Tasuta

Der Graf von Bragelonne

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Nein, aber Euch zum Oberintendanten meiner Finanzen zu machen; doch hierum handelt es sich nicht.«

»Leider.«

»Es handelt sich darum, mir eine zweite Anstellung eines Ehrenfräuleins zu verschaffen.«

»Mein Freund, und wenn Ihr mir den Himmel versprächet, würde ich mich in diesem Augenblick nicht in Bewegung setzen.«

Malicorne ließ die Tasche klingen und erwiederte:

»Es sind hier zwanzig Pistolen.«

»Mein Gott! was wollt Ihr mit zwanzig Pistolen machen?«

»Ei!« sagte Malicorne ein wenig ärgerlich, »und würde ich sie nur den fünfhundert beifügen, die Ihr mir schon schuldig seid.«

»Ihr habt Recht,« sprach Manicamp, abermals die Hand ausstreckend, »unter diesem Gesichtspunkt kann ich sie annehmen. Gebt.«

»Einen Augenblick Geduld . . . was Teufels! damit ist nicht Alles abgemacht, daß man die Hand ausstreckt; bekomme ich mein Patent, wenn ich Euch die zwanzig Pistolen gebe?«

»Allerdings.«

»Bald?«

»Heute.«

»Oh! nehmt Euch in Acht, Herr von Manicamp, Ihr seid zu rasch mit Euren Versprechungen, und ich verlange nicht so viel von Euch. Dreißig Meilen an einem Tag, das ist zu viel, und Ihr würdet Euch dadurch den Tod zuziehen.«

»Um einem Freund gefällig zu sein, finde ich nichts unmöglich.«

»Ihr seid heldenmüthig.«

»Wo sind die zwanzig Pistolen?«

»Hier sind sie,« erwiederte Malicorne, indem er sie zeigte.

»Gut.«

»Aber, mein lieber Manicamp, Ihr werdet sie nur in Postpferden aufzehren.«

»Nein, seid unbesorgt.«

»Verzeiht! Fünfzehn Meilen von hier nach Etampes.«

»Vierzehn.«

»Es mag sein; vierzehn Mellen machen sieben Posten; zu zwanzig Sous die Post sieben Livres; sieben Courier-Livres, vierzehn; eben so viel für die Rückkehr, acht und zwanzig; Abendbrod und Nachtlager eben so viel; das macht ungefähr sechzig Livres, die Euch diese Gefälligkeit kosten wird.«

Manicamp streckte sich wie eine Schlange in seinem Bett aus, heftete seine großen Augen auf Malicorne und sagte:

»Ihr habt Recht, ich werde vor morgen nicht zurückkommen können.«

Und er nahm die zwanzig Pistolen.

»Sprecht also.«

»Da ich erst morgen zurückkommen kann, so haben wir Zeit.«

»Zeit, was zu thun?«

»Zeit, zu spielen.«

»Um was wollt Ihr spielen?«

»Um Eure zwanzig Pistolen, bei Gott!«

»Nein, Ihr gewinnt immer,«

»So wette ich mit Euch darum.«

»Gegen was?«

»Gegen zwanzig andere.«

»Und was wird der Gegenstand der Wette sein?«

»Hört. Wir sagten vierzehn Meilen nach Etampes?«

»Ja.«

»Vierzehn zurück?«

»Ja.«

»Folglich acht und zwanzig Meilen.«

»Allerdings.«

»Für diese acht und zwanzig Meilen bewilligt Ihr mir wohl vierzehn Stunden?«

»Ich bewillige sie Euch.«

»Eine Stunde, um den Grafen von Guiche aufzusuchen.«

»Gut.«

»Und eine, um ihn den Brief von Monsieur schreiben zu lassen?«

»Vortrefflich.«

»Sechzehn im Ganzen.«

»Ihr rechnet wie Colbert.«

»Es ist Mittag.«

»Halb ein Uhr.«

»Ah! Ihr habt eine schöne Uhr.«

»Ihr sagtet,« sprach Malicorne, und steckte seine Uhr wieder in die Hosentasche.

»Ah! es ist wahr; ich bot Euch an, zwanzig Pistolen gegen die zu wetten, welche Ihr mir geliehen habt, daß Ihr den Brief vom Grafen von Guiche bekommen werdet . . . binnen . . . «

»Binnen?«

»Binnen acht Stunden.«

»Habt Ihr ein geflügeltes Pferd?«

»Das ist meine Sache. Wettet Ihr immer noch?«

»Ich soll den Brief des Grafen in acht Stunden bekommen?«

»Ja.«

»Unterzeichnet.«

»Ja.«

»In die Hand?«

»Wohl! es sei; ich wette,« sagte Malicorne, neugierig, zu erfahren, wie sein Kleiderverkäufer sich herausziehen würde.

»Ist das abgemacht?«

»Abgemacht.«

»So gebt mir Feder, Tinte und Papier.«

»Hier.«

»Ah!«

Manicamp erhob sich mit einem Seufzer, stützte sich auf seinen linken Ellenbogen und schrieb mit seiner schönsten Handschrift folgende Zeilen:

»»Gut für ein« Stelle als Ehrenfräulein von Madame, welche der Herr Graf von Guiche nach Sicht zu erlangen übernehmen wird.

»»Von Manicamp.««

Nachdem diese mühsame Arbeit vollbracht war, streckte sich Manicamp seiner ganzen Länge nach wieder aus.

»Nun!« fragte Malicorne, »was soll das bedeuten?«

»Das soll bedeuten, daß, wenn Ihr Eile habt, den Brief des Grafen von Guiche für Monsieur zu erhalten, meine Wette für mich gewonnen ist.«

»Wie so?«

»Das ist ganz klar, wie mir scheint, Ihr nehmt dieses Papier.«

»Ja.«

»Ihr reist an meiner Stelle ab.«

»Ah!«

»Ihr laßt Eure Pferde gehörig lausen.«

»Gut.«

»In sechs Stunden seid Ihr in Etampes, in sieben Stunden habt Ihr den Brief des Grafen, und ich habe meine Wette gewonnen, ohne daß ich mich aus meinem Bette rühre, was mich und wohl auch Euch zufrieden stellt.«

»Manicamp, Ihr seid entschieden ein großer Mann.«

»Ich weiß es wohl.«

»Ich reise nach Etampes ab.«

»Ihr reist.«

»Ich suche den Grafen von Guiche mit dieser Anweisung auf.«

»Er gibt Euch eine ähnliche für Monsieur.«

»Ich begebe mich nach Paris.«

»Ihr sucht Monsieur mit der Anweisung des Grafen von Guiche auf.«

»Monsieur willigt ein.«

»Auf der Stelle.«

»Ich erhalte mein Patent.«

»Ihr erhaltet es.«

»Ah!«

»Ich hoffe, ich bin artig.«

»Anbetungswürdig.«

»Ich danke.«

»Ihr macht also mit dem Grafen von Guiche, was Ihr wollt, mein lieber Manicamp!«

»Alles, das Geld ausgenommen.«

»Teufel! die Ausnahme ist ärgerlich! Verlangtet Ihr aber, statt Geld von ihm zu verlangen . . . «

»Was?«

»Etwas Wichtiges!«

»Was nennt Ihr wichtig?«

»Wenn Euch zum Beispiel einer von Euren Freunden um einen Dienst bäte?«

»So würde ich ihm denselben nicht leisten.«

»Selbstsüchtiger!«

»Oder ich würde ihn wenigstens fragen, welchen Dienst er mir dagegen leisten werde.«

»Ah! das lasse ich mir gefallen. Nun! dieser Freund spricht mit Euch.«

»Ihr, Malicorne?«

»Ich.«

»Ah! Ihr seid also sehr reich?«

»Ich habe noch fünfzig Pistolen.«

»Gerade die Summe, die ich brauche. Wo sind die fünfzig Pistolen?«

»Hier,« erwiederte Malicorne, an seine Tasche klopfend.

»So sprecht, mein Lieber; was wollt Ihr haben?« Malicorne nahm wieder die Tinte, die Feder und das Papier und reichte Alles Manicamp.

»Schreibt,« sagte er.

»Dictirt.«

»»Gut für eine Stelle im Hause von Monsieur.«

»Hoho!« machte Manicamp, indem er die Feder in die Höhe hob, »eine Stelle im Hause von Monsieur für fünfzig Pistolen!«

»Ihr habt schlecht gehört, mein Lieber.«

»Wie habt Ihr denn gesagt?«

»Fünfhundert.«

»Und die fünfhundert?«

Malicorne zog aus seiner Tasche eine Rolle Gold, stieß sie an einem Ende ab und erwiederte:

»Hier sind sie.«

Manicamp verschlang die Rolle mit den Augen, diesmal aber hielt sie Malicorne in der Entfernung.

»Ah! was sagt Ihr dazu? Fünfhundert Pistolen?«

»Ich sage, daß Ihr meinen Credit abnutzen werdet,« erwiederte Manicamp, während er die Feder wieder nahm; »dictirt.«

Malicorne fuhr fort:

»Die mein Freund der Graf von Guiche von Monsieur für meinen Freund Malicorne erlangen wird.«

»Hier,« sagte Manicamp.

»Verzeiht, Ihr habt zu unterzeichnen vergessen.«

»Ah! es ist wahr. Die fünfhundert Pistolen?«

»Hier sind zweihundert und fünfzig.«

»Und die zweihundert und fünfzig weiteren?«

»Wenn ich meine Stelle habe.«

Manicamp machte eine Grimasse und erwiederte:

»Dann gebt mir die Empfehlung.«

»Wozu?«

»Um ein Wort beizufügen.«

»Ein Wort?«

»Ja, ein einziges.«

»Welches?«

Dringend.«

Malicorne gab die Empfehlung zurück; Manicamp fügte das Wort bei.

»Gut!« sagte Malicorne und nahm das Papier wieder.

Manicamp fing an die Pistolen zu zählen.

»Es fehlen zwanzig,« sagte er.

»Wie so?«

»Die zwanzig, die ich gewonnen habe.«

»Wo?«

»Indem ich mit Euch wettete, Ihr würdet den Brief des Grafen von Guiche in acht Stunden haben.«

»Ganz richtig,« sagte Malicorne.

Und er gab ihm die zwanzig Pistolen.

Manicamp nahm das Gold mit vollen Händen und ließ es in Cascaden auf sein Bett regnen.

»Nun,« murmelte Malicorne, während er sein Papier trocknen ließ, »das ist eine Stelle, die von Anfang mehr zu kosten scheint, als die erste, aber . . . «

Er hielt inne, nahm ebenfalls die Feder und schrieb an die Montalais:

»Mein Fräulein, verkündiget Eurer Freundin, ihr Anstellungspatent werde ihr ohne Verzug zukommen; ich reise ab, um es unterzeichnen zu lassen: ich werde sechs und achtzig Meilen aus Liebe für Euch gemacht haben.«

Dann mit einem teuflischen Lächeln in dem unterbrochenen Satz fortfahrend:

»Das ist eine Stelle, die mich von Anfang mehr zu kosten scheint, als die erste; aber . . . der Nutzen wird, wie ich hoffe, Im Verhältniß zur Ausgabe stehen . . . und Fräulein de la Vallière wird mir mehr eintragen, als Fräulein von Montalais, oder . . . oder ich will nicht mehr Malicorne heißen. Guten Tag, Manicamp.«

Und er entfernte sich.

XI.
Der Hof vom Hotel Grammont

Als Malicorne nach Orleans kam, erfuhr er, der Graf von Guiche sei nach Paris abgereist.

Malicorne ruhte zwei Stunden und setzte seine Reise fort.

Er kam in der Nacht in Paris an, stieg in einem kleinen Gasthause ab, in dem er gewöhnlich bei seinen Reisen nach der Hauptstadt sein Quartier nahm, und fand sich am andern Morgen um acht Uhr im Hotel Grammont ein.

 

Es war Zeit, daß Malicorne ankam.

Der Graf von Guiche schickte sich an, von Monsieur Abschied zu nehmen, ehe er nach dem Havre abging, wo die Elite des französischen Adels Madame bei ihrer Ankunft von England einholte.

Malicorne nannte den Namen Manicamp und wurde eingeführt.

Der Graf von Guiche war im Hof des Hotel Grammont und besichtigte seine Equipagen, welche Bereiter und Stallmeister an ihm vorüberführen ließen.

Der Graf lobte oder tadelte vor seinen Handwerksleuten und seinen Dienern die Kleider, die Pferde und die Geschirre, die man ihm gebracht hatte, als man ihm mitten in dieser wichtigen Beschäftigung den Namen Manicamp zuwarf.

»Manicamp!« rief er, »er trete ein, er trete ein!«

Und er machte vier Schritte gegen das Hofthor.

Malicorne schlüpfte durch das halb geöffnete Thor herein und sagte, indem er den Grafen anschaute, der sehr erstaunt war, als er ein unbekanntes Gesicht statt des erwarteten erblickte:

»Verzeiht, Herr Graf, ich glaube, man hat einen Irrthum begangen: man hat Euch Manicamp selbst gemeldet und es ist nur sein Abgesandter.«

»Ah! ah!« machte Guiche, ein wenig abgekühlt, »und Ihr bringt mir?«

»Einen Brief, Herr Graf,«

Malicorne überreichte die erste Empfehlung und beobachtete das Gesicht des Grafen.

Dieser las und lachte.

»Abermals,« sagte er, »abermals ein Ehrenfräulein! Ah! dieser drollige Manicamp begünstigt also alle Ehrenfräulein von Frankreich!«

Malicorne verbeugte sich.

»Und warum kommt er nicht selbst?« fragte der Graf.

»Er liegt im Bette.«

»Ah! Teufel! Er hat also kein Geld?«

Malicorne zuckte die Achseln.

»Aber was thut er denn mit seinem Geld?«

Malicorne machte eine Bewegung, welche besagen wollte, er wisse über diesen Artikel eben so wenig, als der Graf selbst.

»So benutze er seinen Credit,« fuhr Guiche fort.

»Ah! ich glaube Eines?«

»Was?«

»Manicamp hat nur bei Euch, Herr Graf, Credit.«

»Er wird sich also nicht im Havre einfinden?«

Wieder eine Bewegung von Malicorne.

»Das ist unmöglich. Jedermann wird dort sein.«

»Herr Graf, ich hoffe, er wird eine so schöne Gelegenheit nicht versäumen.«

»Er müßte schon in Paris sein.«

»Manicamp wird einen kürzeren Weg einschlagen, um die verlorene Zeit wieder einzuholen,«

»Und wo ist er?«

»In Orleans.«

»Mein Herr,« sagte Guiche sich verbeugend, »Ihr scheint mir ein Mann von gutem Geschmack zu sein.«

Malicorne trug das Kleid von Manicamp.

Er verbeugte sich ebenfalls und erwiederte:

»Ihr erweist mir große Ehre, Herr Graf.«

»Mit wem habe ich das Vergnügen zu sprechen?«

»Ich heiße Malicorne, Herr Graf.«

»Herr von Malicorne, wie findet Ihr die Holfter von diesen Pistolen?«

Malicorne war ein Mann von Geist; er begriff die Lage der Dinge. Ueberdies stellte ihn das vor seinen Namen gesetzte von auf die Höhe von demjenigen, welcher mit ihm sprach.

Er betrachtete die Holfter als Kenner und antwortete, ohne zu zögern:

»Ein wenig plump, Herr Graf,«

»Ihr seht!« sprach der Graf zu dem Sattler, »dieser Herr, der ein Mann von Geschmack ist, findet Eure Holfter plump. Was sagte ich Euch vorhin?«

Der Sattler entschuldigte sich.

»Und was haltet Ihr von diesem Pferd?« fragte Guiche; »das ist auch ein Ankauf, den ich gemacht habe.«

»Dem Aussehen nach scheint es mir vortrefflich, doch ich müßte es reiten, um Euch meine Ansicht zu sagen.«

»Nun, so reitet es, Herr von Malicorne, und laßt es einige Male die Schule durchmachen.«

Der Hof des Hotel war in der That so beschaffen, daß er zur Noth als Reitschule dienen konnte.

Ohne verlegen zu werden, nahm Malicorne Stange und Trense zusammen, faßte die Mähne mit der linken Hand, stellte seinen Fuß in den Steigbügel, schwang sich auf und setzte sich im Sattel fest.

Das erste Mal ließ er das Pferd die Runde im Hof im Schritt machen.

Das zweite Mal im Trab.

Und das dritte Mal im Galopp.

Dann hielt er vor dem Grafen an, stieg ab und warf die Zügel einem Reitknecht zu.

»Nun, was sagt Ihr dazu, Herr von Malicorne?« fragte der Graf.

»Herr Graf,« antwortete Malicorne, »dieses Pferd ist von mecklenburgischer Race. Als ich nachsah, ob das Gebiß gut auf den Stangen aufliege, bemerkte ich, daß es sieben Jahre alt ist. Das ist das geeignete Alter für ein Schlachtroß. Der Vordertheil ist leicht. Ein Pferd mit plattem Kopf, pflegt man zu sagen, ermüdet die Hand des Reiters nie. Der Widerrist ist ein wenig nieder. Das Hängen des Kreuzes könnte mich an der Reinheit der deutschen Race zweifeln lassen. Es muß englisches Blut haben. Das Thier ist gerade auf seinem Aplomb; über es muß im Trab mit den Hintereisen an die Vorderfüße streifen, und es ist Behutsamkeit beim Beschlag nothwendig. Es ist übrigens geschmeidig und leicht zu behandeln. Bei den Volten und Fußveränderungen habe ich die Hilfen sein gesunden.«

»Gut geurtheilt,« rief der Graf, »Ihr seid ein Kenner, Herr von Malicorne!«

Dann den Ankömmling näher beschauend, sagte Guiche zu Malicorne:

»Ihr habt da ein reizendes Kleid. Ich denke, es kommt nicht aus der Provinz; in Tours oder Orleans arbeitet man nicht in diesem Geschmack.«

»Nein, Herr Graf, dieses Kleid kommt in der That von Paris.«

»Ja, das sieht man . . . Doch kehren wir zu unserer Angelegenheit zurück . . . Manicamp will also ein zweites Ehrenfräulein machen?«

»Ihr seht, was er Euch schreibt, Herr Graf.«

»Wer war die Erste?«

Malicorne fühlte, wie ihm die Röthe zu Gesicht stieg und antwortete hastig:

»Eine reizende junge Dame, Fräulein von Montalais.«

»Ah! ah! Ihr kennt sie, mein Herr?«

»Ja, es ist gleichsam meine Braut.«

»Dann ist es etwas Anderes . . . Tausend Glückwünsche!« rief Guiche, auf dessen Lippen schon ein Höflingsscherz schwebte, den aber der Titel Braut, welchen Malicorne Fräulein von Montalais gab, an die den Frauen schuldige Achtung erinnerte.

»Und für wen ist das zweite Patent?« fragte Guiche, »Für die Braut von Manicamp? Dann beklage ich sie. Das arme Mädchen wird einen schlimmen Burschen zum Gatten haben.«

»Nein, Herr Graf. Das zweite Patent ist für Fräulein La Baume Le Blanc de la Vallière.«

»Unbekannt,« sagte Guiche.

»Unbekannt, ja, Herr Graf,« sprach Malicorne lächelnd.

»Gut! ich werde mit Monsieur sprechen. Doch sagt, ist sie von Adel?«

»Von sehr gutem Hause. Ehrenfräulein von Madame Witwe.«

»Wollt Ihr mich nun zu Monsieur begleiten?«

»Gern, wenn Ihr mir diese Ehre bewilligt.«

»Habt Ihr Euren Wagen?«

»Nein, ich bin zu Pferde gekommen.«

»In diesem Kleid?«

»Nein, Herr Graf, ich komme von Orleans mit der Post und habe mein Reisekleid mit diesem gewechselt, um bei Euch erscheinen zu können.«

»Ah! es ist wahr, Ihr sagtet mir, Ihr kämet von Orleans.«

Und er steckte den Brief, indem er ihn zerknitterte, in seine Tasche.

»Herr Graf,« sprach Malicorne schüchtern, »ich glaube, Ihr habt nicht Alles gelesen.«

»Wie, ich habe nicht Alles gelesen?«

»Nein, es waren zwei Billets in demselben Umschlag.«

»Ah! ab! seid Ihr dessen sicher?«

»Sehr sicher.«

Und der Graf öffnete den Umschlag noch einmal und sagte:

»Ah! es ist meiner Treue wahr.« Dann entfaltete er das Papier, das er nicht gelesen hatte, und sprach:

»Ich vermuthete es, eine andere Empfehlung für eine Stelle bei Monsieur: dieser Manicamp ist ein wahrer Abgrund! Ah! der Ruchlose, er treibt also Handel damit!«

»Nein, Herr Graf, er will ein Geschenk damit machen.«

»Wem?«

»Mir.«

»Warum sagtet Ihr mir das nicht sogleich, mein lieber Herr von Mauvaisecorne?«

»Malicorne.«

»Ah! verzeiht: das Lateinische verwirrt mich. Die verfluchte Gewohnheit der Etymologien! Warum des Teufels läßt man die jungen Leute von Familie Lateinisch lernen? Mala, mauvaise. Ihr begreift, das ist dasselbe. Nicht wahr, Ihr verzeiht mir, Herr von Malicorne?«

»Eure Güte rührt mich, Herr Graf, doch das ist ein Grund, daß ich Euch sogleich etwas bemerke.«

»Was, mein Herr?«

»Ich bin kein Edelmann: ich habe ein gutes Herz, habe ein wenig Verstand und heiße Malicorne schlechtweg.«

»Nun wohl!« sagte der Graf, indem er das boshafte Gesicht des Andern anschaute, »Ihr macht auf mich die Wirkung eines liebenswürdigen Mannes. Ich liebe Euer Gesicht, Herr Malicorne; Ihr müßt wüthend gute Eigenschaften besitzen, daß Ihr diesem selbstsüchtigen Manicamp gefallen habt. Sprecht offenherzig, Ihr seid ein Heiliger, der auf die Erde herabgestiegen.«

»Warum dies?«

»Alle Wetter! daß er Euch etwas schenkt. Habt Ihr nicht gesagt, er wolle Euch ein Geschenk mit einer Stelle bei Monsieur machen?«

»Verzeiht, Herr Graf, erhalte ich diese Stelle, so wird er sie mir nicht geschenkt haben, sondern Ihr!«

»Und dann hat er sie Euch vielleicht nicht ganz umsonst geschenkt?«

»Herr Graf!«

»Wartet doch, es gibt einen Malicorne in Orleans. Bei Gott! so ist es! er leiht dem Herrn Prinzen Geld!«

»Ich glaube, das ist mein Vater.«

»Ah! gut. Der Herr Prinz hat den Vater, und der abscheuliche Vergeuder Manicamp hat den Sohn. Nehmt Euch in Acht, mein Herr, ich kenne ihn; er wird Euch beim Teufel bis auf die Knochen abnagen.«

»Ich borge nur ohne Interesse, Herr Graf!« erwiederte Malicorne lächelnd.

»Ich sagte ja, Ihr seid ein Heiliger, oder etwas Sehnliches, Herr Malicorne; Ihr bekommt die Stelle, oder ich will meinen Namen verlieren.«

»Ah! Herr Graf, wie dankbar bin ich Euch!« rief Malicorne entzückt.

»Zum Prinzen also, mein lieber Herr Malicorne, gehen wir zum Prinzen.«

Hiernach ging Guiche auf die Thüre zu und bedeutete Malicorne durch ein Zeichen, er möge ihm folgen.

Doch in dem Augenblick, wo sie über die Schwelle schreiten wollten, erschien auf der andern Seite ein junger Mann.

Es war ein Cavalier von vier und zwanzig bis fünf und zwanzig Jahren, mit bleichem Gesicht, dünnen Lippen, glänzenden Augen und braunen Haaren und Augenbraunen.

»Ei! guten Morgen,« sagte er, während er Guiche rasch gleichsam in das Innere des Hofes zurückschob.

»Ah! Ihr seid es, Herr von Wardes, Ihr gestiefelt und gespornt und die Reitpeitsche in der Hand.«

»So geziemt es sich für einen Mann, der nach dem Havre abreist. Morgen wird Niemand mehr in Paris sein.«

Nach diesen Worten verbeugte sich der Eintretende ceremoniös vor Malicorne, dem sein schönes Kleid ein fürstliches Aussehen verlieh.

»Herr Malicorne,« sagte Guiche zu seinem Freunde.

Von Wardes verbeugte sich abermals.

»Sprecht, Wardes,« fuhr Guiche fort, »sagt uns, Ihr, der Ihr auf solche Dinge lauert, welche Stellen sind noch bei Hofe oder vielmehr im Hause von Monsieur zu vergeben?«

»Im Hause von Monsieur,« erwiederte Wardes, indem er, um zu suchen, die Augen zum Himmel aufschlug, »wartet doch, ich glaube die des Oberststallmeisters.«

»Oh!« rief Malicorne, »sprechen wir nicht von solchen Posten, mein Ehrgeiz geht nicht bis bis zum vierten Theil dieses Rangs.«

Wardes hatte einen mißtrauischeren Blick, als Guiche, er errieth Malicorne sogleich.

»Es ist wahr,« sagte er, Malicorne messend, »um diese Stelle einzunehmen, muß man Herzog oder Pair sein.«

»Ich verlange nur eine sehr bescheidene Stelle,« erwiederte Malicorne, »ich bin wenig und überschätze mich durchaus nicht.«

»Herr Malicorne, den Ihr hier seht,« sagte Guiche zu Wardes, »ist ein reizender junger Mann, der nur das Unglück hat, kein Edelmann zu sein. Doch, Ihr wißt, ich kümmere mich wenig darum, ob man Edelmann ist.«

»Einverstanden!« sprach Herr von Wardes, »aber ich muß Euch nur bemerken, mein lieber Graf, daß man ohne Rang vernünftiger Weise nicht auf eine Bedienstung bei Monsieur hoffen kann.«

»Es ist wahr,« erwiederte der Graf, »die Etiquette ist streng. Teufel! Teufel! daran dachten wir nicht.«

»Ah! das ist ein großes Unglück für mich,« rief Malicorne leicht erbleichend, »ein großes Unglück, Herr Graf!«

»Doch es gibt wohl ein Mittel dagegen, wie ich hoffe,« versetzte Guiche.

»Bei Gott!« rief Herr von Wardes, »das Mittel ist gefunden, man macht Euch zum Edelmann, mein lieber Herr. Seine Eminenz der Cardinal Mazarini that nichts Anderes von Morgen bis zum Abend.«

»Friede! Friede! Wardes,« sagte der Graf, »keinen schlechten Spaß; es geziemt sich nicht, daß wir unter uns so scherzen; allerdings läßt sich der Adel erkaufen, doch dieses Unglück ist groß genug, daß Edelleute nicht darüber lachen sollten.«

»Meiner Treue! Du bist sehr Puritaner, wie die Engländer sagen.«

 

»Der Herr Vicomte von Bragelonne,« meldete ein Bedienter in den Hof hinein, wie er es in einen Salon gethan hätte.

»Ah! lieber Raoul, komm, komm doch. Auch gestiefelt und gespornt! Du reisest also ebenfalls ab?«

Bragelonne näherte sich der Gruppe der jungen Männer und grüßte mit der ihm eigenthümlichen ernsten, sanften Miene. Sein Gruß war besonders an Herrn von Wardes gerichtet, den er nicht kannte, und dessen Züge, als er Raoul erscheinen sah, sich mit einer besonderen Kälte bewaffnet hatten.

»Mein Freund,« sagte er zu Guiche, »ich komme, um Dich um Deine Gesellschaft zu bitten. Ich denke, wir reisen nach dem Havre?«

»Ah! das ist herrlich, das ist köstlich! Wir werden eine vortreffliche Reise machen! Herr Malicorne, Herr von Bragelonne. Ah! ich stelle Dir Herrn von Wardes vor.«

Die zwei jungen Leute tauschten eine abgemessene Begrüßung aus. Diese beiden Naturen schienen von Anfang an geneigt, sich gegenseitig zu bekriegen. Von Wardes war geschmeidig, sein, gleißnerisch; Raoul ernst, erhaben, gewandt.

»Bringe Wardes und mich in Einklang, Raoul.«

»Worüber?«

»Ueber den Adel.«

»Wer soll sich darauf verstehen, wenn nicht ein Grammont?«

»Ich verlange von Dir keine Komplimente, sondern Deine Ansicht.«

»Dann muß ich wenigstens den Gegenstand des Streites kennen.«

»Wardes behauptet, man treibe Mißbrauch mit den Titeln; ich behaupte, der Titel sei für den Menschen unnöthig.«

»Und Du hast Recht,« sprach Bragelonne mit ruhigem Tone.

»Aber ich auch,« versetzte Herr von Wardes mit einer gewissen Hartnäckigkeit, »ich behaupte auch, daß ich Recht habe.«

»Was sagtet Ihr, mein Herr?«

»Ich sagte, man thue in Frankreich Alles, was nur immer möglich, um die Edelleute zu demüthigen.«

»Wer thut das?« fragte Raoul.

»Der König selbst; er umgibt sich mit Leuten, welche die Ahnenprobe zu machen nicht im Stande wären.«

»Geht doch,« rief Guiche, »ich weiß nicht, wo des Teufels Ihr das gesehen habt, Wardes.«

»Ein einziges Beispiel,« sagte Herr von Wardes. Und er bedeckte Bragelonne ganz mit seinem Blick.

»Sprich.«

»Weißt Du, wen man zum General Kapitän der Musketiere ernannt hat, eine Stelle, die so viel werth ist , als die Pairie, eine Stelle, die den Vortritt vor den Marschällen von Frankreich verleiht?«

Raoul fing an zu erröthen, denn er sah, worauf Herr von Wardes abzielte.

»Nein; wen hat man dazu ernannt? Es kann jeden Falls noch nicht lange geschehen sein, denn vor acht Tagen war die Stelle noch erledigt, so daß sie der König Monsieur, der sie für einen von seinen Günstlingen verlangte»verweigert hat.«

»Nun wohl! mein Lieber, der König hat sie dem Günstling von Monsieur verweigert, um sie dem Chevalier d’Artagnan, einem Junker aus der Gascogne, zu geben, der den Degen dreißig Jahre in den Vorzimmern geschleppt hat.«

»Verzeiht, mein Herr, daß ich Euch unterbreche,« sagte Raoul, indem er Herrn von Wardes einen Blick voll Strenge zuwarf, »mir scheint, Ihr kennt denjenigen nicht, von welchem Ihr sprecht.«

»Ich kenne Herrn d’Artagnan nicht! Ei! mein Gott, wer kennt ihn denn nicht?«

»Mein Herr,« entgegnete Raoul mit mehr Ruhe und Kälte, »diejenigen, welche ihn kennen, sind verpflichtet, zu sagen, daß er, wenn er auch kein so guter Edelmann ist, als der König, was nicht ihm zur Last fällt, doch allen Königen der Welt an Muth und Rechtschaffenheit gleichkommt. Das ist meine Meinung, mein Herr, und ich kenne, Gott sei Dank, Herrn d’Artagnan seit meiner Geburt.«