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Der Graf von Bragelonne

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»Mir scheint,« erwiederte Wardes, »die Worte sind frei, wenn man sich anbietet, sie durch alle Mittel zu behaupten, die zur Verfügung eines wackern Mannes stehen.«

»Oh! mein Herr, sagt mir, welche Mittel sind es, mit deren Hilfe ein wackerer Mann ein boshaftes Wort zu behaupten vermag? Durch den Degen, nicht wahr? Ihr entbehrt nicht nur der Logik, wenn Ihr das sagt, sondern auch der Religion und der Ehre; Ihr gebt das Leben mehrerer Menschen preis, von dem Eurigen nicht zu reden, das mir sehr gefährdet zu sein scheint. Jede Mode geht aber vorüber, mein Herr, und die Mode der Duelle ist vorübergegangen, abgesehen von den Edicten Seiner Majestät, die den Zweikampf verbieten. Um also folgerecht bei Euren ritterlichen Ideen zu sein, werdet Ihr Euch bei Herrn Raoul von Bragelonne entschuldigen, Ihr werdet ihm sagen, Ihr bedauert, ein leichtsinniges Wort gesprochen zu haben; der Adel seines Geschlechts sei ihm nicht nur ins Herz, sondern auch in alle Handlungen seines Lebens geschrieben, Ihr werdet das thun, wie ich es so eben gethan habe, ich, ein alter Kapitän, vor Eurem Flaumbart.«

»Und wenn ich es nicht thue?« fragte Wardes.

»Nun, so wird geschehen . . . «

»Was Ihr zu verhindern glaubt,« sagte Wardes lachend, »es wird geschehen, daß Eure Versöhnungslogik auf eine Verletzung der Verbote des Königs ausläuft.«

»Wie, mein Herr,« entgegnete d’Artagnan ruhig, »Ihr seid in einem Irrthum begriffen.«

»Was wird denn geschehen?«

»Ich werde mich zum König begeben, mit dem ich sehr gut stehe, zum König, dem ich einige Dienste, die sich von einer Zeit datiren, wo Ihr noch nicht geboren waret, zu leisten das Glück hatte, zum König, der mir auf meine Bitte ein Blankett für Herrn Baisemeaux von Montlezun, den Gouverneur den Bastille, geschickt hat, und dem König werde ich sagen:

»»Sire, ein Mensch hat feiger Weise Herrn von Bragelonne in der Person seiner Mutter beleidigt. Ich habe den Namen dieses Menschen in den Geheimbrief geschrieben, den Ihr mir zu geben die Gnade hattet, so daß Herr von Wardes auf drei Jahre in der Bastille

Hierbei zog d’Artagnan aus seiner Tasche den vom König unterzeichneten Brief und reichte ihn Wardes.

Dann, als er sah, daß der junge Mann nicht überzeugt war und seine Rede für eine leere Drohung hielt, zuckte er die Achseln und wandte sich kalt nach dem Tisch, worauf ein Schreibzeug mit einer Feder, deren Länge den Topographen Porthos erschreckt hätte.

Da erkannte Wardes die Drohung als äußerst ernst. Die Bastille war zu jener Zeit etwas Furchtbares.

Er machte einen Schritt gegen Raoul und sagte mit beinahe unverständlicher Stimme:

»Mein Herr, ich drücke gegen Euch die Entschuldigung aus, die mir so eben Herr d’Artagnan dictirt hat, und die ich auszudrücken gezwungen bin.«

»Geduld, Geduld, mein Herr,« erwiederte der Musketier mit der größten Ruhe, »Ihr täuscht Euch in den Worten. Ich habe nicht gesagt: Und die ich auszudrücken gezwungen bin; ich habe gesagt: Und die mein Gewissen gegen Euch auszudrücken mich bewegt. Glaubt mir, dieses Wort ist viel mehr werth, als das andere; es wird um so mehr werth sein, als es der wahre Ausspruch Eurer Gefühle ist.«

»Ich unterzeichne also,« sagte Wardes. »Doch in der That, meine Herren, Ihr müßt gestehen, ein Degenstich durch den Leib, wie man sie sich früher gab, war besser als eine solche Tyrannei.«

»Nein, mein Herr,« erwiederte Buckingham, »denn der Degenstich, wenn Ihr ihn empfangt, bezeichnet nicht, ob Ihr Recht oder Unrecht habt; er bezeichnet nur, daß Ihr mehr oder minder ungeschickt seid.«

»Mein Herr!« rief Wardes,

»Oh! Ihr seid im Begriffe, etwas Böses zu sagen,« unterbrach ihn d’Artagnan, Wardes das Wort abschneidend, »und ich leiste Euch einen Dienst, wenn ich Euch nicht weiter reden lasse.«

»Ist das Alles?« fragte Wardes.

»Durchaus Alles,« antwortete d’Artagnan, »und diese Herren und ich sind mit Euch zufrieden.«

»Glaubt mir, mein Herr,« sagte Wardes, »Eure Versöhnungen sind nicht glücklich.«

»Und warum nicht?«

»Weil wir uns, Herr von Bragelonne und ich, darauf wollte ich wetten, feindseliger, als je, gegen einander gesinnt, trennen.«

»Ihr täuscht Euch, mein Herr, was mich betrifft,« erwiederte Raoul, »ich behalte nicht das kleinste Atom von Galle gegen Euch im Herzen.«

Dieser letzte Streich schlug Wardes nieder. Er schaute wie ein irrsinniger Mensch umher.

D’Artagnan grüßte anmuthig die Edelleute, die der Erklärung beigewohnt hatten, und Jeder entfernte sich, indem er ihm die Hand reichte.

Nicht eine Hand streckte sich gegen Wardes aus.

»Oh!« rief der junge Mann, der wieder in die Wuth verfiel, die sein Herz verzehrte, »oh! werde ich denn Niemand finden, an dem ich mich rächen kann!«

»Doch, mein Herr, denn ich bin da,« sagte ihm eine ganz mit Drohungen beladene Stimme ins Ohr.

Wardes wandte sich um und sah den Herzog von Buckingham, der ohne Zweifel in dieser Absicht geblieben war und sich ihm näherte.

»Ihr, mein Herr!« rief Wardes.

»Ja, ich, ich bin kein Unterthan des Königs von Frankreich, ich bleibe nicht auf diesem Gebiet, da ich nach England abreise; ich habe auch Verzweiflung und Wuth angehäuft, und es ist für mich, wie für Euch, ein Bedürfniß mich an Jemand zu rächen. Ich billige sehr die Grundsätze von Herrn d’Artagnan, aber ich fühle mich nicht veranlaßt, sie auf Euch anzuwenden. Ich bin Engländer und schlage Euch vor, was Ihr vergebens Andern vorgeschlagen habt.«

»Herr Herzog!«

»Auf, Herr von Wardes, da Ihr so gewaltig zornig seid, nehmt mich zur Zielscheibe. Ich werde in vier und dreißig Stunden in Calais sein. Kommt mit mir, der Weg wird uns mit einander weniger langweilig erscheinen, als wenn wir getrennt wären. Wir ziehen dort den Degen auf dem Sand, den die Fluth bedeckt, und der sechs Stunden das Gebiet Frankreich, in sechs anderen Stunden aber das Gebiet Gottes ist.«

»Gut,« erwiederte Wardes, »ich nehme es an.«

»Bei Gott! Herr von Wardes,« sprach der Herzog, «wenn Ihr mich tödtet, leistet Ihr mir einen ausgezeichneten Dienst.«

»Herzog, ich werde thun, was ich kann, um Euch angenehm zu sein.«

»Es ist also abgemacht, ich nehme Euch mit.«

»Ich werde zu Euren Befehlen sein; um mich zu besänftigen, bedurfte ich einer guten Gefahr, einer Todesgefahr.«

»Nun, so glaube ich, daß Ihr Eure Sache gesunden habt. Euer Diener, Herr von Wardes; morgen früh wird Tuch mein Kammerdiener genau die Stunde meines Aufbruchs sagen; wir reisen mit einander als zwei gute Freunde. Ich fahre gewöhnlich als ein Mensch, der Eile hat.«

»Gott befohlen.«

Buckingham grüßte Wardes und kehrte zum König zurück.

Wardes verließ das Palais. Royal ganz außer sich und schlug rasch den Weg nach dem Hause ein, das er bewohnte.

III.
Baisemeaux von Montlezun

Nach der etwas harten Section, die sie Herrn von Wardes gegeben, stiegen Athos und d’Artagnan mit einander die Treppe hinab, welche in den Hof des Palais-Royal führte.

»Seht Ihr,« sagte Athos zu d’Artagnan, »früher oder später kann Raoul dem Duell mit Wardes nicht entgehen. Wardes ist eben so muthig, als er boshaft ist.«

»Ich kenne diese Bursche,« erwiederte d’Artagnan; »ich habe es mit dem Vater zu thun gehabt. Ich erkläre Euch, und in jener Zeit hatte ich gute Muskeln und eine rohe Sicherheit, ich erkläre Euch, sage ich, daß der Vater schlimm mit mir verfahren ist. Man wußte indessen schon, wie ich vom Leder zog. Oh! mein Freund, heut zu Tage macht man keine solche Angriffe mehr; ich hatte eine Hand, die nicht einen Augenblick am Platz bleiben konnte, eine Hand von Quecksilber, Athos, Ihr wißt das, Ihr habt mich beim Werke gesehen. Es war nicht mehr ein einfaches Stück Stahl, es war eine Schlange, welche alle Formen und Längen annahm, damit es ihr gelänge, ihren Kopf, das heißt ihren Biß auf eine geeignete Weise anzubringen; ich gab mir sechs Fuß, dann drei, dann preßte ich meinen Gegner Leib an Leib, dann warf ich mich auf zehn Fuß hinaus. Keine menschliche Kraft war im Stande, diesem wilden Hinreißen zu widerstehen. Nun wohl!Wardes der Vater, mit seinem Racemuth, mit seinem beißigen Muth beschäftigte mich lange, und ich erinnere mich, daß meine Finger beim Ausgang des Kampfes ermüdet waren.«

»Ich sagte es Euch wohl,« versetzte Athos, »der Sohn wird Raoul fortwährend aufsuchen und ihn am Ende treffen, denn man findet Raoul leicht, wenn man ihn sucht.«

»Einverstanden, mein Freund, doch Raoul rechnet gut; er grollt Wardes nicht, wie er gesagt hat: er wird warten, bis er herausgefordert wird, dann ist seine Stellung gut. Der König kann nicht ärgerlich werden; überdies werden wir erfahren, welches Mittel anzuwenden ist, um den König zu beschwichtigen. Doch warum diese Befürchtungen, diese Besorgnisse bei Euch, der Ihr Euch nicht so leicht beunruhigen laßt?«

»Hört: Alles beunruhigt mich. Raoul soll morgen den König sehen, der ihm seinen Willen in Beziehung auf eine gewisse Heirath aussprechen wird. Raoul wird sich erzürnen, wie ein Verliebter, was er ist, und ist er einmal in seiner üblen Laune und trifft Wardes, so wird die Bombe zerplatzen.«

»Wir werden das Zerplatzen verhindern, lieber Freund.«

»Ich nicht, denn ich will nach Blois zurückkehren. Alle diese geschminkte Hofeleganz, alle diese Intriguen ekeln mich an. Ich bin kein junger Mann mehr, um die Aermlichkeiten von heute mitzumachen. Ich habe in dem großen Buche Gottes viele Dinge gelesen, welche zu schön und zu umfangreich sind, um mich mit’ Interesse mit den kleinen Phrasen beschäftigen zu können, die sich diese Menschen zuflüstern, wenn sie sich betrügen wollen. Mit einem Wort, ich langweile mich in Paris überall, wo ich Euch nicht habe, und da ich Euch nicht immer haben kann, so will ich nach Blois zurückkehren.«

»Oh! wie Unrecht habt Ihr, Athos, daß Ihr Eurem Ursprung und der Bestimmung Eurer Seele lügt. Die Leute von Eurem Schlag sind gemacht, um bis zum letzten Tag in der Fülle ihrer Fähigkeiten fortzuschreiten. Seht hier meinen alten Degen von la Rochelle, diese spanische Klinge; sie diente dreißig Jahre gleich vollkommen. An einem Wintertag fiel sie auf den Marmor des Louvre und zerbrach. Man hat mir ein Jagdmesser daraus gemacht, das noch hundert Jahre dauern wird. Ihr, Athos, mit Eurer Rechtschaffenheit, mit Eurer Offenherzigkeit, mit Eurem kalten Muth und Eurer soliden Bildung seid der Mann, den man braucht, um die Könige zu belehren und zu lenken. Bleibt hier: Herr Fouquet wird nicht so lange währen, als meine spanische Klinge.«

 

»Geht doch,« erwiederte Athos lächelnd, »das ist mein d’Artagnan, der, nachdem er mich zum Himmel erhoben, eine Art von Gott aus mir gemacht hat, mich aus dem Olymp herabwirft und auf der Erde abplattet. Ich habe einen höheren Ehrgeiz. Minister sein, Sklave sein, laßt das! Bin ich nicht größer? ich bin nichts. Ich erinnere mich, daß Ihr mich den großen Athos nanntet. Oh! ich fordere Euch auf, mir dieses Epitheton zu bestätigen, wenn ich Minister wäre. Nein, nein, ich gebe mich nicht so preis.«

»Dann sprechen wir nicht mehr davon; sagt Euch von Allem los, selbst von der Verbrüderung.«

»Oh! theurer Freund, was Ihr da sprecht, ist fast hart.«

D’Artagnan drückte Athos lebhaft die Hand und rief:

»Nein, nein, sagt Euch ohne Furcht los. Raoul kann Eurer entbehren, ich bin in Paris.«

»Nun wohl! dann werde ich nach Blois zurückkehren. Diesen Abend nehmt Ihr von mir Abschied; morgen bei Tagesanbruch steige ich zu Pferde.«

»Ihr könnt nicht allein nach Eurem Hotel zurückgehen; warum Habt Ihr Grimaud nicht mitgebracht?«

»Mein Freund, Grimaud schläft, er geht frühzeitig zu Bette. Mein armer Alter wird leicht müde. Er ist mit mir von Blois gekommen und ich habe ihn genöthigt, das Haus zu hüten. Denn, wenn er in einem Zuge, die vierzig Meilen zurückreiten müßte, die uns von Blois, trennen, er würde darüber sterben, ohne sich zu beklagen. Aber ich halte auch große Stücke auf meinen Grimaud.«

»Ich will Euch einen Musketier geben, der Euch die Fackel tragen soll. Holla! Ihr Leute!« rief d’Artagnan. Und er neigte sich über das vergoldete Geländer.

Es erschienen sieben bis acht Musketierköpfe.

»Ein Freiwilliger, um den Herrn Grafen de la Fère zu geleiten,« sagte d’Artagnan.

»Ich danke für Euren Eifer, meine Herren,« sprach Athos; »doch ich werde keinen von diesen Edelleuten so bemühen.«

»Ich würde wohl den Herrn geleiten, wenn ich nicht mit Herrn d’Artagnan zu sprechen hätte,« sagte Einer.

»Wer ist da?« fragte d’Artagnan im Halbschatten suchend.

»Ich, mein lieber Herr d’Artagnan.«

»Gott verzeihe mir, wenn das nicht die Stimme von Baisemeaux ist.«

»Ich bin es, Herr.«

»Ei! mein lieber Baisemeaux, was macht Ihr da im Hof?«

»Ich erwarte Eure Befehle, mein lieber Herr d’Artagnan.«

»Oh! ich Unglücklicher!« dachte d’Artagnan. Dann erwiederte er: »Es ist wahr, Ihr seid wegen einer Verhaftung benachrichtigt worden, doch daß Ihr selbst kommt, statt einen Stallmeister zu schicken!«

»Ich bin gekommen, weil ich mit Euch zu sprechen habe?«

»Und Ihr habt es mir nicht melden lassen?«

»Ich wartete,« erwiederte Herr Baisemeaux schüchtern.

»Ich verlasse Euch, Gott befohlen, d’Artagnan,« sagte Athos zu seinem Freund.

»Nicht eher, als bis ich Euch Herrn Baisemeaux von Montlezun, den Gouverneur des Schlosses der Bastille, vorgestellt habe.«

Baisemeaux verbeugte sich, Athos ebenfalls.

»Doch Ihr müßt Euch kennen,« fügte d’Artagnan bei.

»Ich entsinne mich des Herrn unbestimmt,« sagte Athos.

»Ihr wißt wohl, mein lieber Baisemeaux, jener Garde des Königs, mit dem wir einst unter dem Cardinal so gute Partien machten.«

»Ich erinnere mich vollkommen,« sprach Athos freundlich Abschied nehmend.

»Der Herr Graf de la Fère, der den Kriegsnamen Athos hatte,« sagte d’Artagnan Baisemeaux ins Ohr.

»Ja, ja, ein wackerer, beherzter Mann, einer von den vier Berühmten,« sprach Baisemeaux.

»Ganz richtig. Nun laßt uns reden, mein lieber Baisemeaux.«

»Wenn es Euch gefällig ist!«

»Vor Allem, was die Verhaftung betrifft, so ist das auf Befehl abgemacht. Der König verzichtet darauf, die fragliche Person verhaften zu lassen.«

»Ah! desto schlimmer,« bemerkte Baisemeaux mit einem Seufzer.

»Wie, desto schlimmer l« rief d’Artagnan lachend.

»Allerdings,« erwiederte der Gouverneur der Bastille, »meine Gefangenen sind meine Einkünfte.«

»Oh! es ist wahr. Ich betrachtete die Sache nicht unter diesem Licht.«

»Keine Befehle also?«

Baisemeaux seufzte abermals.

»Ihr habt eine schöne Stellung,« sagte er, «Kapitän-Lieutenant der Musketiere.

»Ja, das ist ziemlich gut. Doch ich sehe nicht ein, um was Ihr mich zu beneiden habt, Gouverneur der Bastille, was das erste Schloß von Frankreich ist.«

»Ich weiß es wohl,« sagte Baisemeaux traurig.

»Mordioux! Ihr sagt das wie ein Büßender! Ich werde mein Einkommen gegen das Eurige vertauschen, wenn Ihr wollt?«

»Sprechen wir nicht vom Einkommen, wenn Ihr mir nicht die Seele zerschneiden wollt.«

»Aber Ihr schaut rechts und links, als befürchtetet Ihr verhaftet zu werden, Ihr, der Ihr diejenigen, welche man verhaftet, bewacht.«

»Ich gewahre, daß man uns sieht und hört, und daß es klüger wäre, auf die Seite zu gehen, um zu sprechen, wenn Ihr mir diese Gunst bewilligen wolltet.«

»Baisemeaux! Baisemeaux! Ihr vergeßt, daß wir Bekannte von fünfunddreißig Jahren her sind. Nehmt also keine so zerknirschte Miene bei mir an. Thut Euch keinen Zwang an. Ich verspeise die Gouverneurs der Bastille nicht roh.«

»Gefiele es dem Himmel!«

»Kommt in den Hof; wir gehen Arm in Arm; der Mond scheint herrlich, und längs der Eichen, unter den Bäumen erzählt mir Eure traurige Geschichte. Kommt.«

Er zog den betrübten Gouverneur in den Hof, nahm ihn beim Arm, und sagte mit seiner derben Vertraulichkeit:

»Auf, zieht vom Leder, Baisemeaux, was habt Ihr mir zu sagen?«

»Das wird sehr lang sein.«

»Ihr wollt also lieber jammern und wehklagen: das wird meiner Ansicht nach noch viel länger dauern. Ich wette, daß daß Ihr Euch 50,000 Livres mit Euren Bastille-Tauben macht.«

»Wenn das wäre, lieber Herr d’Artagnan!«

»Ihr setzt mich in Erstaunen, Baisemeaux, schaut Euch doch an, mein Lieber, Ihr spielt den Zerknirschten, Mordioux! ich will Euch vor einen Spiegel führen. Ihr werdet darin sehen, daß Ihr fett, blühend, groß und rund seid wie ein Käse, daß Ihr Augen habt wie glühende Kohlen, und daß Ihr, ohne die abscheuliche Falte, die Ihr Euch in die Stirne grabt, nicht fünfzig Jahre alt scheinen würdet. Ihr seid aber sechzig, wie?«

»Das ist Alles wahr.«

»Bei Gott! ich weiß wohl, daß es wahr ist, so wahr als die 50,000 Livres Einkommen.«

Baisemeaux stampfte mit dem Fuß.

»Gut, gut,« sagte d’Artagnan, »ich will Euch nicht Eure Rechnung machen, Ihr waret Kapitän der Leibwachen von Herrn von Mazarin, 18,000 Livres jährlich; Ihr habt sie zwölf Jahre bezogen, das thut 144,000 Livres.«

»12,000 Livres! Seid Ihr verrückt!« rief Baisemeaux. »Der alte Knauser hat nie mehr gegeben, als 6000, und die Ausgaben, die mit der Stelle verbunden waren, beliefen sich auf 6,600. Herr von Colbert, der mir die andern 6,000 Livres hatte beschneiden lassen, war so gnädig, mir 50 Pistolen als Gratification zu bewilligen, so daß ich ohne das kleine Lehen von Montlezun, das 1200 Livres abwirft, nicht hätte meinen Aufwand bestreiten können.«

»Wir wollen das zugeben . . . doch gehen wir zu den 50,000 Livres der Bastille über. Da habt Ihr dann doch wohl Kost und Wohnung, Ihr bezieht 6,000 Livres Besoldung.«

»Gut.«

»Ein Jahr in das andere fünfzig Gefangene müssen, die einen in die andern gerechnet, Euch 1000 Livres einbringen.«

»Ich leugne es nicht.«

»Das macht doch wohl fünfzig tausend Livres jährlich; Ihr habt diesen Posten drei Jahre inne und folglich hundert und fünfzig tausend Livres bezogen.«

»Ihr vergeßt einen Umstand, Herr d’Artagnan.«

»Welchen?«

»Daß Ihr die Kapitänsstelle aus den Händen des Königs empfangen habt.«

»Ich weiß es wohl.«

»Während ich die eines Gouverneur von den Herren Tremblay und Louvière erhalten habe.«

»Ganz richtig, und Tremblay war kein Mann, der Euch seinen Platz umsonst überließ.«

»Oh! Louvière eben so wenig. Kurz ich habe Tremblay für seinen Theil fünf und siebenzig tausend Livres gegeben.«

»Hübsch!. . und Louvière?«

»Eben so viel.«

»Sogleich?«

»Nein, das war unmöglich. Der König oder vielmehr Herr von Mazarin wollte nicht den Anschein haben, als setzte er diese zwei von der Barricade abstammenden Bursche ab; er duldete es also, daß sie, um sich zurückzuziehen, löwenhafte Bedingungen machten.«

»Was für Bedingungen?«

»Schauert! . . drei Jahre des Einkommens als Weinkauf.«

»Teufel! somit sind die hundert und fünfzig tausend Livres in ihre Hände übergegangen.«

»Ganz richtig.«

»Und außer dem?«

»Eine Summe von fünfzig tausend Thalern oder fünfzehn tausend Pistolen, wie Euch beliebt, in drei Zahlungen.«

»Das ist übermäßig.«

»Es ist noch nicht Alles.«

»Was Ihr sagt!«

»Ermangele ich, eine von den Bedingungen zu erfüllen, so treten diese Herren wieder in ihre Stelle ein. Man hat das den König unterzeichnen lassen.«

»Das ist ungeheuer! das ist unglaublich!«

»Es ist so.«

»Ich beklage Euch, mein armer Baisemeaux. Aber warum, des Teufels! hat Euch denn Herr von Mazarin diese angebliche Gunst bewilligt? Es wäre viel einfacher gewesen, sie Euch zu verweigern.«

»Oh! ja! doch die Hände waren ihm gebunden durch meinen Protector.«

»Euer Protector! wer ist das?«

»Bei Gott! einer von Euren Freunden, Herr d’Herblay.«

»Herr d’Herblay, Aramis?«

»Aramis, ganz richtig, er wahr vortrefflich gegen mich.«

»Vortrefflich! daß er Euch auf diese Art behandelte!«

»Höret doch! ich wollte den Dienst des Cardinals verlassen. Herr d’Herblay sprach für mich mit Louvières und Tremblay; sie weigerten sich; ich hatte Lust zu dem Platz, denn ich weiß, was er eintragen kann; Ich theilte Herrn d’Herblay meinen Kummer mit; er erbot sich, für mich für jede Zahlung gut zu stehen.«

»Bah! Aramis, Ihr setzt mich in Erstaunen. Aramis bürgt für Euch?«

»Als galanter Mann erlangte er die Unterzeichnung; Tremblay und Louvières legten ihre Stelle nieder; ich habe jedes Jahr an einen von diesen zwei Herren 25.000 Livres bezahlen lassen; jedes Jahr am 31sten Mai kommt Herr d’Herblay selbst in die Bastille und bringt mir 5000 Pistolen, um sie unter meine Krokodille zu vertheilen.«

»Also seid Ihr Aramis 150,000 Livre« schuldig?«

»Das ist gerade meine Verzweiflung, ich bin ihm nur 100,00« schuldig.«

»Ich verstehe Euch nicht ganz.«

»Ei! gewiß, er ist nur zwei Jahre gekommen. Heute aber haben wir den 31sten Mai, ohne daß er eingetroffen, und morgen um Mittag ist die Verfallzeit. Und wenn ich morgen nicht bezahlt habe, können diese Herren nach den Bedingungen des Vertrags den Kauf ungültig machen; ich werde meiner Stelle beraubt, habe drei Jahre gearbeitet, und 250.000 Livres um nichts gegeben, mein lieber Herr d’Artagnan, durchaus um nichts.«

»Das ist seltsam,« murmelte d’Artagnan.

»Begreift Ihr nun, daß ich eine Falte auf der Stirne haben kann?«

»Oh! ja.«

»Begreift Ihr, daß ich trotz dieser Rundung eines Käse und dieser Frische eines Franzapsels dahin gelangt bin, daß ich befürchte, ich werde weder einen Käse, noch einen Franzapfel mehr zu essen und nur noch zwei Augen zum Weinen haben.«

»Das ist trostlos.«

»Ich bin daher zu Euch gekommen, Herr d’Artagnan denn ihr allein könnt mich aus der Klemme ziehen.«

»Wie das?«

»Ihr kennt den Abbé d’Herblay?«

»Bei Gott!«

»Ihr wißt, daß er geheimnißvoll ist?«

»Oh! ja.«

»Ihr könnt mir die Adresse seiner Pfarre geben, denn ich habe in Noisy-le-Sec gesucht und er ist nicht mehr dort.«

»Bei Gott! er ist Bischof von Vannes.«

»Vannes, in der Bretagne?«

»Ja«

Der kleine Mann raufte sich die Haare aus.

»Ach!« sagte er, »wie soll ich von jetzt bis morgen Mittag nach Vannes kommen? Ich bin ein verlorener Mann.«

»Eure Verzweiflung thut mir wehe!«

»Vannes! Vannes!« rief Baisemeaux.

»Höret doch, ein Bischof hält sich nicht immer an seinem Sitz auf; Monseigneur d’Herblay könnte nicht so fern sein, als Ihr befürchtet.«

»Oh! sagt mir seine Adresse.«

»Ich weiß sie nicht, mein Freund.«

 

»Ich bin entschieden verloren! . . . Ich will mich dem König zu Füßen werfen.«

»Aber, Baisemeaux, Ihr setzt mich in Erstaunen; warum habt Ihr, da die Bastille fünfzigtausend Limes tragen kann, die Schraube nicht so angetrieben, daß sie hunderttausend eintrug?«

»Weil ich ein ehrlicher Mann bin, Herr d’Artagnan, und weil ich meine Gefangenen wie Potentaten beköstigt habe.«

»Dabei habt Ihr es weit gebracht, Ihr gebt Euch eine gute Indigestion mit Eurer schönen Beköstigung und sterbt mir hier elendiglich bis morgen Mittag.«

»Grausamer! er hat das Herz, zu lachen.«

»Nein, ich bedaure Euch. Laßt hören, Baisemeaux, habt Ihr ein Ehrenwort?«

»Oh! Kapitän.«

»Nun so gebt mir Euer Ehrenwort, daß Ihr gegen Niemand über das, was ich sagen werde, den Mund aufthut.«

»Nie! nie!«

»Wollt Ihr des Aramis habhaft werden?«

»Um jeden Preis.«

»Nun, so sucht Herrn Fouquet auf.«

»Welche Beziehung . . . «

»Wie albern seid Ihr! . . . Wo ist Vannes?«

»Ah!«

»Bannes ist in der Diözese von Belle-Isle oder Belle-Isle ist in der Diözese von Vannes. Belle-Isle gehört Herrn Fouquet: Herr Fouquet hat Herrn d’Herblay zu diesem Bisthum ernennen lassen.«

»Ihr öffnet mir die Augen und gebt mir das Leben wieder.«

»Desto besser. Sagt also ganz einfach Herrn Fouquet, Ihr wünscht Herrn d’Herblay zu sprechen.«

»Es ist wahr! es ist wahr!« rief Baisemeaux ganz entzückt.

»Und,« sprach d’Artagnan indem er ihn mit einem strengen Blick zurückhielt, »das Ehrenwort?«

»Oh1 heilig!« rief der kleine Mann, der sich zum Weglausen anschickte.

»Wohin geht Ihr?«

»Zu Herrn Fouquet«

»Nein, Herr Fouquet ist beim Spiel des Königs. Geht morgen frühzeitig zu Herrn Fouquet, das ist Alles, was Ihr thun könnt.«

»Ich werde gehen; meinen Dank.«

»Viel Glück.«

»Ich danke.«

»Das ist eine drollige Geschichte,« murmelte d’Artagnan, der, nachdem er Baisemeaux verlassen hatte, langsam wieder seine Treppe hinaufstieg. »Was des Teufels für ein Interesse kann Aramis haben, Baisemeaux sich so zu verbinden? . . . hm! wir werden das früher oder später erfahren.«