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Der Graf von Bragelonne

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IV.
Beim König

Fouquet wohnte, wie d’Artagnan gesagt hatte, dem Spiel des Königs bei.

Es war als hätte die Abreise von Buckingham Balsam auf alle am Tag zuvor geschworene Herzen gegossen.

Monsieur machte strahlend seiner Mutter tausend zärtliche Zeichen.

Der Graf von Guiche konnte sich nicht von Buckingham trennen, und während er spielte, unterhielt er sich mit ihm von den Wechselfällen seiner Reise.

Träumerisch und liebreich, wie ein Mann von Gemüth, der seinen Entschluß gefaßt hat, horchte Buckingham auf den Grafen und richtete zuweilen an Madame einen Blick des Bedauerns und trostloser Zärtlichkeit.

Im Schooße ihrer Berauschung theilte die Prinzessin ihre Gedanken zwischen dem König, der mit ihr spielte, Monsieur, der sie sanft über beträchtliche Gewinne verspottete, und Guiche, der eine überströmende Freude kundgab.

Mit Buckingham beschäftigte sie sich leichthin; für sie war dieser Flüchtling, dieser Verbannte eine Erinnerung, und kein Mann mehr.

Die leichtsinnigen Herzen sind so beschaffen, ganz der Gegenwart sich hingebend, brechen sie mit Allem, was sie in ihren kleinen Berechnungen selbstsüchtiger Wohlfahrt stören kann.

Madame hätte sich zu den Artigkeiten, zu dem Lächeln, zu den Seufzern des gegenwärtigen Buckingham bequemt; aber von fern seufzen, lächeln, niederknieen, wozu sollte das nützen? Der Wind der Meerenge, der die gewichtigen Schiffe entführt, wohin fegt er die Seufzer? Weiß man das?«

Der Herzog verbarg sich diese Veränderung nicht, und sein Herz war dadurch tödtlich verletzt.

Eine zarte, stolze und für diese Zuneigung empfängliche Natur, verfluchte er den Tag, wo die Leidenschaft in sein Herz eingedrungen war.

Die Blicke, die er Madame zusandte, erkalteten allmälig unter dem eisigen Hauch seines Geistes. Er konnte noch nicht verachten, aber er war stark genug, um dem stürmischen Geschrei seines Herzens Stillschweigen aufzuerlegen.

In demselben Grade, in welchem Madame diese Veränderung errieth, verdoppelte sie ihre Thätigkeit, um das Strahlen wieder zuerlangen, das ihr entströmte; ihr Anfangs schüchterner, unentschiedener Geist trat in glänzenden Ausbrüchen an das Tageslicht; sie mußte um jeden Preis über Allem, über dem König sogar bemerkt werden.

Sie war es. Die Königinnen, trotz ihrer Würde, der König, trotz der Ehrfurcht der Etiquette, wurden verdunkelt.

Steif und gezwungen von Anfang an, vermenschlichten sich die Königinnen und lachten. Madame Henriette, die Königin Mutter, war geblendet von dem Glanz, der durch den Geist der Enkelin von Heinrich IV. auf ihr Geschlecht zurückfiel.

Der König, so eifersüchtig als junger Mann, so eifersüchtig auf alle Ueberlegenheiten, die ihn umgaben, konnte nicht umhin, die Waffen zu strecken vor diesem französischen Ungestüm, dessen Energie der englische Humor noch erhöhte. Er wurde wie ein Kind von dieser strahlenden Schönheit ergriffen, die der Geist erweckte.

Die Augen von Madame schleuderten Blitze. Die Heiterkeit entströmte ihren Purpurlippen, wie die Ueberredung den Lippen des alten Griechen Nestor.

Um die Königinnen und den König gruppirt, bemerkte der ganze Hof, diesem Zauber unterworfen, zum ersten Mal, daß man vor dem größten König der Welt lachen konnte, wie Leute, die würdig sind, die artigsten und geistreichsten der Erde genannt zu werden.

Madame hatte von diesem Abend an einen Succeß, fähig, Jeden zu betäuben, der seinen Ursprung nicht in den erhabenen Regionen genommen hätte, die man einen Thron nennt, und die vor solchen Schwindeln, trotz ihrer Höhe, geschützt sind.

Von diesem Augenblick an betrachtete Ludwig XIV. Madame als eine Person.

Buckingham betrachtete sie als eine Coquette, welche die grausamsten Martern verdiente.

Guiche betrachtete sie als eine Gottheit.

Die Höflinge als ein Gestirn, dessen Licht ein Herd für jede Gunst, für jede Macht werden müßte.

Aber Ludwig XIV. hatte sich einige Jahre früher nicht einmal herbeigelassen, diesem häßlichen Frauenzimmer für ein Ballet die Hand zu reichen.

Aber Buckingham hatte diese Coquette auf beiden Knieen angebetet.

Aber Guiche hatte diese Gottheit als ein Weib angesehen.

Aber die Höflinge hatten es nicht gewagt, diesem Gestirn im Vorübergehen Beifall zu spenden, aus Furcht, dem König zu mißfallen, dem dieses Gestirn früher mißfallen hatte.

Das ist es, was an diesem merkwürdigen Abend beim Spiel des Königs vorging.

Die junge Königin, obgleich Spanierin und Nichte von Anna von Oesterreich, liebte den König und wußte sich nicht zu verstellen.

Anna von Oesterreich, eine Beobachterin wie jede Frau und gebieterisch wie jede Königin, fühlte die Macht von Madame und verbeugte sich sogleich vor ihr.

Was die junge Königin bestimmte, die Sitzung aufzuheben und in ihre Gemächer zurückzukehren.

Der König merkte kaum auf diesen Abgang, trotz der geheuchelten Zeichen der Unpäßlichkeit, welche denselben begleiteten.

Stark durch die Gesetze der Etiquette, die er in seinem Haus als Element jedes Verhältnisses einzuführen anfing, rührte sich Ludwig XIV. kaum; er bot Madame die Hand, ohne Monsieur, seinen Bruder, anzuschauen, und führte die junge Prinzessin bis an die Thüre ihrer Wohnung.

Man bemerkte, daß S. M. auf der Thürschwelle, frei von allem Zwang oder wenigstens durch die Lage gesichert, einen ungeheuren Seufzer entschlüpfen ließ.

Die Frauen, denn sie bemerken Alles, Fräulein von, Montalais zum Beispiel, verfehlten nicht, zu ihren Gefährtinnen zu sagen:

»Der König hat geseufzt . . . Madame hat geseufzt.«

Das entsprach der Wahrheit.

Madame hatte geräuschlos, aber mit einem für die Ruhe des Königs noch viel gefährlicheren Accompagnement geseufzt.

Madame hatte ihre schönen schwarzen Augen schließend geseufzt, und dann hatte sie dieselben wieder geöffnet und ganz beladen mit einer unsäglichen Traurigkeit zum König aufgeschlagen, dessen Antlitz sich in diesem Augenblick sichtbar bepurpurte.

Aus dieser Rothe, aus diesen ausgetauschten Seufzern und aus dieser ganzen königlichen Bewegung ging hervor, daß Montalais eine Indiscretion begangen hatte, und daß durch diese Indiscretion ihre Gefährtin angegriffen worden war, denn, ohne Zweifel minder scharfsichtig, als ihre Freundin, erbleichte Fräulein de la Vallière, als der König erröthete, und als sie ihr Dienst zu Madame rief, trat sie ganz zitternd ein, ohne daß es ihr einfiel, Handschuhe zu nehmen, wie es das Ceremoniel vorschrieb.

Allerdings konnte dieses Provinzmädchen zur Entschuldigung die Unruhe vorschützen, in die es die königliche Majestät versetzte. Ganz mit dem Schließen der Thüre beschäftigt, heftete Fräulein de la Vallière in der Thai die Augen auf den König, der rückwärts ging.

Der König kehrte in den Spielsaal zurück; er wollte mit verschiedenen Personen sprechen, aber man konnte wohl sehen, daß sein Geist nicht sehr gegenwärtig war.

Er irrte sich bei mehreren Rechnungen, was verschiedene Herren benützten, welche diese Gewohnheiten seit Mazarin, schlimmen Andenkens, aber guter Arithmetik, beibehalten hatten.

So raffte Manicamp, ein äußerst zerstreuter Mensch, der Leser täusche sich nicht, Manicamp, der ehrlichste Mann der Welt, raffte so ganz einfach zwanzig tausend Livres zusammen, welche auf dem Tisch herumfuhren, und auf deren Eigenthum Niemand rechtliche Ansprüche zu haben schien.

So überließ Herr von Wardes, dessen Kopf durch die Angelegenheiten des Abends etwas in Verwirrung gerathen war, sechzig Doppellouisd’or, die er Herrn von Buckingham abgewonnen hatte, der wie sein Vater unfähig war, sich die Hände mit irgend einer Münze zu beschmutzen, dem Leuchter, als ob dieser lebendig wäre.

Der König erlangte erst wieder ein wenig Aufmerksamkeit in dem Augenblick, wo Herr Colbert, der seit einiger Zeit auf ihn lauerte, sich ihm näherte, und, zwar allerdings ehrfurchtsvoll, dabei aber aus eine dringliche Weise einen von seinen Rathschlägen in das noch summende Ohr Seiner Majestät niederlegte.

Dem Rath schenkte Ludwig eine neue Aufmerksamkeit; er schaute alsbald im Saale umher und fragte:

»Ist Herr Fouquet nicht mehr da?«

»Doch, doch,« erwiederte die Stimme des Oberintendanten, der mit Buckingham beschäftigt war.

Und er kam herbei.

Der König ging ihm mit einer äußerst freundlichen und leutseligen Miene entgegen und sagte:

»Verzeiht, Herr Oberintendant, wenn ich Euch in Eurem Gespräche störe; doch ich nehme Euch überall in Anspruch, wo ich Eurer bedarf.«

»Meine Dienste gehören stets dem König,« antwortete Fouquet.

»Und besonders Eure Kasse,« sprach Ludwig mit einem falschen Lächeln. .

»Meine Kasse noch mehr, als das Uebrige,« erwiederte Fouquet kalt.

»Hört, wie sich die Sache verhält, mein Herr: ich will ein Fest in Fontainebleau geben. Vierzehn Tage offenes Haus. Ich brauche eine Summe von . . . «

Er schaute Colbert schief an.

Fouquet wartete, ohne unruhig zu werden.

»Von . . . « sagte er.

»Von vier Millionen,« sprach der König, das grausame Lächeln von Colbert erwiedernd.

»Vier Millionen,« wiederholte Fouquet sich tief verbeugend.

Und seine Nägel drangen in seine Brust ein und gruben eine tiefe Furche, ohne daß die Heiterkeit seines Gesichts einen Augenblick gestört war.

»Ja, mein Herr,« sagte der König.

»Wann, Sire?«

»Wählt Eure Zeit . . . Das heißt, meine . . . so bald als möglich.«

»Ich brauche Zeit.«

»Zeit!« rief Colbert triumphirend.

»Die erforderliche Zeit, um die Thaler zu zählen,« erwiederte Fouquet mit einer majestätischen Verachtung. Man kann nur eine Million im Tag aus der Kasse nehmen und wägen, mein Herr.«

»Vier Tage also,« sagte Colbert.

»Oh!« sprach Fouquet, sich an den König wendend, »meine Commis thun Wunder für den Dienst Seiner Majestät. Die Summe wird in drei Tagen bereit sein.«

 

Colbert erbleichte.

Der König schaute ihn erstaunt an.

Fouquet zog sich ohne Großthuerei, ohne Schwäche zurück und lächelte dabei zahlreichen Freunden zu, in deren Blick er eine wahre Freundschaft, eine bis zum Mitleid gehende Theilnahme las.

Man durste Fouquet nicht nach dem Lächeln beurtheilen Fouquet hatte in Wirklichkeit den Tod im Herzen.

Einige Tropfen Blut befleckten unter seinem Rock das seine Gewebe, das seine Brust bedeckte.

Der Rock verbarg das Blut, das Lächeln die Wuth.

Aus der Art, wie er in seinen Wagen stieg, entnahmen seine Leute, daß der Herr nicht heiterer Laune. Eine Folge davon, daß sie ihn so gut verstanden, war, daß die Befehle mit jener Pünktlichkeit des Manoeuvrirens vollzogen wurden, die man auf einem Kriegsschiffe trifft, das während des Sturms von einem erzürnten Kapitän befehligt wird.

Der Wagen rollte nicht, er flog.

Fouquet hatte kaum Zeit, sich während der Fahrt zu sammeln.

Bei seiner Ankunft ging er zu Aramis hinauf.

Aramis hatte sich noch nicht zu Bette gelegt.

Porthos hatte ganz behaglich eine gebratene Hammelskeule, zwei Fasanen und einen Berg von Krebsen gespeist; dann hatte er sich den Leib nach der Weise der antiken Kämpfer mit wohlriechendem Oel einsalben lassen; nachdem dies geschehen war, hatte man ihn müssen in Flanell wickeln und ins Bett tragen.

Aramis war, wie gesagt, noch nicht zu Bette gegangen. Bequem in einen Schlafrock gehüllt, schrieb er Briefe auf Briefe mit jener so seinen und gedrängten Schrift, von der eine Seite einen Viertelsband enthält.

Die Thüre wurde hastig geöffnet; der Oberintendant erschien bleich, bewegt, sorgenvoll.

Aramis erhob den Kopf und sprach:

»Guten Abend, lieber Wirth.«

Und sein beobachtender Blick errieth diese ganze Traurigkeit, diese ganze Störung des Gemüths.

»Schönes Spiel beim König?« fragte Aramis, um das Gespräch zu beginnen.

Fouquet setzte sich und wies dem Lackei, der ihm folgte, durch eine Geberde die Thüre.

Dann, als der Lackei weggegangen war, antwortete er:

»Sehr schön.«

Und Aramis, dessen Auge den Oberintendanten nicht verließ, sah ihn sich mit einer fieberhaften Ungeduld auf den Kissen ausstrecken.

»Ihr habt wie immer verloren?« fragte Aramis, mit der Feder in der Hand.

»Mehr als immer,« erwiederte Fouquet.

»Aber man weiß, daß Ihr den Verlust gut ertragt.«

»Zuweilen.«

»Oh! Herr Fouquet, ein schlechter Spieler!«

»Es gibt Spiele und Spiele, Herr d’Herblay.«

»Wie viel habt Ihr verloren, Monseigneur?« fragte Aramis mit einer gewissen Besorgniß.

Fouquet sammelte sich einen Augenblick, um seiner Stimme die gehörige Ruhe zu verleihen; dann antwortete er ohne irgend eine Bewegung:

»Dieser Abend kostet mich vier Millionen.«

Und ein bitteres Lachen verlor sich auf dem letzten Vibriren seiner Worte.

Aramis war nicht auf eine solche Zahl gefaßt; er ließ seine Feder fallen und rief:

»Vier Millionen! Ihr habt vier Millionen verspielt! Unmöglich!«

»Herr Colbert hielt meine Karte,« antwortete der Oberintendant mit demselben finsteren Gelächter.

»Ah! ich begreife nun. Also eine neue Geldforderung?«

»Ja, mein Freund.«

»Vom König?«

»Von seinem eigenen Mund. Es ist nicht, möglich, einen Menschen mit einem schöneren Lächeln niederzuschmettern.«

»Teufel!«

»Was denkt Ihr hiervon?«

»Bei Gott! ich denke, daß man Euch zu Grunde richten will: das ist klar.«

»Das ist also Eure Ansicht?«

»Gewiß. Darüber dürft Ihr Euch indessen nicht wundern, da wir es vorhergesehen haben.«

»Es mag sein doch auf vier Millionen war ich nicht gefaßt.«

»Die Summe ist schwer; aber vier Millionen bringen am Ende einen Menschen nicht um, das darf man wohl sagen, besonders wenn dieser Mensch Herr Fouquet heißt.«

»Wenn Ihr den Vorrath der Kasse kennen würdet, mein lieber d’Herblay, so wäret Ihr weniger ruhig.«

»Und Ihr habt versprochen?«

»Was sollte ich machen?«

»Es ist wahr.«

»An dem Tag, an welchem ich verweigere, wird Colbert die Mittel finden; wo, das weiß ich nicht, doch er wird sie finden, und ich bin verloren!«

»Unzweifelhaft. Und in wie viel Tagen habt Ihr die vier Millionen versprochen?«

»In drei Tagen . . . Der König scheint große Eile zu haben.«

»In drei Tagen!«

»Oh! mein Freund, wenn man bedenkt, daß, als ich vorhin durch die Straße kam, die Leute riefen: Hier fährt der reiche Herr Fouquet! Ja, lieber d’Herblay, das ist, um den Kopf zu verlieren!«

»Oh! nein, Monseigneur, halt, halt! Die Sache ist nicht der Mühe werth,« sagte Aramis phlegmatisch, während er Sand auf den Brief streute, den er geschrieben.

»Ein Mittel also! ein Mittel für dieses Uebel, für welches es gar kein Mittel gibt.«

»Es gibt nur eines . . . Bezahlt.«

»Aber ich habe kaum diese Summe. Alles muß erschöpft sein; man hat Belle-Isle bezahlt; »an hat die Pension bezahlt: das Geld ist seit der Untersuchung der Steuerpächter rar. Angenommen, man bezahle diesmal, wie wird man das andere Mal bezahlen? . . . Denn glaubt mir, wir sind noch nicht zu Ende! Wenn die Könige einmal Geld gekostet haben, so ist es wie bei den Tigern, welche Fleisch gekostet, sie verschlingen! Eines Tages werde ich wohl sagen müssen: Unmöglich, Sire! Nun, an diesem Tag bin ich verloren.«

Aramis zuckte leicht die Achseln und erwiederte:

»Ein Mann in Eurer Stellung ist nur verloren, wenn er es sein will.«

»Ein Mann, in welcher Stellung er auch sein mag, kann nicht gegen einen König kämpfen.«

»Bah! in meiner Jugend habe ich wohl gegen den Cardinal von Richelieu gekämpft, der König von Frankreich war und dabei Cardinal.«

»Habe ich Heere, Truppen, Schätze? Ich habe nicht einmal Belle-Isle!«

»Bah! die Noth ist die Mutter der Erfindung, wenn Ihr Alles verloren glaubt . . . «

»Nun?«

»Wird man etwas Unerwartetes finden, das Alles rettet.«

»Und wer wird dieses wunderbare Etwas entdecken?« »Ihr.«

»Ich! Ich nehme meinen Abschied als Erfinder.«

»Ich also.«

»Gut. Dann schreitet aber ohne Verzug zum Werke.«

»Oh! wir haben wohl Zeit.«

»Ihr bringt mich um mit Eurem Phlegma, d’Herblay,« sagte der Oberintendant, indem er mit seinem Sacktuch über seine Stirne fuhr.«

»Erinnert Ihr Euch dessen nicht, was ich Euch eines Tages sagte?«

»Was sagtet Ihr mir?«

»ihr brauchet Euch nicht zu beunruhigen, wenn Ihr Muth habet. Habt Ihr?«

»ich glaube wohl.«

»Beunruhigt Euch also nicht.«

»Abgemacht, im äußersten Augenblick kommt Ihr mir zu Hilfe, d’Herblay?«

»Ich werde Euch damit nur zurückgeben, was ich Euch schuldig bin, Monseigneur.«

»Es ist das Handwerk der Finanzleute, den Bedürfnissen der Männer, wie Ihr seid, d’Herblay, entgegenzukommen.«

»Ist die Zuvorkommenheit das Handwerk der Finanzleute, so ist die Bruderliebe die Tugend der Geistlichen. Nur diesmal noch ergebt Euch, Ihr steht noch nicht niedrig genug. Im letzten Augenblick,werden wir sehen.«

»Dann werden wir binnen Kurzem sehen.«

»Es sei. Nun aber erlaubt mir, Euch zu sagen, ich bedaure es persönlich sehr, daß das Geld bei Euch so dünn ist.«

»Warum?«

»Weil ich Euch darum ersuchen wollte.«

»Für Euch?«

»Für mich oder für die Meinigen, für die Meinigen oder für die Unserigen.«

»Welche Summe?«

»Oh! seid unbesorgt; eine runde Summe, es ist wahr, aber keine ungeheure.«

»Nennt die Zahl.«

»Fünfzig tausend Livres.«

»Eine Erbärmlichkeit!«

»Wirklich!«

»Allerdings, man hat immer fünfzig tausend Livres. Oh! warum begnügt sich dieser Schuft, den man Colbert nennt, nicht wie Ihr; ich würde mich weniger kümmern, als ich es thue? Und wann braucht Ihr diese Summe?«

»Morgen früh.«

»Gut, und . . . «

»Ah! es ist wahr; Ihr fragt nach der Bestimmung?«

»Nein, Chevalier, nein, ich bedarf keiner Erklärung.«

»Doch, es ist morgen der 1. Juni.«

»Nun?«

»Der Verfalltag von einer unserer Verbindlichkeiten.«

»Wir haben also Verbindlichkeiten?«

»Gewiß, wir bezahlen morgen unser letztes Drittel.«

»Welches Drittel?«

»Von den hundert und fünfzig tausend Franken für Baisemeaux.«

»Baisemeaux! Wer ist das?«

»Der Gouverneur der Bastille.«

»Ah! ja, es ist wahr, Ihr laßt mich hundert und fünfzigtausend Livres für Baisemeaux bezahlen.«

»Ja wohl!«

»Doch aus welcher Veranlassung?«

»Aus Veranlassung der Stelle, die er gekauft hat, oder die wir vielmehr Louvières und Tremblay abgekauft haben.«

»Dies alles ist in meinem Geiste sehr unbestimmt.«

»Ich begreife das, Ihr habt so viele Geschäfte. Ich glaube indessen, daß Ihr keine wichtigere Angelegenheit habt, als diese.«

»Dann sagt mir, warum wir diese Stelle gekauft haben.«

»Um ihm nützlich zu sein.«

»Ah!«

»Einmal ihm, und dann uns.«

»Wie, uns! Ihr scherzt.«

»Monseigneur, es gibt Zeiten, wo ein Gouverneur der Bastille eine sehr schöne Bekanntschaft ist.«

»Ich habe das Glück, Euch nicht zu verstehen, d’Herblay.«

»Monseigneur, wir haben unsern Dichter, unsern Ingenieur, unsern Architekten, unsern Musiker, unsern Drucker, unsern Maler, wir brauchen unsern Gouverneur der Bastille.«

»Ah! Ihr glaubt?«

»Monseigneur, machen wir uns keine Illusionen; wir sind sehr der Gefahr ausgesetzt, in die Bastille wandern zu müssen . . . Lieber Herr Fouquet,« fügte der Prälat bei, indem er unter seinen bleichen Lippen Zähne zeigte, welche immer noch die schönen, dreißig Jahre früher von Marie Michon angebeteten Zähne waren.

»Und Ihr glaubt, hundert und fünfzig tausend Livres seien hierfür nicht zu viel, d’Herblay. Ich versichere Euch, daß ihr Eure Geld gewöhnlich besser anlegt.«

»Es wird ein Tag kommen, wo Ihr Euren Irrthum erkennen werdet.«

»Mein lieber d’Herblay, an dem Tag, wo man in die Bastille eintritt, wird man nicht mehr durch die Vergangenheit begünstigt.«

»Doch, wenn die unterschriebenen Obligationen ganz in Ordnung sind; und dann glaubt mir, dieser vortreffliche Baisemeaux hat kein Höflingsherz! Ich bin fest überzeugt, daß er mir eine Dankbarkeit für dieses Geld bewahren wird, abgesehen davon, daß ich, wie gesagt, die Unterschriften behalte.«

»Was für eine verteufelte Geschichte! Wucher bei einer Sache der Wohlthätigkeit!«

»Monseigneur, mischt Euch nicht in diese Sache; findet Wucher statt, so treibe ich ihn allein; nur ziehen wir Beide den Nutzen daraus.«

»Welche Intrigue, d’Herblay!«

»Ich leugne es nicht.«

»Und Baisemeaux dabei Genosse!«

»Warum nicht? man hat schlimmere. Ich kann also morgen auf die fünftausend Pistolen zählen?«

»Wollt Ihr sie heute Abend?«

»Das wäre noch besser, denn ich will mich frühzeitig auf den Weg begeben; der arme Baisemeaux, der nicht weiß, was aus mir geworden ist, sitzt auf glühenden Kohlen.«

»Ihr sollt die Summe in einer Stunde haben. Oh! d’Herblay, das Interesse von Euren hundert und fünfzig tausend Livres wird nie meine vier Million bezahlen,« sagte Fouquet aufstehend.

»Warum nicht, Monseigneur?«’

»Gute Nacht, ich habe vor Schlafengehen mit den Commis zu thun.«

»Gute Nacht, Monseigneur.«

»D’Herblay, Ihr wünscht mir das Unmögliche.«

»Ich bekomme diesen Abend meine fünfzigtausend Livres?«

»Ja.«

»Nun, so schlaft auf beiden Ohren, das sage ich Euch. Gute Nacht, Monseigneur.«

Trotz dieser Versicherung und des Tons, mit dem sie gegeben wurde, ging Fouquet den Kopf schüttelnd und einen Seufzer ausstoßend weg.