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Der Graf von Bragelonne

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»Ich bin also Spion des Königs?«

»Nein, mein Herr.«

»Verzeiht, Sire, da ich für Rechnung Eurer Majestät spionire?«

»Ihr geht auf Entdeckung aus, mein Herr. Wenn Ihr das Schwert in der Faust an der Spitze Eurer Musketiere marschirtet, um irgend einen Ort, oder die Stellung des Feindes zu recognosciren . . . «

Bei diesem Worte zuckte d’Artagnan unmerklich.

»Würdet Ihr Euch für einen Spion halten?« fuhr der König fort.

»Nein, nein!« sagte d’Artagnan nachdenkend, »die Sache bekommt ein anderes Gesicht, wenn man den Feind recognoscirt . . . nein, man ist nur ein Soldat.

»Und wenn man Belle-Isle befestigt?« fügte er sogleich bei.

»Dann werdet Ihr einen genauen Plan von der Befestigung aufnehmen.«

»Wird man mich einlassen?«

»Das geht mich nichts an, das ist Eure Sache. Ihr habt also nicht gehört, daß ich Euch einen Zusatz von zwanzigtausend Livres jährlich, wenn Ihr wolltet, zusicherte.«

»Doch, Sire; aber wenn man nicht befestigt?«

»Dann kehrt Ihr ruhig, und ohne Euer Pferd zu ermüden, zurück.«

»Sire, ich bin bereit.«

»Ihr fangt morgen damit an, daß Ihr das erste Vierteljahr von dem Gehalt, den ich Euch aussetze, bei dem Herrn Oberintendanten erhebt. Kennt Ihr Herrn Fouquet?«

»Sehr wenig, Sire; doch ich bemerke Eurer Majestät, daß es nicht sehr dringend für mich ist, ihn zu kennen.«

»Ich bitte um Verzeihung, mein Herr, denn er wird des Geld verweigern, das Ihr erheben sollt.«

»Ah!« machte d’Artagnan. »Hernach, Sire?«

»Wird das Geld verweigert, so holt Ihr es bei Herrn Colbert. Doch sagt, habt Ihr ein gutes Pferd?«

»Ein vortreffliches, Sire.«

»Wie viel habt Ihr dafür bezahlt?«

»Hundert und fünfzig Pistolen.«

»Ich kaufe es Euch ab. Hier ist eine Anweisung auf zweihundert Pistolen.«

»Aber ich brauche mein Pferd, um zu reisen.«

»Nun?«

»Nun, Ihr nehmt mir das meinige.«

»Keineswegs; ich gebe es Euch im Gegentheil. Nun, da es mir gehört und nicht mehr Euch, bin ich sicher, daß Ihr es nicht schonen werdet.«

»Eure Majestät hat also große Eile?«

»Allerdings.«

»Was zwingt mich dann, zwei Tage zu warten?«

»Mir bekannte Gründe.«

»Das ist etwas Anderes. Das Pferd kann die zwei Tage an den acht einholen, die es zu machen hat; und dann gibt es die Post.«

»Nein, nein, die Post gefährdet. Herr d’Artagnan; geht, und vergeßt nicht, daß Ihr mir gehört.«

»Sire, ich habe es nie vergessen! Um welche Stunde werde ich übermorgen von Eurer Majestät Abschied nehmen?«

»Wo wohnt Ihr?«

»Ich muß fortan im Louvre wohnen.«

»Ich will das nicht, Ihr werdet Eure Wohnung in der Stadt behalten, und ich bezahle sie. Die Abreise bestimme ich auf die Nacht, weil Ihr abreisen müßt, ohne von irgend Jemand gesehen zu werden, oder, wenn man Euch sieht, ohne daß man weiß, daß Ihr mir gehört . . . Reinen Mund, mein Herr!«

»Eure Majestät verdirbt Alles, was sie gesagt hat, durch dieses einzige Wort.«

»Ich fragte Euch, wo Ihr wohnet, denn ich kann Euch nicht immer bei dem Herrn Grasen de la Fère holen lassen.«

»Ich wohne bei Herrn Planchet, Spezereihändler, mit dem Schild zum goldenen Stößel, in der Rue des Lombards.«

»Geht wenig aus, zeigt Euch noch weniger und erwartet meine Befehle.«

»Ich muß doch das Geld erheben, Sire.«

»Das ist wahr: doch um zur Oberintendanz zu gehen, wohin so viele Menschen gehen, mischt Ihr Euch unter die Menge.«

»Es fehlen mir die Anweisungen, Sire.«

»Hier sind sie.«

Der König unterzeichnete.

D’Artagnan schaute, um sich zu überzeugen, daß die Sache in Ordnung sei.

»Das ist Geld,« sagte er, »und das Geld wird gelesen oder gezählt.«

»Guten Tag, Herr d’Artagnan,« fügte der König bei; »ich denke, Ihr habt mich wohl verstanden?«

»Ich habe verstanden, daß mich Eure Majestät nach Belle-Isle schickt.«

»Um zu erfahren?«

»Um zu erfahren, wie es mit den Arbeiten von Herrn Fouquet steht, «

»Gut, ich nehme an, Ihr werdet gefangen.«

»Ich nehme es nicht an,« erwiederte kühn der Gascogner.

»Ich nehme an, Ihr werdet getödtet,« fuhr der König fort.

»Das ist nicht wahrscheinlich, Sire.«

»Im ersten Fall sprecht Ihr nicht; im zweiten spricht kein Papier von Euch.«

D’Artagnan zuckte ohne Umstände die Achseln und nahm vom König Abschied, indem er zu sich selbst sagte:

»Der Regen von England währt fort! Bleiben wir unter der Traufe.«

XII.
Die Häuser von Herrn Fouquet

Während d’Artagnan, den Kopf vollgepfropft und beschwert mit Allem dem, was sich ereignet hatte, zu Planchet zurückkehrte, fiel eine Scene anderer Art vor, welche jedoch dem Gespräch, das unser Musketier mit dem König gehabt hatte, nicht fremd war; nur fand dieses Gespräch außerhalb Paris in einem Haus statt, das der Oberintendant Fouquet im Dorfe Saint-Mandé besaß.

Der Minister war in diesem Landhaus, gefolgt von seinem ersten Secretaire angekommen, der ein ungeheures Portefeuille trug, das mit Papieren gefüllt war, welche theils untersucht werden sollten, theils die Unterschrift erwarteten.

Da es fünf Uhr Abends sein mochte, so hatten die Herren zu Mittag gespeist, und man bereitete das Abendbrod für zwanzig untergeordnete Gäste. Der Oberintendant stieg ohne Aufenthalt aus dem Wagen, sprang über die Thürschwelle, durchschritt die Zimmer, erreichte sein Cabinet, erklärte, er würde sich einschließen, um zu arbeiten, und verbot, ihn aus irgend einem Grund, wenn nicht auf Befehl des Königs, zu stören.

Hiernach schloß sich Fouquet sogleich ein, und zwei Bedienten wurden als Schildwache vor seine Thüre gestellt. Dann schob Fouquet einen Riegel vor, der eine Füllung verrückte, welche den Eingang völlig versperrte und es verhinderte, daß etwas von dem, was im Cabinet vorging, gesehen oder gehört wurde. Doch gegen alle Wahrscheinlichkeit geschah es wohl, daß sich Fouquet wirklich, um zu arbeiten, so einschloß, denn er ging gerade auf seinen Schreibtisch zu, setzte sich daran, öffnete das Portefeuille und traf eine Auswahl aus der ungeheuren Masse von Papieren, die es enthielt.

Es waren noch nicht zehn Minuten vorüber, seitdem er eingetreten und alle hie genannten Vorsichtsmaßregeln getroffen hatte, als das wiederholte Geräusch mehrerer kurzer, gleichmäßiger Schläge an sein Ohr traf und seine Aufmerksamkeit zu erregen schien . . . Fouquet warf den Kopf zurück, spitzte das Ohr und horchte.

Die Schläge währten fort. Da erhob sich der Arbeiter mit einer leichten Bewegung der Ungeduld und ging gerade auf einen Spiegel zu, hinter dem von einer Hand oder durch einen unsichtbaren Mechanismus die Schläge gethan wurden.

Es war dies ein großer, in einer Füllung eingerahmter Spiegel. Drei weitere, durchaus gleiche Spiegel vervollständigten die Symmetrie des Zimmers. Nichts unterschied jenen von den andern.

Ohne allen Zweifel waren die wiederholten kurzen Schläge ein Signal, denn in dem Augenblick, wo sich Fouquet horchend dem Spiegel näherte, erneuerte sich dasselbe Geräusch, und zwar in demselben Takt.

»Hoho!« murmelte der Oberintendant erstaunt, »wer ist denn dort? Ich erwartete heute Niemand,«

Und wahrscheinlich um auf das Zeichen zu antworten, das man gemacht hatte, zog der Oberintendant an einem goldenen Nagel an eben diesem Spiegel und rüttelte ihn dreimal.

Dann kehrte er an seinen Platz zurück, setzte sich wieder nieder und rief: .

»Meiner Treue, man muß warten!«

Und er versenkte sich wieder in den vor ihm entrollten Ocean von Papieren, und schien nur noch an die Arbeit zu denken. Mit einer unglaublichen Raschheit, mit einer wunderbaren Hellsichtigkeit entzifferte Fouquet die längsten Papiere, die verwickeltsten Schriften, verbesserte, versah er sie mit Noten, und dies mit einer Feder, welche wie vom Fieber fortgerissen wurde, so daß die Arbeit unter seinen Fingern schmolz und Unterschriften, Ziffern, Verweisungen, Abfertigungen sich vervielfältigten, als ob zehn Secretaire, das heißt hundert Finger und zehn Gehirne functionirt hätten, statt der zehn Finger und des einzigen Geistes dieses Mannes.

Nur von Zeit zu Zeit hob Fouquet, in diese Arbeit versunken, den Kopf in die Höhe, um einen flüchtigen Blick auf eine Uhr zu werfen, die ihm gegenüberstand.

Fouquet gab sich nämlich seine Aufgabe; war diese Aufgabe einmal gegeben, so machte er in einer Arbeitsstunde, was ein Anderer nicht in einem Tag zu vollbringen vermochte, und so war er folglich immer gewiß, wenn er nicht gestört wurde, in der Frist, die seine verzehrende Thätigkeit festgestellt hatte, zum Ziel zu kommen. Doch mitten unter dieser glühenden Arbeit erklangen die kurzen Schläge der hinter dem Spiegel angebrachten kleinen Glocke abermals hastiger und folglich dringender.

»Ah! es scheint die Dame wird ungeduldig,« sagte Fouquet; »ruhig, ruhig . . . es muß die Gräfin sein; doch nein, die Gräfin ist auf drei Tage in Rambouillet. Die Präsidentin also! oh! die Präsidentin würde sich nicht so anspruchsvoll geberden; sie würde demüthig läuten und auf mein Belieben warten. Das Klarste bei dem Allem ist, daß ich nicht wissen kann, wer es sein mag, daß ich aber wohl weiß, wer es nicht ist.

»Und da Ihr es nicht seid, Marquise, da Ihr es nicht sein könnt, pfui über jede Andere!«

Und er setzte seine Arbeit fort, trotz der wiederholten Mahnungen des Glöckchens. Nach einer Viertelstunde steckte indessen die Ungeduld Fouquet ebenfalls an; er verbrannte mehr den Rest seiner Arbeit, als daß er ihn vollendete, schob seine Papiere wieder in das Portefeuille und warf einen Blick in seinen Spiegel, während die kurzen Schläge hastiger als je wiederholt wurden.

»Oho!« fügte er, »woher dieses Ungestüm? Was ist geschehen? Wer ist die Ariane, die mich mit solcher Ungeduld erwartet? Wir wollen sehen.«

 

Nun drückte er mit der Fingerspitze auf den Nagel, der parallel mit dem angebracht war, an welchem er gezogen hatte. Sogleich spielte der Spiegel wie der Flügel einer Thüre und entblößte eine ziemlich tiefe Thürverkleidung, in der der Oberintendant wie in einem weiten Kasten verschwand. Dann drückte er an einer neuen Feder, welche nicht mehr ein Brett, sondern einen Mauerblock öffnete, und er ging durch diesen Einschnitt hinaus und ließ die Thüre sich von selbst schließen.

Hernach stieg Fouquet etliche und zwanzig Stufen hinab, die sich in einer Wendung unter die Erde vertieften, und fand einen langen, unterirdischen, geplatteten und durch unmerkliche Schießscharten erhellten Gang. Die Wände dieses Ganges waren mit Matten und der Boden mit Teppichen bedeckt.


Dieser unterirdische Gang zog sich unter der Straße hin, welche das Haus von Fouquet vom Park von Vincennes trennte. Am Ende des Ganges war eine Wendeltreppe, der ähnlich, auf welcher Fouquet herabgestiegen. Er stieg diese zweite Treppe hinauf, drückte an einer Feder, welche in einer Thürverkleidung, der seines Cabinets ähnlich, angebracht war, und trat in ein durchaus leeres, aber mit der höchsten Eleganz ausgestattetes Zimmer.

Sobald er hier war, untersuchte er, ob der Spiegel sorgfältig schloß, ohne eine Spur zurückzulassen, und öffnete dann, ohne Zweifel mit dem Erfolg zufrieden, mit Hilfe eines kleinen Schlüssels von Vermeil das dreifache Gewinde der Thüre ihm gegenüber.

Diesmal that sich die Thüre nach einem kostbar meublirten Cabinet auf, worin auf Polstern eine Frau von außerordentlicher Schönheit saß, welche bei dem Geräusch der Riegel hastig auf Fouquet zustürzte.

»Ah! mein Gott!« rief dieser, vor Erstaunen zurückweichend: »Frau Marquise von Bellière, Ihr, Ihr hier?«

»Ja,« murmelte die Marquise, »ja, ich, mein Herr.«

»Marquise, theure Marquise!« rief Fouquet, im Begriff, sich vor ihr niederzuwerfen; »ah! mein Gott! aber wie seid Ihr denn hierhergekommen? Und ich, ich habe Euch warten lassen!«

»Sehr lange, mein Herr, oh! ja, sehr lange.«

»Oh! ich fühle mich sehr glücklich, daß Euch das Warten lange geschienen hat.«

»Eine Ewigkeit, mein Herr; oh! ich habe mehr als zwanzigmal geläutet; hörtet Ihr es nicht?«

»Marquise, Ihr seid bleich, Ihr seid zitternd.«

»Hörtet Ihr nicht, daß man Euch rief?«

»Oh! doch, ich hörte es wohl, Frau Marquise, aber ich konnte nicht kommen. Wie sollte ich vermuthen, Ihr wäret es, nach Eurer Strenge, nach Eurer Weigerung? Hätte ich das Glück ahnen können, das meiner harrte, glaubet mir, Marquise, ich würde Alles im Stich gelassen haben, um Euch zu Füßen zu fallen, wie ich es in diesem Augenblick thue.«

Die Marquise schaute umher und fragte:

»Sind wir auch allein, mein Herr?«

»Oh! ja, Madame, dafür stehe ich Euch.«

»In der That,« sagte die Marquise traurig.

»Ihr seufzet?«

»Wie viel Geheimnisse, Vorsichtsmaßregeln,« sprach die Marquise mit einer leichten Bitterkeit, »und wie sehr sieht man, daß Ihr bange habt, Eure Liebe ahnen zu lassen.«

»Würdet Ihr es vorziehen, daß ich sie zur Schau stellte?«

»Oh! nein, Ihr handelt wie ein zartfühlender Mann,« sagte die Marquise lächelnd.

»Stille, Marquise, keine Vorwürfe, ich bitte Euch.«

»Vorwürfe, habe ich das Recht, Euch zu machen?«

»Nein, leider nicht; doch sagt mir, Ihr, die ich seit einem Jahr ohne Hoffnung und ohne Erwiederung liebe . . . «

»Ihr täuscht Euch. Ohne Hoffnung, das ist wahr; doch ohne Erwiederung, nein.«

»Oh! für mich gibt es in der Liebe nur einen Beweis, und diesen Beweis erwarte ich noch.«

»Ich komme, um Euch denselben zu bringen, mein Herr.«

Fouquet wollte die Marquise in seine Arme schließen, doch sie entzog sich durch eine Geberde.

»Ihr werdet Euch also immer täuschen, mein Herr, und nie von mir das Einzige annehmen, was ich Euch bieten will, die Ergebenheit?«

»Ah! Ihr liebet mich also nicht; die Ergebenheit ist nur eine Tugend; die Liebe ist eine Leidenschaft.«

»Höret mich, mein Herr, ich bitte Euch; ohne einen gewichtigen Beweggrund wäre ich nicht hierher zurückgekehrt, das begreift Ihr wohl.«

»Am Beweggrund ist mir wenig gelegen, da Ihr hier seid, da ich mit Euch spreche, da ich Euch sehe.«

»Ja, Ihr habt Recht, die Hauptsache ist, daß ich hier bin, ohne daß mich Jemand gesehen hat, und daß ich mit Euch sprechen kann.«

Fouquet sank auf seine Kniee und rief:«

»Sprecht, sprecht, Marquise, ich höre.«

Die Marquise schaute zu Fouquet herab, und es lag in den Blicken dieser Frau ein seltsamer Ausdruck von Liebe und Schwermuth.

»Oh!« flüsterte sie endlich, wie möchte ich diejenige sein, welche das Recht hat, Euch jede Minute zu sehen, jede Minute mit Euch zu sprechen! Wie gern möchte ich die Frau sein, welche über Euch wacht, welche nicht geheimer Federn bedarf, um den Mann, den sie liebt, zu rufen, wie einen Sylphen erscheinen zu machen, um ihn eine Stunde anzuschauen und dann in der Finsternis; eines Geheimnisses verschwinden zu sehen, das beim Abgang noch viel seltsamer ist, als es bei seiner Ankunft war. Oh! das ist eine sehr glückliche Frau!«

»Sprecht Ihr zufällig von meiner Frau, Marquise?« fragte Fouquet lächelnd.

»Ja, sie meine ich.«

»Nun! beneidet diese nicht um ihr Loos, Marquise; denn von allen Frauen, mit denen ich in Verbindung stehe, ist Madame Fouquet diejenige, welche mich am wenigsten sieht, und welche am wenigsten Zutrauen zu mir hat.«

»Sie ist mindestens nicht darauf beschränkt, mein Herr, mit der Hand, wie ich es gethan habe, auf eine Spiegelzierrath zu drücken, um Euch kommen zu machen; Ihr antwortet ihr wenigstens nicht durch das geheimnißvolle, erschreckende Geräusch einer Glocke, deren Feder ich weiß nicht woher kommt; Ihr habt ihr wenigstens nicht unter Androhung der Strafe, auf immer das Verhältnis; mit ihr abgebrochen zu sehen, verboten, daß sie das Geheimniß dieser Verbindungswege zu ergründen suche, wie Ihr es denjenigen verbietet, welche vor mir hierhergekommen sind und nach mir hierherkommen werden.«

»Ah! theure Marquise, wie ungerecht seid Ihr, und wie wenig wißt Ihr, was Ihr thut, indem Ihr Euch über die Geheimhaltung beschweret! Nur unter dem Geheimniß kann man ungestört lieben, nur durch ungestörte Liebe kann man glücklich sein. Doch kommen wir auf uns zurück, auf die Ergebenheit, von der Ihr sprachet, oder täuschet mich vielmehr, Marquise, und lasset mich glauben, diese Ergebenheit sei Liebe.«

»Vorhin,« erwiederte die Marquise, indem sie über ihre Augen mit der nach den weichsten Conturen des Alterthums geformten Hand fuhr, »vorhin war ich im Begriff, zu sprechen, meine Gedanken waren klar, scharf; doch nun bin ich ganz verblüfft, ganz beunruhigt, ganz zitternd; ich befürchte, Euch eine schlimme Nachricht zu bringen,«

»Wenn ich dieser schlimmen Nachricht Eure Gegenwart zu verdanken habe, Marquise, so sei die schlimme Nachricht willkommen, oder vielmehr, Marquise, da Ihr hier seid, da Ihr mir zugesteht, daß ich Euch nicht ganz gleichgültig bin, lassen wir diese schlimme Nachricht beiseit und sprechen wir nur von Euch.«

»Nein, nein, verlangt dieselbe im Gegentheil von mir, fordert, daß ich sie Euch sogleich sage, daß ich mich durch kein Gefühl, abwendig machen lasse; Fouquet, mein Freund, es ist von ungeheurem Interesse.«

»Ihr setzt mich in Erstaunen, Marquise, ich möchte beinahe sagen, Ihr macht mir Angst, Ihr, so ernst, Ihr, so nachdenkend, Ihr, die Ihr die Welt, in der wir leben, so gut kennet! Es ist also von Bedeutung?«

»Oh! von großer Bedeutung.«

»Vor Allem, warum seid Ihr hierhergekommen?«

»Ihr werdet es sogleich erfahren; doch zuerst das Dringendste.«

»Sprechet, Marquise, sprechet, ich flehe Euch an, habet Mitleid mit meiner Ungeduld.«

»Ihr wisset, daß Herr Colbert zum Intendanten der Finanzen ernannt ist?«

»Bah! Colbert, der kleine Colbert?«

»Ja, Colbert, der kleine Colbert.«

»Das Factotum von Herrn von Mazarin?«

»Ganz richtig.«

»Nun! was sehet Ihr darin Erschreckendes, liebe Marquise? Der kleine Colbert Intendant, das ist zum Erstaunen, ich gebe es zu, doch es ist nicht furchtbar.«

»Glaubet Ihr, der König habe ohne gewichtige Beweggründe einen solchen Platz demjenigen gegeben, welchen Ihr einen kleinen Schulfuchs nennt?«

»Vor Allem, ist es wirklich wahr, daß ihm der König denselben gegeben hat?«

»Man sagt es.«

»Wer sagt es?«

»Die ganze Welt.«

»Die ganze Welt, das ist Niemand; führt mir Jemand an, der gut unterrichtet sein kann und es sagt.«

»Madame Vanel.«

»Ah! Ihr fangt in der That an, mich zu erschrecken,« rief Fouquet lachend; »es ist wahr, wenn Jemand gut unterrichtet sein muß, so ist es die Person, die Ihr mir nennt.«

»Sprecht nicht schlimm von der armen Marguerite, Herr Fouquet, denn sie liebt Euch immer noch.«

»Bah! wahrhaftig? Ich dachte, der kleine Colbert, wie Ihr ihn so eben nanntet, sei über diese Liebe hingegangen und habe einen Tintenfleck oder einen Fettfleck darauf geworfen.«

»Fouquet! Fouquet! so seid Ihr gegen diejenigen, welche Ihr aufgebt?«

»Ah! ah! wollt Ihr nicht etwa die Vertheidigung von Madame Vanel übernehmen?«

»Ja, ich werde sie übernehmen; denn ich wiederhole Euch, sie liebt Euch immer noch, und zum Beweis dient, daß sie Euch rettet.«

»Durch Eure Vermittelung, Marquise; das ist geschickt von ihr. Kein Engel vermöchte mir angenehmer zu sein und mich sicherer zum Ziel zu führen. Doch woher kennt Ihr Marguerite?«

»Es ist eine Freundin von mir aus dem Kloster.«

»Und Ihr sagt, sie habe Euch mitgetheilt, Herr Colbert sei zum Intendanten ernannt worden?«

»Ja.«

»Nun gebt mir Aufklärung, Marquise. Herr Colbert soll also Intendant sein. In welcher Hinsicht kann ein Intendant, nämlich mein Untergeordneter, mich in den Schatten stellen, oder mir Nachtheil bringen, und wäre es auch Herr Colbert?«

»Ihr bedenkt nicht, mein Herr, wie es scheint.«

»Was?«

»Daß Herr Colbert Euch haßt.«

»Mich!« rief Fouquet; »o mein Gott! Marquise, die ganze Welt haßt mich, er wie die Anderen.«

»Er mehr als die Anderen.«

»Es mag sein, er mehr als die Anderen.«

»Er ist ehrgeizig.«

»Wer ist es nicht, Marquise?«

»Ja; doch sein Ehrgeiz hat keine Grenzen.«

»Ich sehe es wohl, da er mein Nachfolger bei Madame Vanel zu werden versucht.«

»Und da es ihm gelungen ist; nehmt Euch in Acht.«

»Wollt Ihr etwa sagen, er trachte darnach, vom Intendanten Oberintendant zu werden?«

»Habt Ihr das nicht schon befürchtet?«

»Hoho!« rief Fouquet, »mein Nachfolger bei Madame Vanel, es mag sein; doch beim König, das ist etwas Anderes. Frankreich erkauft sich nicht so leicht, als die Frau eines Rechnungsbeamten.«

»Ei! mein Herr, Alles erkauft sich, wenn nicht um Geld, doch wenigstens durch Intrigue.«

»Ihr wißt wohl das Gegentheil, Madame, Ihr, der ich Millionen angeboten habe.«

»Statt dieser Millionen, Fouquet, hättet Ihr mir eine wahre, einzige, unbegrenzte Liebe bieten müssen, und ich würde es angenommen haben, Ihr seht wohl, daß sich Alles erkaufen läßt, wenn nicht auf die eine, doch auf die andere Weise.«

»Eurer Ansicht nach ist also Herr Colbert im Begriff, um eine Oberintendantenstelle zu feilschen. Geht, Marquise, beruhigt Euch, er ist nicht reich genug, um sie zu kaufen.«

»Aber wenn er sie Euch raubt?«

»Ah! das ist etwas Anderes. Doch leider muß er, ehe er zu mir, das heißt, zum Hauptwall kommt, die Außenwerke Bresche schießen, zerstören, und ich bin teufelmäßig gut befestigt, Marquise.«

»Und das, was Ihr Eure Außenwerke nennt, sind Eure Creaturen, nicht wahr? es sind Eure Freunde?«

»Ganz richtig.«

»Und Herr d’Emeris gehört zu Euren Creaturen?«

»Ja.«

»Herr Lyodot ist einer Eurer Freunde?«

»Gewiß.«

»Herr von Vanin?«

»Ah! Herr von Vanin, man mache mit ihm, was man will, aber . . . «

»Aber . . . «

»Aber man rühre die anderen nicht an.«

»Nun! wenn Ihr wollt, daß man die Herren d’Emeris und Lyodot nicht anrühre, so ist es Zeit, daß Ihr Euch wehrt.«

»Wer bedroht sie?«

»Wollt Ihr mich nun anhören?«

»Immer, Marquise.«

»Ohne mich zu unterbrechen?«

»Sprecht.«

»Nun! diesen Morgen hat mich Marguerite zu sich gebeten.«

»Ah!«

»Ja.«

»Und was wollte sie von Euch?«

»»Ich wage es nicht, Herrn Touquet selbst zu besuchen,«« sagte sie zu mir.

»Bah! denkt sie, ich hätte ihr Vorwürfe gemacht? Arme Frau, mein Gott! sie täuscht sich sehr.«

»»Begebt Euch zu ihm und sagt ihm, er möge sich vor Herrn von Colbert hüten.««

 

»Wie! sie läßt mich vor ihrem Geliebten warnen!«

»Ich sagte Euch, sie liebe Euch immer noch.«

»Hernach, Marquise?«

»»Herr von Colbert,«« fügte sie bei, »»ist vor zwei Stunden bei mir gewesen, um mir mitzutheilen, er wäre Intendant.««

»Ich habe Euch schon bemerkt, Marquise, Herr von Colbert würde nur um so besser unter meiner Hand sein.«

»Ja, aber das ist noch nicht Alles; Marguerite sieht, wie Ihr wißt, in Verbindung mit Madame d’Emeris und Madame Lyodot.«

»Ja.«

»Nun wohl! Herr von Colbert hat ernste Fragen an sie über das Vermögen dieser zwei Herren, sowie über den Grad der Ergebenheit, die dieselben für Euch hegen, gerichtet.«

»Oh! was diese Beiden betrifft, für sie stehe ich! man müßte sie tödten, damit sie nicht mehr mir gehören würden.«

»Dann, als Madame Vanel, um einen Besuch zu empfangen, genöthigt war, Herrn Colbert einen Augenblick zu verlassen, und her neue Intendant, der ein Arbeiter ist, sich allein sah, zog er einen Bleistift aus der Tasche, und da Papier auf dem Tisch lag, fing er an Bemerkungen aufzuzeichnen.«

»Bemerkungen über d’Emeris und Lyodot?«

»Ganz richtig.«

»Ich wäre begierig, zu erfahren, was diese Bemerkungen besagten.«

»Das ist es gerade, was ich Euch mittheilen will.«

»Madame Vanel hat diese Noten von Colbert genommen und überschickt sie mir?«

»Nein, aber durch einen Zufall, der einem Wunder gleicht, hat sie ein Duplicat davon.«

»Wie so?«

»Hört. Ich sagte Euch, Colbert habe Papier auf einem Tisch gefunden.«

»Ja.«

»Er habe einen Bleistift aus seiner Tasche gezogen.«

»Ja.«

»Und er habe auf dieses Papier geschrieben.«

»Ja.«

»Dieser Bleistift war von sehr hartem Blei. Er zeichnete schwarz auf dem ersten Blatt und ließ seinen Eindruck weiß auf dem zweiten zurück.«

»Hernach?«

»Als Colbert das erste Blatt zerriß, dachte er nicht an das zweite.«

»Nun?«

»Nun, auf dem zweiten konnte man lesen, was auf dem ersten geschrieben war: Madame Vanel hat gelesen und mich zu sich rufen lassen.«

»Ah!«

»Dann, als sie sich versichert hatte, ich sei eine ergebene Freundin von Euch, gab sie mir das Papier und eröffnete mir das Geheimniß dieses Hauses.«

»Und dieses Papier?« fragte Fouquet, der ein wenig unruhig zu werden schien.

»Hier ist es, mein Herr, leset,« sprach die Marquise.

Fouquet las,

»»Namen von Steuerpächtern, welche von der Justizkammer zu verurtheilen sind: d’Emeris, Freund von Herrn F.: Lyodot, Freund von Herrn F.; von Vanin, gl . . . ««

»D’Emeris! Lyodot!« rief Fouquet, währender noch einmal las.

»Freunde von Herrn F . . . .,« deutete die Marquise mit dem Finger.

»Aber was wollen die Worte besagen: »»Von der Justizkammer zu verurtheilen?««

»Ah!« rief die Marquise, »das ist klar, wie mir scheint. Uebrigens seid Ihr noch nicht zu Ende, leset, leset.«,

Fouquet fuhr fort:

»»Die zwei ersten zum Tod, der dritte zur Entlassung mit den Herren d’Hautemont und de la Valette, deren Güter nur zu confisciren sind.««

»Großer Gott!« rief Fouquet, »zum Tod, zum Tod Lyodot und d’Emeris! Aber sollte sie auch die Justizkammer zum Tod verurtheilen, so wird doch der König ihre Verurtheilung nicht unterzeichnen, und man richtet nicht hin ohne die Unterschrift des Königs.«

»Der König hat Herrn Colbert zum Intendanten gemacht.«

»Oh!« rief Fouquet, als ob er unter seinen Füßen im Helldunkel einen Abgrund erblickte, »unmöglich! unmöglich! Doch wer hat einen Bleistift über die Spuren von dem von Herrn Colbert hinlaufen lassen?«

»Ich; ich befürchtete, der erste Zug könnte verwischen.«

»Oh! ich werde Alles erfahren.«

»Ihr werdet nichts erfahren, mein Herr. Ihr schätzt hierzu Euren Feind zu gering.«

»Verzeiht, theure Marquise: entschuldigt mich; ja, Herr von Colbert ist mein Feind, ich glaube es, ja, Herr von Colbert ist ein Mann, den man zu fürchten hat, ich gestehe es zu; doch ich habe die Zeit, und da Ihr da seid, da Ihr mich Eurer Ergebenheit versichert habt, da Ihr mich gleichsam Eure Liebe erschauen ließt, da wir allein sind . . . «

»Ich bin gekommen, um Euch zu retten, Herr Fouquet, und nicht, um mich zu Grunde zu richten,« sprach die Marquise aufstehend; »nehmt Euch also in Acht . . . «

»Marquise . . . Ihr habt zu sehr bange, und wenn diese Bangigkeit nicht ein Vorwand ist . . . «

»Herr Colbert ist ein tiefes Herz; nehmt Euch in Acht . . . «

Fouquet richtete sich auf und fragte:

»Und ich?«

»Ah! Ihr, Ihr seid nur ein edles Herz, nehmt Euch in Acht . . . «

»Also . . . «

»Ich habe gethan, was ich thun mußte, auf die Gefahr, meinen Ruf zu verlieren. Lebt wohl.«

»Nicht Lebewohl, auf Wiedersehen.«

»Vielleicht.« sprach die Marquise.

Und sie reichte Fouquet die Hand zum Kuß, und ging so entschlossen aus die Thüre zu, daß er es nicht wagte, ihr den Weg zu versperren.

Fouquet aber kehrte, den Kopf gesenkt und eine Wolke auf der Stirne, nach dem unterirdischen Gang zurück, den entlang die Metalldrähte liefen, welche von einem Haus mit dem andern in Verbindung standen und nach der Rückseite der zwei Spiegel die Wünsche und Rufe der beiden Correspondenten beförderten.