Tasuta

Der Graf von Bragelonne

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

XXVI.
Staatsangelegenheiten

Als der Cardinal in sein Cabinet kam, fand er den Grafen de la Fère, der, seiner harrend, voll Bewunderung einen sehr schönen Raphael betrachtete, welcher über einem mit goldenem Geschirr beladenen Credenztisch hing.

Seine Eminenz kam sachte, leicht und schweigsam wie ein Schatten, um gleichsam die Physiognomie des Grasen zu überrumpeln, wie er es zu thun pflegte, denn er errieth seiner Behauptung nach aus der einfachen Beschauung des Gesichtes eines Sprechenden, was das Resultat der Unterredung sein würde.

Doch diesmal täuschte sich Mazarin in seiner Erwartung. Er las durchaus nichts im Gesicht von Athos, nicht einmal die Ehrfurcht, die er in andern Gesichtern zu lesen gewohnt war.

Diese Nuance entging der schlauen Eminenz nicht. Mazarin war zu sehr mit den Menschen vertraut, um nicht in der kalten, beinahe hochmüthigen Höflichkeit von Athos ein Anzeichen von Feindseligkeit zu erblicken, was nicht die gewöhnliche Temperatur des Treibhauses war, das man den Hof nennt.

Athos war schwarz mit einer einfachen silbernen Stickerei gekleidet. Er trug den heiligen Geist, das Hosenband und das goldene Vließ, drei Orden von solcher Bedeutung, daß nur ein König allein oder ein Schauspieler sie vereinigen konnte.

Mazarin suchte lange in seinem etwas gestörten Gedächtniß, um den Namen zu finden, den er diesem eisigen Gesicht geben sollte, doch es gelang ihm nicht.

»Ich habe gewußt, es würde mir eine Botschaft von England zukommen,« sprach er endlich.

Und er setzte sich und entließ Bernouin und Brienne, der als Secretaire die Feder zu fuhren bereit war.

»Von Seiner Majestät dem König von England, ja, Eure Eminenz.«

»Ihr sprecht das Französische sehr rein für einen Engländer, mein Herr,« sagte Mazarin freundlich, während er beständig durch seine Finger den Orden vom heiligen Geist, das Hosenband, das goldene Vließ und besonders das Gesicht des Boten betrachtete.

»Ich bin kein Engländer, sondern ein Franzose, Herr Cardinal,« erwiederte Athos.

»Es ist eigenthümlich, daß der König von England Franzosen zu seinen Botschaftern wählt, und ich betrachte dies als ein gutes Vorzeichen . . . Wollt mir Euren Namen sagen, mein Herr.«

»Graf de la Fère,« antwortete Athos, sich weniger verbeugend, als es das Ceremoniel und der Stolz des allmächtigen Ministers heischten.

Mazarin bewegte leicht die Achseln, als wollte er sagen: »Ich kenne diesen Namen nicht.«

Athos verzog keine Miene.

»Und Ihr kommt, um mir zu eröffnen, mein Herr . . . « fuhr Mazarin fort.

»Ich kam im Auftrag Seiner Majestät des Königs von Großbritannien, um dem König von Frankreich zu verkündigen . . . «

Mazarin faltete die Stirne.

»Um dem König von Frankreich zu verkündigen. Seine Majestät König Karl II. habe glücklich den Thron seiner Väter wieder bestiegen.«

»Ihr habt ohne Zweifel Vollmachten?« fragte Mazarin mit kurzem, zänkischem Ton.

»Ja . . . Monseigneur.«

Dieses Wort Monseigneur kam mühsam über die Lippen von Athos; es war, als preßte er es zu sehr zusammen.

Athos zog aus einer Tasche von gesticktem Sammet, die er unter seinem Wamms trug, eine Depeche.

Der Cardinal streckte die Hand aus.

»Verzeiht, Monseigneur,« entgegnete Athos, »meine Depeche ist für den König.«

»Da Ihr Franzose seid, mein Herr, müßt Ihr wissen, was ein erster Minister am Hof von Frankreich bedeutet.«

»Es gab eine Zeit, wo ich mich in der That mit dem, was die ersten Minister bedeuten, beschäftigte! doch ich habe schon vor mehreren Jahren den Beschluß gefaßt, nur noch mit dem König zu verhandeln.«

»Dann werdet Ihr weder den Minister, noch den König sehen,« sagte Mazarin, der ärgerlich zu werden anfing, und stand auf.

Athos schob seine Depeche wieder in die Tasche, verbeugte sich ernst und machte einige Schritte nach der Thüre. Diese Kaltblütigkeit brachte Mazarin außer sich.

»Was für ein sonderbares diplomatisches Verfahren!« rief er; »sind wir noch in der Zeit, wo uns Herr Cromwell Kriegsknechte in Form von Geschäftsträgern schickte? Es fehlt Euch nichts, mein Herr, als die Pickelhaube auf dem Kopf und die Bibel am Gürtel.«

»Mein Herr,« erwiederte Athos trocken, »ich habe nie wie Ihr Gelegenheit gehabt, mit Herrn Cromwell zu verhandeln, und ich habe seine Geschäftsträger nur mit dem Schwert in der Hand gesehen; ich weiß folglich nicht, wie sie mit ersten Ministern verhandelten. Was aber den König von England Karl II. betrifft, so weiß ich, daß, wenn er an Seine Majestät König Ludwig XIV. schreibt, der Brief nicht an Seine Eminenz den Cardinal Mazarin gerichtet ist; in dieser Unterscheidung sehe ich keine Diplomatie.«

»Ah!« rief Mazarin, indem er sein abgemagertes Haupt erhob und mit der Hand an den Kopf schlug, »ich erinnere mich nun.«

Athos schaute ihn erstaunt an.

»Ja, so ist es!« sagte der Cardinal, beständig den Grafen anschauend; »ja, so ist es . . . ich erkenne Euch, mein Herr; ah! diavolo! ich wundere mich nicht mehr.«

»In der That, ich wunderte mich, daß mich Eure Eminenz mit ihrem vortrefflichen Gedächtniß nicht erkannte,« erwiederte Athos lächelnd.

»Immer widerhakig, immer mürrisch, mein Herr; wie nannte man Euch doch? wartet . . . ein Flußname . . . Potamos . . . nein . . . der Name einer Insel… Naxos . . . nein, per Jove! der Name eines Berges . . . Athos! ich habe es! Entzückt, Euch wiederzusehen und nicht mehr in Nueil zu sein, wo Ihr mich mit Euren verdammten Genossen Lösegeld bezahlen ließet . . . Fronde! stets Fronde! verfluchte Fronde! Oh! welch ein Sauerteig! Ah! mein Herr, warum haben Eure Antipathien die meinigen überlebt? Wenn Jemand sich zu beklagen hatte, so waret Ihr es nicht, der Ihr aus dieser Sache nicht nur ganz unversehrt, sondern auch mit dem Orden des heiligen Geistes am Hals hervorgegangen seid.«

»Herr Cardinal,« entgegnete Athos, »erlaubt mir, nicht in Betrachtungen dieser Art einzugehen. Ich habe eine Sendung zu vollbringen, . . werdet Ihr mich in den Mitteln, diese Sendung zum Ziele zu führen, erleichtern?«

»Ich wundere mich,« sprach Mazarin, ganz freudig, das Gedächtniß wieder gefunden zu haben, und ganz mit boshaften Stacheln besetzt, »ich wundere mich, Herr Athos . . . daß ein Frondeur, wie Ihr, eine Sendung zum Mazarin, wie man in der guten Zeit sagte, angenommen hat.«

Hierbei brach Mazarin in ein Gelächter aus, obschon ein schmerzlicher Husten seine Sätze durchschnitt und gleichsam in ein Schluchzen verwandelte.

»Ich habe nur eine Sendung an den König von Frankreich angenommen, Herr Cardinal,« entgegnete der Graf, jedoch mit weniger Schärfe, denn er glaubte genug Vortheile zu haben, um sich gemäßigt zeigen zu können.

»Immerhin, mein Herr Frondeur,« sagte Mazarin heiter, »immerhin wird vom König die Angelegenheit, mit der Ihr Euch beauftragt habt . . . «

»Mit der man mich beauftragt hat, Monseigneur; ich laufe den Aufträgen nicht nach.«

»Es mag sein; immerhin, sage ich, wird die Unterhandlung ein wenig durch meine Hände gehen . . . Verlieren wir also nicht eine kostbare Zeit . . . sagt mir die Bedingungen.«

»Ich habe die Ehre gehabt. Eure Eminenz zu versichern, nur der Brief von Seiner Majestät dem König Karl II. enthalte die Eröffnung seines Wunsches.«

»Hört! Ihr seid lächerlich mit Eurer Starrheit, Herr Athos . . . man sieht, daß Ihr Euch dort mit den Puritanern umhergetrieben . . . Euer Geheimnis weiß ich besser als Ihr, und Ihr habt vielleicht Unrecht gehabt, nicht einigermaßen einen sehr alten und sehr leidenden Mann zu berücksichtigen, der viel in seinem Leben gearbeitet und muthig das Feld für seine Ideen behauptet hat, wie Ihr für die Eurigen . . . Ihr wollt nichts sagen? gut; Ihr wollt mir Euren Brief nicht mittheilen? . . . vortrefflich; kommt mit mir in mein Zimmer, Ihr sollt mit dem König . . . und vor dem König sprechen . . . Nun noch ein letztes Wort: wer hat Euch das goldene Vließ gegeben? Ich erinnere mich, daß man sagte, Ihr habet das Hosenband, doch was das goldene Vließ betrifft, davon wußte ich nichts.«

»Kürzlich, Monseigneur, hat Spanien bei Gelegenheit der Verheirathung Seiner Majestät des Königs Ludwig XIV. König Karl II. ein Patent vom goldenen Vließ mit weißem Raum für den Namen überschickt; Karl II. übertrug den Orden mir und füllte das Weiße mit meinem Namen aus.«

Mazarin stand auf und kehrte, sich auf den Arm von Bernouin stützend, in seinen Bettgang im Augenblick zurück, wo man im Zimmer: der Herr Prinz! meldete. Der Prinz von Condé, der erste Prinz von Geblüt, der Sieger von Rocroy, Lens und Nördlingen, trat in der That bei Monsignor Mazarin, gefolgt von seinen Cavalieren, ein, und schon begrüßte er den König, als der erste Minister seinen Vorhang aufhob.

Athos hatte Zeit, Raoul zu erblicken, der dem Grafen von Guiche die Hand drückte und ein Lächeln gegen seinen ehrfurchtsvollen Gruß austauschte.

Er hatte auch Zeit, das strahlende Gesicht des Cardinals wahrzunehmen, als dieser vor sich auf dem Tisch eine ungeheure Masse Goldes sah, die der Graf von Guiche durch eine glückliche Hand, seitdem ihm Seine Eminenz die Karten anvertraut, gewonnen hatte. Botschafter, Botschaft und Prinzen vergessend, dachte er zuerst auch nur an das Gold.

»Wie!« rief der Greis; »dies Alles ist Gewinn?«

»Ungefähr fünfzigtausend Thaler, ja, Monseigneur,« erwiederte der Graf von Guiche aufstehend. »Soll ich nun Eurer Eminenz den Platz zurückgeben oder fortfahren?«

»Zurückgeben, zurückgeben! Ihr seid ein Narr, Ihr würdet Alles wieder verlieren, was Ihr gewonnen habt.«

»Monseigneur,« sagte der Prinz sich verbeugend.

»Guten Abend, Herr Prinz,« sprach der Minister mit leichtem Ton; »es ist sehr liebenswürdig von Euch, daß Ihr einen kranken Freund besucht.«

»Ein Freund!« murmelte der Graf de la Fère, ganz erstaunt, als er diese ungeheuerliche Verbindung in dem Wort: Freund! wahrnahm, da es sich um Mazarin und Condé handelte.

 

Mazarin errieth den Gedanken des Frondeur, denn er lächelte ihm triumphirend zu und sagte sogleich zum König:

»Sire, ich habe die Ehre, Eurer Majestät den Herrn Grafen de la Fère, Botschafter Seiner britischen Majestät, vorzustellen . . . Staatsangelegenheit, meine Herren!« fügte er bei, indem er mit der Hand alle diejenigen verabschiedete, welche im Zimmer versammelt waren, und diese Leute verschwanden auch wirklich, den Prinzen von Condé an ihrer Spitze, einzig und allein auf die Geberde von Mazarin.

Raoul folgte Herrn von Condé, nachdem er dem Grafen de lagere einen letzten Blick zugeworfen hatte.

Philipp von Anjou und die Königinnen schienen sich zu berathen, ob sie weggehen sollten.

»Familienangelegenheit!« sagte rasch Mazarin, Beide auf ihren Sitzen zurückhaltend. »Dieser Herr hier überbringt dem König einen Brief, durch welchen Karl II., völlig wieder in sein Reich eingesetzt, eine Verbindung zwischen Monsieur, dem Bruder des Königs, und Mademoiselle Henriette, der Enkelin von Heinrich IV., vorschlägt . . . Wollt dem König Euer Beglaubigungsschreiben übergeben, Herr Graf?«

Athos war einen Augenblick verblüfft. Wie konnte der Minister den Inhalt eines Briefes wissen, der nicht eine Minute von ihm gekommen war? Jedoch stets Herr über sich, reichte er die Depeche dem jungen König Ludwig XIV., der sie erröthend aus seinen Händen nahm. Ein feierliches Stillschweigen herrschte im Gemache des Cardinals. Es wurde nur gestört durch das matte Geräusch des Goldes, das Mazarin, während der König las, mit seiner gelben, vertrockneten Hand in ein Kistchen aufhäufte.

Siebentes bis Zehntes Bändchen

I.
Die Erzählung

Die Bosheit des Cardinals ließ dem Botschafter nicht viele Dinge zu sagen übrig; doch das Wort: wiedereingesetzt, war dem König aufgefallen, und sich an den Grafen wendend, auf den er seine Augen seit seinem Eintritt geheftet hielt, sprach Ludwig XIV.:

»Mein Herr, wollt uns etwas Genaueres über die Lage der Dinge in England mittheilen. Ihr kommt von diesem Land, Ihr seid Franzose, und die Orden, die ich auf Eurer Brust glänzen sehe, verkündigen mir einen Mann von Verdienst, und zugleich einen Mann von Rang.«

»Dieser Herr,« sagte der Cardinal, sich an die Königin Mutter wendend, »dieser Herr ist ein ehemaliger Diener Eurer Majestät, der Herr Graf de la Fère.«

Anna von Oesterreich war vergeßlich wie eine Königin, deren Leben von Stürmen und schönen Tagen gemischt. Sie schaute Mazarin an, dessen schlimmes Lächeln ihr irgend eine kleine Tücke verhieß. Dann forderte sie von Athos durch einen andern Blick eine Erklärung.

Der Cardinal fuhr fort:

»Der Herr war ein Musketier von Treville, im Dienst des seligen Königs . . . Der Herr kennt vollkommen England, wohin er mehrere Reisen zu verschiedenen Zeiten gemacht hat: er ist ein Unterthan von dem höchsten Verdienst.«

Diese Worte waren eine Anspielung auf alle die Erinnerungen, welche Anna von Oesterreich hervorzurufen stets zitterte. England war ihr Haß gegen Richelieu, ihre Liebe für Buckingham; ein Musketier von Treville war die ganze Odyssee der Triumphe, welche das Herz der jungen Frau schlagen gemacht, und der Gefahren, die den Thron der jungen Königin halb entwurzelt hatten.

Diese Worte übten eine große Gewalt aus, denn sie machten stumm und aufmerksam alle die königlichen Personen, die mit sehr verschiedenartigen Gefühlen die geheimnißvollen Jahre, welche die Jungen nicht erschaut, welche die Alten für immer verwischt geglaubt hatten, wieder auftauchen sahen.

»Sprecht, mein Herr,« sagte Ludwig XIV., der sich zuerst von der Unruhe, vom Argwohn und den Erinnerungen erholte.

»Ja, sprecht,« fügte Mazarin bei, dem die kleine Bosheit, welche er an Anna von Oesterreich verübt, seine Energie und seine Heiterkeit wieder verliehen.

»Sire,« sprach der Graf, »eine Art von Wunder hat das ganze Schicksal von König Karl II. geändert. Was die Menschen bis dahin nicht hatten thun können, beschloß Gott, zu vollführen.«

Mazarin hustete und bewegte sich unruhig in seinem Bett.

»Der König Karl,« fuhr Athos fort, »hat das Haag nicht mehr als Flüchtling, sondern als unumschränkter König verlassen, der nach einer Reise, fern von seinem Reich, unter allgemeinen Segnungen dahin zurückkehrt.«

»In der That, ein großes Wunder,« sagte Mazarin, »denn wenn die Nachrichten wahr gewesen sind, so hatte König Karl II., der unter Segnungen zurückgekehrt ist, sein Land unter Musketenschüssen verlassen.«

Der König blieb unempfindlich.

Jünger und leichtfertiger, vermochte sich Philipp eines Lächelns nicht zu erwehren, das Mazarin wie ein seinem Scherze gespendeter Beifall schmeichelte.

»In der That,« sprach der König, »es hat ein Wunder obgewaltet; doch Gott, der so viel für die Könige thut, Herr Graf, wendet die Hand der Menschen an, um seinen Plänen den Sieg zu verleihen. Welchen Menschen hat Karl II. hauptsächlich seine Wiedereinsetzung zu verdanken.

»Ah!« unterbrach der Cardinal ohne die geringste Rücksicht auf die Eitelkeit des Königs, »weiß Eure Majestät nicht, daß er sie Herrn Monk zu verdanken hat?«

»Ich muß es wissen,« erwiederte entschlossen Ludwig XIV.; »doch ich frage den Herrn Botschafter nach der Ursache der Veränderung dieses Herrn Monk.«

»Eure Majestät berührt hierdurch gerade die Hauptsache,« erwiederte Athos, »denn ohne das Wunder, von dem ich zu sprechen die Ehre gehabt, wäre Herr Monk ohne Zweifel der unbesiegbare Feind von König Karl II. geblieben. Gott wollte, daß eine seltsame, kühne, sinnreiche Idee in den Geist eines gewissen Mannes fiel, während eine ergebene, muthige Idee in den Geist eines gewissen Andern fiel. Das Zusammenwirken dieser zwei Ideen führte eine solche Veränderung in der Lage von Monk herbei, daß er von einem erbitterten Feind ein Freund für den entfernten König wurde.«

»Das ist gerade der Umstand, den ich wissen wollte, sagte der König . . . Wer sind die zwei Männer, von denen Ihr sprecht?«

»Zwei Franzosen, Sire.«

»In der That, das macht mich glücklich.«

»Und die zwei Ideen?« rief Mazarin; »ich bin begieriger auf die Ideen, als auf die Menschen.«

»Ja,« murmelte der König.

»Die zweite, die ergebene, die vernünftige Idee, die minder wichtige Idee, Sire, war, eine Million in Gold, welche König Karl l. in Newcastle vergraben hatte, dort zu holen und mit diesem Gold die Mitwirkung von Monk zu erkaufen.«

»Oho!« machte Mazarin, wiederbelebt bei dem Wort Million, »aber Newcastle war gerade von diesem Monk besetzt.«

»3a, Herr Cardinal, deshalb wagte ich es, die Idee zugleich muthig und ergeben zu nennen. Es war also die Aufgabe, wenn Monk die Anerbietungen des Unterhändlers ausschlug, König Karl II. das Eigenthum dieser Million wieder zu verschaffen, die man der Loyalität von General Monk entreißen mußte . . . Dies geschah trotz einiger Schwierigkeiten, der General war loyal und ließ die Million fortnehmen.«

»Mir scheint,« sagte der König träumerisch und schüchtern, »mir scheint, Karl II. hatte während seines Aufenthalts in Paris keine Kenntniß von dieser Million.«

»Mir scheint,« fügte der Cardinal höhnisch bei, »Seine Majestät der König von Großbritannien war vollkommen vom Vorhandensein dieser Million unterrichtet, doch Seine Majestät zog zwei Millionen einer einzigen vor.«

»Sire,« erwiederte Athos mit Festigkeit, »Seine Majestät König Karl II, war in Frankreich so arm, daß er kein Geld mehr hatte, um die Post zu nehmen, so aller Hoffnungen baar, daß er wiederholt nur an das Sterben dachte. Das Vorhandensein der Million in Newcastle war ihm so unbekannt, daß ohne einen Edelmann, einen Unterthanen Eurer Majestät, bei dem diese Million moralisch niedergelegt war, und der das Geheimniß Karl II. offenbarte, dieser Prinz noch in einer grausamen Vergessenheit vegetiren würde.«

»Gehen wir zu der sinnreichen, seltsamen, kühnen Idee über,« sagte Mazarin, dessen Scharfsinn einen Schlag ahnte. »Was für eine Idee war dies?«

»Hört . . . Da Herr Monk allein der Wiedereinsetzung des entthronten Königs sich entgegenstellte, so kam ein Franzose auf den Gedanken, dieses Hinderniß zu beseitigen.«

»Oho! dieser Franzose ist ein Ruchloser,« sprach Mazarin, »und die Idee ist nicht so sinnreich, daß der Urheber nicht durch einen Spruch des Parlaments auf der Grève aufgeknüpft oder gerädert werden sollte.«

»Eure Eminenz täuscht sich,« erwiederte Athos mit trockenem Tone, »ich sagte nicht, der fragliche Franzose habe beschlossen, Herrn Monk zu ermorden, sondern nur, ihn zu beseitigen. Die Worte der französischen Sprache haben einen Werth, eine Bedeutung, welche die französischen Edelleute vollkommen kennen. Ueberdies ist das eine Kriegssache, und wenn man den Königen gegen ihre Feinde dient, so hat man das Parlament nicht zu Richtern: man hat Gott zum Richter. Dieser französische Edelmann hatte also den Gedanken, sich der Person von Monk zu bemächtigen, und er führte seinen Plan aus.«

Der König belebte sich bei der Erzählung der kühnen Thaten.

Der jüngere Bruder Seiner Majestät schlug mit der Faust auf den Tisch und rief: »Ah! das ist schön!«

»Er entführte Monk?« sagte der König; »aber Monk war doch in seinem Lager?«

»Und der Edelmann war allein, Sire.«

»Das ist wunderbar!« rief Philipp.

»In der That wunderbar!« rief der König.

»Gut! nun sind die zwei kleinen Löwen entfesselt,« murmelte der Cardinal, Und mit einer ärgerlichen Miene, die er nicht zu verbergen suchte, sagte er:

»Diese Umstände sind mir unbekannt; verbürgt Ihr Euch für die Aechtheit, mein Herr?«

»Um so eher, Herr Cardinal, als ich die Ereignisse gesehen habe.«

»Ihr?«

»Ja, Monseigneur.«

Der König näherte sich unwillkührlich dem Grafen auf einer Seite, während ihn Philipp auf der andern bedrängte.

»Weiter, mein Herr, weiter,« riefen Beide gleichzeitig.

»Sire, als Monk von dem Franzosen festgenommen war, wurde er zu König Karl II. in’s Haag geführt . . . Der König schenkte Herrn Monk die Freiheit und der General gab dankbar dafür Karl II. den Thron von Großbritannien, für welchen so viele tapfere Leute ohne Erfolg gekämpft hatten.«

Philipp klatschte voll Begeisterung in die Hände. Bedachtsamer wandte sich Ludwig XIV. an den Grasen de la Fère und fragte:

»Ist dies in allen seinen Einzelheiten wahr?«

»Durchaus wahr, Sire.«

»Einer meiner Edelleute kannte das Geheimniß und hatte es bewahrt?«

»Ja, Sire.«

»Der Name dieses Edelmanns?«

»Es ist Euer Diener,« sprach Athos ganz einfach.

Ein Gemurmel der Bewunderung schwoll das Herz von Athos an. Selbst Mazarin hob die Arme zu seinem Betthimmel auf.

»Mein Herr,« sagte der König, »ich werde bemüht sein, ein Mittel zu finden. Euch zu belohnen.«

Athos machte eine Bewegung.

»Oh! nicht Euch für Eure Redlichkeit zu belohnen; Euch hierfür bezahlen wollen hieße Euch beleidigen! doch ich bin Euch eine Belohnung dafür schuldig, daß Ihr Antheil an der Wiedererhebung meines Bruders Karl II. gehabt habt.«

»Gewiß,« sagte Mazarin.

»Es ist dies der Triumph einer guten Sache, der das ganze Haus Frankreich mit Freude erfüllt,« fügte Anna von Oesterreich bei.

»Ich fahre fort,« sagte Ludwig XIV. »Ist es auch wahr, daß ein einziger Mann bis zu Monk in sein Lager gedrungen ist und ihn entführt hat?«

»Dieser Mann hatte zehn Gehilfen,« die er aus niedrigerem Range ausgewählt.«

»Nicht mehr?«

»Nicht mehr.«

»Und er heißt?«

»Herr d’Artagnan, früher Lieutenant der Musketiere Eurer Majestät,«

Anna von Oesterreich erröthete, Mazarin wurde gelb vor Scham, Ludwig XIV. verdüsterte sich und ein Schweißtropfen fiel von seiner bleichen Stirne.

»Was für Männer!« murmelte er.

Und unwillkührlich schleuderte er dem Minister einen Blick zu, der ihn erschreckt haben würde, hätte Mazarin nicht in diesem Augenblick seinen Kopf unter seinem Kissen verborgen.

»Mein Herr,« rief der junge Herzog von Anjou, indem er seine weiße, frauenartig zarte Hand auf den Arm von Athos legte, »ich bitte Euch, sagt diesem braven Mann, Monsieur, der Bruder des Königs, werde morgen vor hundert der besten Edelleute Frankreichs auf seine Gesundheit trinken.«

Und als der junge Mann diese Worte gesprochen, bemerkte er, daß die Begeisterung eine von seinen Manchetten verschoben hatte, und war nun nur bemüht, sie mit der größten Sorgfalt wieder in Ordnung zubringen.

»Sprechen wir von den Angelegenheiten, Sire,« sagte Mazarin, der sich weder begeisterte, noch Manchetten hatte.

»Ja, mein Herr,« erwiederte Ludwig XIV. »Beginnt Eure Mittheilung, Herr Graf,« fügte er sich an Athos wendend bei.

 

Athos begann wirklich und trug feierlich die Hand von Lady Henriette Stuart dem jungen Prinzen, dem Bruder des Königs, an.

Die Conferenz dauerte eine Stunde, wonach die Thüren des Gemaches den Höflingen geöffnet wurden, welche ihre Plätze wieder einnahmen, als ob sie bei keiner Vorkommenheit des Abends ausgeschlossen gewesen wären.

Athos fand sich mit Raoul zusammen, und der Vater und der Sohn konnten sich nun die Hand drücken.