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Der Graf von Bragelonne

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Wardes wischte seine von Schweiß triefende Stirne ab, und Raoul sprach weiter:

»Pfui! Herr von Wardes, es ist unanständig, ein solcher Raufer zu sein, während wir Edicte gegen das Duell haben. Bedenkt wohl, der König würde wegen unseres Ungehorsams gegen uns aufgebracht werden, besonders in einem solchen Augenblick, und der König hätte Recht.«

»Entschuldigungen,« murmelte Wardes, »Vorwände.«

»Geht doch!« versetzte Raoul, »Ihr sprecht da ungewaschenes Zeug, mein lieber Herr von Wardes; Ihr wißt wohl, daß der Herr Herzog von Buckingham ein tapferer Mann ist, der das Schwert zehnmal gezogen hat und sich auch wohl elfmal schlagen wird. Was Teufels, er führt einen Namen, der verpflichtet! Was mich betrifft, so wißt Ihr wohl, nicht wahr? daß ich mich auch schlage. Ich habe mich bei Sens, bei Bleneau, auf den Dünen, vor den Kanonieren, hundert Schritte vor der Linie geschlagen, während Ihr, beiläufig gesagt, hundert Schritte dahinter waret. Allerdings fanden sich dort viel zu viele Menschen, als daß man Eure Tapferkeit hätte sehen können, und deshalb verbarget Ihr sie; hier aber wäre es ein Schauspiel, ein Scandal; Ihr wollt von Euch sprechen machen, gleichviel auf welche Art . . . Rechnet nicht auf mich, Herr von Wardes, daß ich Euch bei Eurem Plan unterstütze; ich werde Euch dieses Vergnügen nicht gewähren.«

»Das ist voll Vernunft,« sagte Buckingham, seinen Degen wieder einsteckend, »und ich bitte Euch um Verzeihung, Herr von Bragelonne, daß ich mich von einer ersten Bewegung habe hinreißen lassen.«

Doch im Gegentheil wüthend, machte Herr von Wardes einen Sprung vorwärts und bedrohte mit dem Degen ausfallend Raoul, der nur noch Zeit hatte, eine Quartparade zu erreichen.

»Ei! mein Herr,« sagte Bragelonne ruhig, »nehmt Euch doch in Acht, Ihr werdet mir ein Auge ausstoßen.«

»Ihr wollt Euch also nicht schlagen?« schrie Wardes.

»Für den Augenblick nicht; doch hört, was ich Euch verspreche, sobald wir in Paris angekommen sind: ich führe Euch zu Herrn d’Artagnan, dem Ihr erzählt, worüber Ihr Euch zu beschweren habt. Herr d’Artagnan wird den König um Erlaubniß bitten, Euch einen Degenstich beibringen zu dürfen. Der König wird es Euch gestatten, und wenn Ihr den Degenstich empfangen habt, nun mein lieber Herr von Wardes, so werdet Ihr mit ruhigerem Auge die Vorschriften des Evangeliums betrachten, die uns Beleidigungen vergessen heißen.«

»Ah!« rief Wardes wüthend über diese Kaltblütigkeit, »man sieht wohl, daß Ihr halb Bastard seid, Herr von Bragelonne.«

Raoul wurde bleich wie sein Hemdkragen; sein Auge schleuderte einen Blitz, der Wardes zurückweichen machte.

Buckingham selbst war davon geblendet und warf sich zwischen die zwei Gegner, die er auf einander losstürzen zu sehen erwartete.

Herr von Wardes hatte diese Beleidigung zur letzten aufbewahrt; er preßte krampfhaft seinen Degen in seiner Faust und erwartete den Anfall.

»Ihr habt Recht, mein Herr,« sagte Raoul, indem er sich gewaltig gegen sich selbst anstrengte, »ich kenne nur den Namen meines Vaters, doch ich weiß zu gut, wie sehr der Herr Graf de la Fère ein Mann von redlichem, ehrenhaftem Charakter ist, um einen Augenblick zu befürchten, wie Ihr zu sagen scheint, es hafte ein Flecken auf meiner Geburt. Daß ich den Namen meiner Mutter nicht kenne, ist also nur ein Unglück für mich und keine Schmach. Ihr aber ermangelt der Biederkeit, der Höflichkeit, daß Ihr mir ein Unglück zum Vorwurf macht. Gleichviel, die Beleidigung besteht, und diesmal halte ich mich für beleidigt. Es ist also abgemacht, sobald Ihr Euren Streit mit Herrn d’Artagnan ausgefochten, sollt Ihr mit mir zu thun haben, wenn es Euch gefällig ist.«

»Ho! ho!« erwiederte Wardes mit einem bittern Lächeln, »Ich bewundere Eure Klugheit, mein Herr, so eben versprachet Ihr mir einen Degenstich von Herrn d’Artagnan, und nach diesem schon von mir empfangenen Stich bietet Ihr mir den Eurigen an.«

»Seid unbesorgt,« entgegnete Raoul mit dumpfem Zorn, »Herr d’Artagnan ist ein, im Waffenhandwerk geschickter Mann, und ich werde ihn bitten, daß er für Euch thut, was er für Euern Herrn Vater gethan hat, nämlich daß er Euch nicht ganz tödtet, sondern mir das Vergnügen läßt, wenn Ihr geheilt seid, Euch im Ernste todt zu stechen, denn Ihr seid ein schlimmes Herz, Herr von Wardes, und man vermöchte in der That nicht vorsichtig genug gegen Euch zu sein.«


»Mein Herr, seid unbesorgt, ich werde gegen Euch selbst Vorsichtsmaßregeln nehmen,« rief Wardes.

»Mein Herr,« sprach Buckingham, »erlaubt mir, Eure Worte durch einen Rath zu übersetzen, den ich Herrn von Bragelonne geben werde: Herr von Bragelonne, tragt einen Panzer.«

Herr von Wardes ballte die Fäuste und rief:

»Ah! ich verstehe: diese Herren warten den Augenblick ab, wo sie ihre Vorsichtsmaßregeln getroffen haben werden, um sich mit mir zu messen.«

»Gut, mein Herr,« sprach Raoul, »da Ihr durchaus wollt, endigen wir.«

Er that einen Schritt gegen Wardes und streckte seinen Degen vor.

»Was macht Ihr?« fragte Buckingham.

»Seid ruhig, es wird nicht lange dauern,« antwortete Raoul.

Wardes nahm seine Stellung; , die Degen kreuzten sich.

Wardes stürzte mit einer solchen Hast auf Raoul los, daß es Buckingham beim ersten Zusammenstoßen der Degen klar war, Raoul schone seinen Gegner.

Buckingham wich einen Schritt zurück und schaute dem Kampfe zu,

Raoul war ruhig, als spielte er mit einem Rappier, statt mit einem Degen zu spielen; er löste seine bis an den Griff gebundene Klinge, zog sich einen Schritt zurück, parirte mit Gegenstößen, die drei bis vier Stöße, welche Wardes gegen ihn that, dann auf eine Drohung in Tiefquart, welche Wardes durch den Zirkel parirte, band er dessen Degen und schleuderte ihn zwanzig Schritte über die Schranke hinaus.

Hiernach, da Wardes entwaffnet und betäubt stehen blieb, steckte Raoul seinen Degen wieder in die Scheide, packte seinen Gegner am Kragen und am Gürtel und warf ihn ebenfalls bebend und brüllend über die Schranke.

»Auf Wiedersehen! auf Wiedersehen!« murmelte Herr von Wardes, während er aufstand und seinen Degen aufhob.

»Ei1 bei Gott! seit einer Stunde wiederhole ich Euch nichts Anderes,« sagte Raoul.

Nach diesen Worten wandte er sich gegen Buckingham um und sprach:

»Herzog, ich ersuche Euch, nicht ein Wort von Allem, was hier vorgefallen ist, zu verrathen! ich schäme mich, daß ich so weit gegangen bin, doch der Zorn hat mich fortgerissen . . . ich bitte Euch um Verzeihung; vergeßt.«

»Ah! lieber Vicomte,« erwiederte der Herzog, diese zugleich so derbe und so redliche Hand drückend, »Ihr werdet mir im Gegentheil erlauben, mich zu erinnern und Eures Heils zu gedenken; dieser Mensch ist gefährlich, er wird Euch tödten.«

»Mein Vater hat zwanzig Jahre unter der Drohung eines noch furchtbareren Feindes gelebt und ist nicht gestorben. Ich bin von einem Blut, das Gott beschützt, Herr Herzog.«

»Euer Vater hatte gute Freunde, Vicomte.«

»Ja,« seufzte Raoul, »Freunde, wie es keine mehr gibt.

»Oh! ich bitte Tuch, sagt das nicht in dem Augenblick, wo ich Euch meine Freundschaft anbiete.«

Und Buckingham öffnete seine Arme Bragelonne, der mit Freuden den ihm angebotenen Bund annahm.

»In meiner Familie stirbt man für diejenigen, welche man liebt, Ihr wißt das, Herr von Bragelonne,« fügte Buckingham bei.

»Ja, Herzog, ich weiß es,« antwortete Raoul.

XVIII.
Was der Chevalier von Lorraine von Madame dachte

Nichts störte mehr die Sicherheit der Reise.

Unter einem Vorwand, der kein großes Aufsehen machte, entschlüpfte Herr von Wardes, um voraus zu reisen.

Er nahm Manicamp mit, dessen gleichmäßiger, träumerischer Humor ihm als Balance diente.

Es ist zu bemerken, daß streitsüchtige, unruhige Geister stets eine Verbindung mit sanften und schüchternen Charakteren zu schließen finden, als ob die Einen in diesem Contrast eine Rast für ihren Humor, die Andern eine Wehr für ihre eigene Schwäche suchten.

Buckingham und Bragelonne, welche Herrn von Guiche in ihre Freundschaft einweihten, bildeten den ganzen Weg entlang ein Concert von Lobeserhebungen zu Ehren der Prinzessin.

Nun hatte es Bragelonne dahin gebracht, daß dieses Concert in Terzetten gegeben wurde, statt durch Solos, wie dies bei Guiche und seinem Nebenbuhler zur gefährlichen Gewohnheit geworden zu sein schien.

Diese Harmoniemethode gefiel Madame Henriette, der Königin Mutter, ungemein; sie entsprach vielleicht nicht eben so sehr dem Geschmack der Prinzessin, welche gefallsüchtig war wie ein Dämon und, ohne Furcht für ihre Tugend, die Gelegenheiten zur Gefahr sehr liebte. Sie hatte in der That eines von den muthigen, verwegenen Herzen, die sich in den Extremen des Zartgefühls gefallen und das Eisen mit einem gewissen Appetit nach der Wunde suchen.

Ihr Lächeln, ihre Blicke, ihre Toiletten, unerschöpfliche Wurfgeschosse, regneten auch auf die drei jungen Leute, durchlöcherten sie, und aus diesem bodenlosen Arsenal gingen noch Blicke, Kußhände und tausend andere Wonnen hervor, welche in der Ferne die Edelleute vom Gefolge, die Bürger, die Beamten der Städte, durch die man kam, die Pagen, das Volk, die Lackeien treffen sollten; es war eine allgemeine Verheerung, eine universelle Verwüstung.

Als Madame in Paris ankam, hatte sie unter Weges hunderttausend Verliebte gemacht, und sie brachte nach Paris ein halbes Dutzend Narren und zwei Verrückte.

Raoul allein, der alles Verführerische dieser Dame errieth und, weil er das Herz voll hatte, keinen leeren Raum bot, wo ein Pfeil eindringen konnte. Raoul kam kalt und mißtrauisch in die Hauptstadt des Reiches.

Auf dem Wege sprach er zuweilen mit der Königin von England von dem berauschenden Zauber, den Madame um sich her verbreitete, und die Mutter, welche durch so viele Mißgeschicke und Täuschungen erfahren geworden war, antwortete ihm:

 

»Henriette mußte eine Illustre sein, war sie nun auf dem Thron oder in der Dunkelheit geboren; denn sie ist eine Frau von Einbildungskraft, von Laune und Willen.«

Als Vortrab und Couriere hatten Herr von Wardes und Manicamp die Ankunft der Prinzessin verkündigt. Der Cortége sah in Wantes eine glänzende Escorte von Reitern und Wagen erscheinen.

Es war Monsieur, der, gefolgt vom Chevalier von Lorraine und seinen Günstlingen, welchen wiederum ein Theil der Haustruppen des Königs folgte, seine königliche Braut begrüßen wollte.

In Saint-Germain hatten die Prinzessin und ihre Mutter die etwas schwerfällige, von der Reise ein wenig angestrengte Kutsche gegen eine elegante und reiche, von sechs weißen, mit Gold geschirrten Pferden gezogene Carosse vertauscht.

In diesem Wagen erschien wie auf einem Throne unter dem seidenen, mit Fransen, von Federn geschmückten Sonnenschirme die junge und schöne Prinzessin, deren strahlendes Gesicht die rosigen, für ihre perlmutterartige Haut so zarten Reflexe empfing.

Als Monsieur zu der Carosse kam, war er von diesem Glanze so ergriffen, er bezeigte seine Bewunderung in so bestimmten Worten, daß der Chevalier von Lorraine in der Gruppe der Höflinge die Achseln zuckte und Guiche und Buckingham sich im Herzen getroffen fühlten.

Nachdem die Artigkeiten ausgetauscht und die Ceremonien erfüllt waren, schlug der ganze Cortége langsam den Weg nach Paris ein.

Die Vorstellungen hatten auf eine leichte Weise stattgefunden. Herr von Buckingham war Monsieur mit den anderen englischen Edelleuten bezeichnet worden.

Monsieur hatte Allen eine sehr oberflächliche Aufmerksamkeit geschenkt.

Unter Weges aber, als er den Herzog sich mit demselben Eifer wie gewöhnlich an die Schläge des Wagens drängen sah, fragte er den Chevalier von Lorraine, seinen Unzertrennlichen:

»Wer ist dieser Cavalier?«

»So eben hat man ihn Eurer Hoheit vorgestellt,« antwortete der Chevalier, »es ist der schöne Herzog von Buckingham.«

»Ah! es ist wahr.«

»Der Ritter von Madame,« fügte der Günstling mit einem Ton und mit einem Nachdruck bei, den nur die Neidischen allein den einfachsten Sätzen zu geben vermögen.

»Wie? was willst Du damit sagen?« fragte der Prinz, immer weiter reitend.

»Ich habe gesagt, der Ritter.«

»Madame hat also einen Ritter mit Titel?«

»Mir scheint, Ihr müßt das bemerken, wie ich; seht nur wie sie Beide mit einander lachen und tollen.«

»Alle Drei.«

»Wie, alle Drei?«

»Gewiß, Du siehst wohl, daß Guiche dabei ist.«

»Allerdings, ich sehe es, . . . Doch was beweist das? daß Madame statt eines Ritters zwei hat.«

»Du begiftest Alles, Schlange.«

»Ich begifte nichts . . . Ah! welch einen schlimmen Geist habt Ihr! Man macht Eurer Frau die Honneurs von Frankreich, und Ihr seid nicht damit zufrieden.«

Der Herzog von Orleans fürchtete das satyrische Uebersprudeln des Chevalier, wenn er es bis zu einer gewissen Stärke gesteigert hätte, und brach kurz ab.

»Die Prinzessin ist hübsch,« sagte er nachlässig, als ob es sich um eine Fremde handelte.

»Ja,« erwiederte der Chevalier in demselben Ton.

»Du sagst dieses Ja wie ein Nein. Sie hat sehr schöne schwarze Augen, wie mir scheint.«

»Kleine.«

»Es ist wahr, aber glänzend. Sie ist vortheilhaft gewachsen.«

»Der Wuchs ist ein wenig verdorben, Monseigneur,«

»Ich leugne es nicht. Die Miene ist edel.«

»Aber das Gesicht mager.«

»Die Zähne kommen mir bewunderungswürdig vor.«

»Man sieht sie. Der Mund ist, Gott sei Dank! ziemlich groß. Ich hatte entschieden Unrecht, Monseigneur, Ihr seid viel schöner als Eure Frau.«

»Sprich, findest Du auch, daß ich schöner bin, als Buckingham?«

»Oh ja! und er fühlt es wohl, denn seht, er verdoppelt seine Bestrebungen bei Madame, damit Ihr ihn nicht in den Schatten stellt.«

Monsieur machte eine Bewegung der Ungeduld, da er aber ein Lächeln des Triumphes über die Lippen des Chevalier hinschweben sah, so setzte er sein Pferd wieder in Schritt und sagte:

»Warum sollte ich mich im Ganzen länger um meine Base bekümmern? Kenne ich sie nicht? Bin ich nicht mit ihr erzogen worden? Habe ich sie nicht als Kind im Louvre gesehen?«

»Ah! verzeiht, mein Prinz, es ist eine Veränderung bei ihr vorgegangen,« erwiederte der Chevalier. »In der Periode, von der Ihr sprecht, war sie minder glänzend und hauptsächlich etwas minder stolz, – an jenem Abend besonders, erinnert Ihr Euch Monseigneur? wo der König nicht mit ihr tanzen wollte, weil er sie häßlich und schlecht gekleidet fand.«

Diese Worte ließen den Herzog von Orleans die Stirne falten. Es war in der That sehr wenig schmeichelhaft für ihn, eine Prinzessin zu heirathen, aus der sich der König in ihrer Jugend nicht viel gemacht hatte.

Er war vielleicht im Begriff, zu antworten, doch in diesem Augenblick verließ Guiche den Wagen, um sich dem Prinzen zu nähern.

Er hatte von ferne den Prinzen und den Chevalier gesehen, und er schien, mit besorgtem Ohr, die Worte errathen zu wollen, die zwischen Monsieur und seinem Günstling ausgetauscht worden waren.

War es Treulosigkeit, war es Unverschämtheit, der Letztere nahm sich nicht die Mühe, sich zu verstellen.

»Graf!« sagte er, »Ihr habt einen guten Geschmack.«

»Ich danke für das Kompliment,« erwiederte Guiche, »doch aus welcher Veranlassung sagt Ihr mir das?«

»Ah! ich berufe mich auf Seine Hoheit.«

»Allerdings,« sprach Monsieur, »Guiche weiß wohl, daß ich ihn für einen vollkommenen Cavalier halte.«

»Nachdem dies festgestellt ist, fahre ich fort, Graf: nicht wahr, Ihr seid seit acht Tagen bei Madame?«

»Ja,« antwortete Guiche, unwillkührlich erröthend.

»Nun, so sagt uns offenherzig, was Ihr von ihrer Person denkt.«

»Von ihrer Person?« versetzte Guiche erstaunt.

»Ja, von ihrer Person, von ihrem Geist, kurz von ihr . . . «

Verblüfft durch diese Frage, zögerte Guiche, zu antworten,

»Auf, Guiche,« rief der Chevalier lachend, »sage, was Du denkst, sei offenherzig, Monsieur befiehlt es.«

»Ja, ja, sei offenherzig,« sagte der Prinz.

Guiche stammelte ein paar unverständliche Worte.

»Ich weiß wohl, daß dies eine delicate Sache ist,« fuhr der Prinz fort, »doch mir kann man am Ende Alles sagen. Wie findest Du sie?«

Um zu verbergen, was in ihm vorging, nahm Guiche seine Zuflucht zu der einzigen Vertheidigung, die in der Macht eines überraschten Menschen liegt, er log und erwiederte:

»Ich finde Madame weder hübsch, noch häßlich, doch eher das Erstere.«

»Ah! lieber Graf,« rief der Chevalier, »Ihr, der Ihr bei dem Anblick des Portraits in eine so laute Extase gerathen seid!«

Guiche erröthete bis über die Ohren. Zum Glück half ihm sein etwas lebhaftes Pferd durch einen Seitensprung seine Rothe verbergen.

»Das Portrait,« murmelte er, während er sich wieder näherte, »welches Portrait?«

Der Chevalier hatte ihn nicht mit dem Blick verlassen.

»Ja, das Portrait. War denn die Miniatur nicht ähnlich?«

»Ich weiß es nicht. Ich habe das Portrait vergessen; es hat sich in meinem Geist verwischt.«

»Es machte aber doch einen so lebhaften Eindruck auf Euch,« sagte der Chevalier.

»Das ist möglich.«

»Hat sie wenigstens Geist?« fragte der Herzog.

»Ich glaube, Monseigneur.«

»Und Herr von Buckingham, hat er Geist?« fragte der Chevalier.

»Ich weiß es nicht.«

»Ich bin der Meinung, daß er hat,« sprach der Chevalier, »denn er macht Madame lachen, und sie scheint viel Vergnügen an seiner Gesellschaft zu finden, was einer Frau von Geist nie begegnet, wenn sie in Gesellschaft eines Dummkopfs ist.«

»Dann bat er Geist,« sagte nun der Graf von Guiche, dem plötzlich Raoul zu Hilfe kam, als er ihn dem gefährlichen Chevalier preisgegeben sah, dessen er sich so bemächtigte, daß Lorraine das Gespräch zu verändern genöthigt war.

Der Einzug war freudig und glänzend. Um seinen Bruder zu ehren, hatte der König Befehl gegeben, die Dinge prachtvoll zu behandeln.

Madame und ihre Mutter stiegen im Louvre ab, in dem Louvre, wo sie während der Zeit ihrer Verbannung auf eine so schmerzliche Weise die Abgeschiedenheit, die Armuth, die Entbehrungen ausgestanden hatten.

Dieser für die unglückliche Tochter von Heinrich IV. ungastfreundliche Palast, diese kahlen Wände, diese eingetretenen Böden, diese mit Spinnengeweben überzogenen Decken, diese weiten marmornen Kamine, woran die Ecken abgestoßen, diese kalten Herde, die vom Almosen des Parlaments kaum für sie erwärmt worden waren, Alles hatte ein anderes Gesicht bekommen.

Schimmernde Tapeten, dichte Teppiche, glänzende Platten, frische Malereien mit breiten goldenen Rahmen; überall Kandelaber, Spiegel, kostbare Meubles; überall Wachen mit stolzer Haltung und wogenden Federbüschen, ein Volk von Dienern und Höflingen in den Vorzimmern und auf den Treppen.

In diesen Höfen, wo kurz zuvor noch Gras wuchs, als hätte es der undankbare Mazarin für geeignet erachtet, den Parisern zu beweisen, die Verödung und die Unordnung müssen mit der Armuth und der Verzweiflung das Gefolge entkräfteter Monarchien sein; in diesen ungeheuren, stummen, trostlosen Höfen tummelten sich nun Cavaliere, deren Rosse aus dem glänzenden Pflaster Tausende von Funken schlugen.

Carossen waren mit schönen und jungen Frauen bevölkert, welche, um sie im Vorbeiziehen zu begrüßen, die Tochter jener Tochter von Frankreich erwarteten, die während ihres Witwenstandes und ihrer Verbannung zuweilen nicht ein Stückchen Holz für ihren Kamin, nicht ein Stückchen Brod für ihren Tisch gesunden hatte, und von den geringsten Dienstboten des Schlosses verachtet worden war.

Madame Henriette kehrte auch in den Louvre mit einem Herz zurück, das, mehr vom Schmerz und von bitteren Erinnerungen angeschwollen, als das ihrer Tochter, einer veränderlichen, vergeßlichen Natur, von Triumph und Freude erfüllt war.

Sie wußte wohl, daß der glänzende Empfang der glücklichen Mutter eines auf den zweiten Thron Europas wiedereingesetzten Königs zu Theil wurde, während der schlechte Empfang an sie, die Tochter von Heinrich IV., die man dafür, daß sie unglücklich, bestrafte, gerichtet gewesen war.«

Nachdem die Prinzessinnen von ihren Wohnungen Besitz ergriffen und ein wenig geruht hatten, nahmen die Männer, die sich auch von ihrer Anstrengung erholt, ihre Gewohnheiten und Arbeiten wieder auf.

Bragelonne fing damit an, daß er seinen Vater aufsuchte.

Athos war wieder nach Blois abgereist.

Er wollte Herrn d’Artagnan besuchen.

Doch mit der neuen Organisirung der Haustruppen des Königs beschäftigt, war d’Artagnan unfindbar geworden.

Bragelonne schlug nun den Weg zu Guiche ein.

Aber der Graf hatte mit seinen Schneidern und mit Manicamp Berathungen, welche den ganzen Tag in Anspruch nahmen.

Beim Herzog von Buckingham war es noch schlimmer.

Dieser kaufte Pferde auf Pferde, Diamanten auf Diamanten. Alles, was Paris an Stickerinnen, Edelsteinhändlern und Schneidern enthielt, nahm er in Beschlag. Es war zwischen Guiche und ihm ein mehr oder minder höflicher Wettstreit, für dessen günstigen Erfolg der Herzog eine Million ausgeben wollte, wahrend der Marschall von Grammont Guiche nur sechzigtausend Livres gegeben hatte,

Buckingham lachte und gab seine Million aus.

Guiche seufzte und hätte sich ohne die Rathschläge von Wardes die Haare ausgerauft.

»Eine Million!« wiederholte Guiche alle Tage, »ich werde unterliegen. Warum will mir der Herr Marschall nicht meinen Antheil an der Erbschaft herausgeben?«

»Weil Du ihn verzehren würdest,« sagte Raoul.

»Ei! was ist daran gelegen! Wenn ich sterben soll, werde ich sterben. Dann brauche ich nichts mehr!«

»Welche Notwendigkeit ist denn vorhanden, daß Du sterben sollst?«

»Ich will nicht in der Eleganz von einem Engländer beilegt sein.«

»Mein lieber Graf,« sprach nun Manicamp, »die Eleganz ist keine kostspielige, sondern eine schwierige Sache,«

»Ja, doch die schwierigen Sachen kosten sehr viel, und ich habe nur sechszigtausend Livres.«

»Bei Gott!« rief Wardes, »Du bist sehr in Verlegenheit; gib so viel aus als Buckingham, das ist nur ein Unterschied von neunmalhundert und vierzigtausend Livres.«

»Wo sie finden?«

»Mache Schulden.«

»Ich habe schon.«

»Ein Grund mehr.«

Diese Rathschläge stachelten Guiche am Ende so auf, daß er Thorheiten beging, während Buckingham seine Million ausgab.

Als sich das Gerücht von diesen Verschwendungen verbreitete, heiterten sich die Gesichter von allen Kaufleuten von Paris auf, und vom Hotel von Buckingham bis zum Hotel Grammont träumte man von Wundern.

 

Während dieser Zeit ruhte Madame aus und Bragelonne schrieb an Fräulein de la Vallière.

Schon vier Briefe waren aus seiner Feder hervorgegangen, und nicht eine Antwort kam an, als am Morgen der Hochzeitfeier, welche im Palais-Royal statthaben sollte, Raoul, der eben im Ankleiden begriffen war, einen Diener melden hörte:

»Herr von Malicorne.«

»Was will dieser Malicorne von mir?« dachte Raoul.

»Laßt ihn warten,« sagte er zu dem Lackei, »Es ist ein Herr von Blois,« erwiederte der Diener.

»Ah! laßt ihn eintreten!« rief Raoul lebhaft.

Malicorne trat ein, schön wie ein Gestirn und einen herrlichen Degen an der Seite.

Nachdem er sich sehr anmuthig verbeugt hatte, sprach er:

»Herr von Bragelonne, ich überbringe Euch tausend Artigkeiten von einer Dame.«

Raoul erröthete.

»Von einer Dame,« sagte er, »von einer Dame von Blois?«

»Ja, mein Herr, von Fräulein von Montalais.«

»Ah! ich danke; ich erkenne Euch nun wieder. Und was wünscht Fräulein von Montalais von mir?«

Malicorne zog aus seiner Tasche vier Briefe und reichte sie Raoul.

»Meine Briefe! ist es möglich!« sprach dieser erbleichend, »meine Briefe noch gesiegelt!«

»Diese Briefe, mein Herr, haben die Person, für welche Ihr sie bestimmtet, nicht mehr getroffen, und man schickt sie Euch zurück.«

Fräulein de la Vallière ist von Blois abgereist!« rief Raoul.

»Vor acht Tagen.«

»Und wohin hat sie sich begeben?«

»Sie muß in Paris sein.«

»Aber woher weiß man, daß diese Briefe von mir kamen?«

»Fräulein von Montalais hat Eure Handschrift und Euer Siegel erkannt,« antwortete Malicorne.

Raoul erröthete und lächelte.

»Das ist sehr liebenswürdig von Fräulein Aure,« sagte er; »sie ist immer gut und freundlich.«

»Immer.«

»Sie hätte mir sollen eine genaue Auskunft über Fräulein de la Vallière geben. Ich müßte nicht in dem ungeheuren Paris suchen.«

Malicorne zog ein anderes Papier aus seiner Tasche und erwiederte:

»Ihr werdet vielleicht in diesem Brief finden, was Ihr zu wissen wünscht.«

Raoul erbrach hastig das Siegel. Die Schrift war von Fräulein Aure und der Brief enthielt nur folgende Worte:

»Paris, Palais-Royal am Hochzeittag.«

»Was bedeutet das?« fragte Raoul Malicorne; »Ihr wißt es, mein Herr?«

»Ja, Herr Vicomte.«

»Ich bitte, sagt es mir.«

»Unmöglich, mein Herr.«

»Warum?«

»Weil Fräulein Aure mir verboten hat, es zu sagen.«

Raoul schaute diesen seltsamen Menschen an und blieb stumm.

»Erklärt mir wenigstens,« sprach er, dann, »ob es ein Glück oder ein Unglück für mich ist.«

»Ihr werdet sehen.«

»Ihr seid streng in Eurer Verschwiegenheit.«

»Herr Vicomte, ich bitte Euch um eine Gefälligkeit.«

»Im Austausch für die, welche Ihr mir nicht erzeigt?«

»Ganz richtig.«

»Sprecht.«

»Es ist mein lebhaftester Wunsch, die Ceremonie zu sehen, und ich habe keine Eintrittskarte, trotz aller Schritte, die ich gethan, um eine zu bekommen. Könnt Ihr mir Eintritt verschaffen?«

»Gewiß.«

»Thut das für mich, Herr Vicomte, ich flehe Euch an.«

»Ich werde es gern thun, mein Herr, begleitet mich.«

»Ich bin Euer unterthäniger Diener.«

»Ich glaubte, Ihr wäret, ein Freund von Herrn von Manicamp.«

»Ja, mein Herr, doch diesen Morgen, als ich ihm beim Ankleiden zuschaute, war ich Schuld, daß eine Flasche Firniß auf sein neues Gewand fiel; da ging er mit dem Degen auf mich los und ich mußte entfliehen. Deshalb habe ich ihn nicht um eine Karte gebeten. Er hätte mich umgebracht.«

»Das läßt sich begreifen,« sagte Raoul. »Ich kenne Manicamp und weiß, daß er im Stande ist, einen Menschen zu tödten, der unglücklicher Weise. das Verbrechen begeht, das Ihr Euch in seinen Augen vorzuwerfen habt; doch ich werde das Uebel Euch gegenüber wieder gut machen; ich häkele nur meinen Mantel ein und bin dann bereit, Euch als Führer zu dienen.«