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Der Graf von Bragelonne

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XXII.
Die Grotte

Trotz einer gewissen Wahrsagergabe, welche die merkwürdige Seite vom Charakter von Aramis war, ging das Ereigniß, die Chancen der dem Zufall unterworfenen Dinge erduldend, nicht ganz in Erfüllung, wie es der Bischof von Vannes vorhergesehen hatte.

Besser beritten als seine Gefährten, kam Biscarrat zuerst an die Oeffnung der Grotte und begriff, daß Alles, Fuchs und Hunde, sich hier hinein gestürzt hatte. Doch erfaßt von dem abergläubischen Schrecken, den natürlich dem Geiste des Menschen jeder unterirdische finstere Weg einflößt, hielt er außerhalb der Grotte an und wartete, bis seine Gefährten um ihn her versammelt waren.

»Nun,« fragten ihn ganz athemlos die jungen Leute, die seine Unthätigkeit nicht begreifen konnten.

»Man hört keine Hunde mehr; Fuchs und Meute müssen in dieser Grotte verschwunden sein.«

»Sie führten zu gut, als daß sie die Spur ganz verloren haben sollten,« bemerkte einer von den Garden. »Ueberdies würde man sie aus der einen oder der andern Seite suchen hören. Sie müssen, wie Biscarrat sagt, in dieser Grotte sein.«

»Aber warum Heben sie denn keinen Laut mehr?« fragte einer von den jüngeren Leuten.

»Das ist seltsam,« sprach ein Anderer.

»Nun, so treten wir in diese Grotte ein,« rief ein Vierter. »Ist der Eintritt zufällig verboten?«

»Nein,« erwiederte Biscarrat, »nur kann man sich, da es darin schwarz ist wie in einem Ofen, den Hals brechen.«

»Davon zeugen unsere Hunde, die ihn ohne Zweifel gebrochen haben,« sagte ein Garde.

»Was Teufel ist aus ihnen geworden?« fragten sich im Chor die jungen Leute.

Und jeder Herr rief seinen Hund bei seinem Namen, pfiff ihm mit seiner Lieblingsfanfare, ohne daß ein einziger aus den Rus oder aus den Pfiff antwortete.

»Das ist vielleicht! eine Zaubergrotte,« sagte Biscarrat. »Wir wollen sehen.«

Und er stieg ab und machte einen Schritt in die Grotte.

»Warte, warte, ich begleite Dich,« rief einer von den Garden, als Biscarrat nahe daran war, im Halbschatten zu verschwinden.

»Nein,« entgegnete Biscarrat, »da muß etwas Außerordentliches sein. Setzen wir uns nicht Alle zugleich der Gefahr ans. Habt Ihr in zehn Minuten keine Kunde von mir, so tretet Ihr ein, aber dann Alle miteinander.«

»Gut,« sprachen die jungen Leute, welche übrigens für Biscarrat keine große Gefahr bei diesem Unternehmen sahen; »wir werden Dich erwarten.«

Und sie bildeten, ohne abzusteigen, einen Kreis um die Grotte.

Biscarrat trat also allein ein und rückte in der Finsterniß bis unter die Muskete von Porthos vor.

Der Widerstand, der seine Brust traf, setzte ihn in Erstaunen; er streckte die Hand ans und faßte den eiskalten Lauf.

In demselben Augenblick erhob Yves gegen den jungen Mann ein Messer, das mit der ganzen Kraft eines bretagnischen Armes auf ihn niederzufallen im Begriff war, als ihn die eiserne Faust von Porthos aus halbem Wege zurückhielt.

Dann ließ sich, wie ein dumpfes Knurren, seine Stimme in der Finsterniß vernehmen:

»Ich will nicht, daß man ihn tödtet.«

Biscarrat fand sich zwischen eine Beschützung und eine Drohung gestellt, von denen die eine beinahe so furchtbar war, als die andere.

So muthig auch der junge Mann, es entschlüpfte ihm doch ein Schrei, den Aramis sogleich dadurch unterdrückte, daß er ihm ein Schnupftuch vor den Mund hielt.

»Herr von Biscarrat,« sagte er mit leiser Stimme, »wir führen nichts Böses gegen Euch im Schilde, und Ihr müßt das wissen, wenn ihr uns erkannt habt; doch beim ersten Wort, beim ersten Seufzer, beim ersten Hauch sind wir genöthigt, Euch zu tödten, wie wir Eure Hunde getödtet haben.«

»Ja, ich erkenne Euch, meine Herren,« erwiederte leise der junge Mann. »Doch warum seid Ihr hier? was macht ihr hier? Unglückliche! Ich glaubte, Ihr wäret im Fort.«

»Und Ihr, mein Herr, mich dünkt, Ihr solltet Bedingungen für uns erlangen?«

»Ich habe gethan, was ich konnte, aber . . . «

»Aber?«

»Aber es sind förmliche Befehle da.«

»Uns zu tödten?«

Biscarrat antwortete nicht. Es kostete ihn zu große Ueberwindung, vom Strange mit Edelleuten zu sprechen.

Aramis begriff das Schweigen seines Gefangenen.

»Herr Biscarrat,« sagte er, »Ihr wäret schon todt, wenn wir nicht Rücksicht auf Eure Jugend und unsere ehemalige Verbindung mit Eurem Vater genommen hätten; doch Ihr könnt von hier entkommen, wenn Ihr uns schwört, daß Ihr nicht von dem, was Ihr gesehen, mit Euren Kameraden sprechen werdet.«

»Ich schwöre nicht nur, daß ich nicht davon sprechen, sondern ich schwöre auch, daß ich Alles in der Welt thun werde, um meine Kameraden abzuhalten, den Fuß in diese Grotte zu setzen.«

»Biscarrat! Biscarrat!« riefen von Außen mehrere Stimmen, welche wie ein Wirbel in die Höhle eindrangen.

»Antwortet,« sagte Aramis.

»Hier bin ich,« rief Biscarrat.

»Geht, wir verlassen uns aus Eure Redlichkeit.«

Und er ließ den jungen Mann los.

Biscarrat stieg zum Lichte aus.

»Biscarrat! Biscarrat!« riefen näher die Stimmen.

Und man sah in das Innere der Grotte die Schatten von mehreren menschlichen Gestalten fallen.

Biscarrat eilte seinen Freunden entgegen, um sie zurückzuhalten, und traf mit ihnen zusammen, als sie eben sachte!n die Höhle eintraten.

Aramis und Porthos horchten mit der Aufmerksamkeit von Leuten, welche um ihr Leben aus einen Hauch der Lust spielen.

Biscarrat hatte den Eingang der Höhle, gefolgt von seinen Freunden, wieder erreicht.

»Hoh! ho!« sagte Einer von ihnen, als er an das Licht trat, »wie bleich bist Du!«

»Bleich!« rief ein Anderer, »Du willst sagen leichenfarbig.«

»Ich!« erwiederte der junge Mann, der seine ganze Selbstbeherrschung zurückzurufen suchte.

»In des Himmels Namen, was ist Dir denn begegnet?« fragten alle Stimmen.

»Du hast nicht einen Blutstropfen in den Adern, mein armer Freund,« rief Einer lachend.

»Meine Herren,« sprach ein Anderer, »die Sache ist ernst; es wird ihm übel; habt Ihr Salze?«

Und Alle brachen in ein Gelächter aus.

Alle diese Anrufungen, alle diese Spöttereien kreuzten sich um Biscarrat, wie sich mitten im Feuer die Kugeln bei einem Gefechte kreuzen.

Er sammelte wieder Kräfte unter dieser Sündfluth von Fragen.

»Was soll ich denn gesehen haben?« sagte er; »es war mir sehr heiß, als ich in diese Grotte eintrat, die Kälte erfaßte mich, das ist das Ganze.«

»Aber die Hunde, die Hunde, hast Du sie wiedergesehen? Hast Du etwas von ihnen gehört? bringst Du Kunde über sie?«

»Ich muß glauben, daß sie einen andern Weg eingeschlagen haben,« erwiederte Biscarrat.

»Meine Herren,« sprach Einer von den jungen Leuten, »es liegt in dem was vorgebt, in der Blässe und in dem Stillschweigen unseres Freundes ein Geheimniß, das Biscarrat nicht enthüllen will oder nicht enthüllen kann. Nur hat Biscarrat, und das ist sicher, etwas in der Grotte gesehen. Wohl! ich bin neugierig, zu sehen, was er gesehen, und wäre es der Teufel! In die Grotte, meine Herrn! in die Grotte!«

»In die Grotte!« wiederholten alle Stimmen.

Und das Echo der Höhle trug wie eine Drohung zu Porthos und Aramis die Worte: »In die Grotte! in die Grotte!«

Biscarrat warf sich seinen Freunden entgegen und rief:

»Meine Herren! meine Herren! im Namen des Himmels, geht nicht hinein!«

»Aber was ist denn so Schreckliches in dieser Höhle?« fragten mehrere Stimmen.

»Es ist entschieden der Teufel, was er gesehen,« wiederholte derjenige, welcher diese Hypothese schon ausgestellt hatte.

»Wohl,« rief ein Anderer, »wenn er den Teufel gesehen hat, so sei er nicht selbstsüchtig und lasse ihn uns ebenfalls sehen.«

»Meine Herren! meine Herren! ich bitte Euch inständig!« sprach Biscarrat.

»Laß uns vorbei.«

»Meine Herren, ich stehe Euch an, geht nicht hinein.«

»Du bist wohl hineingegangen!«

Da trat einer von den Officieren vor, der, von einem reiferen Alter, als die Andern, bis dahin zurückgeblieben war und nichts gesagt hatte, und sprach mit einer Ruhe, welche einen seltsamen Contrast mit der Heftigkeit der jungen Leute bildete:

»Meine Herren, es ist hierin Jemand oder Etwas, was nicht der Teufel, aber wer und was es auch sein mag, es hat Gewalt genug gehabt, um unsere Hunde zum Schweigen zu bringen. Wir müssen erfahren, wer dieser Jemand oder was dieses Etwas ist.«

Biscarrat machte einen letzten Versuch, um seine Freunde zurückzuhalten, doch dieser Versuch war unnütz. Vergebens warf er sich den Verwegensten entgegen, vergebens klammerte er sich an den Felsen an, um den Weg zu versperren, die Menge der jungen Leute brach in die Höhle hinter dem Officier ein, der zuletzt gesprochen, aber zuerst den Degen in der Faust, um der unbekannten Gefahr zu trotzen, eingedrungen war.

Von seinen Freunden zurückgestoßen, lehnte sich Biscarrat, welcher sie nicht begleiten konnte, wenn er nicht in den Augen von Porthos und Aramis für einen Verräther und einen Meineidigen gelten wollte, Biscarrat, sagen wir, lehnte sich, das Ohr gespannt und die Hände ausgestreckt, an die rauhen Wände eines Felsen an, von dem er glaubte, er müßte dem Feuer der Musketiere ausgesetzt sein.

Die Garden drangen immer mehr vor, mit Schreien, welche schwächer wurden, je mehr sie sich in dem unterirdischen Gewölbe vertieften.

Plötzlich erscholl, wie der Donner rollend, ein furchtbares Musketenfeuer.

Zwei bis drei Kugeln platteten sich an dem Felsen ab, an den sich Biscarrat anlehnte.

In demselben Augenblicke vernahm man Seufzen, Stöhnen, Gebrülle, Verwünschungen in der Höhle, und die kleine Truppe der Edelleute erschien wieder, Einige bleich. Andere blutig, Alle in eine Staubwolke gehüllt, welche die äußere Luft aus der Tiefe der Grotte an sich zu ziehen schien.

»Biscarrat! Biscarrat!« riefen die Flüchtlinge, »Du wußtest, daß ein Hinterhalt in dieser Höhle war, und hast uns nicht davor gewarnt.«

 

»Biscarrat, Du bist die Ursache, daß vier von uns getödtet worden sind, wehe Dir, Biscarrat!«

»Du bist die Ursache, daß ich aus den Tod verwundet bin,« sprach einer von den jungen Leuten, indem er sein Blut in seiner Hand auffaßte und Biscarrat ins Gesicht schleuderte, »mein Blut falle aus Dich!«

Und er rollte, mit dem Tode ringend, zu den Füßen des jungen Mannes.

»Aber sage uns wenigstens, wer da innen ist!« riefen mehrere wüthende Stimmen.

Biscarrat schwieg.

»Sage es oder stirb!« rief der Verwundete, der sich wieder aus ein Knie ausrichtete und gegen seinen Kameraden einen mit einem unnützen Eisen bewaffneten Arm erhob.

Biscarrat stürzte ihm entgegen und öffnete dem Streich seine Brust, doch der Verwundete stieß einen Seufzer aus, den letzten, und fiel nieder, um sich nicht mehr zu erheben.

Die Haare emporgesträubt, die Augen stier, schritt Biscarrat nach dem Innern der Höhle und sprach:

»Ihr habt Recht, den Tod mir, der ich Euch habe ermorden lassen, ich bin ein Feiger!«

Und er warf weit von sich seinen Degen, denn er wollte sterben, ohne sich zu vertheidigen, und stürzte mit gesenktem Kopf in die Grotte.

Die Andern ahmten ihn nach.

Elf, welche von sechzehn übrig waren, tauchten in den Schlund.

Doch sie kamen nicht weiter, als die Andern; eine zweite Ladung streckte fünf von ihnen aus den kalten Sand nieder, und da man unmöglich sehen konnte, woher dieser tödtliche Donnerschlag kam, so wichen die Uebrigen mit einem Schrecken zurück, der sich besser malen, als ausdrücken läßt.

Doch weit entfernt, wie die Anderen zu fliehen, blieb Biscarrat unversehrt, setzte sich aus einen Felsblock und wartete.

Es waren nur noch sechs Edelleute übrig.

»Ist es im Ernste der Teufel?« fragte einer von den Ueberlebenden.

»Meiner Treue, es ist etwas Schlimmeres,« sprach ein Anderer.

»Fragen wir Biscarrat, er weiß es.«

»Wo ist Biscarrat?«

Die jungen Leute schauten umher und sahen, daß Biscarrat beim Aufruf fehlte.

»Er ist todt!« sagten ein paar Stimmen.

»Nein,« entgegnete ein Anderer, »ich habe ihn mitten im Pulverdampf sich ruhig auf einen Felsen setzen sehen; er ist in der Höhle und erwartet uns.«

»Er muß diejenigen, welche innen sind, kennen.«

»Wie sollte er sie kennen?«

»Er ist Gefangener der Rebellen gewesen.«

»Das ist wahr. Rufen wir ihn und erfahren wir von ihm, mit wem wir es zu thun haben.«

Und alle Stimmen riefen: »Biscarrat! Biscarrat!«

Aber Biscarrat antwortete nicht.

»Gut!« sagte der Officier, der so viel Kaltblütigkeit bei dieser Sache gezeigt hatte. »Wir bedürfen seiner nicht mehr, hier kommt Verstärkung.«

Es kam in der That eine aus fünf und siebenzig bis achtzig Mann bestehende Compagnie Garden, die von ihren durch die Hitze der Jagd fortgerissenen Officieren zurückgelassen worden war, in schöner Ordnung, geführt vom Kapitän und vom Oberlieutenant.

Die fünf Officiere liefen ihren Soldaten entgegen, erklärten in einer Sprache, deren Beredtsamkeit sich leicht begreifen läßt, das Abenteuer und verlangten Hülse.

Der Kapitän unterbrach sie.

»Wo sind Eure Gefährten?« fragte er,

»Todt!«

»Aber Ihr waret zu sechzehn?«

»Zehn sind todt, Biscarrat ist in der Höhle, und wir sind hier zu fünf.«

»Biscarrat ist also Gefangener?«

»Wahrscheinlich.«

»Nein, denn seht, er kommt hier.«

Biscarrat erschien wirklich am Eingang der Höhle.

»Er heißt uns durch ein Zeichen kommen,« sagten die Officiere. »Gehen wir!«

»Gehen wir!« wiederholte die ganze Truppe.

Und man schritt aus Biscarrat zu.

»Mein Herr,« sprach der Kapitän, sich an Biscarrat wendend, »man versichert mich, Ihr wisset, wer die Männer sind, die sich in dieser Höhle so verzweifelt zur Wehr setzen. Im Namen des Königs fordere ich auf, zu erklären, was Ihr wißt.«

»Mein Kapitän,« erwiederte Biscarrat, »Ihr habt nicht nöthig, mich aufzufordern; es ist mir so eben mein Wort zurückgegeben worden, und ich komme im Namen dieser Männer.«

»Um mir zu sagen, daß sie sich ergeben?«

»Um Euch zu sagen, sie seien entschlossen, sich bis aus den Tod zu vertheidigen, wenn man ihnen nicht einen guten Vergleich bewillige.«

»Wie viel sind es?«

»Es sind zwei.«

»Sie sind zu zwei und wollen uns Bedingungen auferlegen?«,

»Sie sind zu zwei und haben schon zehn von uns getödtet.«

»Was für Leute sind denn das, Riesen?«

»Etwas Besseres, Erinnert Ihr Euch der Geschichte der Bastei Saint-Gervais, mein Kapitän?«

»Ja, wobei vier Musketiere des Königs gegen ein ganzes Heer Stand gehalten haben.«

»Wohl denn, die zwei Männer in der Höhle waren von diesen Musketieren.«

»Sie heißen?«

»Damals nannte man sie Porthos und Aramis, heute nennt man sie Herr d’Herblay und Herr du Vallon.«

»Und welches Interesse haben sie bei dem Allem?«

»Es sind diejenigen, welche Belle-Isle für Herrn Fouquet behaupteten.«

Ein Gemurmel lies unter den Soldaten bei den Worten: Porthos und Aramis, umher.

»Die Musketiere! die Musketiere!« wiederholten sie.

Und bei allen diesen muthigen jungen Leuten erregte der Gedanke, daß sie gegen zwei der ältesten Verherrlichungen des Heeres kämpfen sollten, einen Schauer halb der Begeisterung, halb des Schreckens.

Die vier Namen d’Artagnan, Athos, Porthos und Aramis waren in der That bei Allem verehrt, was ein Schwert trug, wie man im Alterthum die Namen Hercules, Theseus, Castor und Pollux verehrte.

»Zwei Männer!« rief der Kapitän, »und sie haben uns zehn Officiere in zwei Ladungen getödtet. Das ist unmöglich, Herr Biscarrat.«

»Ei! mein Kapitän,« entgegnete dieser, »ich sage Euch nicht, sie haben nicht ein paar Leute bei sich, wie die Musketiere der Bastei Saint-Gervais drei bis vier Diener bei sich hatten; doch glaubt mir, Kapitän, ich habe diese Männer gesehen, ich bin von ihnen gefangen genommen worden, ich kenne sie; ganz allein würden sie genügen, um ein Armeecorps zu vernichten.«

»Das wollen wir sehen, und zwar im Augenblick,« sagte der Kapitän. »Achtung, meine Herren.«

Bei dieser Erwiederung rührte sich Niemand mehr, und Jeder schickte sich an, zu gehorchen.

Biscarrat allein wagte einen letzten Versuch.

»Mein Kapitän,« sagte er leise, »glaubt mir und laßt uns unseres Weges ziehen. Diese zwei Männer, diese zwei Löwen, die man angreifen will, werden sich bis aus den Tod vertheidigen. Sie haben uns schon zehn Mann getödtet; sie werden noch die doppelte Zahl niederstrecken, und am Ende eher sich selbst tödten, als sich ergeben. Was gewinnen wir dabei, daß wir sie bekämpfen?«

»Wir gewinnen dabei das Bewußtsein, daß wir nicht achtzig Garden des Königs vor zwei Rebellen haben zurückweichen lassen. Hörte ich aus Euch, so wäre ich ein entehrter Mann, und indem ich mich entehrte, würde ich das Heer entehren.

»Vorwärts, Ihr Leute!l«

Und er marschirte voran bis an die Oeffnung der Höhle.

Hier ließ er Halt machen.

Dieser Halt hatte zum Zweck, Biscarrat und seinen Gefährten Zeit zu geben, ihm das Innere der Grotte zu schildern. Dann, als er eine genügende Kenntniß von der Oertlichkeit zu haben glaubte, theilte er die Compagnie in drei Corps ab, welche nach und nach, ein in allen Richtungen wohl genährtes Feuer gebend, eindringen sollten. Ohne Zweifel würde man bei diesem Angriff fünf Mann, vielleicht zehn verlieren, sicherlich würde man aber am Ende die Rebellen festnehmen, da kein Ausgang da wäre und im Ganzen zwei Männer nicht achtzig tödten könnten.

»Mein Kapitän,« sagte Biscarrat, »ich bitte, an der Spitze der ersten Abtheilung marschiren zu dürfen.«

»Es sei!« erwiederte der Kapitän. »Ihr habt alle Ehre davon. Es ist ein Geschenk, das ich Euch mache.«

»Ich danke!« sprach der junge Mann mit der ganzen Festigkeit seines Geschlechtes.

»So nehmt Euren Degen.«

»Ich werde so gehen, wie ich bin,« antwortete Biscarrat, »denn ich gehe nicht, um zu tödten, sondern um getödtet zu werden.«

Und er stellte sich, die Stirne entblößt und die Arme gekreuzt, an die Spitze der ersten Abtheilung und rief:

»Vorwärts, meine Herren!«

XXIII.
Ein Gesang von Homer

Es ist Zeit, in das andere Lager überzugehen und zugleich die Streiter und das Schlachtfeld zu schildern.

Aramis und Porthos hatten sich in die Grotte von Locmaria begeben, um dort die ganz ausgerüstete Barke, sowie die drei Bretannier, ihre Gehilfen, zu finden, und sie hofften vor Allem das Fahrzeug durch den kleinen Ausgang der Höhle hinauszuschaffen und aus diese Art ihre Arbeiten und ihre Flucht zu verbergen.

Die Ankunft des Fuchses und der Hunde nöthigte, sie innen zu bleiben.

Die Grotte erstreckte sich aus einen Raum von ungefähr hundert Klastern, bis an eine kleine Böschung, welche eine Kreek beherrschte. Einst ein Tempel celtischer Gottheiten, als Belle-Isle noch Calonese hieß, hatte diese Grotte mehr als ein Menschenopfer in seinen geheimnißvollen Tiefen vollbringen sehen.

Man drang in den ersten Trichter dieser Höhle aus einem ziemlich sanften Abhang ein, über dem aufgehäufte Felsen eine niedrige Arcade bildeten; schlecht geebnet in Beziehung aus den Boden, gefährlich durch die felsigen Ungleichheiten des Gewölbes, hatte das Innere mehrere Unterabtheilungen, die über einander lagen und sich durch ein paar holperige, zerbrochene Stufen beherrschten, welche rechts und links an ungeheure natürliche Pfeiler angefügt waren.

In der dritten Abtheilung war das Gewölbe so niedrig, daß die Barke, die beiden Mauern berührend, kaum hätte durchkommen können; doch in einem Augenblicke der Verzweiflung geschmeidet sich das Holz, wird der Stein unter dem Hauche des menschlichen Willens gefällig.

Das war der Gedanke von Aramis, als er sich, nachdem er den Kampf eingegangen, zur Flucht entschloß, zu einer gewiß gefährlichen Flucht, da noch nicht alle Angreifende todt waren, und da man, die Möglichkeit, das Fahrzeug ins Meer zu setzen, angenommen, beim lichten Tag vor den Besiegten geflohen wäre, welche, ihre kleine Zahl erkennend, so sehr dabei interessirt gewesen sein müßten, ihre Sieger verfolgen zu lassen.

Als die zwei Ladungen zehn Mann getödtet hatten, untersuchte Aramis, der an die Krümmungen der Höhle gewöhnt war, einen um den andern, zählte sie und befahl, auf der Stelle die Barke bis zu dem großen Stein, dem Schlusse des befreienden Ausgangs, zu wälzen.

Porthos sammelte seine Kräfte, nahm die Barke in seine beiden Arme und hob sie auf, während die Bretannier rasch die Walzen laufen ließen.

Man war in die dritte Abtheilung hinabgestiegen, man war bis zu dem Stein gelangt, der den Ausgang vermauerte.

Porthos faßte diesen riesigen Stein an seiner Base an, drückte mit seiner mächtigen Schulter daraus und gab ihm einen Stoß, der diese Mauer krachen machte.

Eine Staubwolke fiel vom Gewölbe herab mit der Asche von tausend Generationen von Seevögeln, deren Nester sich wie ein Cement am Felsgestein anhingen.

Beim dritten Stoß gab der Stein nach und wankte eine Minute. Porthos lehnte sich an den nächsten Felsen an und machte aus seinem Fuß einen Strebepfeiler, der den Block aus den kalkartigen Anhäufungen hinausschob, die ihm als Angeln und Verkittungen dienten.

Als der Stein gefallen war, erblickte man das Tageslicht; glänzend, strahlend stürzte es sich durch den Rahmen des Ausgangs in die Höhle, und das blaue Meer erschien vor den bezauberten Bretanniern.

Man fing nun an, die Barke aus diese Barricade hinauszuheben. Noch zwanzig Klafter, und sie konnte in den Ocean gleiten.

Während dieser Zeit kam die Compagnie an, wurde vom Kapitän aufgestellt und zur Ersteigung oder zum Sturme geordnet.

Aramis überwachte Alles, um die Arbeiten seiner Freunde zu fördern. Er sah diese Verstärkung, er zählte die Mannschaft und überzeugte sich mit einem Blick von der unüberwindlichen Gefahr, der sie sich in neuem Kampfe preisgeben würden.

Aus der See in dem Augenblick entfliehen, wo die Höhle überfallen würde, wäre unmöglich.

Das Tageslicht, das nun die zwei letzten Abtheilungen erhellte, hätte in der That den Soldaten der Barke gezeigt, wie sie die zwei Rebellen auf Flintenschußweite nach dem Meere rollten, und eine von ihren Ladungen durchlöcherte das Fahrzeug, wenn sie nicht die fünf Schiffer tödteten.

Entkam, den letzten Fall angenommen, die Barke mit den fünf Männern, die daraus fuhren, wie sollte nicht Lärm geschlagen werden? Wie sollte nicht den königlichen Chalands eine Nachricht zugeschickt werden? Wie sollte nicht der arme Nachen, zur See umstellt und am Lande bewacht, vor dem Ende des Tags unterliegen?

 

Aramis wühlte wüthend in seinen ergrauenden Haaren und rief den Beistand Gottes und den Beistand des Teufels an.

Er winkte Porthos zu sich, der allein mehr arbeitete, als Walzen und Wälzer, und sagte leise zu ihm:

»Freund, unsere Gegner haben Verstärkung erhalten.«

»Ah!« machte Porthos ruhig, »was ist zu thun?«

»Den Kampf wiederbeginnen ist eine gewagte, in Betreff des Ausgangs unsichere Sache.«

»Ja,« sagte Porthos, »denn es ist schwerlich der Fall, daß man nicht den Einen von uns tödtet, und wäre der Eine von uns getödtet, so würde sich der Andere auch tödten lassen.«

Porthos sprach diese Worte mit jener heldenmüthigen Natur, welche bei ihm mit allen Kräften der Materie wuchs.

Aramis fühlte es in seinem Herzen wie einen Spornstich.

»Wir werden weder der Eine, noch der Andere getödtet werden, wenn Ihr thut, was ich Euch sage, Freund Porthos.«

»Sprecht.«

»Diese Leute werden in die Grotte herabsteigen.«

»Ja.«

»Wir können fünfzehn tödten, aber nicht mehr.«

»Wie viel sind es im Ganzen?« fragte Porthos.

»Sie haben eine Verstärkung von fünf und siebzig Mann erhalten.«

»Fünf und siebzig und fünf macht achtzig. Ah! ah!«

»Geben sie mit einander Feuer, so werden sie uns mit Kugeln durchlöchern.«

»Sicherlich.«

»Abgesehen davon,« sagte Aramis, »daß das Krachen der Schüsse Einstürze in der Grotte veranlassen kann.«

»Ja, so eben hat mir ein Felssplitter die Schulter ein wenig zerrissen.« »Seht Ihr!« »Doch, das ist nichts.«

»Fassen wir rasch einen Entschluß. Die Bretannier werden fortfahren, die Barke nach der See zu wälzen.«

»Sehr gut.«

»Wir Beide bewachen hier das Pulver, die Kugeln und die Musketen.«

»Aber zu zwei, mein lieber Aramis, werden wir nie drei Schüsse mit einander abfeuern,« entgegnete Porthos naiv; »das Mittel des Musketenfeuers ist schlecht.«

»Findet ein anderes.«

»Ich habe es gesunden,« rief plötzlich der Riese. »Ich will mich hinter den Pfeiler mit dieser eisernen Stange in Hinterhalt legen, und unsichtbar, unangreifbar, wenn sie in Wogen hereingekommen sind, lasse ich meine Stange dreißigmal in der Minute auf die Schädel fallen; heh! was sagt Ihr zu diesem Plan? er lächelt Euch an?«

»Vortrefflich, theurer Freund, vortrefflich; ich billige ihn sehr; nur werdet Ihr sie erschrecken, und die Hälfte wird außen bleiben, um uns durch den Hunger zu überwältigen. Was wir bedürfen, mein Freund, ist die gänzliche Vernichtung der Truppe; ein einziger Mann, der aufrecht bleibt, bewirkt unser Verderben.«

»Ihr habt Recht, mein Freund; doch ich bitte, wie, sie herbeiziehen?«

»Indem wir uns nicht rühren, mein guter Porthos.«

»Rühren wir uns nicht; doch wenn sie Alle beisammen sind . . . «

»Dann laßt mich machen; ich habe einen Gedanken.«

»Wenn es sich so verhält, und Euer Gedanke gut ist, und er muß gut sein, Euer Gedanke, bin ich ruhig.«

»In den Hinterhalt, Porthos, und zählt alle diejenigen, welche hereinkommen.«

»Aber was werdet Ihr thun?«

»Kümmert Euch nicht um mich, ich habe mein Geschäft.«

»Mir scheint, ich höre Stimmen.«

»Sie sind es . . . An Euern Posten . . . Haltet Euch im Bereich meiner Stimme und meiner Hand.«

Porthos flüchtete sich in die zweite Abtheilung, welche durchaus schwarz war.

Aramis schlüpfte in die dritte; der Riese hielt in der Hand eine fünfzig Pfund schwere eiserne Stange. Porthos handhabte mit einer wunderbaren Leichtigkeit diesen Hebebaum, der zum Wälzen der Barke gedient hatte.

Während dieser Zeit schoben die Bretannier das Fahrzeug bis zum abschüssigen Gestade.

In der erleuchteten Abtheilung beschäftigte sich Aramis, gebückt, mit einem geheimnißvollen Manoeuvre.

Man hörte mit lauter Stimme commandiren. Das war der letzte Befehl des Kapitäns. Fünf und zwanzig Mann sprangen von den oberen Felsen in die erste Abtheilung der Grotte und gaben Feuer, als sie Fuß gefaßt hatten.

Die Echos donnerten, zischende Kugeln durchfurchten die Gewölbe, ein undurchsichtiger Rauch füllte den Raum.

»Links! links!« rief Biscarrat, der bei seinem ersten Angriff den Gang nach der zweiten Abtheilung gesehen hatte und, belebt durch den Pulvergeruch, seine Soldaten nach dieser Seite führen wollte.

Die Truppe eilte in der That nach links. Der Gang verengte sich allmälig; die Hände ausgestreckt, dem Tode geweiht, marschirte Biscarrat vor den Musketen.

»Kommt! kommt« rief er, »ich sehe Licht.« »Schlaget, Porthos rief die Grabesstimme von Aramis.

Porthos gab einen Seufzer von sich, aber er gehorchte.

Die eiserne Stange fiel bleirecht aus den Kopf von Biscarrat, und dieser war todt, ehe er einen Schrei vollendet hatte. Dann erhob und senkte sich die furchtbare Stange zehnmal in zehn Secunden und machte zehn Leichen.

Die Soldaten sahen nichts; sie hörten die Schreie, das Stöhnen; sie traten auf Körper, begriffen aber noch nicht und stiegen stolpernd über einander weg.

Beständig fallend, vernichtete die unversöhnliche Stange das erste Peloton, ohne daß ein einziges Geräusch das zweite, welches immer mehr vorrückte, benachrichtigte.

Nur hatte dieses zweite Peloton, das der Kapitän befehligte, eine magere Tanne, die auf dem Gestade wuchs, abgebrochen, und aus ihren harzigen, zusammengewundenen Zweigen hatte sich der Kapitän eine Fackel gemacht.

Als es an die Abtheilung kam, wo Porthos, dem Würgengel ähnlich, Alles, was er berührt, vernichtet hatte, wich das erste Glied vor Schrecken zurück.

Kein Gewehrfeuer hatte das Feuern der Garden erwiedert, und dennoch stieß man aus einen Haufen von Leichnamen, watete man buchstäblich im Blute.

Porthos stand immer noch hinter seinem Pfeiler.

Als der Kapitän mit dem zitternden Lichte der entflammten Fichte diese gräßliche Schlächterei beleuchtete, deren Ursache er vergebens suchte, wich er bis zu dem Pfeiler zurück, hinter dem Porthos verborgen war.

Da kam eine riesige Hand aus dem Schatten hervor und klammerte sich an der Gurgel des Kapitäns an; er gab ein dumpfes Röcheln von sich; seine Arme streckten sich die Lust peitschend aus, die Fackel fiel und erlosch im Blute.

Eine Secunde nachher fiel der Körper des Kapitäns bei der ausgelöschten Fackel nieder und fügte einen Leichnam mehr dem Hausen der Leichname bei, der den Weg versperrte.

Dies Alles war wie etwas Zauberhaftes vor sich gegangen. Bei dem Röcheln des Kapitäns hatten sich die Leute, die ihn begleiteten, umgedreht; sie hatten seine Arme sich öffnen, seine Augen aus ihrer Höhle heraustreten sehen; dann, als die Fackel gefallen, waren sie in der Finsterniß geblieben.

Durch eine unüberlegte, instinctartige, maschinenmäßige Bewegung rief der Lieutenant:

»Feuer!«

Sogleich prasselte, donnerte, brüllte eine Salve Musketenschüsse in der Höhle und riß ungeheure Stücke von den Gewölben ab.

Die Höhle erleuchtete sich einen Augenblick bei diesem Feuer, versank aber alsbald wieder in eine durch den Rauch sich noch mehr verdichtende Finsterniß.

Es trat ein tiefes Stillschweigen ein, nur gestört durch die Schritte der dritten Brigade, welche nun auch in der Grotte erschien.