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Der Graf von Bragelonne

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IX.
Worin man endlich die wahre Heldin dieser Geschichte wiedererscheinen sieht

Hinter Frau von Saint-Remy, kam Fräulein de la Vallière herauf.

Sie hörte den Ausbruch des mütterlichen Zornes, und da sie die Ursache errieth, trat sie ganz zitternd in das Zimmer ein und erblickte den unglücklichen Malicorne, dessen verzweifelte Haltung jeden kaltblütigen Beobachter gerührt oder belustigt haben würde.

Er hatte sich in der That rasch hinter einen großen , Stuhl verschanzt, als wollte er die ersten Stürme von Frau von Saint-Remy vermeiden; er hoffte nicht darauf, sie durch das Wort zu erweichen, denn sie sprach lauter als er und ohne Unterbrechung, aber er zählte auf die Beredtsamkeit seiner Geberden.

Die alte Dame hörte und sah nichts; Malicorne war seit langer Zeit eine ihrer Antipathien.

Doch dieser Zorn war zu groß, um nicht von Malicorne auf seine Mitschuldige überzuströmen.

Die Reihe kam sogleich an Montalais.

»Und Ihr, Mademoiselle, und Ihr, glaubt Ihr etwa, ich werde nicht sogleich Madame von dem, was bei einem ihrer Ehrenfräulein vorgeht, in Kenntniß setzen?«

»Oh! meine Mutter,« rief Fräulein de la Vallière, »ich flehe Euch an, verschont . . . «

»Schweigt, mein Fräulein, und strengt Euch nicht vergebens an, um für unwürdige Subjecte in’s Mittel zu treten; daß ein ehrbares Mädchen, wie Ihr, das schlechte Beispiel mit ansehen soll, ist sicherlich ein hin, reichend großes Unglück; daß es aber ein solches Mädchen durch seine Nachsicht begünstigt, das werde ich nicht dulden.«

»Wahrhaftig,« rief die Montalais, die sich endlich empörte, »ich weiß nicht, unter welchem Vorwand Ihr mich so behandelt. Ich thue nichts Schlimmes, denke ich?«

»Und dieser große Müßiggänger,« versetzte Frau von Saint-Remy, auf Malicorne deutend, »ist er etwa hier, um Gutes zu thun?«

»Er ist weder des Guten, noch des Schlimmen wegen hier, gnädige Frau; er kommt ganz einfach, um mich zu besuchen.«

»Es ist gut, es ist gut,« sagte Frau von Saint-Remy, »Ihre königliche Hoheit soll unterrichtet werden, und sie wird das Urtheil fällen.«

»Jedenfalls,« erwiederte Montalais, »jedenfalls sehe ich gar nicht ein, warum es Herrn Malicorne verboten sein sollte, eine Absicht auf mich zu haben, wenn seine Absicht redlich ist.«

»Eine redliche Absicht mit einem solchen Gesicht!« rief Frau von Saint-Remy.

»Ich danke Euch im Namen meines Gesichtes, gnädige Frau,« sprach Malicorne.

»Kommt, meine Tochter, kommt,« fuhr Frau von Saint-Remy fort; »wir wollen Madame melden, daß es in dem Augenblick, wo sie einen Gemahl beweint, in dem Augenblick, wo wir einen Herrn in diesem alten Schloß Blois, dem Wohnsitz des Schmerzes, beweinen, Leute gibt, die sich belustigen und freuen.«

»Oh!« machten mit einer einzigen Bewegung die zwei Angeklagten.

»Ein Ehrenfräulein! ein Ehrenfräulein!« rief die alte Dame, die Hände zum Himmel erhebend.

»Nun, darin täuscht Ihr Euch, gnädige Frau,« sprach Montalais außer sich, »ich bin wenigstens nicht mehr Ehrenfräulein von Madame.«

»Ihr nehmt Eure Entlassung, mein Fräulein? Sehr gut, ich kann einem solchen Entschluß nur meinen Beifall spenden, und ich spende ihn.«

»Ich nehme nicht meine Entlassung, gnädige Frau, ich nehme nur einen andern Dienst.«

»Bei bürgerlichen Leuten oder beim Civilstand?« fragte Frau von Saint-Remy mit Verachtung.

»Erfahrt, gnädige Frau, daß ich nicht das Mädchen bin, das bei Bürgerfrauen oder Civilistinnen dient, und daß ich, statt an dem elenden Hof, an dem Ihr vegetirt, an einem beinahe königlichen Hose leben werde.«

»Ha! ha! ein königlicher Hof,« rief Frau von Saint-Remy, die sich zu lachen anstrengte; »ein königlicher Hof, was denkt Ihr davon, meine Tochter?«

Und sie wandte sich gegen Fräulein de la Vallière um, welche sie mit aller Gewalt gegen Montalais aufstacheln wollte, während jene statt dem Antrieb von Frau von Saint-Remy zu gehorchen, bald ihre Mutter, bald Montalais mit ihren schonen, versöhnenden Augen anschaute.

»Gnädige Frau,« erwiederte Montalais, »ich habe nicht gesagt, ein königlicher Hof, weil Madame Henriette von England, welche die Frau von S. K. H. Monsieur werden soll, keine Königin ist. Ich sagte beinahe königlich, und habe mich damit richtig ausgedrückt, da sie die Schwägerin des Königs werden wird.«

Wäre der Blitz vom Schlosse Blois herabgefallen, es hätte Frau von Saint-Remy nicht mehr betäubt, als es dieser letzte Satz von Montalais that.

»Was sprecht Ihr von Ihrer königlichen Hoheit Madame Henriette?« stammelte die alte Dame.

»Ich sage, daß ich bei ihr als Ehrenfräulein eintrete, das sage ich.«

»Als Ehrenfräulein!« riefen zugleich Frau von Saint-Remy in Verzweiflung und Fräulein de la Vallière voll Freude,

»Ja, gnädige Frau, als Ehrenfräulein.«

Die alte Dame neigte das Haupt, als wäre der Schlag zu stark für sie gewesen.

Doch beinahe in demselben Augenblick erhob sie sich wieder, um ihrer Gegnerin ein letztes Wurfgeschoß zuzuschleudern, und sagte:

»Oh! oh! es ist oft von dergleichen Versprechungen im Voraus die Rede, man schmeichelt sich häufig mit tollen Hoffnungen, und im letzten Augenblick, wenn es sich darum handelt, diese Versprechungen zu halten, diese Hoffnungen zu verwirklichen, ist man ganz erstaunt, den großen Credit, auf den man gerechnet hat, in Dunst zerfließen zu sehen.«

»Oh! gnädige Frau , der Credit meines Beschützers ist unbestreitbar und seine Versprechungen sind so viel werth als Urkunden.«

»Wäre es vielleicht unbescheiden, Euch nach dem Namen dieses so mächtigen Beschützers zu fragen?«

»Oh! mein Gott, nein: es ist dieser Herr hier,« sagte Montalais, auf Malicorne deutend, der während dieser ganzen Scene die unstörbarste Kaltblütigkeit und die komischste Würde behauptete.

»Dieser Herr,« rief Frau von Saint-Remy mit einem Ausbruch von Heiterkeit, »dieser Herr ist Euer Beschützer! Der Mann, dessen Credit so mächtig ist, dessen Versprechungen Urkunden werth sind, ist Herr Malicorne!«

Malicorne verbeugte sich.

Montalais aber zog statt jeder Antwort das Patent aus ihrer Tasche, zeigte es der alten Dame und sprach:

»Hier ist das Patent.«

Nun war Alles vorbei. Sobald sie mit dem Blick das Pergament durchlaufen hatte, faltete die gute Dame die Hände, ein unbeschreiblicher Ausdruck von Neid und Verzweiflung zog ihr Gesicht zusammen, und sie war genöthigt, sich zu setzen, um nicht in Ohnmacht zu fallen.

Montalais war nicht boshaft genug, um sich übermäßig ihres Sieges zu freuen und den besiegten Feind niederzubeugen, besonders da dieser Feind die Mutter ihrer Freundin war; sie benützte ihren Triumph, mißbrauchte ihn aber nicht.

Malicorne war minder großmüthig; er nahm eine vornehme Haltung in seinem Lehnstuhl an und streckte sich mit einer Vertraulichkeit aus, welche ihm zwei Stunden früher die Drohung mit dem Stock zugezogen hätte.

»Ehrendame der jungen Hoheit!« wiederholte Frau von Saint-Remy, noch schlecht überzeugt.

»Ja, gnädige Frau, und zwar durch die Protection von Herrn Malicorne.«

»Das ist unglaublich!« sprach die alte Dame, »nicht wahr, Louise, das ist unglaublich?«

Doch Louise antwortete nicht; sie senkte den Kopf träumerisch, beinahe betrübt, und seufzte, eine Hand an ihrer schönen Stirn.«

»Sprecht, mein Herr,« sagte plötzlich Frau von Saint-Remy, »wie habt Ihr es gemacht, um diese Stelle zu erhalten?«

»Ich habe sie verlangt, Madame.«

»Von wem?«

»Von einem meiner Freunde.«

»Und Ihr habt Freunde, welche so gut bei Hofe stehen, daß sie Euch solche Beweist ihres Ansehens geben können?«

»Bei Gott! es scheint so.«

»Darf man den Namen dieser Freunde wissen?«

»Ich sagte nicht, ich habe mehrere Freunde, gnädige Frau, ich sprach nur von einem Freund.«

»Und dieser Freund heißt?«

»Ei! gnädige Frau, wie rasch geht Ihr zu Werke! Wenn man einen Freund hat, der so mächtig ist, wir der meinige, so stellt man ihn nicht an den hellen Tag, damit er einem gestohlen wird.«

»Ihr habt Recht, mein Herr, daß Ihr den Namen dieses Freundes verschweigt, und ich glaube, es würde Euch schwer werden, ihn zu nennen.«

»Jedenfalls,« sagte Montalais, »wenn der Freund nicht besteht, besteht doch das Patent, und das schneidet die Frage kurz ab.«

»Dann begreife ich,« sagte Frau von Saint-Remy mit dem anmuthigen Lächeln der Katze, welche von ihren Klauen Gebrauch machen will, »als ich vorhin den Herrn bei Euch traf . . . «

»Nun?«

»Brachte er Euch Euer Patent.«

»Ganz richtig, gnädige Frau, Ihr habt es errathen.«

»Aber das ist dann äußerst moralisch!«

»Ich glaube es, gnädige Frau.«

»Und ich hatte, wie es scheint, Unrecht, Euch Vorwürfe zu machen, mein Fräulein.«

»Großes Unrecht; doch ich bin so sehr an Eure Vorwürfe gewöhnt, daß ich sie Euch vergebe.«

»Dann gehen wir, Louise, wir haben uns nur noch zu entfernen. Nun!«

»Meine Mutter,« versetzte La Vallière bebend. »Ihr sagt?«

»Du hörtest nicht, wie es scheint, mein Kind?«

»Nein, ich dachte.«

»Woran?«

»An tausend Dinge.«

»Du bist mir wenigstens nicht böse, Louise?« rief Montalais, ihr die Hand drückend.

»Und worüber sollte ich Dir böse sein, meine liebe Aure?« erwiederte das Mädchen mit seiner Stimme so sanft wie Musik.

»Ei!« sagte Frau von Saint-Remy, »wenn sie Euch ein wenig böse wäre, armes Kind, so hätte sie nicht ganz Unrecht.«

»Und warum sollte sie dies sein, guter Gott?«

»Mir scheint, sie ist von eben so guter Familie und eben so hübsch als Ihr.«

»Meine Mutter!« rief Louise.

»Hundertmal hübscher, gnädige Frau; von besserer Familie, nein; doch das sagt mir nicht, warum mir Louise grollen soll.«

»Glaubt Ihr denn, es sei belustigend für sie, sich in Blois zu begraben, während Ihr in Paris glänzen werdet?«

 

»Aber, gnädige Frau, ich halte Louise nicht ab, mir nach Paris zu folgen! ich wäre im Gegentheil sehr glücklich, wenn sie dahin käme.«

»Mir scheint, Herr Malicorne, der bei Hofe allmächtig ist . . . «

»Ah! das nützt nichts, gnädige Frau, Jeder für sich in dieser armen Welt,« erwiederte Malicorne.

»Malicorne!« rief Montalais.

Dann sich an das Ohr des jungen Mannes bückend, flüsterte sie:

»Beschäftigt Frau von Saint-Remy entweder dadurch, daß Ihr mit ihr streitet, oder daß Ihr Euch mit ihr versöhnt; ich muß mit Louise sprechen.«

Und zu gleicher Zeit belohnte ein süßer Händedruck Malicorne für seinen zukünftigen Gehorsam.

Malicorne näherte sich brummend Frau von Saint-Remy, während Montalais, einen Arm um ihren Hals schlingend, zu ihrer Freundin sprach:

»Was hast Du, laß hören? Ist es wahr, daß Du mich nicht mehr lieben solltest, weil ich glänzen würde, wie Deine Mutter sagt?«

»Oh! nein,« erwiederte das Mädchen, das kaum seine Thränen zu bemeistern vermochte,«Dein Glück, macht mich im Gegentheil sehr glücklich.«

»Glücklich! man sollte glauben, Du seist dem Weinen nahe.«

»Weint man nicht vor Wonne?«

»Ah! ja, ich begreife; ich gehe nach Paris, und das Wort Paris erinnert Dich an einen gewissen Cavalter . . . «

»Aure!«

»An einen gewissen Cavalier , der einst in Blois wohnte und heute in Paris wohnt.«

»Ich weiß in der That nicht, was ich habe, aber Ich ersticke.«

»Weine also, da Du mir nicht lächeln kannst.«

Louise erhob ihr so sanftes Antlitz, das Thränen, welche eine nach der andern ihren Augen entrollten, wie Diamanten beleuchteten.

»Sprich, gestehe,« sagte Montalais.

»Was soll ich gestehen?«

»Was Dich weinen macht; man weint nicht ohne Ursache. Ich bin Deine Freundin; Alles, was Du willst, daß ich thun soll, werde ich thun. Malicorne ist mächtiger, als man glaubt! Willst Du nach Paris kommen?«

»Ach!« seufzte Louise.

»Willst Du nach Paris kommen?«

Louise gab einen zweiten Seufzer von sich.

»Du antwortest nicht.«

»Was soll ich antworten?«

»Ja oder nein; das ist nicht schwierig, wie mir scheint.«

»Oh! Du bist sehr glücklich, Montalais!«

»Ah! das will besagen, Du möchtest gern an meinem Platz sein.«

Louise schwieg.

»Kleine Halsstarrige!« sagte Montalais; »hat man je Geheimnisse für eine Freundin gesehen . . . Aber gestehe doch, daß Du gern nach Paris kommen möchtest, gestehe, daß Du vor Verlangen, Raoul zu sehen, stirbst.«

»Ich kann das nicht gestehen.«

»Und Du hast Unrecht . . . «

»Warum?«

»Weil . . . siehst Du dieses Patent?«

»Allerdings sehe ich es.«

»Ich hätte Dir ein ähnliches verschafft.«

»Durch wen?«

»Durch Malicorne.«

»Aure, sprichst Du die Wahrheit, wäre das möglich?«

»Bei Gott! Malicorne ist da, und was er für mich gethan hat, wird er auch für Dich thun müssen.«

Malicorne hatte zweimal seinen Namen aussprechen hören; er war entzückt, eine Gelegenheit zu haben, mit Frau von Saint-Remy zu endigen, und wandte sich um:

»Was gibt es, mein Fräulein?«

»Kommt, Malicorne,« sprach Montalais mit einer gebieterischen Geberde.

Malicorne gehorchte.

»Ein ähnliches Patent,« sagte Montalais.

»Wie so?«

»Ein Patent diesem ähnlich, das ist klar.«

»Aber . . . «

»Ich muß es haben.«

»Oho! Ihr müßt es haben!«

»Ja.«

»Es ist unmöglich, nicht wahr, Herr Malicorne?« fragte Louise mit ihrer sanften Stimme.

»Bei Gott! wenn es für Euch ist, mein Fräulein . . . «

»Für mich, ja, Herr Malicorne, es wäre für mich.«

»Und wenn Fräulein von Montalais zugleich mit Euch darum bittet . . . «

»Fräulein von Montalais bittet nicht darum, sie fordert es.«

»Nun, man wird Euch zu gehorchen suchen, mein Fräulein.«

»Und Ihr laßt sie ernennen?«

»Man wird bemüht sein.«

»Keine ausweichende Antwort. Louise de la Vallière wird Ehrenfräulein von Madame Henriette, ehe acht Tage vergehen.«

»Wie rasch , wie rasch!«

»Ehe acht Tage vergehen, oder . . . «

»Oder?«

»Ihr nehmt Euer Patent zurück, Herr Malicorne, und ich verlasse meine Freundin nicht.«

»Liebe Montalais,« flüsterte Louise.

»Es ist gut, behaltet Euer Patent; Fräulein de la Vallière wird Ehrendame.«

»Ist das wahr?«

»Es ist wahr.«

»Ich darf also hoffen, nach Paris zu kommen?«

»Zählt darauf.«

»Oh! Herr Malicorne, welche Dankbarkeit!« rief Louise die Hände faltend und vor Freude springend.

»Kleine Heuchlerin!« sagte Montalais, »versuche es noch einmal, mich glauben zu machen, Du seist nicht in Raoul verliebt.«

Louise wurde roth wie eine Mairose; doch statt zu antworten, umarmte sie Frau von Saint-Remy.

»Mutter,« sagte sie zu ihr, »Ihr wißt, daß Herr Malicorne mich will zum Ehrenfräulein ernennen lassen.«

»Herr Malicorne ist ein verkleideter Prinz,« sprach die alte Dame, »es steht ihm jegliche Macht zu Gebot.« ,

»Wollt Ihr auch Ehrenfräulein werden?« fragte Malicorne Frau von Saint-Remy.

»Wenn ich einmal daran bin, ist es gleich, ob ich die ganze Welt dazu ernennen lasse.«

Und hiernach ging er weg und ließ die arme Dame ganz aus der Fassung gebracht zurück.

»Immer zu,« murmelte Malicorne, während er die Treppe hinabstieg, »das wird abermals ein Billet von tausend Livres kosten; doch man muß sich hierzu entschließen, mein Freund Manicamp thut nichts umsonst.

X.
Malicorne und Manicamp

Die Einführung dieser zwei neuen Personen in unsere Geschichte und die geheimnißvolle Verwandtschaft der Namen und der Gefühle verdienen einige Aufmerksamkeit von Seiten des Geschichtschreibers und des Lesers.

Wir werden daher in Einzelheiten über Herrn Malicorne und über Herrn von Manicamp eingehen.

Malicorne hatte, wie man weiß, die Reise nach Orleans gemacht, um das für Fräulein von Montalais bestimmte Patent zu holen, dessen Ankunft einen so lebhaften Eindruck im Schlosse Blois hervorbrachte.

In Orleans befand sich für den Augenblick Herr von Manicamp. Es war eine höchst seltsame Person, dieser Herr von Manicamp; ein Bursche von viel Geist, stets auf dem Trockenen, stets bedürftig, obgleich er nach Belieben aus der Börse des Herrn Grafen von Guiche, einer der bestgespickten Börsen jener Zeit, schöpfte.

Der Herr Graf von Guiche hatte nämlich zum Jugendgespielen Manicamp, einen armen Landjunker, von den Grammont abstammend, gehabt.

Herr von Manicamp aber hatte sich mit seinem Geist eine Rente in der reichen Familie des Marschalls geschaffen.

Von seiner Kindheit an lieh er nämlich mit einer Berechnung, welche weit über seinem Alter stand, seinen Namen und seine Gefälligkeit dem Grafen von Guiche für seine tollen Streiche. Hatte sein edler Gefährte eine für die Frau Marschallin bestimmte Frucht gestohlen, einen Spiegel zerbrochen, einem Hund ein Aug ausgeschlagen, so erklärte sich Manicamp als des begangenen Verbrechens schuldig und empfing die Strafe, welche, weil sie auf den Unschuldigen fiel, darum nicht milder war.

Doch dieses Verleugnungssystem wurde ihm bezahlt. Statt mittelmäßige Kleider zu tragen, wie es ihm das väterliche Vermögen zum Gesetz machte, konnte er glänzend, herrlich erscheinen, wie ein junger adeliger Herr mit einer Rente von fünfzigtausend Livres.

Nicht als wäre er niedrig von Charakter und gering von Geist gewesen; nein, er war Philosoph, oder er hatte vielmehr die Gleichgültigkeit, die Apathie und die Träumerei, welche beim Menschen jedes Gefühl der hierarchischen Welt entfernen. Sein einziges Dichten und Trachten war, Geld auszugeben.

In dieser Hinsicht aber war der gute Herr von Manicamp ein Abgrund.

Drei bis viermal erschöpfte er regelmäßig im Jahr den Grafen von Guiche, und wenn der Graf völlig erschöpft war, wenn er seine Taschen und seine Börse vor ihm umgekehrt und erklärt hatte, die väterliche Freigebigkeit brauche wenigstens vierzehn Tage, um Börse und Taschen wieder zu füllen, so verlor Manicamp seine ganze Thatkraft; er legte sich nieder, blieb im Bett, aß nicht, und verkaufte seine schönen Kleider unter dem Vorwand, wenn er liegen bleibe, brauche er sie nicht mehr.

Während dieser Daniederlage der Kraft und des Geistes füllte sich die Börse des Grafen von Guiche wieder, und war sie einmal voll, so überströmte sie in die von Manicamp, der sich neue Anzüge kaufte, sich wieder kleidete und dasselbe Leben führte, wie zuvor.

Diese Manie, seine Kleider um den vierten Theil dessen, was sie werth waren, zu verkaufen, hatte unsern Helden in Orleans ziemlich berühmt gemacht? in dieser Stadt pflegte er nämlich seine Pönitenztage zuzubringen, wir wären jedoch sehr verlegen, wenn wir sagen müßten, warum er sie hier zubrachte.

Die Provinzschwelger, die Stutzer mit sechshundert Livres im Jahr theilten sich in die Brocken seines Reichthums.

Unter den Bewunderern dieser glänzenden Toiletten war unser Freund Malicorne, der Sohn eines Syndicus der Stadt, von dem der Herr Prinz von Condé, stets bedürftig wie ein Condé, häufig Geld zu hohen Interessen entlehnte.

Herr Malicorne Sohn führte die väterliche Kasse.

Damit sagen wir, daß er sich in jener Zeit leichter Moral, indem er das Beispiel seines Vaters nachahmte und kleine Summen auf kurze Zeit und gegen große Interessen auslieh, ein Einkommen von achtzehnhundert Livres machte, abgesehen von den weiteren sechshundert Livres, welche die Großmuth des Syndicus lieferte, so daß Malicorne der König von Orleans war, da er zweitausend vierhundert Livres für Thorheiten aller Art zu verzetteln, zu verthun, zu vergeuden hatte.

Aber ganz im Gegensatz zu Manicamp war Malicorne furchtbar ehrgeizig.

Er liebte aus Ehrgeiz, er verschwendete aus Ehrgeiz, er hätte sich aus Ehrgeiz zu Grunde gerichtet.

Malicorne war entschlossen, um welchen Preis es auch sein mochte, emporzukommen, und deshalb hatte er sich, um welchen Preis es auch geschah, einen Freund und eine Geliebte erworben.

Die Geliebte, Fräulein von Montalais, war grausam gegen ihn hinsichtlich der letzten Gunstbezeigungen der Liebe; aber sie war von Adel, und das genügte Malicorne.

Der Freund hatte keine Freundschaft, aber er war der Günstling des Grafen von Guiche, des Freundes von Monsieur, dem Bruder des Königs, und das genügte Malicorne.

Nur, was das Kapital der Auflagen betrifft, kostete Fräulein von Montalais jährlich:

Für Bänder, Handschuhe und Zuckerwerk tausend Livres.

Manicamp kostete an dargeliehenem und nie zurückbezahltem Geld zwölf bis fünfzehnhundert Livres jährlich.

Es blieb Malicorne folglich nichts übrig. Ah! doch, wir irren uns, es blieb ihm die väterliche Kasse.

Er wandte hierbei ein Verfahren an, über das er das tiefste Stillschweigen beobachtete, und das darin bestand, daß er sich selbst aus der Kasse des Syndicus ein halbes Dutzend Jahre vorschoß, wobei er, wohlverstanden, sich selbst schwur, das Deficit zu ersetzen, sobald sich die Gelegenheit bieten würde.

Die Gelegenheit sollte die Uebertragung eines schönen Amtes in dem Hause von Monsieur sein, wenn Monsieur sein Haus bei Veranlassung seiner Heirath einrichten würde.

Diese Zeit war gekommen, und man sollte das Haus endlich einrichten. Eine gute Stelle bei einem Prinzen von Geblüt, wenn sie durch das Ansehen und auf die Empfehlung eines Freundes, wie der Graf von Guiche, verliehen wird, trägt wenigstens zwölftausend Livres jährlich ein, und durch die Gewohnheit, welche Malicorne angenommen, seine Einkünfte Früchte bringen zu lassen, erhöhten sich zwölftausend Livres auf zwanzigtausend.

Im Besitze dieses Amtes, würde Malicorne sodann Fräulein von Montalais heirathen; von einer Familie, wo der Adel der Frau auf den Mann überging, würde Fräulein von Montalais nicht nur ausgestattet werden, sondern auch Malicorne adeln.

Damit aber Fräulein von Montalais, welche kein großes ererbtes Vermögen besaß, anständig ausgestattet würde, müßte sie irgend einer hohen Prinzessin angehören, welche ebenso verschwenderisch wäre, als die verwitwete Madame geizig war.

Und damit die Frau nicht auf einer Seite wäre, indeß der Mann auf der andern, eine Stellung, welche bedeutende Unannehmlichkeiten bietet, besonders bei Charakteren, wie sie die zukünftigen Ehegatten hatten, machte Malicorne den Plan, den Mittelpunkt der Vereinigung im Hause von Monsieur dem Bruder des Königs festzustellen.

Fräulein von Montalais wäre Ehrenfräulein von Madame, Herr Malicorne Hausbeamter von Monsieur.

Man sieht, daß der Plan aus einem guten Kopf kam, man sieht auch, daß er muthig ausgeführt wurde.

 

Malicorne bat Manicamp, den Grafen von Guiche um das Patent eines Ehrenfräuleins zu bitten.

Und der Graf, bat um dieses Patent Monsieur, welcher ohne zu zögern unterzeichnete.

Der moralische Plan von Malicorne, denn man kann sich wohl denken, daß die Kombinationen eines so thätigen Geistes, wie der seinige, sich nicht auf die Gegenwart beschränken, sondern sich auf die Zukunft erstreckten, der moralische Plan von Malicorne war folgender:

Zu Madame Henriette eine ihm ergebene, geistreiche, hübsche, junge und intrigante Frau bringen; durch sie alle weiblichen Geheimnisse der jungen Ehe erfahren, während er, Malicorne, und sein Freund Manicamp alle männlichen Geheimnisse der jungen Gemeinschaft durch sich erfahren würden.

Durch diese Mittel würde man ein rasches und zugleich glänzendes Glück erreichen.

Malicorne war ein garstiger Name, derjenige, welcher ihn führte, hatte zu viel Geist, um sich diese Wahrheit zu verbergen; doch man kaufte ein Gut, und Malicorne von So und So und sogar Malicorne kurzweg klang dann ganz adelig im Ohr.

Es war nicht unwahrscheinlich, daß sich für den Namen Malicorne ein äußerst aristokratischer Ursprung finden ließ.

Konnte er nicht von einem Gute herkommen, wo ein Stier mit tödtlichen Hörnern ein großes Unglück verursacht und den Boden mit dem Blute, das er vergossen, getauft hätte?3

Dieser Plan bot allerdings eine Anzahl von Schwierigkeiten; die größte von allen war aber Fräulein von Montalais selbst.

Launenhaft, veränderlich, tückisch, unbesonnen, ausgelassen, spröde, eine mit Klauen bewaffnete Jungfrau, warf sie zuweilen mit einem Streich ihrer weißen Finger oder mit einem Hauch ihrer lachenden Lippen das Gebäude um, zu dessen Errichtung die Geduld von Malicorne einen Monat gebraucht hatte.

Abgesehen von der Liebe, war Malicorne glücklich; aber diese Liebe, die er zu fühlen sich nicht beeilen durste, hatte er sorgfältig zu verbergen die Stärke, überzeugt , daß beim geringsten Lockern dieser Bande, mit denen er seinen weiblichen Proteus geknebelt hatte, der Dämon ihn niederwerfen und verhöhnen würde.

Er demüthigte seine Geliebte durch Geringschätzung. Brennend vor Begierde, wenn sie ihm entgegenkam, um ihn zu versuchen, besaß er die Kunst, eiskalt zu scheinen, überzeugt, wenn er die Arme öffnete, würde sie seiner spottend entfliehen.

Montalais glaubte ihrerseits Malicorne nicht zu lieben, und sie liebte ihn gerade im Gegentheil. Malicorne wiederholte ihr so oft seine Gleichgültigkeitsbetheurungen, daß sie am Ende zuweilen daran glaubte, und dann glaubte sie auch Malicorne zu hassen. Wollte sie ihn durch die Coquetterie zurückbringen, so machte sich Malicorne noch mehr coquet, als sie.

Was aber dahin wirkte, daß Montalais an Malicorne auf eine unauflösliche Weise hielt, war der Umstand, daß Malicorne stets nach Blois eine Mode, ein Geheimniß, ein Parfum brachte; daß Malicorne nie ein Rendez-vous verlangte und sich im Gegentheil bitten ließ, um die Gunstbezeigungen anzunehmen, welche zu erlangen er vor Begierde brannte.

Montalais war ihrerseits nicht karg an Geschichten. Durch sie erfuhr Malicorne Alles, was bei der verwitweten Hoheit vorfiel; und er machte Manicamp Erzählungen, um sich darüber zu Tode zu lachen, die dieser, aus Trägheit ganz gemacht zu Herrn von Guiche brachte, der sie zu Monsieur trug.

So war mit zwei Worten das Gewebe von kleinen Interessen und kleinen Verschwörungen beschaffen, das Blois mit Orleans und Orleans mit Paris verband, und das nach letzterer Stadt, wo sie eine so große Revolution zu veranlassen bestimmt war, die arme kleine La Vallière bringen sollte, die, als sie sich ganz freudig in. Arm ihrer Mutter umwandte, entfernt nicht vermuthete, welche seltsame Zukunft ihr vorbehalten.

Was den guten Malicorne, wir meinen den Herrn Syndicus von Orleans, betrifft, so sah er nicht klarer in der Gegenwart, als die Anderen in der Zukunft, und er vermuthete nicht, wenn er jeden Tag von drei bis fünf Uhr, nach seinem Mittagessen, auf der Place Sainte-Catherine mit seinem unter Ludwig XIII. geschnittenen grauen Rock und seinen Tuchschuhen, worauf dicke Quasten, spazieren ging, daß er es sei, der all dieses Gelächter, der alle diese heimlichen Küsse, all dieses heimliche Geflüster, all diesen Bänderkram und alle die hochfahrenden Pläne bezahle, welche eine Kette von fünf und vierzig Meilen vom Schloß von Blois bis zum Palais-Royal bildeten.

.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  

Malicorne reiste also, wie gesagt, ab und suchte seinen Freund Manicamp auf, der sich für den Augenblick in die Stadt Orleans zurückgezogen hatte.

Es war dies gerade in der Zeit, wo dieser junge Herr sich damit beschäftigte, daß er das letzte einigermaßen anständige Kleid, das ihm blieb, verkaufte.

Er hatte vierzehn Tage vorher vom Grafen von Guiche hundert Pistolen erhalten, die einzigen, die ihn in den Stand setzen konnten, in’s Feld zu ziehen und der englischen Prinzessin, welche im Havre eintreffen sollte, entgegen zu reisen.

Er hatte drei Tage zuvor fünfzig Pistolen, den Preis für das für Montalais erlangte Patent, von Malicorne eingenommen. Und Alles war wieder vergeudet.

Da er also seine Mittel erschöpft sah, so erwartete er nichts mehr, und er beabsichtigte nur noch den Verkauf seines schönen, ganz gestickten und mit Posamenten besetzten Kleides von Sammet und Tuch, das bei Hof so große Bewunderung erregt hatte.

Doch um im Stand zu sein, dieses Kleid, das letzte, das ihm blieb, wie wir dem Leser zu gestehen veranlaßt waren, zu verkaufen, war Manicamp genöthigt, das Bett zu wählen.

Kein Feuer mehr, kein Taschengeld mehr, kein Geld mehr für die Promenade, nichts mehr, als den Schlaf, um die Mahle, die Gesellschaften, die Bälle zu ersetzen.

Man hat gesagt: Wer schläft, speist zu Mittag; aber man hat nicht gesagt: Wer schläft, spielt, oder: Wer schläft, tanzt.

In die äußerste Noth versetzt, wenigstens acht Tage lang nicht mehr zu spielen oder nicht mehr zu tanzen, war Manicamp also sehr traurig. Er wartete auf einen Wucherer und sah Malicorne eintreten.

Ein Schrei der Herzensangst entschlüpfte Ihm, als er sagte mit einem Ton, den nichts wiederzugeben vermöchte:

»Wie! Ihr seid es abermals!«

»Gut! Ihr seid sehr artig!« versetzte Malicorne.

»Ah! seht Ihr, ich erwartete Geld, und statt des Geldes kommt Ihr.«

»Und wenn ich Euch Geld brächte?«

»Oh1 dann ist es etwas Anderes. Seid willkommen, lieber Freund.«

Und er reichte die Hand, nicht der Hand von Malicorne, sondern seiner Börse.

Malicorne gab sich den Anschein, als täuschte er sich hierin, und drückte ihm die Hand.

»Und das Geld?« fragte Manicamp.

»Mein theurer Freund, wenn Ihr es haben wollt, verdient es.«

»Was muß ich zu diesem Ende thun?«

»Es verdienen, bei Gott!«

»Und auf welche Art?«

»Ah! das ist mühsam, ich sage es Euch zum Voraus.«

»Teufel!«

»Ihr müßt das Bett verlassen und auf der Stelle den Herrn Grafen von Guiche aufsuchen.«

»Ich, aufstehen!« sagte Manicamp, während er sich wollüstig in seinem Bett streckte, »oh! nein.«

»Ihr habt also alle Eure Kleider verkauft?«

»Nein, es bleibt mir noch eines, das schönste sogar, doch es wartet auf einen Käufer.«

»Und Hosen?«

»Mir scheint. Ihr seht sie auf diesem Stuhl.

»Nun, da Euch Hosen und ein Wamms bleiben, zieht das Eine und das Andere an, laßt ein Pferd satteln und begebt Euch auf den Weg.«

»Ganz und gar nicht.«

»Warum nicht?«

»Alle Teufel! Ihr wißt also nicht, daß Herr von Guiche in Etampes ist?«

»Nein, ich glaubte, er wäre in Paris: Ihr habt somit nur fünfzehn Meilen zu machen, statt dreißig.«

»Ihr seid zum Entzücken! Wenn ich fünfzehn Meilen mit meinem Kleide mache, ist es nicht mehr benutzbar, und statt es um dreißig Pistolen zu verkaufen, werde ich genöthigt sein, es um fünfzehn zu geben.«

»Gebt es, für was Ihr wollt, aber ich brauche ein neues Patent für ein Ehrenfräulein.«

»Gut! für wen? Ist denn die Montalais doppelt?«

»Abscheulicher Mensch! Ihr seid es! Ihr verschlingt zwei Vermögen: das meinige und das vom Grafen von Guiche.«

»Ihr könntet wohl sagen, das des Herrn Grafen von Guiche und das Eurige.

»Ganz richtig, Ehre dem Ehre gebührt; doch ich komme auf mein Patent zurück.«

»Und Ihr habt Unrecht.«

»Beweist mir das.«

»Mein Freund, es wird nur zwölf Ehrenfräulein für Madame geben; ich habe schon für Euch erlangt, was sich zwölfhundert Frauen streitig machen, und ich mußte hierzu große Diplomatie entwickeln.«

»Ja, ich weiß, daß Ihr heldenmüthig gewesen seid, theurer Freund.«

»Man ist bewandert in den Angelegenheiten.«

»Wem sagt Ihr das! Wenn ich König sein werde, verspreche ich Euch auch Eines.«

»Was? Euch Malicorne I. zu nennen.

3Malicorne: Unglückshorn.