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Der Graf von Bragelonne

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VIII.
Die zwei Freundinnen

Zu derselben Zeit, wo Herr von Baisemeaux Aramis die Gefangenen der Bastille zeigte, hielt ein Wagen vor der Thüre von Frau von Bellière an und setzte zu dieser noch frühen Stunde auf der Freitreppe eine junge Frau ab, deren Kopf in Seide gehüllt war.

Als man Madame Vanel bei Frau von Bellière meldete, war diese in das Lesen eines Briefes versunken, den sie hastig verbarg.

Sie hatte kaum ihre Morgentoilette beendigt, und ihre Zofen waren noch im anstoßenden Zimmer.

Sobald sie Marguerite Vanel herbeikommen hörte, lief ihr Frau von Bellière entgegen. Sie glaubte in den Augen ihrer Freundin einen Glanz wahrzunehmen, welcher nicht der der Gesundheit oder der Freude war.

Marguerite umarmte sie, drückte ihr die Hände und ließ ihr kaum Zeit, zu sprechen.

»Meine Liebe,« sagte sie, »Du vergissest mich also? Du gibst Dich also ganz und gar den Vergnügungen des Hofes hin?«

»Ich habe nicht einmal die Hochzeitfestlichkeiten gesehen.«

»Was machst Du denn?«

»Ich treffe Vorkehrungen, um nach Bellière zu gehen.«

»Nach Bellière?«

»Eine Landbewohnern also? Ich sehe Dich gern in dieser Stimmung, Doch Du bis bleich.«

»Nein, ich befinde mich zum Entzücken wohl.«

»Desto besser, ich war besorgt. Du weißt nicht, was man mir sagte.«

»Man sagt so Vieles!«

»Oh! dieses ist außerordentlich.«

»Wie Du Dein Auditorium schmachten zu lassen weißt, Marguerite!«

»Höre: ich befürchte, Dich zu ärgern.«

»Oh! nie. Du bewunderst selbst meinen gleichmäßigen Humor.«

»Nun wohl! man sagt, daß . . . Ah! wahrhaftig, ich kann Dir das nie gestehen.«

»So sprechen wir nicht mehr davon,« erwiederte Frau von Bellière, welche eine Bosheit unter diesem Eingang errieth, aber sich dennoch von Neugierde verzehrt fühlte.

»Nun denn, meine liebe Marquise, man sagt, seit einiger Zeit bedaurest Du den Verlust von Herrn von Bellière, dem armen Mann, viel weniger.«

»Das ist ein böses Gerücht, Marguerite, ich beklage den Verlust meines Gatten und werde ihn immer beklagen. Doch er ist nun zwei Jahre todt, ich bin erst zwanzig Jahre alt, und der Schmerz über sein Hinscheiden darf nicht alle Handlungen, alle Gedanken meines Lebens beherrschen. Würde ich es sagen, so würdest Du, Marguerite, Du die vorzugsweise Frau, es nicht glauben.«

»Warum nicht? Du hast ein so zärtliches Herz!« entgegnete boshaft Madame Vanel.

»Du hast auch ein solches, und ich habe nicht gesehen, daß Du Dich vom Kummer niederbeugen ließest, wenn Dein Herz verwundet war.«

Diese Worte waren eine unmittelbare Anspielung auf^ den Bruch von Marguerite mit dem Oberintendanten. Sie waren auch ein verschleierter, aber ebenfalls unmittelbarer Vorwurf für das Herz der jungen Frau.

Als hätte sie nur dieses Signal erwartet, um ihren Pfeil abzuschießen, rief Marguerite:

»Nun wohl, Elise, man sagt, Du seist verliebt.«

Und sie verschlang mit dem Blick Frau von Bellière, die sich des Erröthens nicht erwehren konnte.

»Man läßt es nie daran fehlen, daß man die Frauen verleumdet,« erwiederte die Marquise, nachdem sie einen Augenblick geschwiegen hatte.

»Oh! man verleumdet Dich nicht, Elise.«

»Wie! man sagt, ich sei verliebt, und man verleumdet mich nicht?«

»Einmal, wenn es wahr ist, ist es nicht Verleumdung, sondern nur Nachrede. Sodann, denn Du lässest mich nicht vollenden, sodann sagt das Publikum nicht, Du gebest Dich dieser Liebe hin. Es schildert Dich im Gegentheil als eine tugendhaft Liebende, Du seist mit Zähnen und Klauen bewaffnet und schließest Dich in Deinem Hause wie in einer Festung ein, und zwar in einer Festung, welche noch viel weniger zu erobern, als die der Danae, obgleich die der Danae von Erz gemacht war.«

»Du hast Witz, Marguerite,« sagte Frau von Bellière zitternd.

»Du hast mir stets geschmeichelt, Elise. Kurz, man nennt Dich unbestechbar und unzugänglich . . . Aber wovon träumst Du, während ich mit Dir spreche?«

»Ich?«

»Ja, Du bist ganz roth und ganz stumm.«

»Ich suche,« antwortete die Marquise, ihre schönen, glänzenden Augen mit einem Anfang von Zorn aufschlagend, »ich suche, worauf Du, der Du in der Mythologie so gelehrt bist, anspielen konntest, indem Du mich mit Danae verglichst.«

»Ah! ah!« rief Marguerite lachend, »Du suchst das?«

»Ja; erinnerst Du Dich nicht, daß wir im Kloster, wenn wir arithmetische Probleme lösen sollten . . . Ah! ah! das ist auch gelehrt, was ich Dir da sagen will . . . Erinnerst Du Dich nicht, daß wenn eines von den Gliedern gegeben war, wir das andere finden mußten?«

»Suche also, suche.«

»Aber ich errathe nicht, was Du meinst.«

»Es kann doch nichts einfacher sein.«

»Nicht wahr, Du behauptest, ich sei verliebt?«

»Man hat es mir gesagt.«

»Nun denn! man sagt nicht, ich sei in etwas Abstractes verliebt. Bei diesem ganzen Gerücht ist wohl ein Name.«

»Gewiß, es ist ein Name dabei.«

»Man darf nicht staunen, daß ich diesen Namen suchen muß, da Du ihn mir nicht sagst.«

»Meine liebe Marquise, als ich Dich erröthen sah, glaubte ich, Du würdest nicht lange suchen.«

»Dein Wort Danae hat mich in Verwunderung gesetzt. Nicht wahr, wer Danae sagt, sagt Goldregen?«

»Das heißt, der Jupiter von Danae verwandelte sich für diese in einen Goldregen.«

»Mein Geliebter also . . . derjenige, welchen Du mir gibst?«

»Oh! verzeih, ich bin Deine Freundin und gebe Dir Niemand.«

»Es mag sein, aber die Feinde?«

»Soll ich Dir den Namen sagen?«

»Du lassest mich schon seit einer halben Stunde darauf warten.«

»Du sollst ihn hören. Erzürne Dich nicht, es ist ein mächtiger Mann.«

»Gut!«

Die Marquise drückte sich ihre zugespitzten Nägel in die Hände wie der Patient bei Annäherung des Eisens,

»Es ist ein sehr reicher Mann,« fuhr Marguerite fort, »der reichste vielleicht. Kurz es ist . . . «

Die Marquise schloß einen Moment die Augen.

»Es ist der Herzog von Buckingham,« sagte Marguerite und schlug ein lautes Gelächter auf.

Die Hinterlist war mit einer unglaublichen Schlauheit berechnet worden. Dieser Name, der fälschlicher Weise auf den Platz des Namens fiel, den die Marquise erwartete, machte auf die arme Frau die Wirkung jener schlecht geschliffenen Beile, welche die Herren von Chalais und von Thou auf ihren Blutgerüsten zerhackten, ohne sie zu tödten.

Sie erholte sich jedoch und erwiederte:

»Ich hatte Recht, wenn ich Dich eine Frau von Witz nannte. Du hast mir einen angenehmen Augenblick bereitet. Der Spaß ist reizend. Ich habe Herrn von Buckingham nie gesehen.«

»Nie?« sagte Marguerite, ihr Gelächter bezwingend.

»Ich habe keinen Schritt aus dem Hause gethan, seitdem der Herzog in Paris ist.«

»Oh!« entgegnete Madame Vanel, während sie ihren widerspänstigen Fuß nach einem Papier ausstreckte, das beim Fenster auf dem Teppich zitterte, »man kann sich nicht sehen, aber man schreibt sich.«

Die Marquise bebte.

Das Papier war der Umschlag des Briefes, den sie bei der Ankunft ihrer Freundin las. Dieser Umschlag war mit dem Wappen des Oberintendanten gesiegelt.

Indem sie,auf ihren Sofa zurückwich, ließ Frau von Bellière auf das Papier die dicken Falten ihres weiten seidenen Kleides rollen und verbarg es so.

»Höre, Marguerite,« sprach sie dann, »bist Du, um mir alle diese Tollheiten zu sagen, so frühzeitig gekommen?«

»Nein, ich bin einmal gekommen, um Dich zu sehen, und dann um Dich an unsere so süßen und so guten alten Gewohnheiten zu erinnern. Du weißt, als wir in Vincennes spazieren gingen und unter einer Eiche, in einem Gebüsch über diejenigen plauderten, welche wir liebten, und die uns liebten.«

»Du schlägst mir eine Promenade vor?«

»Ich habe meinen Wagen und drei Stunden Freiheit.«

»Ich bin nicht angekleidet, Marguerite, und . . . wenn Du willst, daß wir plaudern, ohne in das Wäldchen von Vincennes zu fahren, so finden wir im Garten dieses Hauses einen schönen Baum, buschige Hagenbuchen, einen mit Maßlieben bestreuten Rasen und alle die Veilchen, die man von hier aus riecht.«

»Meine liebe Marquise, ich bedaure, daß Du es mir abschlägst. Es war für mich ein Bedürfniß, mein Herz in das Deinige zu ergießen.«

»Ich wiederhole Dir, Marguerite, mein Herz gehört Dir eben sowohl in diesem Zimmer, eben so wohl hier in der Nähe, unter der Linde in meinem Garten, als dort unter einer Eiche im Wald.«

»Für mich ist dies nicht dasselbe . . . Indem ich mich Vincennes näherte, näherte ich meine Seufzer dem Ziele, nach dem sie seit einigen Tagen gerichtet sind.«

Die Marquise erhob plötzlich den Kopf.

»Nicht wahr, Du wunderst Dich, daß ich noch an Saint-Mandé denke?«

»An Saint-Mandé!« rief Frau von Bellière.

Und die Blicke der zwei Frauen kreuzten sich wie zwei unruhige Schwerter beim ersten Beginnen des Kampfes,

»Du, die Du so stolz bist!« sagte die Marquise mit Verachtung.

»Ich, die ich so stolz,« erwiederte Madame Vanel. »Ich bin so gemacht . . . Ich verzeihe das Vergessen nicht, ich ertrage die Untreue nicht. Wenn ich verlasse und man weint, so bin ich versucht, abermals zulieben; aber wenn man mich verläßt und spottet, so liebe ich bis zum Wahnsinn.«

Frau von Bellière machte eine unwillkührliche Bewegung.

»Sie ist eifersüchtig,« sagte Marguerite zu sich selbst.

»So bist Du also,« fuhr die Marquise fort, »so bist Du bis zum Wahnsinn in Herrn von Buckingham verliebt . . . nein, ich täusche mich . . . in Herrn Fouquet.«

Marguerite fühlte den Streich und all ihr Blut floß nach ihrem Herzen.

»Und Du wolltest nach Vincennes fahren, nach Saint-Mandé sogar?«

»Ich weiß nicht, was ich wollte, Du hättest mir vielleicht gerathen.«

»Worin?«

»Du hast es oft gethan.«

 

»Bei dieser Gelegenheit wäre es sicherlich nicht geschehen, denn ich, ich verzeihe nicht wie Du. Ich liebe weniger vielleicht, hat man aber mein Herz verletzt, so ist es für immer vorbei.«

»Aber Herr Fouquet hat Dich nicht verletzt,« entgegnete Marguerite Vanel mit einer jungfräulichen Naivität.«

»Du begreifst vollkommen, was ich Dir sagen will . . . Herr Fouquet hat mich nicht verletzt; er ist mir weder durch Gunstbezeigungen, noch durch Beleidigungen bekannt, doch Du hast Dich über ihn zu beklagen. Du bist meine Freundin, ich würde Dir also nicht rathen, wie Du es haben wolltest.«

»Ah! Du muthmaßest.«

»Die Seufzer, von denen Du sprachst, sind mehr als Anzeichen.«

»Ah! Du beugst mich nieder,« sagte plötzlich die junge Frau, welche alle ihre Kräfte zusammenraffte, wie der Streiter, der den letzten Streich zu thun sich anschickt; »Du bringst mir meine schlimmen Leidenschaften und meine Schwächen in Anschlag. Was ich an reinen und edlen Gefühlen besitze, davon sprichst Du nicht. Wenn ich mich in diesem Augenblick zu dem Herrn Oberintendanten hingezogen fühle, wenn ich sogar einen Schritt zu ihm thue, was, ich gestehe es Dir, wahrscheinlich ist, so ist es der Fall, weil mich das Schicksal von Herrn Fouquet tief berührt, weil er meiner Ansicht nach einer der unglücklichsten Menschen ist, die man finden kann.«

»Ah!« rief die Marquise, indem sie eine Hand auf ihr Herz drückte, »es gibt also etwas Neues?«

»Du weißt es noch nicht?«

»Ich weiß nichts,« antwortete die Marquise, mit jenem Beben der Angst, das den Gedanken und das Wort, das sogar das Leben stocken macht.

»Meine Liebe, einmal ist die ganze Liebe des Königs Herrn Fouquet entzogen worden, um auf Herrn Colbert überzugehen.«

»Ja, man sagt das.«

»Das ist ganz einfach, seit der Entdeckung des Complottes mit Belle-Isle.«

»Man hat mich versichert, die Entdeckung der Befestigung sei zu Ehren von Fouquet ausgefallen.«

Marguerite sing an auf eine so grausame Weise zu lachen, daß ihr Frau von Bellière in diesem Augenblick mit Freuden einen Dolch ins Herz gestoßen hätte.

»Meine Liebe,« fuhr Marguerite fort, »es handelt sich nicht mehr um die Ehre von Herrn Fouquet, es handelt sich um seine Rettung. Ehe drei Tage vergehen, ist der Oberintendant völlig zu Grunde gerichtet.«

»Oh!« entgegnete die Marquise, ebenfalls lachend, »das heißt ein wenig rasch gehen.«

»Ich habe gesagt, drei Tage, weil ich mich gerne mit einer Hoffnung hintergehe. Sicherlich aber wird die Katastrophe nicht vier und zwanzig Stunden ausbleiben.«

»Und warum?«

»Aus dem allereinfachsten Grund: Herr Fouquet hat kein Geld mehr.«

»Bei den Finanzen, meine liebe Marguerite, hat heute derjenige kein Geld mehr, welchem morgen Millionen zuströmen.«

»Das konnte für Herrn Fouquet so sein, als er noch zwei reiche und gewandte Freunde hatte, die das Geld für ihn anhäuften und aus allen Kassen hervorkommen machten; doch diese Freunde sind todt.«

»Die Thaler sterben nicht, Marguerite; sie sind verborgen, man sucht sie und findet sie.«

»Du siehst Alles weiß und rosenfarbig, desto besser für Dich. Es ist sehr ärgerlich, daß Du nicht die Egeria von Herrn Fouquet bist, Du würdest ihm die Quelle anzeigen, aus der er die Millionen schöpfen könnte, die der König gestern von ihm verlangt hat.«

»Millionen!« rief die Marquise erschrocken.

»Vier . . . das ist eine gerade Zahl,«

»Schändlich!« murmelte Frau von Bellière, gemartert durch diese rohe Freude.

»Herr Fouquet hat wohl vier Millionen,« erwiederte sie muthig.

»Hat er diejenigen, welche der König heute von ihm verlangt, so wird er vielleicht die nicht haben, die der König in einem Monat von ihm verlangen wird.«

»Der König wird noch mehr Geld von ihm verlangen?«

»Allerdings, und darum sage ich Dir, daß der Ruin von Herrn Fouquet unausbleiblich ist. Aus Stolz wird er Geld liefern, und wenn er keines mehr hat, wird er fallen.«

»Das ist wahr,« sprach die Marquise schauernd; »der Plan ist sehr . . . Doch sage mir, haßt denn Colbert Herrn Fouquet in diesem Grade?«

»Ich glaube, daß er ihn nicht liebt . . . Dieser Herr Colbert ist aber ein mächtiger Mann; er gewinnt, wenn man ihn von Nahem sieht: riesenhafte Gedanken, Willen, Discretion; er wird es weit bringen.«

»Er wird Oberintendant werden?«

»Das ist wahrscheinlich . . . Deshalb, meine gute Marquise, kühlte ich mich bewegt zu Gunsten dieses unglücklichen Mannes, der mich geliebt, sogar angebetet hat; deshalb, als ich ihn so unglücklich sah, verzieh ich ihm seine Untreue . . . die er bereut, wie ich zu glauben Ursache habe; deshalb wäre ich nicht abgeneigt gewesen, ihm einen Trost, einen guten Rath zu bringet,: er hätte meinen Schritt begriffen und mir dafür Dank gewußt. Siehst Du, es ist süß, geliebt zu werden. Die Männer schätzen die Liebe ungemein, wenn sie nicht mehr durch die Macht geblendet sind.«

,Betäubt, niedergeschmettert durch diese furchtbaren, mit der Richtigkeit und Pünktlichkeit eines Kanonenschusses berechneten Angriffe, wußte die Marquise nicht mehr, was sie antworten, nicht mehr, was sie denken sollte.

Die Stimme der Falschen hatte die liebevollsten Betonungen angenommen; sie sprach wie ein Weib und verbarg die Instinkte eines Panthers.

»Nun,« sagte Frau von Bellière, welche unbestimmt hoffte, Marguerite werde aufhören, den besiegten Feind niederzuschlagen, »nun, warum suchst Du den Herrn Fouquet nicht auf?«

»Marquise, Du hast mich entschieden zum Nachdenken gebracht. Nein, es wäre unschicklich, wenn ich den ersten Schritt thäte. Herr Fouquet liebt mich ohne Zweifel, aber er ist zu stolz. Ich kann mich einem Schimpf nicht aussetzen. Ueberdies muß ich meinen Mann schonen. Du sagst mir nichts? Ah! ich werde Herrn Colbert darüber um Rath fragen.«

Sie stand lächelnd auf, als wollte sie Abschied nehmen. Die Marquise hatte nicht die Kraft, sie nachzuahmen.

Marguerite machte einige Schritte, um sich noch länger an dem demüthigenden Schmerz zu weiden, in den ihre Nebenbuhlerin versunken war; dann sagte sie plötzlich:

»Du geleitest mich nicht?«

Die Marquise erhob sich bleich und kalt, ohne sich mehr um den Umschlag zu bekümmern, der sie am Anfang des Gesprächs so sehr beunruhigt hatte und den nun ihr erster Schritt entblößt ließ.

Dann öffnete sie die Thüre ihres Betzimmers und schloß sich darin ein, ohne nur einmal den Kopf nach Marguerite Vanel umzudrehen.

Marguerite sprach oder stammelte vielmehr ein paar Worte, welche Frau von Bellière nicht mehr hörte.

Sobald aber die Marquise verschwunden war, konnte sie dem Verlangen, sich zu versichern, ob ihr Verdacht gegründet, nicht widerstehen; sie streckte sich aus wie ein Panther und ergriff den Umschlag.

»Ah!« sagte sie mit den Zähnen knirschend, »es war ein Brief von Herrn Fouquet, was sie las, als ich kam.«

Und sie stürzte aus dem Zimmer.

Während dieser Zeit fühlte die Marquise, welche hinter den Wall ihrer Thüre gelangt war, alle ihre Kräfte erschöpft; einen Augenblick blieb sie starr, bleich und unbeweglich; dann wankte sie wie eine Bildsäule, die der Sturmwind auf ihrer Basis erschüttert, und fiel leblos auf den Boden nieder.

Der Lärmen des Falles erscholl zu gleicher Zeit, als das Rollen des Wagens von Marguerite, der aus dem Hotel wegfuhr, ertönte.

IX.
Da» Silberzeug von Frau von Bellière

Der Schlag war nun um so schmerzlicher gewesen, als er unerwartet kam; sobald sie sich aber ein wenig erholt hatte, dachte sie über die Ereignisse nach, so wie sie sich ankündigten.

Dann nahm sie, und sollte ihr Leben abermals auf dem Wege in Stücke gehen, die Linie der Ideen wieder auf, die sie ihre unversöhnliche Feindin hatte verfolgen lassen.

Verräthereien, Fallen, schwarze Drohungen unter dem Anschein des öffentlichen Interesse verschleiert, dies in Beziehung auf Colbert.

Gehässige Freude in Beziehung auf einen nahe bevorstehenden Fall, unablässige Bemühungen, um dieses Ziel zu erreichen, Verführungen, nicht minder strafbar, als das Verbrechen selbst, dies war es, was Marguerite ins Werk setzte.

Die hakenförmigen Atome von Descartes siegten; mit dem Mann ohne Gemüth hatte sich die Frau ohne Herz verbunden.

Die Marquise sah mehr noch mit Traurigkeit, als mit Entrüstung, daß der König an einem Komplott Theil nahm, daß er die Falschheit von dem schon alten Ludwig XIII. und den Geiz von Mazarin offenbarte, als dieser noch nicht Zeit gehabt hatte, sich mit französischem Gold vollzustopfen.

Bald aber gewann der Geist dieser muthigen Frau wieder seine ganze Energie und hörte auf, bei den retrograden Betrachtungen des Mitleids zu verweilen.

Die Marquise gehörte nicht zu denjenigen, welche weinen, wenn man handeln soll, und sich damit belustigen daß sie ein Unglück beklagen, das sie zu erleichtern vermögen.

Sie stutzte ungefähr zehn Minuten lang ihre Stirne auf ihre eisigen Hände, erhob dann das Haupt und läutete ihren Kammerfrauen mit fester Hand und mit einer Geberde voll Thatkraft.

Ihr Entschluß war gefaßt.

»Ist Alles zu meiner Abreise vorbereitet?« fragte sie eine von ihren Frauen, welche eintraten.

»Ja, Frau Marquise, doch man dachte, die Frau Marquise würde nicht vor drei Stunden nach Bellières aufbrechen.«

»Was ich an Schmuck und Werthen habe, ist eingepackt?«

»Ja, Madame, aber wir pflegen dies in Paris zu lassen. Die Frau Marquise nimmt gewöhnlich ihre Juwelen nicht auf das Land mit.«

»Und dies Alles ist geordnet, sagt Ihr?«

»Im Cabinet der Frau Marquise.«

»Und die Goldschmiedsarbeiten?«, »In den Kisten.«

»Und das Silberzeug?«

»In dem großen eichenen Schrank.«

Die Marquise schwieg; dann sprach sie mit ruhiger Stimme:

»Man lasse meinen Goldschmied kommen.«

Die Kammerfrauen verschwanden, um den Befehl zu vollziehen.

Die Marquise war indessen in ihr Cabinet eingetreten und betrachtete ihre Etuis mit der größten Sorgfalt.

Nie hatte sie diesen Reichthümern, die den Stolz einer Frau bilden, eine solche Aufmerksamkeit geschenkt; stets hatte sie ihre Schmucksachen nur betrachtet, um sie nach ihrer Fassung oder ihrer Farbe auszuwählen. Heute bewunderte sie die Größe der Rubine und das Wasser der Diamanten; sie war trostlos über einen Fehler, einen Flecken; sie fand das Gold zu schwach und die Steine erbärmlich.

Der Goldschmied überraschte sie bei dieser Beschäftigung, als er ankam.

»Herr Faucheux,« sagte sie, »Ihr habt mir, glaube ich, meine Goldschmiedsarbeiten geliefert?«

»Ja, Frau Marquise.«

»Ich weiß nicht mehr, auf wie hoch sich die Rechnung belief.«

»Die neuen oder diejenigen, welche Euch Herr von Bellières bei der Hochzeit gab, Frau Marquise, denn ich habe beide geliefert?«

»Nun, zuerst die neuen?«

»Madame, die Wasserkannen, die Becher und die Platten mit ihrem Etuis, der Tafelaufsatz, die Bassins für Confituren und die Handfässer haben die Frau Marquise sechzig tausend Livres gekostet.«

»Mein Gott, nur so viel?«

»Madame fand meine Rechnung sehr hoch.«

»Es ist wahr! es ist wahr! ich erinnere mich, daß in der That die Arbeit theuer war, nicht so?«

»Ja, Madame, Gravirungen, Ciseluren, neue Formen.«

»Wie hoch beläuft sich die Arbeit bei dem Preis? Zögert nicht.«

»Ein Drittel vom Werth, Frau Marquise . . . Aber . . . «

»Wir haben noch den andern Service, den alten, dieser ist von meinem Gemahl.«

»Oh! Madame, daran ist weniger Arbeit, als bei dem, von welchem ich rede. Er hat dreißig tausend Livres inneren Werth.«

»Siebenzig tausend,« murmelte die Marquise. »Aber, Herr Faucheux, es ist noch das Silberzeug von meiner Mutter vorhanden; Ihr wißt, all das Massive, von dem ich mich des Andenkens wegen nicht trennen wollte.«

»Ah! Madame, das ist eine herrliche Hilfsquelle für Leute, denen es, wie der Frau Marquise, nicht frei stände, ihr Silbergeschirr zu behalten. Damals arbeitete man nicht so leicht, wie heut zu Tage. Man arbeitetet in den Silberstangen. Doch dieses Geschirr ist nicht mehr präsentabel, es wiegt aber . . . «

»Das ist Alles, was ich wissen wollte. Wie viel wiegt es?«

»Fünfzig tausend Livres, wenigstens. Ich spreche nicht von den zwei ungeheuren Prachtgefässen vom Schenktisch, die allein fünf tausend Livres Silber wiegen, das macht zehn tausend Franken für beide.«

»Hundert und dreißig tausend,« murmelte die Marquise. »Ihr seid hinsichtlich dieser Zahlen sicher, Herr Faucheux?«

»Gewiß. Uebrigens ist das nicht schwer abzuwägen.«

»Die Quantitäten sind in meinen Büchern eingeschrieben.«

»Oh! Ihr seid eine Dame von Ordnung, Frau Marquise.«

»Gehen wir zu etwas Anderem über,« sagte Frau von Bellières, und sie öffnete ein Etui.

 

»Ich erkenne diese Smaragde,« sagte der Juwelenhändler, »ich selbst habe sie fassen lassen; es sind die schönsten des Hofes; das heißt nein: die schönsten besitzt Frau von Chatillon, sie hat sie von Herrn von Guiche bekommen; doch die Eurigen, Madame, sind die zweiten.«

»Ihr Werth?«

»Mit der Fassung?«

»Nein; denkt, man wolle sie verkaufen.«

»Ich weiß wohl, wer sie kaufen würde!« rief Herr Faucheux.

»Das ist es gerade, was ich Euch frage. Man würde sie also kaufen?«

»Man würde Euch alle Eure Edelsteine abkaufen, Madame; man weiß, daß Ihr den schönsten Schmuck von Paris habt. Ihr gehört nicht zu den Frauen, welche wechseln; wenn Ihr kauft, so ist es etwas Schönes; wenn Ihr besitzt, so behaltet Ihr.«

»Man würde also für diese Smaragde bezahlen?«

»Hundert und dreißig tausend Livres.«

Die Marquise schrieb in ihre Tabletten die vom Goldschmied genannte Zahl.

»Dieses Halsband von Rubinen?« sagte sie,

»Balaß-Rubine?«

»Seht.«

»Sie sind schön, sie sind herrlich. Ich wußte nicht, daß Ihr diese Steine hattet, Madame.«

»Schätzt sie.«

»Zweimal hundert tausend Livres. Der in der Mitte ist allein hundert tausend werth.«

»Ja, ja, das dachte ich,« sprach die Marquise. »Die Diamanten, die Diamanten, oh! ich habe viele Ringe, Ketten, Gehänge, Spangen, Agraffen, Nestelstifte! Schätzt, Herr Faucheux, schätzt.«

Der Goldschmied nahm seine Loupe, seine Wagen, wog, beschaute und addirte ganz leise.

»Das sind Steine, die Madame vierzig tausend Livres Einkünfte kosten,« sagte er.

»Ihr schätzt sie also auf achtmal hundert tausend Livres?«

»So ungefähr.«

»Das dachte ich. Doch die Fassungen sind besonders.«

»Wie immer, Frau Marquise. Und wenn ich berufen wäre, um zu kaufen oder zu verkaufen, so würde ich mich für meinen Nutzen mit dem Gold dieser Fassungen allein begnügen; ich hätte noch gute fünf und zwanzig taufend Livres.«

»Das ist hübsch?«

»Ja, Madame, sehr hübsch.«

»Nehmt Ihr den Nutzen an, unter der Bedingung, die Steine zu baarem Geld zu machen?«

»Aber, Madame,« rief der Goldschmied ganz erschrocken, »ich denke, Ihr verkauft Eure Steine nicht?«

»Stille, Herr Faucheux, kümmert Euch nicht um das, gebt mir nur Antwort. Ihr seid ein ehrlicher Mann, Lieferant meines Hauses seit dreißig Jahren, Ihr habt meinen Vater und meine Mutter gekannt, die Euer Vater und Eure Mutter bedienten. Ich rede wie mit einem Freunde; nehmt Ihr die Fassungen gegen eine Baarsumme, die Ihr in meine Hände bezahlt?«

»Achtmal hundert tausend Livres! das ist ungeheuer!«

»Ich weiß es. Unmöglich zu finden?«

»Oh! nein.«

»Nun denn?«

»Aber, Frau Marquise, bedenkt doch, welches Aufsehen in der Welt der Verkauf Eurer Edelsteinen machen müßte.«

»Niemand würde es erfahren . . . Ihr laßt mir eben so viel falschen, dem Achten ähnlichen Schmuck machen. Keine Einwendung: ich will es. Verkauft im Einzelnen, verkauft nur die Steine.«

»Das ist leicht . . . Monsieur sucht Juwelen, ungefaßte Steine für die Toilette von Madame. Es findet Concurrenz statt. Leicht werde ich für sechsmal hundert tausend bei Monsieur anbringen. Ich bin fest überzeugt, daß Eure Steine die schönsten sind.«

»Wann dies?«

»Binnen drei Tagen.«

»Wohl denn! den Rest verkauft Ihr an Privatleute. Für jetzt setzt mir einen Kaufvertrag auf . . . Zahlung binnen vier Tagen.«

»Frau Marquise, ich beschwöre Euch, bedenkt . . . Ihr verliert hundert tausend Livres, wenn Ihr mit solcher Eile zu Werke geht.«

»Ich werde zweimal hundert tausend verlieren, wenn es sein muß. Ich will, daß Alles diesen Abend abgemacht ist. Nehmt Ihr den Vorschlag an?«

»Ich nehme ihn an, Frau Marquise, und verhehle nicht, daß ich fünf tausend Pistolen dabei gewinne.«

»Desto besser. Wie werde ich das Geld bekommen?«

»In Gold oder in Billets von der Banque von Lyon, zahlbar bei Herrn Colbert.«

»Einverstanden,« sagte die Marquise lebhaft; »kehrt nach Hanse zurück und bringt mir rasch die Summen in Billets. Hört Ihr?«

»Ja, Madame; doch ich bitte . . . «

»Kein Wort mehr, Herr Faucheux. Ah! ich vergaß das Silberzeug . . . für wie viel habe ich?«

»Für fünfzig tausend Livres.«

»Das ist eine Million,« sagte die Marquise zu sich selbst, »Herr Faucheux, Ihr werdet auch Gold- und Silbergeschirr mitnehmen. Ich schütze eine Umschmelzung nach Modellen vor, die mehr meinem Geschmack entsprechen. Schmelzt ein, sage ich, und »setzt mir . . . auf der Stelle den Werth in Gold.«

»Gut, Frau Marquise.«

»Ihr packt dieses Gold in eine Kiste; laßt es von einem Eurer Commis begleiten, ohne daß meine Leute es sehen, wird mich dieser Commis in einem Wagen erwarten.«

»In dem von Madame Faucheux?« fragte der Goldschmied.

»Wenn Ihr wollt, werde ich ihn bei Euch abholen.«

»Ja, Frau Marquise.«

»Nehmt drei von meinen Leuten, um das Silberzeug in Euer Haus zu tragen.«

»Ja. Madame.«

Die Marquise läutete.

»Den Fourgon zur Verfügung von Herrn Faucheux,« sagte sie.

Der Goldschmied verbeugte sich und trat ab; befahl dabei aber, daß man den Fourgon ihm nachschicke, und äußerte, die Marquise lasse ihr Tafelgeschirr einschmelzen, um neueres zu bekommen.

Drei Stunden nachher begab sich die Marquise zu Herrn Faucheux und empfing von ihm achtmalhundert tausend Livres in Billets von der Banque von Lyon und zweimalhundert und fünfzigtausend Livres in Gold, die in einer Kiste enthalten waren, welche ein Commis nur mit Mühe bis zum Wagen von Madame Faucheux trug.

Denn Madame Faucheux besaß eine Kutsche. Tochter eines Präsidenten der Rechnungskammer, hatte sie ihrem Mann, der Zunftmeister der Goldschmiede war, dreißig tausend Thaler mitgebracht. Diese dreißig tausend Thaler hatten in zwanzig Jahren Früchte getragen. Der Goldschmied war Millionär und bescheiden. Er hatte einen ehrwürdigen Wagen, fabricirt im Jahr 1648, zehn Jahre nach der Geburt des Königs, angekauft. Dieser Wagen oder vielmehr dieses rollende Haus bildete einen Gegenstand der Bewunderung vom ganzen Quartier; er war mit allegorischen Gemälden und mit Wolken, besät mit goldenen und silbernen Sternen, bedeckt.

In diese etwas groteske Equipage setzte sich die edle Frau, dem Commis gegenüber, der aus Furcht, das Kleid der Marquise zu streifen, seine Kniee zurückzog.

Derselbe Commis sagte zu dem Kutscher, der stolz darauf war, eine Marquise zu führen:

»Straße nach Saint-Mandé.«