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Der Graf von Bragelonne

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Man sah an der verlegenen Miene von Monsieur, wie peinlich ihm das Gespräch des Königs mit seiner Gemahlin war. Die Augen von Madame waren beinahe roth; wollte sie sich beklagen, wollte sie einen kleinen Scandal bei vollem Hofe machen?

Der König nahm sie aus die Seite und sagte mit einem so sanften Tone, daß er die Prinzessin an die Tage erinnern mußte, wo man sie um ihrer selbst willen geliebt hatte:

»Meine Schwester, warum haben diese schönen Augen geweint?«

»Sire . . . « stammelte sie.

»Monsieur ist eifersüchtig, nicht wahr?«

Sie schaute nach der Seite von Monsieur, ein untrügliches Zeichen, das den Prinzen benachrichtigte, man beschäftige sich mit ihm.

»Ja,« antwortete sie.

»Höret mich an,« fuhr der König fort, »wenn Eure Freunde Euch bloßstellten, so ist es nicht der Fehler von Monsieur.«

Er sprach diese Worte mit einer solchen Milde, daß Madame, welche seit langer Zeit so viel Kummer hatte, beinahe in Thränen ausgebrochen wäre.

»Ruhig, liebes Schwesterchen,« sagte der König, »erzählt mir diese Schmerzen; bei meinem Bruderwort, sie erregen mein Mitleid; bei meinem Königswort, ich werde ihnen ein Ziel setzen.«

Sie schlug ihre schönen Augen auf und erwiederte schwermüthig:

»Nicht meine Freunde sind es, die mich compromittiren; sie sind abwesend oder verborgen; man hat sie, die so ergeben, so gut, so rechtschaffen, bei Eurer Majestät in Ungnade gebracht.«

»Ihr sagt das wegen Guiche, den ich aus die Bitte von Monsieur verbannt habe?«

»Und der sich seit dieser ungerechten Verbannung einmal des Tags tödten zu lassen sucht!«

»Ungerecht! sagt Ihr, meine Schwester?«

»So ungerecht, daß, wenn ich nicht für Eure Majestät die mit Freundschaft gemischte Achtung gehabt hätte, die ich immer habe . . . «

»Nun?«

»Daß ich meinen Bruder Karl, über den ich Alles vermag, gebeten hätte . . . «

Der König bebte.

»Was denn?«

»Ich hätte ihn gebeten, Euch vorstellen zu lassen, daß Monsieur und sein Günstling, der Herr Chevalier von Lorraine, sich nicht ungestraft zu Henkern meines Glückes und meiner Ehre machen dürfen.«

»Der Chevalier von Lorraine, dieses finstere Gesicht?«

»Ist mein Todfeind. So lange dieser Mensch in meinem Hause lebt, wo ihn Monsieur zurückhält und ihm jede Gewalt gibt, werde ich die letzte Frau dieses Reiches sein.«

»Somit,« sprach der König langsam, »somit nennt Ihr Euren Bruder von England einen besseren Freund, als mich?«

»Die Handlungen sind da, Sire.«

»Und Ihr wollt lieber Hilfe verlangen von . . . «

»Von meinem Vaterland,« erwiederte sie mit Stolz; »ja, Sire.«

»Meine Freundin,« sagte der König, »Ihr seid die Enkelin von Heinrich IV. wie ich. Vetter und Schwager, hat das am Ende nicht den Werth des Titels leiblicher Bruder?«

»So handelt.«

»Schließen wir ein Bündniß?«

»Fangt an.«

»Ich habe, sagt Ihr, Guiche ungerecht verbannt?«

»Oh! ja,« antwortete sie erröthend.

»Guiche wird zurückkommen.«

»Gut.«

»Und dann sagt Ihr, ich habe Unrecht, den Chevalier von Lorraine, der Monsieur schlechte Rathschläge gegen Euch gebe, in Eurem Hause zu lassen?«

»Behaltet wohl, was ich Euch sage, Sire . . . der Chevalier von Lorraine, wenn ich eines Tages schlecht endige, erinnert Euch, daß ich zum Voraus den Chevalier von Lorraine anklage; das ist eine zu allen Verbrechen fähige Seele!«

»Der Chevalier von Lorraine wird Euch nicht mehr belästigen, das verspreche ich Euch.«

»Dies wird ein wahres Präliminar des Bündnisses sein, Sire, ich unterzeichne es . . . Doch da Ihr Euren Theil gemacht habt, sagt mir, was der meinige sein soll.«

»Statt mich mit Eurem Bruder Karl zu entzweien, müßt Ihr mich zu einem innigern Freund von ihm machen, als ich je war.«

»Das ist leicht.«

»Ah! nicht so sehr, als Ihr glaubt; denn bei einer gewöhnlichen Freundschaft umarmt man sich, ist man zuvorkommend, gibt man sich Feste. Das kostet einen Kuß, einen Empfang; leichte Kosten, aber bei der politischen Freundschaft . . . «

»Ah! es ist eine politische Freundschaft?«

»Ja, meine Schwester, und statt der Umhalsungen und der Feste sind es Soldaten, mit denen man seinen Freund ganz lebend und ganz equipirt bedienen, sind es Schiffe, die man ihm ganz bemannt, mit Waffen und Munition ausgerüstet bieten muß. Daraus geht hervor, daß man nicht immer Kassen und Kisten hat, welche geneigt und beschaffen sind, solche Freundschaften zu machen.«

»Ihr habt Recht, Sire . . . die Kassen und Kisten des Königs von England sind seit einiger Zeit ein wenig sonor.«

»Doch Ihr, meine Schwester, Ihr, die Ihr so viel Einfluß aus Euren Bruder habt, werdet vielleicht erlangen, was ein Gesandter nie erlangen würde.«

»Ich müßte zu diesem Behufe nach England gehen, mein lieber Bruder.«

»Ich dachte wohl hieran,« erwiederte lebhaft der König, »und ich sagte mir, eine solche Reise würde Euch ein wenig Zerstreuung geben . . . «

»Nur ist es möglich, daß ich scheitere,« unterbrach ihn Madame: »der König von England hat gefährliche Räthe.«

»Räthinnen, wollt Ihr sagen!«

»Ganz richtig. Wenn zufällig Eure Majestät die Absicht hätte, ich nehme nur an, von Karl II. ein Bündniß für einen Krieg zu verlangen . . . «

»Für einen Krieg?«

»Ja. Nun! so werden die Räthinnen des Königs, welche der Zahl nach sieben sind, Fräulein Stewart, Fräulein Wells, Fräulein Gwyn, Miß Orchay, Fräulein Zunga, Miß Daws und die Gräfin von Castelmaine, dem König vorstellen, der Krieg koste viel Geld, es sei besser, Gesetze und Abendbrode in Hampton-Court zu geben, als Linienschiffe in Portsmouth und in Greenwich zu equipiren.«

»Und dann wird Eure Unterhandlung scheitern?«

»Oh! diese Damen bewirken, daß alle Unterhandlungen scheitern, die sie nicht selbst machen.«

»Wißt Ihr, welchen Gedanken ich gehabt habe, meine Schwester?«

»Nein, sprecht.«

»Wohl um Euch her suchend, würdet Ihr vielleicht, um sie zum König mitzunehmen, eine Räthin gefunden haben, deren Beredsamkeit den bösen Willen der Anderen gelähmt hätte.«

»Das ist in der That ein Gedanke, Sire, und ich suche.«

»Ihr werdet finden.«

»Ich hoffe es.«

»Es müßte eine hübsche Person sein; ein angenehmes Gesicht ist besser, als ein häßliches, nicht wahr?«

»Sicherlich.«

»Ein lebhafter, heiterer, verwegener Geist!«

»Gewiß. Adel . . . so viel, als man braucht, um sich dem König ohne ein linkisches Wesen zu nähern; wenig genug, um nicht durch die Geschlechtswürde verlegen und beengt zu sein.«

»Ganz richtig.«

»Und die ein wenig Englisch könnte . . . «

»Mein Gott!« rief Madame lebhaft, »wie Fräulein von Kéroualle, zum Beispiel.

»Ja wohl, Ihr habt gefunden, Ihr habt gefunden, meine Schwester.«

»Ich nehme sie mit. Ich denke, sie wird sich nicht über mich zu beklagen haben.«

»Nein . . . ich ernenne sie zur bevollmächtigten Verführerin, und füge dann den Gehalt dem Titel bei.«

»Gut.«

»Ich sehe Euch schon auf der Reise, liebes Schwesterchen, und getröstet über all’ Euren Kummer.«

»Ich werde unter zwei Bedingungen gehen. Einmal muß ich wissen, worüber ich zu unterhandeln habe,«

»Höret. Die Holländer beleidigen mich jeden Tag in ihren Zeitungen durch ihre republikanische Haltung. Ich liebe die Republiken nicht.«

»Das begreift sich, Sire«

»Ich sehe zu meiner Betrübniß, daß diese Könige des Meeres, so nennen sie sich, den Handel Frankreichs in Indien hemmen, und daß ihre Schiffe bald alle Häfen Europas besetzt halten werden. Eine solche Macht ist mir zu nahe, meine Schwester.«

»Sie sind jedoch Eure Nachbarn.«

»Darum haben sie Unrecht gehabt, die Euch bekannte Münze schlagen zu lassen, welche Holland darstellt, das wie Josua die Sonne stille stehen macht, mit dem Spruch! Die Sonne ist vor mir ausgegangen. Nicht wahr, das ist wenig brüderlich?«

»Ich glaubte, Ihr hättet diese Erbärmlichkeit vergessen.«

»Ich vergesse nie etwas, meine Schwester. Und wenn meine wahren Freunde, wie Euer Bruder Karl, mir beistehen wollen . . . «

Die Prinzessin wurde nachdenkend.

»Höret, die Herrschaft der Meere ist zu theilen,« fuhr Ludwig XIV. fort. »Werde ich bei dieser Theilung, welche England erlitt, nicht den zweiten Theil eben so gut vertreten, als die Holländer?«

»Wir haben Fräulein von Kéroualle, um diese Frage zu verhandeln,« erwiederte Madame.

»Ich bitte, was ist Eure zweite Bedingung, unter der Ihr die Reise machen wollt, meine Schwester?«

»Die Einwilligung von Monsieur, meinem Gemahl.«

»Ihr sollt sie bekommen.«

»Dann bin ich abgereist, mein Bruder.«

Nachdem er diese Worte gehört, wandte sich Ludwig XIV. nach der Ecke des Saales um, wo sich Colbert und Aramis mit d’Artagnan befanden, und machte seinem Minister ein bejahendes Zeichen.

Colbert brach das Gespräch bei dem Punkte ab, den es gerade erreicht hatte, und sagte zu Aramis:

»Herr Botschafter, wollen wir nun von den Angelegenheiten reden?«

D’Artagnan entfernte sich sogleich aus Discretion.

Er wandte sich nach dem Kamin und nahm eine Stellung, daß er hören konnte, was der König zu Monsieur sagen würde, der ihm voll Unruhe entgegen kam.

Das Gesicht des Königs war belebt. Aus seiner Stirne las man einen Willen, dessen furchtbarer Ausdruck schon keinen Widerspruch mehr in Frankreich traf und bald keinen mehr in Europa finden sollte.

»Mein Herr,« sprach der König zu seinem Bruder, »ich bin mit dem Herrn Chevalier von Lorraine unzufrieden. Ihr, der Ihr ihm die Ehre erweist, ihn zu begünstigen, rathet ihm, einige Monate zu reisen.«

Diese Worte fielen mit dem Donner einer Lauwine auf Monsieur, denn er betete den Günstling an und drängte in ihm alle seine Zärtlichkeiten zusammen.

Er rief auch:

 

»In welcher Hinsicht hat der Chevalier Eurer Majestät mißfallen können?«

Er schleuderte Madame einen wüthenden Blick zu.

»Ich werde Euch das sagen, wenn er abgereist ist,« erwiederte der König unempfindlich. »Und auch wenn Madame in England angekommen sein wird.«

»Madame! in England!« murmelte Monsieur verwunderungsvoll.

»In acht Tagen, mein Bruder,« erwiederte Ludwig XIV., »während wir Beide dahin gehen, wohin ich Euch sagen werde.«

Und der König wandte seinem Bruder den Rücken zu, nachdem er ihn angelächelt, um die Bitterkeit dieser zwei Nachrichten zu versüßen.

Während dieser Zeit sprach Colbert beständig mit dem Herzog von Alameda.

»Mein Herr,« sagte Colbert zu Aramis, »der Augenblick, uns zu verständigen, ist gekommen. Ich habe Euch mit dem König ausgesöhnt, und ich war das wohl, einem Mann von Euren Verdiensten schuldig; aber es bietet sich, da Ihr mir zuweilen Freundschaft bezeigt habt, die Gelegenheit, mir einen Beweis davon zu geben. Ihr seid überdies mehr Franzose, als Spanier. Antwortet mir offenherzig, werden wir die Neutralität Spaniens haben, wenn wir etwas gegen die Vereinigten Provinzen unternehmen?«

»Mein Herr,« erwiederte Aramis, »das Interesse Spaniens ist sehr klar. Mit Europa die Vereinigten Provinzen entzweien, gegen welche der alte Groll wegen ihrer errungenen Freiheit obwaltet, das ist unsere Politik; doch der König von Frankreich ist der Verbündete der Vereinigten Provinzen. Es ist Euch sodann nicht unbekannt, daß dies ein Seekrieg wäre, und daß Frankreich, wie ich glaube, nicht im Stande ist, einen solchen mit Vortheil zu führen.«

Colbert wandte sich in diesem Augenblick um und sah d’Artagnan, der Jemand suchte, mit dem er sich während des abgesonderten Gesprächs von Ludwig XIV. mit Monsieur unterhalten könnte.

Er rief ihn und sagte dann leise zu Aramis:

»Wir können mit d’Artagnan sprechen.«

»Oh! gewiß!« erwiederte der Botschafter.

»Wir sagten so eben, Herr von Alameda und ich,« sprach Colbert, »der Krieg mit den Vereinigten Provinzen sei ein Seekrieg.«

»Das ist unleugbar,« erwiederte der Musketier.

»Und was haltet Ihr davon, Herr d’Artagnan?«

»Ich denke, um diesen Seekrieg zu führen, müßten wir eine sehr starke Landarmee haben.«

»Wie beliebt?« fragte Colbert, der schlecht gehört zu haben glaubte.

»Warum eine Landarmee?« sagte Aramis.

»Weil der König auf der See geschlagen werden wird, wenn er nicht die Engländer bei sich hat, und weil er, ist er aus dem Meere geschlagen, schnell entweder von den Holländern in den Häfen, oder von den Spaniern auf dem Lande überfallen werden wird.«

»Wenn der Spanier neutral ist?« sagte Aramis.

»Neutral, so lange der König der Stärkere sein wird,« entgegnete d’Artagnan.

Colbert bewunderte diesen Scharfsinn, der nie eine Frage berührte, ohne sie gründlich aufzuklären.

Aramis lächelte. Er wußte wohl, daß d’Artagnan in Betreff der Diplomatie keinen Meister anerkannte.

Colbert, der wie alle Männer von Stolz seiner Phantasie mit einer Gewißheit des Erfolgs schmeichelte, nahm wieder das Wort und sprach:

»Herr d’Artagnan, wer sagt Euch, der König habe keine Marine?«

»Oh! ich habe mich nicht mit diesen Einzelheiten beschäftigt,« erwiederte der Kapitän, »Ich bin ein mittelmäßiger Seemann. Wie alle nervigen Leute, hasse ich das Meer; doch ich denke, daß man mit Schiffen, da Frankreich ein zweihundertköpfiger Hafen ist, Seeleute hätte.«

Colbert zog aus seiner Tasche eine kleine längliche Schreibtafel in zwei Colonnen. Auf der ersten waren die Namen der Schiffe, aus der zweiten die Ziffern, welche die Zahl der Kanonen und der Mannschaft zusammenfaßten, die diese Schiffe equipirten.

»Ich habe denselben Gedanken gehabt wie Ihr,« sagte er zu d’Artagnan, »und ich ließ mir ein Verzeichniß der Kriegsschiffe machen, die wir addirt haben. Fünf und dreißig Schiffe.«

»Fünf und dreißig Schiffe! Das ist unmöglich!« rief d’Artagnan.

»Ungefähr zwei tausend Kanonen fuhr Colbert fort. »Das ist es, was der König in diesem Augenblick besitzt. Mit fünf und dreißig Schiffen macht man drei Geschwader; aber ich will fünf haben.«

»Fünf!« rief Aramis.

»Sie werden vor dem Ende des Jahres flott sein, meine Herren; der König wird fünfzig Linienschiffe haben. Damit streitet man, nicht wahr?«

»Kriegsschiffe machen ist schwierig, doch es ist möglich,« sagte d’Artagnan. »Aber wie sie ausrüsten? In Frankreich gibt es weder Gießereien, noch militärische Werften.«

»Bah!« erwiederte Colbert mit freudiger Miene, »seit anderthalb Jahren habe ich dies Alles eingerichtet. Ihr wißt das also nicht? . . . Kennt Ihr Herrn d’Infreville?«

»D’Infreville?« antwortete d’Artagnan; »nein.«

»Das ist ein Mann, den ich entdeckt habe. Er besitzt ein specielles Talent: er versteht es, die Handwerksleute arbeiten zu machen. Er hat in Toulon Kanonen gießen und Burgunder Stämme zimmern lassen. Und dann werdet Ihr vielleicht nicht glauben, was ich Euch zu sagen im Begriffe bin, Herr Botschafter: ich habe noch eine Idee.«

»Oh! mein, Herr,« erwiederte Aramis höflich, »ich glaube Euch immer.«

»Stellt Euch vor, daß ich, auf den Charakter der Holländer rechnend, mir gesagt habe: Sie sind Kaufleute, sie sind befreundet mit dem König, sie werden glücklich sein, wenn sie an den König verkaufen, was sie für sich selbst fabriciren. Je mehr man also kauft . . . Ah! ich muß beifügen: Ich habe Forant . . . Kennt Ihr Forant, d’Artagnan?«

Colbert vergaß sich. Er nannte den Kapitän d’Artagnan kurzweg wie der König. Doch der Kapitän lächelte.

»Nein,« erwiederte er, »ich kenne ihn nicht.«

»Das ist abermals ein Mann, den ich entdeckt habe, ein specielles Talent für den Ankauf. Dieser Forant hat mir für 250,000 Livres Eisen in Kugeln, für 200,000 Livres Pulver, zwölf Ladungen Holz vom Norden, Lunten, Granaten, Schiffstheer, was weiß ich, gekauft, mit einer Ersparniß von sieben Procent auf dem, was mich diese Dinge in Frankreich fabricirt kosten würden.«

»Es ist eine Idee, holländische Kugeln gießen zu lassen, welche zu den Holländern zurückkehren werden,« sagte d’Artagnan.

»Nicht wahr, mit Verlust?«

Hier brach Colbert in ein schallendes Gelächter aus. Er war entzückt über seinen Scherz.

»Mehr noch,« fügte er bei, »dieselben Holländer machen dem König in diesem Augenblick sechs Kriegsschiffe nach dem Muster der besten ihrer Marine. Destouches . . . Ah! Ihr kennt Destouches vielleicht nicht?«

»Nein, mein Herr.«

»Es ist ein Mann, dessen Auge seltsam sicher genug ist, daß er, wenn ein Schiff ausläuft, sagen kann, was seine Mängel und seine guten Eigenschaften sind. Das ist kostbar, wißt Ihr! Die Natur ist wahrhaft bizarr! Nun wohl! dieser Destouches schien mir ein nützlicher Mann in einem Hafen sein zu müssen, und er überwacht die Construction von sechs Schiffen von 78, welche die Provinzen für Seine Majestät bauen lassen. Aus dem Allem geht hervor, mein lieber d’Artagnan, daß der König, wenn er sich mit den Provinzen entzweien wollte, eine sehr hübsche Flotte hätte. Ihr wißt aber besser als irgend Jemand, ob die Landarmee gut ist,«

D’Artagnan und Aramis schauten sich an; sie bewunderten die geheimnißvolle Arbeit, welche dieser Mann in wenigen Jahren durchgeführt hatte.

Colbert begriff sie und war gerührt von dieser Schmeichelei, der besten von allen.

»Wenn wir in Frankreich es nicht wußten,« sprach d’Artagnan, »außerhalb Frankreich weiß man es noch viel weniger.«

»Darum sagte ich zu dem Herrn Botschafter,« fuhr Colbert fort, »wenn Spanien seine Neutralität verspreche, wenn England uns unterstütze . . . «

»Wenn England Euch unterstützt,« erwiederte Aramis, »so verbürge ich mich für die Neutralität Spaniens.«

»Eure Hand daraus,« rief Colbert mit seiner ungeschlachten Treuherzigkeit. »Und was Spanien betrifft, Ihr habt das goldene Vließ nicht, Herr von Alameda. Ich habe den König kürzlich sagen hören, er würde Euch gern das große Band vom heiligen Michael tragen sehen.«

Aramis verbeugte sich.

»Oh!« dachte d’Artagnan, »und Porthos ist nicht mehr da! Wie viel Ellen Band würden ihm bei dieser Freigebigkeit zufallen! Guter Porthos!«

»Herr d’Artagnan,« sagte Colbert, »nun ist die Reihe an uns Beiden. Ich wette, Ihr werdet Geschmack daran finden, Eure Musketiere nach Holland zu führen. Könnt Ihr schwimmen?«

Und er lachte wie ein Mensch, der von der besten Laune ergriffen ist.

»Wie ein Aal,« erwiederte d’Artagnan.

»Oh! man hat dort eine harte Arbeit mit Kanälen und Sümpfen, Herr d’Artagnan, und die besten Schwimmer ertrinken.«

»Es ist mein Handwerk, für den König zu sterben,« antwortete der Musketier. »Nur, da es selten ist, daß man im Krieg viel Wasser ohne ein wenig Feuer findet, erkläre ich Euch, daß ich mein Möglichstes thun werde, um das Feuer zu wählen. Ich werde alt, das Wasser macht mich erstarren, das Feuer erwärmt wieder, Herr Colbert.«

Und d’Artagnan, indem er diese Worte sprach, war so schön von Stärke und jugendlichem Stolz, daß Colbert seinerseits nicht umhin konnte, ihn zu bewundern.

D’Artagnan gewahrte die Wirkung, die er hervorgebracht hatte. Er erinnerte sich, daß derjenige ein guter Handelsmann ist, welcher seine Waare ganz laut schätzen läßt, wenn sie Werth hat. Er machte daher seinen Preis zum Voraus.

»Wir gehen also nach Holland,« sagte Colbert,

»Ja,« erwiederte d’Artagnan; »nur . . . «

»Nur?«

»Nur,« wiederholte d’Artagnan, »nur ist bei Allem die Frage des Interesse und die Frage der Eitelkeit. Der Gehalt eines Kapitäns der Musketiere ist allerdings schön, aber bemerkt wohl, wir haben jetzt die Garden des Königs und die Haustruppen des Königs. Ein Kapitän der Musketiere muß entweder dies Alles commandiren, und dann wurde er wenigstens hundert tausend Livres für Repräsentation und Tafel verbrauchen . . . «

»Denkt Ihr etwa, der König handle mit Euch?« entgegnete Colbert.

»Ei! mein Herr, Ihr habt mich nicht verstanden,« erwiederte d’Artagnan, der nun sicher, daß er die Frage des Interesse durchgesetzt; »ich sagte, ich, ein alter Kapitän, einst Chef der Garde des Königs, ich, der ich den Vortritt vor den Marschällen von Frankreich habe, könnte mich eines Tages gleich gestellt zu drei mit dem Kapitän der Garden und dem Obersten Commandanten der Schweizer sehen. Das würde ich aber um keinen Preis dulden. Ich habe meine alten Gewohnheiten und halte darauf.«

Colbert fühlte den Streich. Er war vorbereitet.

»Ich habe an das, was Ihr mir so eben gesagt, gedacht,« erwiederte er.

»An was?«

»Wir sprachen vorhin von Kanälen und Sümpfen, in denen man ertrinke.«

»Nun?«

»Nun! wenn man ertrinkt, so geschieht es in Ermangelung eines Stabes, eine Brettes, eines Stockes.«

»Eines Stabes, so kurz er sein mag,« sagte d’Artagnan.

»Ganz richtig,« sprach Colbert, »ich kenne auch kein Beispiel, daß ein Marschall von Frankreich ertrunken ist.«

D’Artagnan erbleichte vor Freude; mit unsicherer Stimme sagte er:

»Man wäre sehr stolz auf mich in meiner Heimath, wenn ich Marschall von Frankreich würde; aber um den Stab zu erlangen, muß man das Obercommando bei einer Expedition gehabt haben.«

»Mein Herr,« sprach Colbert, »in diesem Schreibbuch, das Ihr studiren werdet, ist ein Feldzugsplan; Ihr habt ihn das Truppencorps beobachten zu lassen, das der König für den Feldzug im nächsten Frühjahr unter Eure Befehle stellt.«

D’Artagnan nahm zitternd das Buch, und seine Finger begegneten denen von Colbert. Der Minister drückte herzlich die Hand des Musketiers.

»Mein Herr,« sprach er, »wir hatten Beide eine Genugthuung von einander zu nehmen. Ich habe angefangen, die Reihe ist an Euch.«

»Ich gebe Euch eine Erklärung, mein Herr,« antwortete d’Artagnan, »und ich bitte Euch dringend, dem König zu sagen, die erste Gelegenheit, die sich mir biete, werde für einen Sieg zählen oder meinen Tod sehen.«

»Ich lasse sogleich die goldenen Lilien Eures Marschallstabes sticken,« fügte Colbert bei.

Am andern Tag kam Aramis, der nach Madrid abreiste, um die Neutralität Spaniens zu unterhandeln, zum Abschied in das Hotel von d’Artagnan. Die zwei Freunde hielten sich lange Herz an Herz umschlungen.

»Lieben wir uns für Vier,« sagte d’Artagnan, »wir sind nur noch zu Zwei.«

»Und Du wirst mich vielleicht nicht mehr sehen, mein theurer d’Artagnan,« sprach Aramis; »wenn Du Wüßtest, wie ich Dich geliebt habe! Ich bin alt, ich bin erloschen, ich bin todt.«

»Mein Freund, Du wirst länger leben, als ich, die Diplomatie befiehlt Dir, zu leben; mich aber verurtheilt die Ehre zum Tod.«

»Bah! die Menschen wie wir, Herr Marschall, sterben nur von Freude und Ruhm gesättigt,« rief Aramis.

»Oh!« erwiederte d’Artagnan mit einem traurigen Lächeln, »ich fühle jetzt keinen Appetit mehr, Herr Herzog.«

 

Sie umarmten sich noch einmal, und zwei Stunden später waren sie getrennt.