte, zu widerstehen, und schloß sie in seine Arme. Da ließ sie ihr Haupt auf seine Schulter sinken und ihre langen Haare entrollten sich an den glühenden Wangen ihres Geliebten.

Zu gleicher Zeit fühlte Maurice seine Brust springen, denn sie wurde emporgehoben wie die Welle nach dem Sturme.

»Oh! Du weinst, Geneviève,« sagte er mit tiefer Traurigkeit, »Du weinst. Oh! beruhige Dich. Nie werde ich die Liebe einem verächtlichen Schmerze aufdringen. Nie sollen sich meine Lippen mit einem Kusse beflecken, dem eine einzige Thräne des Bedauerns vergiften würde.«

 

Und er löste den lebendigen Ring seiner Arme, er entfernte seine Stirne von der von Geneviève und wandte sich langsam um; doch durch eine von jenen Gegenwirkungen, die so natürlich sind bei der Frau, welche sich vertheidigt, und während sie sich vertheidigt, dennoch verlangt, warf Geneviève rasch ihre zitternden Arme um den Hals von Maurice, hielt ihn mit aller Gewalt umfangen, drückte ihre eisige, noch von Thränen feuchte Wange aus die glühende Wange des jungen Mannes und flüsterte ihm zu:

«Oh, verlasse mich nicht, Maurice, denn ich habe nur Dich auf der Welt!«