Tasuta

Der Graf von Bragelonne

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

XV.
Worin d’Artagnan zu befürchten anfängt, er habe sein Geld und das von Blanchet mit Verlust des Kapitals angelegt

Der König konnte sich von seinem Erstaunen nicht erholen und schaute bald das lächelnde Gesicht des Musketiers, bald das dunkle Fenster an, das sich gegen die Nacht öffnete. Doch ehe er sich einen bestimmten Gedanken gemacht hatte, brachten fünf von den Leuten von d’Artagnan, – zwei blieben zu Bewachung der Barke zurück, – nach dem Hause, wo ihn Parry empfing, den Gegenstand von länglicher Form, der für diesen Augenblick das Geschick Englands enthielt.

Vor seiner Abreise von Calais hatte d’Artagnan in dieser Stadt eine Art von Sarg, breit und tief genug, daß sich ein Mensch bequem darin umwenden konnte, machen lassen. Gehörig ausgepolstert, bildeten der Boden und die Seiten ein Bett, das so sanft war, daß man in diesem Käfig durch das Schwanken des Schiffes keine Stöße zu erleiden hatte. Das kleine Gitter, dessen d’Artagnan gegen den König erwähnt hatte, war wie ein Helmvisir in der Höhe des Gesichtes des Menschen angebracht. Es war so gearbeitet, daß bei dem geringsten Schrei ein plötzlicher Druck diesen Schrei und zur Roth den, welcher geschrieen, ersticken konnte.

D’Artagnan kannte seine Mannschaft und seinen Gefangenen so gut, daß er auf der ganzen Fahrt zwei Dinge befürchtete: entweder würde der General den Tod dieser seltsamen Sklaverei vorziehen und sich dadurch, daß er sprechen wolle, ersticken lassen, oder seine Wächter würden sich durch die Anerbietungen des Gefangenen in Versuchung führen lassen und ihn, d’Artagnan, an der Stelle von Monk in die Kiste stecken.

D’Artagnan hatte auch die zwei Tage und die zwei Nächte allein mit dem General bei der Kiste zugebracht; er hatte ihm Wein und Speise geboten, was er ausschlug, und ihn beständig über das Schicksal, das seiner in Folge dieser seltsamen Gefangenschaft harrte, zu trösten gesucht. Zwei Pistolen auf dem Tisch und sein bloßer Degen beruhigten d’Artagnan über etwaige Unbescheidenheiten von Außen. Sobald er sich in Scheveningen befand, war er völlig beruhigt. Seine Leute fürchteten ungemein jedes Zusammentreffen mit den Herren vom Lande. Ueberdies hatte er für seine Sache denjenigen interessirt, der ihm moralisch als Lieutenant diente, und den wir aus den Namen Menneville haben antworten hören. Dieser, welcher kein Mensch von gewöhnlichem Geiste war, hatte mehr zu wagen, als die Anderen, weil er mehr Bewußtsein besaß. Er glaubte an eine Zukunft im Dienste von d’Artagnan, und dem zu Folge hätte er sich eher in Stücke zerhauen lassen, als daß er den vom Anführer gegebenen Befehl verletzt haben würde. Ihm hatte auch d’Artagnan, als er sich ausschiffte, die Kiste und das Athmen des Generals anvertraut. Ihn hatte er beauftragt, die Kiste, sobald ein dreimaliges Pfeifen hören würde, durch sieben Mann forttragen zu lassen. Und der Lieutenant gehorchte, wie man sieht.

Als die Kiste im Hause des Königs war, entließ d’Artagnan diese Leute mit einem freundlichen Lächeln und sagte zu ihnen:

»Meine Herren, Ihr habt Seiner Majestät König Karl II., der ehe sechs Wochen vergehen, König von England sein wird, einen großen Dienst geleistet. Eure Belohnung soll verdoppelt werden; kehrt zurück und erwartet mich auf dem Schiff.«

Wonach Alle mit Freudenschreien weggingen, welche selbst den Hund erschreckten.

D’Artagnan hatte die Kiste in das Vorzimmer des Königs bringen lassen. Er schloß mit der größten Pünktlichkeit die Thüren dieses Vorzimmers, öffnete die Kiste und sagte zu dem General:

»Mein General, ich habe mich tausendmal bei Euch zu entschuldigen; meine Manieren sind eines Mannes, wie Ihr seid, nicht würdig gewesen, ich weiß es wohl; doch es war nothwendig, daß Ihr mich für einen Schiffspatron hieltet. Und dann ist England ein für die Transporte sehr unbequemes Land. Ich hoffe daher, Ihr werdet dies Alles in Erwägung ziehen. Hier aber, mein General,« fuhr d’Artagnan fort, »hier ist es Euch frei gestellt, aufzustehen und zu gehen.«

Nachdem er dies gesagt, durchschnitt er die Bande, mit denen die Arme und Hände des Generals gefesselt waren. Dieser stand auf und setzte sich mit dem Wesen eines Menschen, der den Tod erwartet. D’Artagnan öffnete sodann die Thüre des Cabinets von Karl und sprach:

»Sire, hier ist Euer Feind, Herr Monk. Ich hatte mir gelobt, dies für Euren Dienst zu thun. Es ist geschehen, befehlt nun.«

»Herr Monk,« fügte er bei, indem er sich gegen seinen Gefangenen umwandte, »Ihr seid vor Seiner Majestät dem König Karl II., dem Gebieter und Herrn von Großbritannien.«

Monk schaute den jungen Prinzen mit seinem kalt stoischen Blick an und sagte:

»Ich kenne keinen König von Großbritannien, ich kenne sogar Niemand hier, der würdig wäre, den Namen eines Edelmanns zu führen, denn im Auftrag von König Karl II. hat mir ein Emissär, den ich für einen ehrlichen Menschen hielt, eine schändliche Falle gestellt. Ich habe mich in dieser Falle fangen lassen, schlimm genug für mich! Ihr, der Versucher,« sagte er zum König, »Ihr, der Vollstrecker,« sagte er zu d’Artagnan, »erinnert Euch nun dessen, was ich zu Euch spreche: Ihr habt meinen Leib, Ihr könnt ihn tödten, und ich fordere Euch dazu auf, denn nie werdet Ihr meine Seele oder meinen Willen haben. Und nun verlangt kein Wort mehr von mir, denn von diesem Augenblick an werde ich nicht einmal mehr um zu schreien den Mund öffnen. Ich habe es gesagt.«

Und er sprach diese letzten Worte mit der unüberwindlichen Entschlossenheit des verstocktesten Puritaners. D’Artagnan schaute seinen Gefangenen wie ein Mensch an, der den Werth jedes Wortes kennt, und diesen Werth nach dem Ton bestimmt, mit dem die Worte gesprochen worden sind.

»Es ist wahr,« sagte er leise zum König, »der General ist ein entschlossener Mann; seit zwei Tagen wollte er weder einen Bissen Brod, noch einen Schluck Wein zu sich nehmen. Da aber von diesem Augenblick an Eure Majestät über sein Schicksal zu entscheiden hat, so wasche ich meine Hände, wie Pilatus sagt.«

Monk wartete stehend, bleich und in sein Schicksal ergeben, das Auge starr und die Arme gekreuzt.

D’Artagnan wandte sich gegen ihn um und sprach:

»Ihr begreift vollkommen, daß Eure, übrigens sehr schöne Rede Niemand, selbst nicht einmal Euch befrieden kann. Seine Majestät wollte Euch sprechen . . . Ihr widersetztet Euch einer Zusammenkunft; ich aber habe diese Zusammenkunft unvermeidlich gemacht. Warum solltet Ihr nun, da Ihr dem König von Angesicht zu, Angesicht gegenübersteht, da Ihr durch eine von Eurem Willen unabhängige Gewalt hier seid, warum solltet Ihr Euch zu einer Strenge zwingen, die ich als unnütz und albern betrachte. Was Teufels! sprecht, und wäre es nur, um nein zu sagen.«

Monk that die Lippen nicht aus einander; Monk wandte die Augen nicht ab; Monk streichelte sich den Schnurrbart mit einer bedenklichen Miene, woraus sich schließen ließ, die Dinge würden eine unangenehme Wendung nehmen.

Während dieser Zeit war Karl II. in ein tiefes Nachdenken versunken. Zum ersten Male stand er Monk gegenüber, diesem Mann, den er so sehr zu sehen gewünscht, und mit jenem eigenthümlichen Blick, den Gott dem Adler und den Königen gegeben, hatte er die Tiefe seines Herzens erforscht.

Er sah Monk in der That entschlossen, eher zu sterben, als zu sprechen, was nichts Außerordentliches von Seiten eines so bedeutenden Mannes war, dessen Wunde in diesem Augenblick so grausam sein mußte. Karl II, faßte auf der Stelle einen von den Entschlüssen, bei denen ein gewöhnlicher Mensch um sein Leben, ein General um sein Glück, ein König um sein Reich spielt.

»Mein Herr,« sagte er zu Monk, »Ihr habt in einigen Punkten vollkommen Recht. Ich fordere Euch also nicht auf, mir zu antworten, sondern mich anzuhören.«

Während eines kurzen Stillschweigens, das nun eintrat, schaute der König Monk fest an, doch dieser blieb unempfindlich.

»Ihr habt mir so eben einen schmerzlichen Vorwurf gemacht, mein Herr,« fuhr der König fort. »Ihr habt gesagt, einer meiner Emissäre habe Such in Newcastle eine Falle gestellt, und das kann, beiläufig gesagt, Herr d’Artagnan nicht auf sich beziehen, Herr d’Artagnan, dem ich vor Allem aufrichtigen Dank für seine hochherzige, für seine heldenmüthige Ergebenheit schuldig bin.«

D’Artagnan verbeugte sich ehrfurchtsvoll, Monk verzog keine Miene.

»Denn Herr d’Artagnan, – bemerkt wohl, Herr Monk, daß ich Euch dies nicht sage, um mich zu entschuldigen, – denn Herr d’Artagnan,« fuhr der König fort, »ist nach England aus eigenem Antrieb, ohne Interesse, ohne Befehl, ohne Hoffnung gegangen, – als ein ächter Edelmann, um einem unglücklichen König einen Dienst zu leisten und den ausgezeichneten, erhabenen Handlungen eines so gut angewendeten Lebens noch eine schöne That mehr beizufügen.«

D’Artagnan erröthete ein wenig und hustete, um sich eine gewisse Haltung zu geben. Monk rührte sich nicht.

»Ihr glaubt nicht an das, was ich Euch sage, Herr Monk,« sprach der König. »Ich begreife das: solche Beweise von aufopfernder Ergebenheit sind so selten, daß man ihre Wirklichkeit in Zweifel ziehen könnte.«

»Der Herr hätte sehr Unrecht, wenn er Euch nicht glauben würde,« rief d’Artagnan, »denn was Eure Majestät gesagt hat, ist strenge Wahrheit, und zwar so strenge Wahrheit, daß es scheint, ich habe, da ich den General aufsuchte, etwas gethan, was Jedermann zuwider ist. Verhielte es sich so, so wäre ich wahrhaftig darüber in Verzweiflung.«

»Herr d’Artagnan,« sprach der König, indem er den Musketier bei der Hand nahm, »glaubt mir, Ihr habt mich eben so sehr zu Dank verpflichtet, als wenn Ihr meiner Sache den Sieg verschafft hättet, denn Ihr habt mir einen unbekannten Freund geoffenbart, dem ich stets erkenntlich sein, den ich stets lieben werde.«

Und der König drückte ihm herzlich die Hand.

»Und,« fuhr er Monk grüßend fort, »und einen Feind, den ich fortan nach seinem Werthe schätzen werde.«

 

Die Augen des Puritaners schleuderten einen Blitz, aber einen einzigen, und einen Moment durch diesen Blitz erleuchtet, nahm sein Gesicht alsbald wieder seine düstere Unempfindlichkeit an.

»Herr d’Artagnan,« fuhr Karl II. fort, »hört also, was sich ereignet hat: Der Herr Graf de la Fère, den Ihr, glaube ich, kennt, ging nach Newcastle ab . . . «

»Athos!« rief d’Artagnan.

»Ja, das ist, so viel ich weiß, sein Kriegsname. Der Graf de la Fère ging also nach Newcastle ab, und er wollte vielleicht eben den General zur Unterredung mit mir oder mit den Anhängern meiner Partei bewegen, als Ihr, wie es scheint, gewaltsam bei dieser Unterhandlung in’s Mittel getreten seid.«

»Mordioux!« sagte d’Artagnan, »er war es ohne Zweifel, der an demselben Abend ins Lager kam, an welchem ich mit meinen Fischern dort war.«

Ein unmerkliches Falten der Stirne von Monk offenbarte d’Artagnan, daß er richtig errathen hatte.

»Ja, ja,« murmelte er, »ich glaubte seine Gestalt zu erkennen, ich glaubte seine,Stimme zu hören. Daß ich verflucht sei! Oh! Sire, verzeiht, ich wähnte meine Barke gut gesteuert zu haben.«

»Ich finde nichts schlimm hierbei,« erwiederte der Könige »wenn nicht, daß mich der General beschuldigt, ich habe ihm eine Falle stellen lassen, was nicht so ist. Nein, General, das sind nicht die Waffen, deren ich mich gegen Euch zu bedienen gedachte; Ihr werdet das bald sehen. Mittlerweile wenn ich Euch mein Ehrenwort als Edelmann gebe, glaubt mir, mein Herr, glaubt mir. Nun ein Wort mit Euch, Herr d’Artagnan.«

»Ich höre auf den Knieen.«

»Nicht wahr, Ihr seid mir sehr zugethan?«

»Ihr habt es gesehen.«

»Gut. Bei einem Mann wie Ihr genügt ein Wort. Ueberdies sind neben dem Wort die Handlungen. General, wollt mir folgen. Kommt mit uns, Herr d’Artagnan.«

Ein wenig erstaunt, schickte sich d’Artagnan an zu gehorchen. Karl II. ging hinaus, Monk folgte ihm, d’Artagnan folgte Monk. Karl schlug den Weg ein, dem d’Artagnan gefolgt war, um zu ihm zu kommen, und bald traf die frische Seeluft die drei nächtlichen Wanderer ins Gesicht, und fünfzig Schritte jenseits einer kleinen Thüre, welche Karl öffnete, fanden sie sich wieder auf der Düne im Angesicht des Meeres, das, nachdem es zu steigen aufgehört, wie ein müdes Ungeheuer am Gestade ruhte.

Karl schritt nachdenkend, den Kopf gesenkt und die Hand unter seinem Mantel, vorwärts, Monk folgte ihm, die Arme frei und den Blick unruhig, dann kam d’Artagnan, die Faust am Griffe seines Degens.

»Wo ist das Schiff, das Euch gebracht hat, mein Herr?« fragte Karl den Musketier.

»Dort, Sire, ich habe sieben Mann und einen Officier, die mich in jener kleinen Barke, welche von einem Feuer beleuchtet ist, erwarten.«

»Ah! ja, die Barke ist auf den Sand gezogen, und ich sehe sie; doch Ihr seid sicherlich nicht auf dieser Barke nach Newcastle gekommen?«

»Nein, Sire, ich hatte für meine Rechnung eine Felucke gemiethet, welche sich einen Kanonenschuß von den Dünen vor Anker gelegt hat. In dieser Felucke haben wir die Fahrt gemacht.«

»Mein Herr,« sprach der König zu Monk, »Ihr seid frei.«

Monk, so willenskräftig er auch war, konnte sich eines Ausrufs nicht erwehren. Der König machte eine bestätigende Bewegung mit dem Kopf und fuhr fort:

»Wir wecken einen Fischer vom Dorfe, der noch in dieser Nacht sein Fahrzeug ins Meer setzt und Euch dahin führt, wohin Ihr ihm zu gehen befehlen werdet. Herr d’Artagnan hier wird Eure Ehren geleiten. Ich stelle Herrn d’Artagnan unter den Schutz Eurer Redlichkeit, Herr Monk.«

Monk entschlüpfte ein Gemurmel des Erstaunens und d’Artagnan ein Seufzer. Der König stieß, ohne daß er etwas zu bemerken schien, an das tannene Gitter, das die Hütte des ersten Fischers schloß, der auf der Düne wohnte, und rief:

»Holla! Keyser, erwache!«

»Wer ruft?« fragte der Fischer.

»Ich, Karl der König.«

»Ah! Mylord,« rief Keyser, der ganz angekleidet aus dem Segel aufstand, in welchem er lag, wie man in einer Hängematte liegt, »was steht zu Dienst?«

»Patron Keyser,«’ antwortete Karl, »Du wirst Dich sogleich zu einer Fahrt bereit halten. Dieser Reisende hier miethet Deine Barke und wird Dich gut bezahlen. Bediene ihn gut.«

Und der König machte einige Schritte rückwärts, um Monk frei mit dem Fischer reden zu lassen.

»Ich will nach England fahren,« sagte Monk, der so viel Holländisch sprach, als er brauchte, um sich verständlich zu machen.

»Auf der Stelle,« erwiederte der Patron, »auf der Stelle, wenn Ihr wollt.«

»Aber das wird lange dauern?« fragte Monk.

»Keine halbe Stunde, Eure Ehren. Mein ältester Sohn macht in diesem Augenblick mein Schiff segelfertig, weil wir am Morgen um drei Uhr auf den Fischfang auslaufen müssen.«

»Nun, ist es abgemalt?« fragte Karl hinzutretend.

»Abgesehen vom Preis, ja, Sire,« antwortete der Fischer.

»Das ist meine Sache,« sagte Karl; »der Herr ist mein Freund.«

Monk bebte bei diesem Wort und schaute Karl an.

»Gut, Mylord,« erwiederte Keyser.

In diesem Augenblick hörte man den Sohn von Keyser, der vom User aus in ein Ochsenhorn blies.

»Und nun, meine Herren, geht,« sprach der König.

»Sire,« sagte d’Artagnan, »Eure Majestät wolle die Gnade haben, mir einige Minuten zu gestatten. Ich hatte Leute angeworben; ich gehe ohne sie weg und muß sie in Kenntniß setzen.«

»Pfeift ihnen,« erwiederte Karl lächelnd.

D’Artagnan pfiff wirklich, während der Patron Keyser seinem Sohn antwortete, und es liefen vier Männer unter der Anführung von Menneville herbei.

»Hier habt Ihr eine gute Abschlagszahlung,« sagte d’Artagnan und übergab ihnen eine Börse, welche zwei tausend fünfhundert Livres in Gold enthielt. Erwartet mich in Calais, Ihr wißt wo.«

Nach diesen Worten ließ d’Artagnan einen tiefen Seufzer ausstoßend die Börse in die Hand von Menneville fallen.

»Wie! Ihr verlaßt uns?« riefen die Leute.

»Auf kurze Zeit oder auf lange, wer weiß es?« erwiederte d’Artagnan. »Doch mit diesen 2500 Livres und den 2500, die Ihr schon erhalten habt, seid Ihr nach unserer Uebereinkunft bezahlt. Verlassen wir uns also, meine Kinder.«

»Aber das Schiff?«

»Kümmert Euch nicht darum.«

»Unsere Effecten sind am Bord der Felucke.«

»Ihr holt sie und begebt Euch dann sogleich auf den Weg.«

»Ja, Commandant.«

D’Artagnan kehrte zu Monk zurück und sagte:

»Mein Herr, ich erwarte Eure Befehle, denn wir werden mit einander aufbrechen, wenn Euch meine Gesellschaft nicht zu unangenehm ist.«

»Im Gegentheil, mein Herr,« erwiederte Monk.

»Auf, meine Herren, schiffen wir uns ein!« rief der Sohn von Keyser.

Karl grüßte edel und würdig den General und sprach zu ihm:

»Ihr werdet mir die Unannehmlichkeit und die Gewalt, die Ihr erlitten habt, verzeihen, wenn Ihr überzeugt seid, daß ich nicht die Ursache davon bin.«

Monk verbeugte sich tief, ohne zu antworten. Der König sagte absichtlich kein Wort abgesondert zu d’Artagnan, laut aber sprach er:

»Ich danke Euch abermals, Herr Chevalier, ich danke Euch für Eure Dienste: sie werden Euch vom Herrn im Himmel belohnt werden, der für mich allein, wie ich hoffe, die Prüfungen und den Schmerz vorbehält.«

Monk folgte Keyser und seinem Sohn und schiffte sich mit ihnen ein.

D’Artagnan kam hinter ihnen und murmelte:

»Ah! mein armer Planchet! ich befürchte, wir haben eine schlechte Speculation gemacht.«

XVI.
Die Actien von Planchet und Compagnie steigen auf pari

Während der Ueberfahrt sprach Monk mit d’Artagnan nur in Fällen dringender Notwendigkeit. Zögerte der Franzose, sein Mahl zu nehmen, ein armseliges Mahl, bestehend aus gesalzenem Fisch, Zwieback und Wachholderbranntwein, so rief ihm Monk und sagte:

»Zu Tische, mein Herr.«

Dies war Alles. Gerade weil er bei großen Veranlassungen äußerst bündig war, entnahm d’Artagnan kein günstiges Vorzeichen aus dieser Kürze für den Erfolg seiner Sendung. Da ihm aber viel Zeit übrig blieb, so zerbrach er sich während dieser Zeit den Kopf damit, daß er nachsann, wie Athos Karl II. gesehen, wie er mit ihm den Plan zu dieser Abreise entworfen habe, und wie er endlich in das Lager von Monk gekommen sei; und der arme Lieutenant der Musketiere riß sich ein Haar aus dem Schnurrbart, so oft er daran dachte, Athos sei ohne Zweifel der Cavalier gewesen, der Monk in der Nacht der Entführung begleitet habe.

Endlich nach einer Fahrt von zwei Nächten und zwei Tagen landete der Patron Keyser an der Stelle, wo Monk, der während der Ueberfahrt alle Befehle gab, das Ausschiffen befohlen hatte. Dies war gerade an der Mündung des kleinen Flusses, in deren Nähe Athos seine Wohnung gewählt hatte.

Der Tag neigte sich, eine schöne Sonne tauchte, einem glühenden stählernen Schilde ähnlich, das untere Ende ihrer Scheibe an der blauen Linie des Meeres nieder. Die Felucke segelte immer weiter den Fluß aufwärts, der an dieser Stelle ziemlich breit war; doch Monk befahl in seiner Ungeduld, zu landen, und der Nachen von Keyser brachte ihn in Gesellschaft von d’Artagnan an das schwammige, mit Rohr bewachsene User des Flusses.

An den Gehorsam gewöhnt, folgte d’Artagnan durchaus wie der gefesselte Bär seinem Herrn folgt; doch seine Lage demüthigte ihn ungemein und er brummelte ganz leise, der Dienst der Könige sei bitter und der beste von allen tauge nichts,

Monk ging mit großen Schritten, als wäre er noch nicht sicher, den Boden von England wieder erreicht zu haben, während man schon ganz deutlich die paar Häuser von Matrosen und Fischern erblickte, welche auf dem kleinen Kai dieses armseligen Hafens zerstreut lagen. Plötzlich rief d’Artagnan:

»Gott vergebe mir, dort brennt ein Haus.«

Monk schaute empor. Das Feuer fing in der That an, ein Haus zu verzehren. Es war an einem kleinen Schoppen angelegt worden, der an dieses Haus stieß, dessen Dach es ergriffen hatte. Der frische Abendwind kam dem Brand zu Hilfe.

Die zwei Reisenden beschleunigten ihre Schritte; sie hörten ein gewaltiges Geschrei und sahen, als sie näher kamen, die Soldaten ihre Waffen schwingen und die Faust gegen das angezündete Haus ausstrecken. Es war ohne Zweifel diese bedrohliche Beschäftigung, der zu Folge man es versäumt hatte, die Felucke zu signalisiren.

Monk blieb plötzlich stehen und drückte zum ersten Mal seine Gedanken in Worten aus.

»Ei!« sagte er, »das sind vielleicht nicht mehr meine Soldaten, sondern die von Lambert.«

Diese Worte enthielten zugleich einen Schmerz, eine Befürchtung und einen Vorwurf, was d’Artagnan gar wohl begriff. Während der Abwesenheit des Generals konnte Lambert in der That eine Schlacht geliefert, gesiegt, die Truppen des Parlaments zerstreut und mit seinem Heer den Platz der ihrer festesten Stütze beraubten Armee von Monk eingenommen haben. Bei diesem Zweifel, der aus dem Geist von Monk in den seinigen überging, urtheilte d’Artagnan also:

»Von zwei Dingen wird eines geschehen: entweder hat Monk bei dem, was er gesagt, Recht gehabt, und es sind nur noch die Lambertisten in der Gegend, die Lambertisten, das heißt Feinde, die mich vortrefflich aufnehmen werden, da sie mir ihren Sieg zu verdanken, haben, oder es hat sich nichts verändert und Monk, der sein Lager an demselben Platz findet. wird ganz entzückt sein und sich bei seinen Repressalien nicht zu hart zeigen.«

Während er so dachte, gingen die zwei Reisenden immer weiter, und bald befanden sie sich mitten unter einer kleinen Truppe von Seeleuten, welche mit Schmerz zuschauten, wie das Haus abbrannte, aber eingeschüchtert durch die Drohungen der Soldaten nichts zu sagen wagten.

Monk wandte sich an einen von den Seeleuten und fragte:

»Was geht denn vor?«

»Mein Herr,« antwortete dieser Mann, der in Monk unter dem dicken Mantel, in den er gewickelt war, keinen Officier erkannte, »dieses Haus wird von einem Fremden bewohnt, der den Soldaten verdächtig geworden ist. Sie wollten unter dem Vorwand, ihn ins Lager zu führen, bei ihm eindringen, er aber ließ sich nicht durch ihre Anzahl erschrecken, bedrohte mit dem Tod den Ersten, der seine Thürschwelle zu überschreiten versuchen würde, und da sich Einer fand, der das wagte, so streckte ihn der Franzose mit einem Pistolschuß nieder.«

»Ah! es ist ein Franzose?« sagte d’Artagnan sich die Hände reibend. »Gut!«

»Wie, gut!« versetzte der Fischer.

»Nein, ich wollte sagen . . . hernach? . . . Ich habe mich versprochen.«

»Hernach, mein Herr? Die Anderen sind wüthend geworden wie Löwen; sie feuerten mehr als hundert Musketenschüsse nach dem Hause ab, aber der Franzose, war hinter seiner Mauer geschützt, und so oft man durch die Thüre eindringen wollte, war man einem Schuß von seinem Bedienten ausgesetzt, der gut trifft. So oft man das Fenster bedrohte, begegnete man der Pistole des Herrn. Denkt nur, es sind schon sieben Mann zu Boden gestreckt.«

 

»Ah! mein braver Landsmann!« rief d’Artagnan, »warte, warte, ich komme zu Dir, und wir werden bald mit dieser ganzen Canaille fertig sein.«

»Einen Augenblick Geduld, mein Herr,« sagte Monk: »wartet.«

»Lange?«

»Nein, nur solange, als ich brauche, um eine Frage zu machen.«

Dann sich gegen den Fischer umwendend, fragte er mit einer Bewegtheit, die er trotz seiner Selbstbeherrschung nicht zu verbergen vermochte:

»Mein Freund, ich bitte, wem gehören diese Soldaten?«

»Wem sollen sie gehören, wenn nicht dem wüthenden Monk?«

»Es ist also keine Schlacht geliefert worden?«

»Ah! ja wohl! Wozu denn? Die Armee von Lambert schmilzt wie der Schnee im April. Alles läuft Monk zu, Officiere und Soldaten. In acht Tagen wird Lambert keine fünfzig Mann mehr haben.«

Der Fischer wurde von einer neuen Salve nach dem Hause gerichteter Flintenschüsse, und von einem neuen Pistolenschuß unterbrochen, der diese Salve beantwortete und den Unternehmendsten von den Angreifern niederwarf. Der Grimm der Soldaten erreichte den höchsten Grad.

Das Feuer stieg immer mehr und Rauch und Flammen wirbelten am First des Hauses empor. D’Artagnan konnte sich nicht mehr länger halten.

»Mordioux!« sagte er zu Monk, den er von der Seite anschaute, »Ihr seid General und laßt Eure Soldaten die Häuser abbrennen und die Leute ermorden! Dabei schaut Ihr ganz ruhig zu und wärmt Euch Eure Hände am Brand. Mordioux! Ihr seid kein Mann.«

»Geduld, mein Herr, Geduld!« sprach Monk lächelnd.

»Geduld, Geduld! bis dieser brave Edelmann geröstet ist, nicht wahr?« rief d’Artagnan fortstürzend.

»Bleibt, mein Herr,« sprach Monk gebieterisch.

Und er schritt auf das Haus zu. Eben näherte sich demselben ein Officier und rief dem Belagerten zu:

»Das Haus brennt, Du wirst in einer Stunde geröstet sein. Noch ist es Zeit, sage uns, was Du vom General Monk weißt, und Du sollst unversehrt bleiben. Antworte, oder beim heiligen Patrick! . . . «

Der Belagerte antwortete nicht; ohne Zweifel lud er seine Pistole wieder.

»Man hat nach Verstärkung geschickt,« fuhr der Officier fort; »in einer Viertelstunde werden hundert Mann um dieses Haus versammelt sein.«

»Um eine Antwort zu geben, verlange ich, daß sich Jedermann von hier entferne,« sagte der Franzose; »ich will frei hinausgehen, mich ins Lager begeben, oder ich lasse mich hier tödten.«

»Tausend Donner!« rief d’Artagnan, »das ist die Stimme von Athos! Ah! Canaillen.«

Und das Schwert von d’Artagnan zuckte aus der Scheide.

Monk hielt ihn zurück, trat selbst vor und rief mit schallender Stimme:

»Hollah! was macht man hier? Digby, warum dieses Feuer? warum dieses Geschrei?«

»Der General!« rief Digby und ließ seinen Degen fallen.

»Der General!« wiederholten die Soldaten.

»Nun! was ist darüber zu staunen?« fragte Monk mit ruhigem Ton.

Dann, als die Stille wiederhergestellt war:

»Sprecht, wer hat das Feuer angezündet?«

Die Soldaten neigten das Haupt.

»Wie! ich frage, und man antwortet mir nicht!« sagte Monk. »Wie! ich tadle, und man macht nicht wieder gut! Dieses Feuer brennt noch, glaube ich!«

Sogleich liefen die zwanzig Soldaten weg, holten Eimer, Wasserkrüge, Fässer, und löschten den Brand mit demselben Eifer, mit dem sie ihn einen Augenblick zuvor verbreitet hatten. Doch vor Allem und als der Erste hatte schon d’Artagnan eine Leiter an das Haus gelegt, und er rief:

»Athos! ich bin es, ich, d’Artagnan; tödtet mich nicht, theurer Freund.«

Und einige Minuten nachher schloß er den Grafen in seine Arme.

Seine ruhige Miene behauptend, riß Grimaud mittlerweile die Befestigung des Erdgeschosses nieder, öffnete die Thüre und kreuzte ganz gelassen auf der Schwelle seine Arme. Nur gab er, als er die Stimme von d’Artagnan hörte, einen Ausruf des Erstaunens von sich.

Als das Feuer gelöscht war, erschienen die Soldaten ganz verwirrt, Digby an der Spitze.

»General,« sagte dieser, »entschuldigt uns. »Was wir gethan haben, geschah aus Liebe für Eure Ehren, die man verloren glaubte.«

»Ihr seid Narren, meine Herren. Verloren! verliert sich ein Mann wie ich! Ist es mir zufällig nicht erlaubt, mich nach meinem Wohlgefallen zu entfernen, ohne Euch davon in Kenntniß zu setzen? Haltet Ihr mich zufällig für einen Bürgersmann der City? Darf ein Ehrenmann, mein Freund, mein Gast, belagert, umstellt, mit dem Tod bedroht werden, weil man ihn beargwohnt? Was bedeutet das Wort beargwohnen? Gott verdamme mich, wenn ich nicht Alles erschießen lasse, was dieser brave Mann nicht getödtet hat!«

»General,« sprach Digby mit kläglichem Tone, »wir waren zu achtundzwanzig, und hier liegen acht von uns.«

»Ich ermächtige den Grafen de la Fère, die zwanzig Anderen diesen acht nachzuschicken,« sagte Monk.

Und er reichte Athos die Hand.

»Man kehre ins Lager zurück,« sprach Monk. »Herr Digby, Ihr habt einen Monat Arrest.«

»General . . . «

»Das wird Euch lehren, mein Herr, ein andermal nur nach meinen Befehlen zu handeln.«

»Ich hatte die des Lieutenants, General.«

»Der Lieutenant hat Euch keine solche Befehle zu geben, und er wird statt Eurer in den Arrest gehen, wenn er Euch wirklich diesen Ehrenmann zu verbrennen, geboten hat.«

»Er hat mir das nicht befohlen, General; er hat mir befohlen, ihn ins Lager zu führen, doch der Herr Graf wollte uns nicht folgen.«

»Ich wollte nicht, daß man in mein Haus eindränge und plünderte,« sagte Athos mit einem bezeichnenden Blick gegen Monk.

»Und Ihr habt wohl daran gethan,« rief Monk. »Ins Lager, sage ich Euch.«

Die Soldaten entfernten sich mit gesenktem Kopf.

»Nun, da wir allein sind,« sprach Monk zu Athos, »wollt mir sagen, warum Ihr hartnäckig hier geblieben seid, da Ihr doch Eure Felucke hattet.«

»Ich wartete auf Euch, General,« erwiederte Athos. »Hatte mich Eure Ehren nicht in acht Tagen beschieden?«

Ein beredter Blick von d’Artagnan machte Monk bemerkbar, diese zwei so braven Männer seien nicht im Einverständniß bei seiner Entfernung gewesen. Er wußte es schon.

»Mein Herr,« sagte er zu d’Artagnan, »Ihr hattet vollkommen Recht. Wollt mich einen Augenblick mit dem Herrn Grafen de la Fère sprechen lassen,«

D’Artagnan benützte diesen Abschied, um Grimaud guten Tag zu sagen.

Monk bat Athos, ihn in das Zimmer zu führen, das er bewohnte. Dieses Zimmer war noch voll von Rauch und Trümmern. Mehr als fünfzig Kugeln hatten, durch das Fenster eindringend, die Wand beschädigt. Man fand hier einen Tisch, ein Tintenfaß und Alles, was man zum Schreiben braucht, Monk nahm eine Feder und schrieb eine einzige Zeile, unterzeichnete, faltete das Papier zusammen, versiegelte den Brief mit dem Petschaft seines Ringes, übergab ihn Athos und sprach:

»Mein Herr, überbringt, wenn es Euch beliebt, diesen Brief König Karl II. und reist auf der Stelle ab, wenn Euch nichts mehr hier zurückhält.«

»Und die Tonnen?« fragte Athos.

»Die Fischer, die mich hierhergebracht haben, werden Euch dieselben an Bord schaffen helfen. Seid, wenn es möglich ist, in einer Stunde abgereist.«

»Ja, General,« sprach Athos.

»Herr d’Artagnan!« rief Monk durch das Fenster.

D’Artagnan stieg hastig die Treppe hinauf.

»Umarmt Euren Freund und sagt ihm Lebewohl, mein Herr, denn er kehrt nach Holland zurück.«

»Nach Holland!» rief d’Artagnan; »und ich?«

»Es steht Euch frei, ihm zu folgen, mein Herr; doch ich bitte Euch, zu bleiben,« sagte Monk. »Werdet Ihr es mir abschlagen?«

»Oh! nein, General, ich bin zu Euren Befehlen.«

D’Artagnan umarmte Athos und hatte kaum Zeit, .ihm Lebewohl zu sagen. Monk beobachtete Beide. Dann beaufsichtigte er selbst die Vorkehrungen zur Abfahrt, den Transport der Tonnen an Bord und die Einschiffung von Athos. Sobald dies geschehen, nahm er d’Artagnan, der ganz verblüfft, ganz bewegt war, am Arm und führte ihn gegen Newcastle. Während er aber am Arm von Monk fortschritt, murmelte d’Artagnan leise:

»Ei! ei! mir scheint, die Actien des Hauses Planchet und Compagnie steigen wieder.«