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Der Chevalier von Maison-Rouge

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XLIII.
Die Vorkehrungen von Dirmer

Dieser andere Tag, vorbereitet durch eine schlaflose Nacht, kam endlich furchtbar, und man kann wohl ohne Übertreibung sagen, blutroth.

In der That, in jener Zeit und in jenem Jahre hatte die schönste Sonne jeden Tag ihre schwarzblauen Flecken.

Die Königin schlief beinahe nicht und ihrem Schlaf gebrach es an Ruhe; kaum hatte sie die Augen geschlossen, da schien es ihr, als sähe sie Blut fließen, als hörte sie Schreie ausstoßen.

Sie war, ihre Feile in der Hand, entschlummert.

Einen Theil des Tages widmete sie dem Gebet. Ihren Wächter sahen sie so oft beten, daß sie keinen Verdacht aus diesem Zuwachs von Andacht schöpften.

Von Zeit zu Zeit zog die Gefangene aus ihrem Busen die Feile, die ihr von einem ihrer Retter übermacht worden war, und sie verglich die Schwäche des Werkzeugs mit der Kraft der Gitterstangen.

Zum Glück waren diese Stangen in der Mauer und auf einer Seite, das heißt unten, befestigt.

Der obere Theil war in eine Querstange eingefügt hatte man den unteren Theil durchfeilt so dürfte man an der Stange ziehen und diese kam.

Doch es waren nicht die physischen Schwierigkeit was die Königin aufhielt, sie begriff vollkommen, daß die Sache möglich war, und gerade diese Möglichkeit machte aus der Hoffnung eine blutige Flamme, welche ihre Augen blendete.

Sie fühlte, daß ihre Freunde, um bis zu Ihr zu gelangen, ihre Wächter tödten mußten, und sie hätte um keinen Preis zu ihrem Tode eingewilligt. Diese Männer waren die einzigen, die ihr seit langer Zeit Mitleid bewiesen hatten.

Dagegen waren jenseits der Gitterstangen, die man sie durchfeilen hieß, jenseits der Leichname dieser zwei Männer, welche fallen sollten, indem sie ihre Retter zu ihr zu gelangen hindern würden, die Freiheit, das Leben und vielleicht die Rache, drei so süße Dinge für eine Frau besonders, daß sie Gott um Verzeihung bat, weil sie sich so glühend nach denselben sehnte.

Sie glaubte übrigens zu bemerken, daß kein Verdacht ihre Wächter in Bewegung setzte, und daß sie nicht einmal Bewußtsein der Falle hatten, in welche man ihre Gefangene locken wollte, vorausgesetzt, daß das Complott eine Falle war.

Diese einfachen Menschen hätten sich so geübten Augen verrathen, wie es die der Königin waren, welche sich dadurch, daß sie es so oft erduldet, das Schlimme zu errathen gewöhnt hatte.

Die Königin verzichtete beinahe gänzlich auf den Theil ihrer Gedanken, welcher sie die doppelte Öffnung, die man ihr als eine Falle gemacht, prüfen ließ; doch je mehr die Scham, in einer Falle gefangen zu werden, von ihr wich, desto mehr verfiel sie in die noch größere Furcht, unter ihren Augen ein für sie vergossenes Blut fließen zu sehen.

»Seltsames Geschick, erhabenes Schauspiel!« sagte sie; zwei Verschwörungen vereinigen sich, um eine arme Königin, oder vielmehr eine arme gefangene Frau zu retten, welche nichts getan hat, um die Verschwörer zu verführen oder zu ermuthigen, und sie sollen beide gleichzeitig zum Ausbruch kommen . . . Wer weiß! vielleicht bilden die beide nur eine Verschwörung. Vielleicht ist es eine doppelte Mine, welche an einem einzigen Punkte ausmünden soll . . . Wenn ich wollte, wäre ich also gerettet. . . Doch eine arme Frau an meiner Stelle geopfert. . . . Doch zwei Männer getödtet, damit diese Frau zu mir gelangt. . . Gott und die Zukunft würden es mir nicht vergeben! unmöglich! Unmöglich!«

Dann durchkreuzten ihren Geist jene große Ideen von der Ergebenheit der Diener für die Gebieter und jene antiken Überlieferungen vom Rechte der Herren über das Leben der Diener, beinahe verschwundene Phantome des sterbenden Königthums.

»Anna von Oesterreich hätte eingewilligt,« sagte sie, »Anna von Oesterreich hätte über Alles das große Princip der Wohlfahrt königlicher Personen gestellt. Anna von Oesterreich war von demselben Blute wie ich und beinahe in derselben Lage wie ich. Ein Wahnsinn, daß ich nach Frankreich kam, um hier das Königthum von Anna von Oesterreich zu verfolgen! Ich bin auch nicht gekommen: zwei Könige sprachen: »Es ist wichtig, daß zwei königliche Kinder, die sich nie gesehen, die sich nicht lieben, die sich vielleicht nie lieben werden, an demselben Altar sich Heirathen, um auf demselben Blutgerüste zu sterben.«« Und dann. . . wird mein Tod, nicht den des armen Kindes, nach sich ziehen, das in den Augen meiner wenigen Freunde noch König von Frankreich ist? Und wenn mein Sohn gestorben sein wird, wie mein Gemahl gestorben ist, werden ihre zwei Schatten nicht vor Mitleid lächeln, wenn sie, um ein paar Tropfen gemeines Blut zu ersparen, mit meinem Blute die Trümmer des Thrones vom heiligen Ludwig bespritzen sehen?«

Unter dieser immer zunehmenden Angst, in diesem Fieber des Zweifels, dessen Pulsschläge sich unablässig verdoppelten, im Schauer dieser Bangigkeiten erreichte die Königin den Abend.

Wiederholt hatte sie ihre Wächter prüfend beobachtet; nie hatten sie ruhiger ausgesehen.

Nie auch waren ihr die kleinen Aufmerksamkeiten dieser plumpen, aber guten Leute mehr ausgefallen.

Als es im Kerker finster wurde, als der Schritt der Runden erscholl, als das Geräusch der Waffen und das Geheule der Hunde das Echo in den finsteren Gewölben weckten, als sich endlich das ganze Gefängniß furchtbar und hoffnungslos darstellte, da erhob sich Marie Antoinette, welche die der Natur der Frau inwohnende Schwäche gezähmt hatte, voll Schrecken.

»Oh! ich werde fliehen,« sagte sie, »ja, ja, ich werde fliehen. Wenn man kommt, wenn man spricht, durchfeile ich eine Stange und erwarte, was Gott und meine Befreier von mir verlangen. Ich bin mich meinen Kindern schuldig, man wird sie nicht tödten, oder wenn man sie tödtet, kann ich wenigstens. . .«

Marie Antoinette vollendete nicht, ihre Augen schlossen sich, ihr Mund erstickte ihre Stimme. Es war ein furchtbarer Traum, den diese arme Königin in einer mit Riegeln und Gittern geschlossenen Stube träumte. Doch bald fielen, immer in ihrem Traume, Gitter und Riegel; sie sah sich inmitten eines finsteren, unbarmherzigen Heeres; sie befahl der Flamme, zu glänzen, dem Schwerte, aus der Scheide zu gehen; sie rächte sich an einem Volke, das am Ende nicht das ihrige war.

Während dieser Zeit plauderten Gilbert und Duchesne ruhig und bereiteten ihr Abendbrot.

Während dieser Zeit kamen auch Dirmer und Geneviève in die Conciergerie und begaben sich wie gewöhnlich in die Kanzlei. Nachdem sie ungefähr eine Stunde hier waren, beendigte, ebenfalls wie gewöhnlich, der Greffier des Palastes sein Geschäft und ließ sie allein.

Sobald die Pforte hinter seinem Collegen geschlossen war, stürzte Dirmer auf den leeren Korb zu, der vor der Thüre zum Austausch gegen den Korb vom Abend stand.

Er nahm das Stück Brot, brach es und fand das Etui.

Das Wort der Königin war darin enthalten: er las es erbleichend.

Und da Geneviève ihn beobachtete, zerriß er das Papier in tausend Stücke und warf diese in den entflammten Schlund des Ofens.

»Es ist gut,« sagte er, »Alles ist abgemacht.«

Dann sich gegen Geneviève umwendend:

»Kommen Sie, Madame.«

»Ich?«

»Ja, ich muß leise mit Ihnen sprechen.«

Unbeweglich und kalt wie Marmor machte Geneviève eine Gebärde der Resignation und näherte sich ihm.

»Madame, die Stunde ist gekommen,« sprach Dirmer, »hören Sie mich.«

»Ja, mein Herr.«

»Sie ziehen einen Ihrer Sache nützlichen Tod, für den Sie eine ganze Partei segnet und ein ganzes Volk beklagt, einem schmählichen Tode, einem nur der Rache entspringenden Tode vor, nicht wahr?«

»Ja, mein Herr.«

»Ich hätte Sie auf der Stelle tödten können, als ich Sie bei Ihrem Geliebten traf; doch ein Mann, der, wie ich, sein Leben einem ehrenvollen und heiligen Werte geweiht hat, muß auch aus seinem Unglück Nutzen zu ziehen wissen, indem er es dieser Sache opfert; dies habe ich getan oder gedenke ich vielmehr zu thun. Ich habe mir, wie Sie sehen, das Vergnügen versagt, mein Recht zu üben. Ich habe auch Ihren Geliebten verschont.«

Etwas wie ein flüchtiges Lächeln, flüchtig aber furchtbar, schwebte über die entfärbten Lippen von Geneviève.«

»Doch was Ihren Liebhaber betrifft, so müssen Sie begreifen, Sie, die Sie mich kennen, daß ich nur gewartet habe, um etwas Besseres zu finden.«

»Mein Herr,« sprach Geneviève, »ich bin bereit, warum also diese Umschweife?«

»Sie sind bereit?«

»Ja, Sie tödten mich, Sie haben Recht, ich warte.«

Dirmer schaute Geneviève an und bebte unwillkührlich; sie war in diesem Augenblick erhaben: eine Glorie beleuchtete sie, die glänzendste von allen, die Glorie, welche von der Liebe herrührt.

»Ich fahre fort,« sagte Dirmer. »Ich habe die Königin benachrichtigt, sie wartet; ohne Zweifel wird sie eine Einwendung machen, doch Sie werden sie nöthigen.«

»Gut, mein Herr, geben Sie Ihre Befehle, und ich werde Sie vollziehen.«

»Sogleich,« sprach Dirmer, »ich klopfe an die Thüre, Gilbert wird öffnen, mit diesem Dolche (Dirmer knöpfte seinen Rock auf und zeigte, indem er ihn halb aus der Scheide zog, einen zweischneidigen Dolch), mit diesem Dolche tödte ich ihn.«

Geneviève bebte unwillkührlich. Dirmer machte ein Zeichen mit der Hand, um Aufmerksamkeit von ihr zu erheischen.

»In dem Augenblick, wo ich stoße,« fuhr er fort, »stürzen Sie in das zweite Zimmer, in das, wo die Königin ist. Es hat keine Thüre, wie Sie wissen, sondern nur einen Windschirm, und Sie wechseln die Kleider mit ihr, während ich den zweiten Soldaten tödte. Dann reiche ich der Königin den Arm und gehe mit ihr durch die Pforte.«

»Sehr gut,« sprach Geneviève mit kaltem Tone.

»Sie begreifen?« sagte Dirmer; »jeden Abend sieht man Sie in diesem Mantel von schwarzem Taffet, der das Gesicht verbirgt. Legen Sie Ihrer Majestät Ihren Mantel über und drapiren Sie ihn, wie Sie ihn selbst zu drapiren pflegen.«

 

»Ich werde thun, wie Sie sagen, mein Herr.«

»Nun habe ich Ihnen nur noch zu verzeihen und zu danken, Madame,« sprach Dirmer.

Geneviève schüttelte den Kopf mit einem kalten Lächeln und entgegnete, die Hand ausstreckend:

»Ich bedarf weder Ihrer Verzeihung, noch Ihres Dankes, mein Herr; was ich thue, oder vielmehr, was ich thun werde, würde ein Verbrechen tilgen, und ich habe mich nur einer Schwäche schuldig gemacht, und diese Schwäche, erinnern Sie sich Ihres Benehmens, mein Herr, haben Sie mich zu begehen beinahe gezwungen. Ich entfernte mich von ihm und Sie stießen mich wieder in seine Arme, somit sind Sie der Urheber, der Richter und der Rächer. Es ist also an mir, Ihnen meinen Tod zu verzeihen, und ich verzeihe Ihnen auch. Es ist an mir, Ihnen zu danken, mein Herr, daß Sie mir das Leben nehmen, da mir das Leben unerträglich wäre, getrennt von dem Mann, den ich einzig und allem liebe, seit jener Stunde besonders, wo Sie durch Ihre leidenschaftliche Rache alle Bande zerrissen haben, die mich mit Ihnen verknüpften.«

Dirmer drückte sich die Nägel in die Brust; er wollte antworten, die Stimme fehlte ihm.

Er machte ein paar Schritte in der Kanzlei.

»Die Stunde würde vorübergehen,« sagte er endlich; »jede Stunde hat ihren Nutzen. Auf, auf, Madame; sind Sie bereit?«

»Ich habe Ihnen gesagt, mein Herr, ich warte!« antwortete Geneviève mit der Ruhe der Märtyrer.

Dirmer sammelte alle seine Papiere, sah ob, die Thüren gut geschlossen waren, ob Niemand in die Kanzlei eintreten konnte, und wollte dann seine Instructionen seiner Frau wiederholen.

»Unnöthig, mein Herr, ich weiß vollkommen, was ich zu thun habe,« sprach Geneviève.

»Dann Gott befohlen!«

Und Dirmer reichte ihr die Hand, als ob in diesen erhabenen Augenblick jeder Vorwurf vor der Größe der Lage und der Erhabenheit des Opfers verschwinden müßte.

Geneviève berührte schauernd mit den Fingerspitzen die Hand ihres Gatten.

»Stellen Sie sich neben mich, Madame,« sagte Dirmer, »und sobald ich Gilbert niedergestoßen habe, gehen Sie hinein.«

»Ich bin bereit.«

Dann faste Dirmer mit seiner rechten Hand seinen breiten Dolch und klopfte mit der linken an die Thüre.

XLIV.
Die Vorkehrungen des Chevalier von Maison-Rouge

Während sich die im vorhergehenden Kapitel beschriebene Szene in der Kanzlei vor der Thüre ereignete, welche in das Gefängniß der Königin, oder vielmehr in das von den zwei Gendarmen besetzte Zimmer ging, fanden andere Vorbereitungen aus der entgegengesetzten Seite im Frauenhofe statt.

Ein Mann erschien plötzlich wie eine steinerne Bildsäule, die sich von der Wand losgemacht hätte. Diesem Mann folgten zwei Hunde, und während er das Caira, ein Lied, das damals sehr in der Mode war, trällerte, strich er mit seinem Schlüsselbunde an den fünf Stangen hin, welche das Fenster der Königin schlossen.

Die Königin bebte Anfangs, doch alsbald erkannte sie die Sache als ein Signal, öffnete sachte ihr Fenster und ging mit einer gewandteren Hand, als man hätte glauben sollen, an das Werk. Denn mehr als einmal hatte sie in der Schlosserwerkstätte, wo ihr königlicher Gemahl zu seinem Vergnügen einen Theil seiner Tage zubrachte, ähnliche Instrumente wie das berührt, aus welchem zu dieser Stunde alle Chancen ihrer Rettung beruhten.

Sobald der Mann mit dem Schlüsselbunde hörte, daß das Fenster der Königin geöffnet wurde, klopfte er an das der Gendarmen.

»Ah! ah!« sagte Gilbert durch die Scheiben schauend, »es ist der Bürger Mardoche.«

»Er selbst,« antwortete der Schließer. »Nun, es scheint, wir halten gut Wache?«

»Wie gewöhnlich, Bürger Schließer. Mir scheint, Ihr ertappt uns nicht oft bei einer Nachläßigkeit?«

»Ah!« versetzte Mardoche, gerade in dieser Nacht ist, die Wachsamkeit notwendiger als je.«

»Bah!« machte Duchesne, der sich ebenfalls genähert hatte.

»Gewiß.«

»Was gibt es denn?«

»Öffnet das Fenster, und ich werde Euch das erzählen.«

»Öffne,« sagte Duchesne.

Gilbert öffnete und tauschte einen Händedruck mit dem Schließer, der sich schon zum Freunde der Gendarmen gemacht hatte.

»Was gibt es denn, Bürger Mardoche?« wiederholte Gilbert.

»Die Sitzung des Convents ist etwas stürmisch gewesen? Habt Ihr es gelesen?«

»Nein, was ist denn vorgefallen?«

»Ah! vor Allem, daß der Bürger Hebert etwas entdeckt hat.« .

»Was?«

»Daß Verschwörer, die man für todt hielt, leben und zwar sehr leben,«

»Ah! ja,« sagte Gilbert; »Delessart und Thierrey; ich habe davon sprechen hören, sie sind in England, die Schurken!«

»Und der Chevalier von Maison-Rouge?« sagte der Schließer, indem er die Stimme so erhob, daß ihn die Königin hörte.

»Wie, er ist auch in England?«

»Keines Wegs, er ist in Frankreich,« fuhr Mardoche fort, ohne den Klang seiner Stimme zu dämpfen.

»Er ist also zurückgekehrt!«

»Er hat das Land gar nicht verlassen.«

»Das ist ein Mensch von frecher Stirne!« sagte Duchesne

»So ist er.«

»Man wird sich Mühe geben, ihn festzunehmen?«

»Gewiß wird man sich Mühe geben; doch das ist nicht so leicht, wie es scheint,«

Da die Feile der Königin in diesem Augenblick so stark auf den Gitterstangen knirschte, daß der Schließer befürchtete, man könnte es hören, so sehr er sich anstrengte, um das Geräusch zu bedecken, so drückte er den Absatz auf die Pfote von einem seiner Hunde, der sogleich ein Schmerzgeschrei ausstieß.

»Ah! armes Thier,« sagte Gilbert.

»Bah!« versetzte der Schließer, »warum hat er keine Holzschuhe angezogen. Willst Du wohl schweigen, Girondin, willst Du schweigen?«

»Dein Hund heißt Girondin, Bürger Mardoche?«

»Ja, es ist ein Name, den ich ihm gegeben habe.«

»Du sagtest also,« fragte Duchesne, der, selbst ein Gefangener, an den Neuigkeiten allen Antheil nahm, den die Gefangenen daran zu nehmen pflegen, »Du sagtest also?«

»Ich sagte, der Bürger Hebert, – das ist ein Patriot, – ich sagte der Bürger Hebert habe die Motion gemacht, die Oesterreicherin wieder in den Temple zurückzuführen.«

»Und warum dies?«

»Verdammt! weil er behauptet, man habe sie nur aus dem Temple weggebracht, um sie der unmittelbaren Aussicht der Gemeinde von Paris zu entziehen.«

»Oh! und dann ein wenig den Versuchen des verdammten Maison-Rouge,« versetzte Gilbert; »mir scheint, der unterirdische Gang besteht.«

»Das hat ihm auch der Bürger Sainterre geantwortet, aber Hebert erwiderte, sobald man in Kenntniß gesetzt sei, gebe es keine Gefahr mehr, und man könne im Temple Marie Antoinette mit der Hälfte der Vorsichtsmaßregeln bewachen, die man nehmen müße, um sie hier zu bewachen; und der Temple ist in der That ein bedeutend festeres Haus als die Conciergerie.«

»Meiner Treue,« sprach Gilbert, »ich wollte, man würde sie in den Temple zurückführen.«

»Ich begreift, es langweilt Dich, sie zu bewachen.«

»Nein, es betrübt mich.«

Maison-Rouge hustete gewaltig, die Feile machte um so mehr Geräusch, je tiefer sie in die eiserne Stange eingriff.

»Und was hat man beschlossen?« fragte Duchesne, als der Husten des Schließers vorüber war.

»Man hat beschlossen, sie hier zu lassen, aber der Prozeß soll ihr sogleich gemacht werden.«

»Ah! arme Frau,« sagte Gilbert.

Duchesne, dessen Ohr ohne Zweifel seiner war, als das seines Collegen, oder dessen Aufmerksamkeit vielleicht minder stark durch die Erzählung von Mardoche in Anspruch genommen wurde, bückte sich, um nach der Abtheilung links hin zu horchen.

Der Schließer sah die Bewegung und sprach lebhaft:

»Du begreifst, Bürger Duchesne, die Versuche der Verschwörer müssen um so verzweifelter werden, je weniger sie Zeit zu Ausführung derselben vor sich sehen. Man wird die Wachen der Gefängnisse verdoppeln, und das geht Dich an, Bürger Gendarme, insofern von nichts Geringerem die Rede ist, als von einem Einbruch mit gewaffneter Hand in die Conciergerie; die Verschwörer würden Alles tödten, bis sie zur Königin drängen, bis zur Witwe Capet, will ich sagen.«

»Ah! bah, wie sollten sie hereinkommen, Deine Verschwörer?«

»Als Patrioten verkleidet, würden sie sich stellen, als wollten sie einen 2. September wiederholen, und wären die Thore einmal geöffnet, dann guten Abend!«

Es trat einen Augenblick Stillschweigen, veranlaßt durch das Erstaunen der Gendarmen, ein. Der Schließer hörte mit einer mit Angst vermischten Freude, daß die Feile fortwährend knirschte. Es schlug neun Uhr.

Zu gleicher Zeit klopfte man an die Thüre, doch von anderen Gedanken in Anspruch genommen, antworteten die Gendarmen nicht,

»Nun wohl, wir werden wachen, wir werden wachen,« sagte Gilbert.

»Und wenn es sein muß, als wahre Patrioten aus unserem Posten sterben,« fügte Dusresne bei.

»Sie muß bald fertig sein,« sagte der Schließer zu sich selbst und wischte seine von Schmeiß befeuchtete Stirne ab.

»Und Ihr werdet Eurerseits ebenfalls wachen, wie ich denke,« sprach Gilbert, »denn man würde Euch eben so wenig verschonen, sollte ein Ereigniß wie das, welches Ihr uns verkündigt, eintreten.«

»Ich glaube wohl,« antwortete der Schließer, »ich bringe die Nacht damit hin, daß ich Runden mache, und bin auch so müde, daß ich umfallen möchte; Ihr löst Tuch wenigstens ab und Ihr könnt von zwei Stunden eine schlafen.«

In diesem Augenblick klopfte man zum zweiten Male an die Thüre der Kanzlei. Mardoche bebte; jedes Ereigniß, so geringfügig es auch war, konnte das Gelingen seines Planes verhindern.

»Was ist das?« fragte er gleichsam unwillkührlich.

»Nichts, nichts,« erwiderte Gilbert; »es ist der Greffier des Kriegsministeriums, der weggeht und mich davon benachrichtigt.«

»Ah! sehr gut,« sagte der Schließer.

Doch der Greffier klopfte hartnäckig,

»Gut! gut!« rief Gilbert, ohne sein Fenster zu verlassen. »Guten Abend! . . . Adieu . . .«

»Mir scheint, er spricht mit Dir,« versetzte Duchesne, indem er sich gegen die Thüre umwandte. »Antworte ihm doch.«

Man hörte nun die Stimme des Greffier,

»Komm doch, Bürger Gendarme,« sagte er, »ich möchte gern einen Augenblick mit Dir sprechen.«

Diese Stimme, obgleich ihr die Erschütterung ihren gewöhnlichen Ausdruck zu benehmen schien, machte, daß der Schließer, der sie zu erkennen glaubte, aufmerksam horchte.

»Was willst Du denn, Bürger Durand?« fragte Gilbert.

»Ich will Dir ein Wort sagen.«

»Du kannst es mir morgen sagen.«

»Nein, diesen Abend; ich muß Dich diesen Abend sprechen,« versetzte dieselbe Stimme.

»Oh! oh!« murmelte der Schließer, »was soll denn vorgehen? Das ist die Stimme von Dirmer.«

Düster und vibrierend, schien diese Stimme etwas Unheilvolles dem entfernten Echo des dunklen Corridor zu entlehnen..

Duchesne wandte sich um.

»Ich gehe, da er es durchaus haben will,« sagte Gilbert.

Und er wandte sich nach der Thüre.

Der Schließer benützte diesen Augenblick, in welchem die Aufmerksamkeit der zwei Gendarmen durch einen unvorhergesehenen Umstand in Anspruch genommen war. Er lief an das Fenster der Königin und fragte:

»Ist es geschehen?«

»Ich bin mehr als die Hälfte durch,« antwortete die Königin.

»O mein Gott! mein Gott!« flüsterte er, »beeilen Sie sich!«

»Nun, Bürger Mardoche, wo bist Du denn?« rief Duchesne.

«Hier bin ich,« antwortete der Schließer und kehrt zu rasch zu dem Fenster des ersten Gelasses zurück.

In demselben Augenblick, und als er eben wieder seinen Platz einnehmen wollte, erscholl in dem Gefängniß ein furchtbarer Schrei, dann eine Verwünschung, dann das Geräusch eines Säbels, der aus der Metallscheide sprang.

»Ah! Verruchter! ah! Schurke!« rief Gilbert.

Und man vernahm den Lärmen eines Kampfes im Corridor.

In demselben Augenblick öffnete sich die Thüre und entblößte vor den Augen des Schließers zwei Schatten, die sich in der Pforte am Kragen gepackt hatten, und einer Frau Raum ließen, welche Duchesne zurückstieß und in das Gelaß der Königin stürzte.

Ohne sich um diese Frau zu bekümmern, eilte Duchesne seinem Kameraden zu Hilfe,

Der Schließer sprang nach dem andern Fenster; er sah die Frau aus den Knieen vor der Königin, sie bat, sie flehte die Gefangene an, die Kleider mit ihr zu wechseln.

Er neigte sich mit flammenden Augen und suchte die Frau zu erkennen, welche er bereits zu gut erkannt zu haben befürchtete. Plötzlich stieß er einen furchtbaren Schrei aus und rief: .»Geneviève! Geneviève!«

Die Königin hatte die Feile fallen lassen und schien vernichtet. Das war abermals ein gescheiterter Versuch.

Der Schließer packte mit beiden Händen die von der Feile angegriffene eiserne Stange und schüttelte sie mit einer äußersten Anstrengung.

 

Doch der Riß des Stahles war nicht tief genug und die Stange widerstand.

Während dieser Zeit war es Dirmer gelungen, Gilbert in das Gefängniß zurückzudrängen und er war im Begriff, mit diesem einzutreten, als ihn Duchesne, gewaltig auf die Thüre drückend, wieder zurückstieß.

Doch er vermochte sie nicht zu schließen. Ganz in Verzweiflung hatte Dirmer seinen Arm zwischen die Thüre und die Mauer geschoben.

Am Ende dieses Armes war der Dolch, welcher aus die kupferne Schnalle der Degenkuppel stoßend, an der Brust des Gendarme herabgeglitten war und dabei seinen Rock und sein Fleisch geschlitzt hatte.

Die beiden Männer ermuthigten sich, um alle ihre Kräfte zu vereinigen, und riefen zu gleicher Zeit um Hilfe.

Dirmer fühlte, daß sein Arm dem Brechen nahe war; er stützte seine Schulter gegen die Thüre, stieß mir aller Gewalt, und so gelang es ihm, seinen gequetschten Arm zurückzuziehen.

Die Thüre schloß sich wieder geräuschvoll; Duchesne schob den Riegel vor, während Gilbert den Schlüssel umdrehte.

Ein rascher Schritt erscholl im Gange, dann war Alles vorbei. Die zwei Gendarmen schauten sich an suchten um sich her.

Sie hörten das Geräusch, das der falsche Schließer machte, indem er die Stange zu zerbrechen suchte.

Gilbert stürzte in das Gefängniß der Königin; fand Geneviève, welche sie anflehte, die Kleider mit, zu wechseln, auf ihren Knieen. Duchesne ergriff seinen Carabiner und lief an das Fenster; er sah einen Mann, der an den Stangen hing, die er mit aller Wuth schüttelte und vergebens zu erklettern suchte.

Er legte auf ihn an.

Der junge Mann sah den Lauf des Carabiners auf sich senken.

»Oh! ja,« sagte er, »tödte mich, tödte!« Und erhaben in seiner Verzweiflung, breitete er seine Brust aus, um der Kugel zu trotzen.

»Chevalier!« rief die Königin, »Chevalier, ich flehe Sie an; leben Sie, leben Sie!«

Bei der Stimme von Marie Antoinette fiel Maison-Rouge auf die Kniee.

Der Schuß ging los: doch diese Bewegung rettete ihn, die Kugel fuhr über seinem Kopfe hin.

Geneviève glaubte, ihr Freund wäre getödtet, nun fiel bewußtlos auf die Erde nieder.

Als sich der Rauch zerstreut hatte, war mehr im Frauenhof.

Zehn Minuten nachher durchforschten dreißig Soldaten, angeführt von zwei Commissären, die Conciergerie in ihren unzugänglichsten Winkeln.

Man fand Niemand; der Greffier war ruhig und lächelnd vor dem Lehnstuhle des Vater Richard vorübergegangen.

Der Schließer hatte sich mit einem Lärmgeschrei entfernt, die Schildwache wollte ihm das Bajonnet entgegenstrecken, doch seine Hunde fielen der Schildwache an den Hals.

Nur Geneviève wurde verhaftet, verhört, eingekerkert.