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Der Graf von Bragelonne

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X.
Die Mitgift

Die Pferde von Herrn Faucheux waren ehrliche Pferde vom Perche mit dicken Knieen und etwas angeschwollenen Beinen. Wie der Wagen datirten sie aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts.

Sie liefen also nicht wie die englischen Pferde von Herrn Fouquet.

Sie brauchten zwei Stunden bis Saint-Mandé.

Man darf wohl sagen, daß sie majestätisch marschirten.

Die Majestät schließt die Bewegung aus.

Die Marquise hielt vor einer ihr wohlbekannten Thüre an, obgleich sie dieselbe nur einmal, und zwar, wie man sich erinnert, unter Umständen, die nicht minder peinlich, als die, welche sie jetzt dahin führten, gesehen hatte.

Sie zog aus ihrer Tasche einen Schlüssel, steckte ihn mit ihrer kleinen Hand in das Schloß, drückte die Thüre auf, welche ohne Geräusch wich, und gab dem Commis Befehl, das Kistchen in den ersten Stock hinaufzutragen.

Aber das Kistchen war so schwer, daß der Commis sich genöthigt sah, sich vom Kutscher helfen zu lassen.

Das Kistchen wurde in dem kleinen Cabinet, in dem Vorzimmer oder vielmehr Boudoir niedergestellt, das an den Salon stieß wo wir Herrn Fouquet zu den Füßen der Marquise gesehen haben.

Frau von Bellières spendete dem Kutscher einen Louisd’or, dem Commis ein reizendes Lächeln und entließ Beide.

Hinter ihnen schloß sie die Thüre und wartete so allein und verschanzt.

Kein Diener erschien im Zimmer.

Doch Alles war vorbereitet, als ob ein unsichtbarer Genius die Bedürfnisse und Wünsche des Gastes oder vielmehr der Gästin, welche erwartet wurde, errathen hätte.

Das Feuer zugerichtet, die Kerzen auf den Kandelabern, die Erfrischungen auf der Etagère, die Bücher auf den Tischen, die frischen Blumen in den japanesischen Vasen.

Man hätte glauben sollen, es wäre ein bezaubertes Haus.

Die Marquise zündete die Kandelaber an, athmete den Duft der Blumen ein, setzte sich und versank bald in eine tiefe Träumerei.

Doch diese ganz schwermüthige Träumerei war mit einer gewissen Süßigkeit erfüllt.

Sie sah vor sich einen Schatz in diesem Zimmer ausgebreitet. Eine Million, die sie von ihrem Vermögen abgerissen hatte, wie die Schnitterin eine Kornblume aus ihrem Kranze reißt.

Sie schmiedete sich die süßesten Träume.

Sie dachte besonders und vor Allem an ein Mittel, das Geld Herrn Fouquet zu lassen, ohne daß er wissen könnte, woher die Gabe käme. Dieses Mittel war dasjenige, welches auf eine natürliche Weise sich zuerst ihrem Geiste darbot.

Aber obgleich ihr die Sache, während sie darüber nachdachte, schwierig vorgekommen war, verzweifelte sie doch nicht, ihr Ziel zu erreichen.

Sie wollte läuten, um Herrn Fouquet herbeizurufen, und dann glücklicher entfliehen, als wenn sie, statt eine Million zu geben, selbst eine Million gesunden hätte.

Seitdem sie aber hierher gekommen war, seitdem sie dieses Boudoir gesehen, das so zierlich, als hätte eine Kammerfrau den Staub bis auf das’ letzte Atom weggewischt, als sie diesen Salon gesehen, der so wohlgehalten, daß man hätte glauben können, sie habe die Feen, die ihn bewohnten, daraus vertrieben, fragte sie sich, ob nicht schon die Blicke von denjenigen, welche sie verjagt, Feen, Genien, Kobolde oder menschliche Geschöpfe, sie erkannt haben.

Dann würde Fouquet Alles erfahren; was er nicht erfahren würde, müßte er errathen; Fouquet würde sich weigern, als Geschenk das anzunehmen, was er vielleicht unter dem Titel eines Anlehens angenommen hätte, und so geleitet würde das Unternehmen den Zweck, wie das Resultat verfehlen.

Der letzte Schritt mußte also, um zu gelingen, ernstlich gethan werden. Der Oberintendant mußte die ganze Schwierigkeit seiner Lage einsehen, um sich der großmüthigen Laune einer Frau zu unterwerfen; es bedurfte endlich, um ihn zu überzeugen, des ganzen Zaubers einer beredten Freundschaft und, wenn dies nicht genügte, der ganzen Berauschung einer glühenden Liebe, die nichts von ihrem unbegrenzten Verlangen, zu überzeugen, abwendig machen könnte.

War der Oberintendant nicht wirklich als ein Mann voll Zartgefühl und Würde bekannt? Würde er sich mit der Verlassenschaft eines Weibes beladen? Nein, er würde kämpfen; und wenn eine Stimme in der Welt seinen Widerstand besiegen konnte, so war es die Stimme der Frau, die er liebte.

Nur durchzog ein anderer Zweifel, ein grausamer Zweifel mit dem Schmerz und der scharfen Kälte eines Dolches das Herz der Marquise.

Liebte er?

Würde sich dieser leichte Geist, dieses flüchtige Herz entschließen, einen Augenblick stille zu halten, und wäre es auch, um einen Engel anzuschauen?

War es nicht bei Fouquet trotz seines Genies, trotz seiner Redlichkeit wie bei jenen Eroberern, welche Thränen auf dem Schlachtfeld vergießen, wenn sie den Sieg davon getragen haben?

»Nun wohl, hierüber muß ich mir Aufklärung verschaffen, hierüber muß ich urtheilen,« sagte die Marquise. »Wer weiß, ob dieses so sehr begehrte Herz nicht ein gewöhnliches Herz voll Legirung ist, wer weiß, ob es sich, wenn ich den Probirstein anwende, nicht findet, daß dieser Geist ein trivialer, ein niedriger ist.

»Ah! ah!« rief sie, »das ist zu viel Zweifel, zu viel Zögern . . . der Beweis! der Beweis!«

Sie schaute nach der Pendeluhr.

»Sieben Uhr . . . er muß angekommen sein, es ist die Stunde der Unterschriften. Auf!«

Und sie erhob sich, ging auf den Spiegel zu, in dem sie sich mit dem energischen Lächeln der aufopfernden Hingebung anlächelte, ließ die Feder spielen und zog den Knopf der Glocke.

Dann wie zum Voraus erschöpft durch den Kampf, den sie beginnen wollte, kniete sie ganz verwirrt vor einem großen Lehnstuhl nieder, auf dem sich ihr Kopf in ihren zitternden Händen begrub.

Nach zehn Minuten hörte sie die Feder der Thüre knirschen.

Die Thüre drehte sich auf ihren unsichtbaren Angeln.

Fouquet erschien.

Er war bleich und gebeugt unter dem Gewicht eines bitteren Gedanken.

Er lies nicht herbei, er kam nur.

Was sein Inneres so sehr beschäftigte, mußte mächtig sein, daß dieser Mann des Vergnügens, für den das Vergnügen Alles war, so langsam auf einen solchen Ruf erschien.

In der That, fruchtbar an schmerzlichen Träumen, hatte die Nacht sein gewöhnlich so edel sorgloses Gesicht abgemagert, um seine Augen schwarzblaue Ringe gezogen.

Er war immer noch schön, immer noch edel, und der schwermüthige Ausdruck seines Mundes, ein beim Mann so seltener Ausdruck, verlieh seiner Physiognomie einen neuen Charakter, der sie verjüngtes

Schwarz gekleidet, die Brust aufgeschwollen von Spitzen, die seine unruhige Hand verwüstet hatte, blieb der Oberintendant, das Auge voll Träumerei, auf der Schwelle des Zimmers stehen, wo er so oft das erwartete Glück aufgesucht.

Diese düstere Sanftheit, diese lächelnde Traurigkeit, welche die Stelle der Begeisterung der Freude einnahmen, machten auf Frau von Bellières, die ihn von fern anschaute, einen unbeschreiblichen Eindruck,

Das Auge einer Frau weiß den ganzen Stolz oder das ganze Leiden in den Zügen des Mannes zu lesen, den sie liebt; man sollte glauben, in Betracht ihrer Schwäche habe Gott den Frauen mehr bewilligen wollen, als er andern Geschöpfen bewilligt.

Sie können ihre Gefühle vor dem Mann verbergen; der Mann kann die seinigen nicht verbergen.

Die Marquise errieth mit einem Blick das ganze Unglück des Oberintendanten.

Sie errieth eine schlaflos zugebrachte Nacht.

Einen Tag in Täuschungen hingebracht.

Fortan war sie stark, sie fühlte, daß sie Fouquet über Alles liebte.

Sie stand auf, näherte sich ihm und sprach:

»Ihr habt mir diesen Morgen geschrieben, Ihr fanget an mich zu vergessen, und ich, die Ihr nicht wiedergesehen, habe wohl aufgehört, an Euch zu denken. Ich komme, um Euch Lügen zu strafen mein Herr, und dies um so sicherer, als ich in Euren Augen Eines lese.«

»Was?« fragte Fouquet erstaunt.

»Daß Ihr mich nie so sehr geliebt habt, als zu dieser Stunde, und wie Ihr aus meinem Schritte ersehen müßt, daß ich Euch nicht vergessen habe.«

»Oh! Ihr, Marquise,« erwiederte Fouquet, dessen edles Antlitz ein Blitz der Freude einen Augenblick erleuchtete, »Ihr seid ein Engel, und die Menschen sind nicht berechtigt, an Euch zu zweifeln! Sie haben also nur sich zu demüthigen und um Gnade zu bitten.«

»Es sei Euch Gnade bewilligt.«

Fouquet wollte sich auf die Kniee werfen.

»Nein,« sprach sie, »setzt Euch an meine Seite. Ah! nun durchzieht ein schlimmer Gedanke Euren Geist!«

»Woran seht Ihr das, Madame?«

»Au Eurem Lächeln, das Eure ganze Physiognomie verdorben hat. Sprecht, woran denkt Ihr? Sagt es offenherzig, keine Geheimnisse unter Freunden!«

»Nun wohl, Madame, so sagt mir, warum drei bis vier Monate diese Strenge?«

»Diese Strenge?«

»Ja, habt Ihr mir nicht verboten, Euch zu besuchen?«

»Ah! mein Freund,« erwiederte Frau von Bellières mit einem tiefen Seufzer, »weil Euer Besuch in meinem Hause ein großes Unglück für Euch verursacht hat, weil man mein Haus überwacht, weil dieselben Augen, die Euch gesehen haben. Euch abermals sehen könnten, weil ich es weniger gefährlich für Euch finde, wenn ich hierher komme, als wenn Ihr zu mir kommt, weil ich Euch endlich unglücklich genug finde, um nicht Euer Unglück noch vermehren zu wollen.«

Fouquet bebte.

Diese Worte mahnten ihn an die Sorgen der Oberintendanz, ihn, der sich einige Minuten nur an die Hoffnungen des Liebenden erinnerte.

»Unglücklich, ich?« sagte er, indem er zu lächeln suchte; »in der That, Madame, Ihr würdet mich das mit Eurer Traurigkeit glauben machen. Werden denn die schönen Augen nur zu mir aufgeschlagen, um mich zu beklagen? oh! ich erwarte von ihnen ein anderes Gefühl.«

»Ich bin nicht traurig, mein Herr, schaut in diesen Spiegel, Ihr seid es.«

»Marquise, es ist wahr, ich bin ein wenig bleich, doch das rührt vom Uebermaß der Arbeit her; der König hat gestern Geld von mir verlangt.«

 

»Ja, vier Millionen, ich weiß es.«

»Ihr wißt es!« rief Fouquet erstaunt. »Und woher wißt Ihr es? erst beim Spiel, nach dem Abgang der Königinnen und in Gegenwart einer einzigen Person hat der König . . . «

»Ihr seht, daß ich es weiß, das genügt, nicht wahr? Fahrt also fort, mein Freund: das Geld, das der König von Euch verlangt hat?«

»Ihr begreift, Marquise, man mußte es sich verschaffen, dann zählen, dann einregistriren lassen, und das dauert lange. Seit dem Tode von Herrn Mazarin ist der Dienst der Finanzen ein wenig anstrengend und beschwerlich. Meine Verwaltung ist überbürdet, deshalb habe ich diese Nacht gewacht.«

»Ihr habt also die Summe?« fragte unruhig die Marquise.

»Marquise,« erwiederte Fouquet heiter, »es wäre schön anzuschauen, wenn der Oberintendant der Finanzen nicht armselige vier Millionen in seiner Kasse hätte.«

»Ja, ich glaube, daß Ihr sie habt, oder daß Ihr sie haben werdet.«

»Wie, daß ich sie haben werde?«

»Es ist wohl nicht lange her, daß man zwei von Euch verlangt hat.«

»Mir scheint es im Gegentheil ein Jahrhundert zu sein, Marquise; doch sprechen wir nicht mehr von Geld, wenn es Euch beliebt.«

»Im Gegentheil, sprechen wir davon, mein Freund.«

»Oh!«

»Hört, ich bin nun deshalb gekommen.«

»Aber was meint Ihr denn damit?« fragte der Oberintendant, dessen Augen eine unruhige Neugierde ausdrückten.

»Mein Herr, die Oberintendanz ist eine unwiderrufliche Stelle.«

»Marquise!«

»Ihr seht, daß ich Euch antworte, und zwar offenherzig.«

»Marquise, Ihr setzt mich in Erstaunen, Ihr sprecht mit mir wie ein Commanditär.«

»Das ist einfach: ich will Geld bei Euch anlegen, und wünsche natürlich zu wissen, ob Ihr sicher seid.«

»In der That, Madame, ich bin ganz verwirrt, und weiß nicht mehr, worauf Ihr abzielt.«

»Im Ernste gesprochen, mein lieber Herr Fouquet, ich habe einige Fonds, die mich in Verlegenheit setzen. Ich bin müde, Güter zu kaufen, und möchte gern einen Freund mit dem Umtreiben meines Geldes beauftragen.«

»Das hat aber wohl keine Eile?«

»Im Gegentheil, es hat große Eile.«

»Nun wohl, wir werden später davon sprechen.«

»Nein, nicht später, denn mein Geld ist hier.«

Die Marquise zeigte dem Oberintendanten das Kistchen, öffnete es, und ließ ihn ein Bündel Billets und eine Masse Gold sehen.

Fouquet war zugleich mit Frau von Bellières aufgestanden. Er blieb einen Augenblick nachdenkend, dann wich er plötzlich zurück, erbleichte und sank, sein Gesicht in seinen Händen verbergend, auf einen Stuhl.

»Oh! Marquise! Marquise!« murmelte er.

»Nun!«

»Welche Meinung habt Ihr denn von mir, daß Ihr mir ein solches Anerbieten macht?«

»Von Euch?«

»Allerdings.«

»Aber was denkt Ihr denn selbst?«

»Dieses Geld, Ihr bringt es mir für mich; Ihr bringt es mir, weil Ihr wißt, daß ich in Verlegenheit bin. Oh! leugnet es nicht. Ich errathe. Kenne ich nicht Euer Herz?«

»Nun, wenn Ihr mein Herz kennt, so seht Ihr, daß es mein Herz ist, was ich Euch biete.«

»Ich habe also errathen!« rief Fouquet. »Oh! Madame, ich habe Euch wahrhaftig nicht das Recht gegeben, mich so zu beleidigen.«

»Euch beleidigen!« rief Frau von Bellières erbleichend. »Seltsames menschliches Zartgefühl! Ihr liebt mich, wie Ihr mir gesagt habt? Ihr habt im Namen dieser Liebe meinen Ruf, meine Ehre von mir verlangt? Und wenn ich Euch mein Geld anbiete, schlagt Ihr es aus?«

»Marquise, Marquise, es stand Euch frei, das zu behalten, was Ihr Euren Ruf, Eure Ehre nennt. Laßt mir die Freiheit, meine Ehre zu bewahren. Ueberlaßt es mir, mich zu Grunde zu richten, laßt mich unter der Bürde des Hasses, der mich umgibt, unter der Bürde der Fehler, die ich begangen habe, unter der Bürde meiner Gewissensbisse sogar erliegen; aber in des Himmels Namen, Marquise, schmettert mich nicht unter diesem letzten Schlag nieder.«

»Vorhin hat es Euch an Geist gefehlt, Herr Fouquet.«

»Es ist möglich, Madame.«

»Und nun fehlt es Euch an Herz.«

Fouquet preßte mit seiner krampfhaften Hand seine keuchende Brust zusammen und sprach:

»Ueberhäuft mich mit Vorwürfen, ich weiß nichts zu erwiedern.«

»Ich hatte Euch meine Freundschaft angeboten, Herr Fouquet.«

»Ja, Madame, doch Ihr habt Euch hierauf beschränkt.«

»Ist das, was ich thue, das Benehmen einer Freundin?«

»Gewiß.«

»Und Ihr schlagt diesen Beweis meiner Freundschaft aus?«

»Ich schlage ihn aus.«

»Schaut mich an, Herr Fouquet.«

Die Augen der Marquise funkelten.

»Ich biete Euch meine Liebe an.«

»Oh! Madame!« rief Fouquet.

»Ich liebe Euch seit langer Zeit, hört Ihr? die Frauen haben wie die Männer ihr falsches Zartgefühl. Seit langer Zeit liebe ich Euch, aber ich wollte es Euch nicht sagen.«

»Oh!« machte Fouquet die Hände faltend.

»Nun! ich sage es Euch. Ihr habt mich auf den Knieen um diese Liebe gebeten, ich habe sie Euch verweigert; ich war blind, wie Ihr es vorhin waret. Meine Liebe, ich biete sie Euch.«

»Ja, Eure Liebe, doch nur Eure Liebe.«

»Meine Liebe, meine Person, mein Leben . . . Alles, Alles, Alles!«

»Oh! mein Gott!« rief Fouquet geblendet.

»Wollt Ihr meine Liebe?«

»Oh! Ihr beugt mich unter der Last meines Glückes nieder.«

»Sprecht, sprecht, werdet Ihr glücklich sein, wenn ich Euch gehöre, ganz Euch?«

»Das ist die höchste Glückseligkeit!«

»Dann nehmt mich. Wenn ich Euch aber ein Vorurtheil opfere, so opfert mir eine Bedenklichkeit.«

»Madame, führt mich nicht in Versuchung.«

»Mein Freund, mein Freund, weiset mich nicht zurück.«

»Gebt wohl Acht, was Ihr mir anbietet.«

»Fouquet, ein Wort . . . Nein . . . und ich öffne diese Thüre.«

Sie deutete auf die, welche nach der Straße führte.

»Und Ihr werdet mich nicht mehr sehen. Ein anderes Wort . . . Ja, und ich folge Euch, wohin Ihr wollt, mit geschlossenen Augen, wehrlos, ohne Weigerung, ohne Gewissensbisse.«

»Elise . . . Elise . . . Aber dieses Kistchen . . . «

»Ist meine Mitgift.«

»Ist Euer Ruin!« rief Fouquet, das Gold und die Papiere umstoßend; »hier liegt eine Million.«

»Ganz richtig . . . meine Edelsteine, die mich nichts mehr nützen werden, wenn Ihr mich liebt, wie ich. Euch liebe.«

»Oh! das ist zu viel! das ist zu viel!« rief Fouquet; »ich gebe nach, ich gebe nach, und wäre es nur, um eine solche Hingebung zu segnen. Ich nehme die Mitgift an.«

»Und hier ist das Weib,« sprach die Marquise. Und sie warf sich in seine Arme.

XI.
Der Grund Gottes

Während dieser Zeit reisten Buckingham und Wardes als gute Gefährten und in vollkommener Eintracht von Paris nach Calais.

Buckingham hatte seine Abschiedsbesuche beschleunigt und die Mehrzahl derselben kurz abgemacht.

Die Besuche bei Monsieur und Madame, bei der jungen Königin und der Königin Witwe waren collectiv gewesen.

Eine Vorsicht der Königin Mutter, die ihm den Schmerz ersparte, noch mit Monsieur allein zu sprechen, der ihm die Gefahr ersparte, Madame wiederzusehen.

Buckingham umarmte Guiche und Raoul; er versicherte den Ersten seiner ganzen Werthschätzung, den Zweiten einer beständigen Freundschaft, bestimmt, alle Hindernisse zu besiegen und sich weder durch die Entfernung, noch durch die Zeit erschüttern zu lassen.

Die Fourgons waren vorausgegangen; er reiste am Abend im Wagen mit seinen Leibdienern ab.

Ganz bedrückt, daß er so gleichsam im Schlepptau von diesem Engländer fortgeführt werden sollte, hatte Wardes in seinem scharfen Geist alle Mittel gesucht, um dieser Kette zu entgehen, aber keines kam ihm zu Hilfe, und er war genöthigt, die Strafe für seinen schlimmen Geist und sein hämisches Wesen zu erleiden.

Diejenigen, welchen er sich als geistreichen Leuten hätte eröffnen können, würden ihn wegen der Ueberlegenheit des Herzogs verspottet haben.

Die Anderen, schwerfällige, aber verständige Geister, hätten ihm die Edicte des Königs, die das Duell verboten, angeführt.

Wieder Andere endlich, und diese waren die zahlreichsten, die ihm aus christlicher Nächstenliebe oder aus nationaler Eitelkeit Beistand geleistet hätten, wollten sich doch nicht einer Ungnade aussetzen und dürsten höchstens die Minister von einer Abreise benachrichtigt haben, die in eine Metzelei ausarten konnte.

Dadurch erfolgte, daß Wardes, Alles wohl erwogen, seinen Mantelsack schnürte, zwei Pferde nahm, und gefolgt von einem einzigen Lackei nach der Barriere ritt, wo ihn Buckingham abholen sollte.

Der Herzog empfing seinen Gegner, als wäre er der liebenswürdigste Bekannte, machte Platz, um ihn sitzen zu lassen, bot ihm Zuckerwerk und breitete seinen Mantel von Zobelpelz, der auf dem Vordersitze lag, über ihm aus.

Dann plauderte man:

Vom Hof, ohne von Madame zu sprechen;

Von Monsieur, ohne von seiner Ehe zu sprechen;

Vom König, ohne von seiner Schwägerin zu sprechen;

Von der Königin Mutter, ohne von ihrer Schwiegertochter zu sprechen;

Vom König von England, ohne von seiner Schwester zu sprechen;

Von dem Herzenszustand von jedem von den Reisenden, ohne einen gefährlichen Namen zu nennen.

Die Fahrt, welche in kleinen Tagereisen gemacht wurde, war auch reizend.

Buckingham, ein wahrer Franzose dem Geist und der Erziehung nach, war entzückt, seinen Gefährten so gut gewählt zu haben.

Gute Mahle, nur mit dem Ende der Zähne berührt, Probiren von Pferden auf den Wiesen, welche die Straße durchschnitt, Hasenjagden, denn Buckingham hatte seine Windhunde bei sich, das war die Verwendung der Zeit.

Buckingham glich ein wenig dem schönen Seinefluß, der in seinen verliebten Krümmungen Frankreich tausendmal umarmt, ehe er sich entschließt, in den Ocean auszumünden.

Indem er aber Frankreich verließ, war es hauptsächlich die neue Französin, die er nach Paris gebracht, was Buckingham beklagte; er hatte nicht einen Gedanken, der nicht eine Erinnerung und folglich ein Bedauern war.

Wenn er sich zuweilen, trotz seiner Selbstbeherrschung, in seine Gedanken versenkte, überließ ihn auch Wardes ganz seinen Träumereien.

Dieses Zartgefühl würde Buckingham sicherlich gerührt und seine Stimmung in Beziehung auf Wardes geändert haben, hätte dieser, während er schwieg, ein minder boshaftes Auge und ein minder falsches Lächeln gehabt.

Aber der Haß aus Instinct ist unbeugsam; nichts löscht ihn; ein wenig Asche bedeckt ihn zuweilen, doch unter dieser Asche brütet er sich nur wüthender aus.

Nachdem man alle Zerstreuungen, die der Weg bot, erschöpft hatte, kam man, wie gesagt, nach Calais.

Dies geschah gegen das Ende des sechsten Tages.

Schon am Tage vorher hatten die Leute des Herzogs eine Barke gemiethet, welche sich zu der kleinen Yacht begeben sollte, die im Angesicht lavirte oder, wenn sie ihre weißen Flügel zu müde fühlte, zwei bis drei Kanonenschüsse vom Hafendamme vor Anker ging.

Diese Barke war bestimmt, hin und herfahrend alle Equipagen des Herzogs an Bord zu bringen.

Die Pferde waren eingeschifft worden, man hißte sie von der Barke auf das Verdeck des Schiffes in Körben, die man besonders hierzu gemacht und so ausgefüttert hatte, daß ihre Glieder, selbst bei den heftigsten Krisen des Schreckens oder der Ungeduld, die weiche Stütze der Wände nicht verließen, und daß ihre Haare nicht einmal aufgestrichen wurden.

Acht von diesen Körben füllten neben einander gestellt den Raum. Man weiß, daß während der kurzen Fahrten die zitternden Pferde nichts fressen und in Gegenwart des besten Futters, nach dem sie auf dem Lande sehr lüstern gewesen wären, beben.

Allmählich wurde die ganze Equipage des Herzogs an Bord der Yacht gebracht? dann kamen seine Leute zurück und meldeten, Alles sei bereit, und wenn er sich mit dem französischen Herrn einschiffen wolle, so warte man nur noch auf sie.

Denn Niemand vermuthete, der französische Edelmann könnte mit Mylord Herzog etwas Anderes abzumachen haben, als Freundschaftsrechnungen.

Buckingham ließ dem Patron der Yacht antworten, er habe sich bereit zu halten, da aber das Wetter schön sei, da der Tag einen herrlichen Sonnenuntergang verspreche, so gedenke er sich erst in der Nacht einzuschiffen und den Abend zu einem Spaziergang auf dem Gestade zu benützen.

Ueberdies, fügte er bei, da er sich in vortrefflicher Gesellschaft befinde, so dränge es ihn nicht im Mindesten, sich einzuschiffen.

Indem er dies sagte, zeigte er den Leuten, die ihn umgaben, das prachtvolle Schauspiel des am Horizont mit Purpur übergossenen Himmels und eines Amphitheaters von flockenartigen Wolken, die von der Sonnenscheibe zum Zenith aufstiegen und dabei die Formen einer Kette von Bergen mit auf einander gehäuften Gipfeln annahmen.

 

Dieses ganze Amphitheater war an seiner Base mit einer Art von blutigem Gischt gefärbt, der in Tinten von Opal und Perlmutter verschmolz, je mehr der Blick von der Base zu der Höhe aufstieg. Das Meer färbte sich seinerseits mit demselben Reflex und auf jedem Gipfel einer blauen Welle tanzte ein leuchtender Punkt wie ein dem Widerschein einer Lampe ausgesetzter Rubin.

Ein warmer Abend, salzige Düfte, den träumerischen Phantasien so lieb, ein kräftiger, in harmonischen Stößen wehender Ostwind, dann in der Ferne die Yacht mit ihrem schwarzen Profil, mit ihrem durchbrochenen Takelwerk auf dem purpurrothen Grunde des Himmels und da und dort am Horizont lateinische Segel, gebückt unter dem Azur wie der Flügel einer Meve, wenn sie niedertaucht.

Dieses Schauspiel war in der That wohl werth, daß man es bewunderte.

Die Menge der Neugierigen folgte den goldbetreßten Bedienten, unter denen sie, als sie den Intendanten, und den Secretaire sah, den Herrn und seinen Freund zu sehen glaubte.

Was Buckingham betrifft, der einfach in ein Wamms von grauem Atlaß und einen Ueberwurf von veilchenblauem Sammet gekleidet war, den Hut auf den Augen hatte und weder Orden, noch Stickereien trug, so wurde er ebenso wenig bemerkt, als Wardes, der schwarz wie ein Anwalt angethan.

Die Leute des Herzogs hatten den Befehl, eine Barke am Hasendamm bereit zu halten und das Einschiffen ihres Herrn zu überwachen, ohne jedoch zu ihm zu kommen, ehe er oder sein Freund rufen würde.

»Was sie auch sehen möchten,« fügte er bei, indem er auf diese Worte einen solchen Nachdruck legte, daß sie begriffen wurden.

Nachdem er ein paar Schritte auf dem Sand gethan hatte, sagte Buckingham zu Wardes:

»Mein Herr, ich glaube, daß wir von einander Abschied nehmen müssen. Ihr seht, die See steigt; in zehn Minuten wird sie den Sand, auf dem wir gehen, dergestalt durchnäßt haben, daß wir außer Stand sind, den Boden zu fühlen.«

»Mylord, ich bin zu Euren Befehlen, doch . . . «

»Doch wir sind noch auf dem Grund des Königs, nicht wahr?«

»Ja.«

»Nun, so kommt; es ist dort, wie Ihr seht, eine Art von Insel, umgeben von einer kreisförmigen Lache. Die Lache nimmt zu und die Insel verschwindet von Minute zu Minute immer mehr. Diese Insel gehört wohl Gott, denn sie liegt zwischen zwei Meeren und der König hat sie nicht auf seinen Karten. Seht Ihr sie?«

»Ich sehe sie. Wir können sie jetzt kaum erreichen, ohne uns die Füße zu benetzen.«

»Ja, aber bemerkt wohl, daß sie einen ziemlich hohen Punkt bildet, und daß das Meer auf jeder Seite steigt, ohne ihren Gipfel zu erreichen. Daraus geht hervor, daß wir auf diesem kleinen Theater vortrefflich sein werden. Was haltet Ihr davon?«

»Ich werde überall gut sein, wo mein Degen die Ehre haben wird, dem Eurigen zu begegnen, Mylord.«

»Vorwärts also! Ich bin in Verzweiflung, daß ich Euch die Füße naß mache, Herr von Wardes, doch es ist, wie ich glaube, nothwendig, damit Ihr dem König sagen könnt: »»Sire, ich habe mich nicht auf dem Boden Eure Majestät geschlagen,«« Das ist zwar ein wenig spitzfindig, aber von Port Royal an schwimmt Ihr in den Spitzfindigkeiten. Oh! beklagen wir uns nicht, das gibt Euch einen reizenden Witz, der nicht Euch Anderen gehört. Wenn es Euch genehm ist, wollen wir uns beeilen, Herr von Wardes, denn seht, das Meer steigt und die Nacht kommt.«

»Wenn ich nicht rascher marschirte, so geschah es nur, um nicht vor Eurer Herrlichkeit zu gehen. Seid Ihr noch trockenen Fußes, Herr Herzog?«

»Ja, bis jetzt. Schaut doch dorthin; meine Bursche haben bange, uns ertrinken zu sehen, und kreuzen mit dem Nachen. Seht doch, wie sie auf der Spitze der Wellen tanzen! Das ist vortrefflich, doch ich bekäme darüber die Seekrankheit. Wollt Ihr mir wohl erlauben, ihnen den Rücken zuzuwenden?«

»Ihr werdet bemerken, daß Ihr, indem Ihr ihnen den Rücken zuwendet, die Sonne im Gesichte habt, Mylord?«

»Oh! sie ist zu dieser Stunde sehr schwach und wird bald verschwunden sein; kümmert Euch also nicht darum.«

»Wie Ihr wollt, Mylord; was ich darüber sagte, sagte ich aus Zartgefühl.«

»Ich weiß es, Herr von Wardes, und schätze Eure Bemerkung. Wollen wir unsere Wämmser ablegen?«

»Bestimmt, Mylord.«

»Es ist bequemer.«

»Dann bin ich ganz bereit.«

»Sagt mir ohne Umstände, Herr von Wardes, ob Ihr Euch auf dem durchnäßten Sande übel fühlt, oder ob Ihr Euch noch ein Wenig zu sehr auf französischem Gebiete glaubt? Wir werden uns in England oder auf meiner Yacht schlagen.«

»Wir sind hier sehr gut, Mylord; nur muß ich die Ehre haben, Euch zu bemerken, daß uns, da die See steigt, kaum noch die erforderliche Zeit bleibt.«

Buckingham machte ein Zeichen der Beipflichtung, zog sein Wamms aus und warf es auf den Sand.

Wardes that dasselbe.

Weiß wie zwei Gespenster für diejenigen, welche sie vom Gestade aus sahen, hoben sich die zwei Körper von dem blaurothen Schatten ab, der vom Himmel herabstieg.

»Meiner Treue, Herr Herzog, wir können kaum ausfallen,« sagte Wardes. »Fühlt Ihr, wie unsere Füße im Sande festhalten?«

»Ich bin bis an den Knöchel eingesunken, abgesehen davon, daß uns nun das Wasser erreicht,« erwiederte Buckingham.

»Es hat mich schon erreicht. Wann Ihr wollt, Herr Herzog.«

Wardes nahm den Degen in die Hand.

Der Herzog ahmte ihn nach.

»Herr von Wardes,« sagte nun Buckingham, »noch ein letztes Wort, wenn es Euch beliebt . . . Ich schlage mich mit Euch, weil ich Euch nicht liebe, weil Ihr mir das Herz zerrissen habt, indem Ihr über eine gewisse Leidenschaft spottetet, die ich hege, die ich in diesem Augenblick zugestehe und für welchen sterben ich sehr glücklich sein werde. Ihr seid ein boshafter Mensch, Herr von Wardes, und ich will Allem aufbieten, um Euch zu tödten, denn ich fühle es, wenn Ihr nicht heute durch meine Hand sterbt, so werdet Ihr In Zukunft meinen Freunden viel Böses zufügen. Das ist es, was ich Euch zu sagen hatte,« fügte Buckingham bei.

Und er verbeugte sich.

»Und ich, Mylord, habe Euch hierauf zu antworten:

»Ich haßte Euch nicht; doch nun, da Ihr mich errathen habt, hasse ich Euch, und ich werde Alles, was in meinen Kräften liegt, thun, um Euch zu tödten.«

Und Wardes verbeugte sich vor Buckingham.

In demselben Augenblicke kreuzten sich die Eisen; zwei Blitze verbanden sich in der Nacht.

Die Degen suchten sich, erriethen sich, berührten sich.

Beide waren geschickte Fechter. Die ersten Ausfälle hatten keinen Erfolg.

Die Nacht war rasch vorgerückt und so dunkel, daß man sich instinctartig angriff und vertheidigte.

Plötzlich fühlte Wardes sein Eisen festgehalten; er hatte Buckingham in die Schulter gestochen,

Der Degen des Herzogs senkte sich mit seinen, Arme.

»Oh!« machte er.

»Getroffen, nicht wahr, Mylord?« fragte Wardes zurückweichend.

»Ja, mein Herr, doch leicht.«

»Ihr habt indessen das Lager verlassen.«

»Das ist die erste Wirkung der Kälte des Eisens, doch ich stehe wieder. Fangen wir wieder an, wenn es Euch beliebt, mein Herr.«

Und mit einem unheimlichen Klirren von der Klinge abweichend, zerriß der Herzog dem Marquis die Brust.

»Auch getroffen,« sagte er.

»Nein,« erwiederte Wardes, der fest auf seinem Platze blieb.

»Verzeih!, doch da ich Euer Hemd ganz roth sah . . . « sagte Buckingham.

»Also nun Euch!« rief Wardes wüthend.

Und weit ausfallend durchstieß er Buckingham den Vorderarm. Der Degen ging zwischen den zwei Knochen durch.

Buckingham fühlte seinen rechten Arm gelähmt, streckte den linken Arm vor, ergriff seinen Degen, der eben seiner trägen Hand entfallen wollte, und durchstieß Wardes, ehe er sich wieder ausgelegt hatte, die Brust.

Wardes wankte, seine Kniee bogen sich, er ließ seinen noch im Arm des Herzogs steckenden Degen aus der Hand und fiel in das Wasser, das sich von einem Reflex röthete, der ächter war, als derjenige, welchen ihm die Wolken zusandten.

Wardes war nicht todt, er fühlte die furchtbare Gefahr, von der er bedroht wurde: die See stieg.

Der Herzog fühlte die Gefahr auch. Mit einer gewaltigen Anstrengung und einem Schmerzensschrei riß er das in seinem Arm gebliebene Eisen heraus, wandte sich dann gegen Wardes um und fragte:

»Seid Ihr todt?«

»Nein,« erwiderte Wardes mit einer von dem Blut, das aus seiner Lunge in seine Kehle ausstieg, erstickten Stimme, »doch es fehlt wenig.«

»Nun, was ist zu thun? Sprecht, könnt Ihr gehen?«

Wardes erhob sich auf ein Knie.

»Unmöglich,« sagte er.