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Der Graf von Bragelonne

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XXIV.
Die Unruhe des Königs

Lassen wir die arme la Vallière halb ohnmächtig unter ihren beiden Gefährtinnen, und kehren wir in die Gegend der Königseiche zurück.

Die drei Mädchen hatten entfliehend nicht zwanzig Schritte gemacht, als sich das Geräusch, das sie so sehr erschreckt, im Blätterwerk verdoppelte.

Die Gestalt hob sich deutlicher hervor, sie schob die Zweige des Gebüsches auf die Seite, erschien am Saume des Waldes, und brach, als sie den Platz leer sah, in ein schallendes Gelächter aus.

Es bedarf kaum der Bemerkung, daß diese Gestalt die eines jungen und schönen Cavaliers war, der sogleich einem andern ein Zeichen machte, welcher auch erschien.

»Nun, Sire,« sprach die zweite Gestalt, schüchtern vorschreitend, »sollten Eure Majestät unseren jungen Verliebten Angst gemacht haben?«

»Ei! mein Gott,« sagte der König, »Du kannst Dich ganz frei zeigen, Saint-Aignan?«

»Aber, Sire, nehmt Euch in Acht, man wird Euch erkennen.«

»Ich sage Dir, daß sie entflohen sind.«

»Das ist ein glückliches Zusammentreffen, Sire, und wenn ich Eurer Majestät einen Rath geben dürste, so müßten wir sie verfolgen.«

»Sie sind schon fern.«

»Bah! sie ließen sich leicht einholen, besonders, wenn sie wissen, wer diejenigen sind, welche sie verfolgen.«

»Wie dies, Herr Geck.«


»Ah! es ist Eine dabei, die mich nach ihrem Geschmack gesunden, und eine Andere, die Euch mit der Sonne verglichen hat.«

»Ein Grund mehr, daß wir verborgen bleiben, Saint-Aignan. Die Sonne zeigt sich nicht bei Nacht.«

»Bei meiner Treue, Sire, Eure Majestät ist nicht neugierig. An Ihrer Stelle möchte ich gerne wissen, wer die zwei Nymphen, die zwei Dryaden, die zwei Hamadryaden sind, die eine so gute Meinung von uns haben.«

»Oh! ich werde sie wohl erkennen, ohne ihnen nachzulaufen, dafür stehe ich Dir.«

»Und wie dies?«

»Bei Gott! an der Stimme. Sie sind von Hofe, und die, welche von mir sprach, hatte eine reizende Stimme.«

»Oh! Eure Majestät läßt die Schmeichelei einen Einfluß auf sich ausüben.«

»Man wird nicht sagen, das sei das Mittel, welches Du anwendest.«

»Oh! verzeiht, Sire, ich bin ein Einfaltspinsel.«

»Komm und laß uns suchen, wo ich Dir gesagt habe.«

»Und die Leidenschaft, die Ihr eingestanden habt, ist sie schon vergessen?«

»Oh! nein. ’Wie sollte man Augen, wie die von Fräulein de la Vallière, vergessen.«

»Oh! die Andere hat eine reizende Stimme.«

»Welche?«

»Die, welche die Sonne liebt.«

»Herr von Saint-Aignan!«

»Verzeiht, Sire.«

»Uebrigens bin ich nicht ärgerlich darüber, daß Du glaubst, ich liebe ebenso sehr die sanfte Stimme, als die schönen Augen. Ich kenne Dich, Du bist ein abscheulicher Schwätzer, und morgen werde ich das Zutrauen bezahlen, das ich zu Dir gehabt habe.«

»Wie so?«

»Ich sage, morgen wird Jedermann erfahren, daß ich Ideen auf die kleine la Vallière gehabt habe; doch nimm Dich in Acht, Saint-Aignan, ich habe mein Geheimniß nur Dir anvertraut, und wenn eine einzige Person davon spricht, so weiß ich, wer mein Geheimniß verrathen hat.«

»Oh! welche Hitze, Sire.«

»Nein, doch Du begreifst, ich will das arme Mädchen nicht compromittiren.«

»Sire, seid unbesorgt.«

»Du versprichst mir?«

»Sire, ich verpfände Euch mein Wort.«

»Gut;« dachte der König, in seinem Innern lachend, »morgen wird Jedermann erfahren, daß ich heute Nacht der la Vallière nachgelaufen bin.«

Dann, indem er sich zu orientiren suchte, sagte er;

»Oh! wir sind verloren.«

»Oh! es ist nicht so gefährlich.«

»Wohin geht dieser Abhang?«

»Zum großen Rundpunkt, Sire.«

»Wohin wir uns begaben, als wir die weiblichen Stimmen hörten?«

»Ja, Sire, und das Ende des Gesprächs, wo ich die Ehre hatte, meinen Namen neben dem Namen Eurer Majestät nennen zu hören.«

»Du kommst sehr oft hierauf zurück, Saint-Aignan.«

»Eure Majestät verzeihe mir, aber ich bin entzückt, zu erfahren, daß eine Frau sich mit mir beschäftigt, ohne daß ich es weiß, und ohne daß ich etwas hierfür gethan hatte. Eure Majestät begreift diese Befriedigung nicht, sie, deren Rang und Verdienst die Aufmerksamkeit erregen und zur Liebe nöthigen.«

»Nein, Saint-Aignan, Du magst mir glauben, wenn Du willst,« sprach der König, indem er sich vertraulich auf den Arm von Saint-Aignan stützte und den Weg einschlug, von dem er glaubte, er müßte nach dem Schlosse führen, »dieses naive Geständniß, diese ganz uneigennützige Bevorzugung einer Frau, die vielleicht nie meine Augen auf sich ziehen wird . . . mit einem Wort, das Geheimniß dieses Abenteuers reizt mich, und in der That, wenn ich nicht so sehr mit der la Vallière beschäftigt wäre . . . «

»Oh! das halte Eure Majestät nicht zurück, sie hat Zeit vor sich.«

»Wie so?«

»Man nennt la Vallière sehr streng.«

»Du reizest mich, Saint-Aignan, und es drängt mich, sie wiederzufinden. Vorwärts, vorwärts!«

Der König log; nichts drängte ihn, im Gegentheil, weniger, doch er hatte eine Rolle zu spielen.

Und er fing an, rasch zu marschiren. Saint-Aignan folgte ihm, eine leichte Entfernung beobachtend.

Plötzlich blieb der König stehen und der Höfling ahmte ihm nach.

»Saint-Aignan,« sagte Ludwig, »hörst Du nicht Seufzer?«

»Ich?«

»Ja, horche.«

»In der That, und sogar Schreie, wie mir scheint.«

»Es ist auf jener Seite,« sprach der König, eine Richtung bezeichnend.

»Man sollte glauben, man vernehme das Weinen, das Schluchzen einer Frau,« sagte Herr von Saint-Aignan.

»Laufen wir.«

Und der König und der Günstling liefen auf einem kleinen Querweg nach dem Rasen.

Je Weiter sie vorschritten, desto deutlicher wurden die Schreie.

»Zu Hilfe! zu Hilfe!« riefen zwei Stimmen.

Die zwei jungen Leute verdoppelten ihre Geschwindigkeit.

Wie sie immer näher kamen, wurden die Seufzer zu Schreien.

»Zu Hilfe! zu Hilfe!« riefen zwei Stimmen.

Und diese Schreie verdoppelten abermals die Schnelligkeit des Laufes von Ludwig und seinem Günstling.

Plötzlich erblickten sie am Rande eines Grabens unter Weiden mit zerzauseten Zweigen eine Frau auf den Knieen, welche eine andere ohnmächtige Frau hielt.

Ein paar Schritte davon rief eine dritte mitten auf dem Weg um Hilfe.

Als sie die zwei Herren erblickte, deren Eigenschaft sie nicht kannte, verdoppelten sich die Schreie der Frau, welche um Hilfe rief.

Der König lies seinem Gefährten voran, sprang über den Graben, und befand sich bei der Gruppe in dem Augenblick, wo von dem Ende der Allee, welche nach dem Schlosse zulief, ein Dutzend Personen erschienen, herbeigezogen durch dieselben Schreie, welche den König und Herrn von Saint-Aignan hierher führten,

»Was gibt es denn, meine Fräulein?« fragte Ludwig.

»Der König!« rief Fräulein von Montalais, die in ihrem Erstaunen den Kopf von la Vallière losließ, welche völlig auf den Rasen zurückfiel.

»Ja, der König. Doch das ist kein Grund, daß Ihr Eure Gefährtin loslaßt. Wer ist es denn?«

»Fräulein de la Vallière. Sie ist ohnmächtig.«

»Oh! mein Gott!« rief der König, »armes Kind. Geschwinde, geschwinde einen Wundarzt.«

Doch mit welchem Eifer der König auch diese Worte sprach, so hatte er sich doch nicht so gut bewacht, daß sie nicht, wie die Geberde, die dieselben begleitete, ein wenig kalt Herrn von Saint-Aignan vorkommen mußten, der das Geständniß dieser großen Liebe, die den König ergriffen, empfangen hatte.

»Saint-Aignan,« fuhr der König fort, «ich bitte Euch, wacht über Fräulein de la Vallière. Ruft einen Wundarzt. Ich lause und benachrichtige Madame von dem Unfall, der ihrem Ehrenfräulein zugestoßen ist.«

Während Herr von Saint-Aignan sich damit beschäftigte, daß er Fräulein de la Vallière nach dem Schlosse bringen ließ, lies der König voran, selig, diese Gelegenheit zu finden, sich Madame zu nähern und mit ihr unter einem Scheinvorwand sprechen zu können.

Es kam zum Glück ein Wagen vorüber; man ließ den Kutscher halten, und als die Personen, die darin saßen, den Unfall erfuhren, beeilten sie sich, Fräulein de la Vallière den Platz abzutreten.

Der durch die rasche Fahrt veranlaßte Luftstrom rief die Kranke bald zum Dasein zurück.

Im Schlosse angelangt, konnte sie, obgleich noch sehr schwach, aus dem Wagen aussteigen, und mit Hilfe von Athenais und Montalais erreichte sie das Innere der Gemächer.

Man ließ sie in ein an die Salons des Erdgeschoßes anstoßendes Zimmer sitzen.

Dann, da dieser Unfall keinen großen Eindruck auf die Spazierenden gemacht hatte, wurde die Promenade fortgesetzt.

Mittlerweile fand der König Madame unter einer rautenförmigen Baumgruppe; er setzte sich zu ihr und sein Fuß suchte sachte den der Prinzessin unter dem Stuhl von dieser.

»Nehmt Euch in Acht,« sagte Henriette leise. »Ihr erscheint nicht als ein gleichgültiger Mensch.«

»Ah!« antwortete Ludwig XIV. mit demselben Ton, »ich befürchte sehr, wir haben einen Vertrag geschlossen, der unsere Kräfte übersteigt.«

Dann sprach er laut:

»Ihr kennt den Unfall?«

»Welchen Unfall?«

»Oh! mein Gott! als ich Euch sah, vergaß ich, daß ich ausdrücklich gekommen war, um ihn Euch zu erzählen. Er berührt mich jedoch sehr schmerzlich; eine von Euren Ehrenfräulein, die arme la Vallière, ist in Ohnmacht gefallen.«

»Ah! armes Sind!« sagte ruhig die Prinzessin; »und aus welcher Veranlassung?«

Dann ganz leise:

»Aber Ihr bedenkt nicht, Sire, Ihr wollt an eine Leidenschaft für dieses Mädchen glauben machen, und Ihr bleibt hier, während es dort stirbt.«

»Ah! Madame, Madame,« erwiederte seufzend der König, »wie viel besser seid Ihr in Eurer Stelle, als ich, und wie denkt Ihr an Alles.«

 

Und er stand auf und sprach so laut, daß es Jedermann hörte:

»Madame, erlaubt, daß ich Euch verlasse; meine Unruhe ist groß, und ich will mich selbst versichern, ob die nöthige Sorge und Pflege angewendet worden.«

Und der König ging weg, um sich abermals zur la Vallière zu begeben, während alle Anwesenden über das Wort des Königs:

»Meine Unruhe ist groß,«

Commentare machten.

XXV.
Das Geheimniß des Königs

Unterwegs begegnete Ludwig dem Grafen von Saint-Aignan.

»Nun, Saint-Aignan,« fragte er auf eine affektirte Weise, «wie befindet sich die Kranke?«

»Sire,« stammelte Saint-Aignan, »ich gestehe zu meiner Schande, daß ich es nicht weiß.«

»Wie, Ihr wißt es nicht!« rief der König, der sich den Anschein gab, als nähme er diesen Mangel an Rücksicht für den Gegenstand seiner Vorliebe sehr ernst.

»Sire, ich bitte um Verzeihung; ich habe eine von unseren drei Schwätzerinnen getroffen und gestehe, daß mich das zerstreute.«

»Ah! Ihr habt gefunden?« fragte der König lebhaft.

»Diejenige, welche so vortheilhaft von mir zu sprechen die Gewogenheit hatte, und da ich die meinige gefunden, so suchte ich die Eurige, als ich Eurer Majestät zu begegnen so glücklich war.«

»Es ist gut, doch vor Allem Fräulein de la Vallière,« sagte der König seiner Rolle getreu.

»Oh! das ist nun eine schöne Interessante,« erwiederte Saint-Aignan, »und welch’ ein Luxus war ihre Ohnmacht, da sich Eure Majestät schon vorher mit ihr beschäftigte.«

»Und der Name Eurer Schönen, Saint-Aignan, ist es ein Geheimniß?«

»Sire, es sollte ein Geheimniß sein, und zwar ein großes; aber Eure Majestät weiß wohl, daß es für sie keine Geheimnisse gibt.«

»Ihr Name also?«

»Fräulein von Tonnay-Charente.«

»Sie ist schön?«

»Ausnehmend, ja, Sire, und ich habe die Stimme erkannt, welche so zärtlich meinen Namen nannte. Da redete ich sie an, befragte sie, so weit ich es unter der Menge thun konnte, und sie sagte mir, ohne etwas zu vermuthen, sie sei vorhin mit zwei Freundinnen bei der Königseiche gewesen, als sie die Erscheinung eines Wolfes oder eines Räubers zur Flucht veranlaßt habe.«

»Aber der Name dieser zwei Freundinnen?«

»Sire,« sprach Saint-Aignan, »Eure Majestät lasse mich in die Bastille bringen.«

»Warum?«

»Weil ich ein Egoist und ein Dummkopf bin. Mein Erstaunen über eine solche Eroberung und eine so glückliche Entdeckung war so groß, daß ich dabei stehen blieb. Uebrigens glaubte ich nicht, daß Eure Majestät, beschäftigt, wie sie war, mit Fräulein de la Vallière, einen großen Werth auf das lege, was sie gehört; dann verließ mich auch Fräulein von Tonnay-Charente hastig, um zu Fräulein de la Vallière zurückzukehren.«

»Nun, wir wollen hoffen, daß mich der Zufall eben so begünstigt, wie Dich. Komm, Saint-Aignan.«

»Mein König hat Ehrgeiz, wie ich sehe, er will keiner Eroberung gestatten, daß sie ihm entschlüpfe. Ich verspreche Eurer Majestät, daß ich gewissenhaft suchen will, und von einer der drei Grazien wird man den Namen der andern und durch den Namen das Geheimniß erfahren.«

»Oh! ich brauche auch nicht mehr, als ihre Stimme zu hören, um sie zu erkennen. Doch lassen wir das, führe mich zu Fräulein de la Vallière,« sprach der König.

»Ah!« dachte Saint-Aignan, »das Ist in der That eine Leidenschaft, die ins Auge fällt; und für dieses kleine Mädchen, das ist außerordentlich . . . ich hätte es nie geglaubt.«

Und während er so dachte, zeigte er dem König den Saal, in den man la Vallière geführt hatte und Ludwig trat ein.

Saint-Aignan folgte ihm.

In einem Saale des Erdgeschoßes, bei einem großen Fenster, das auf die Blumenbeete ging, athmete la Vallière, in einem weiten Fauteuil sitzend, mit langen Zügen die balsamische Nachtluft ein.

Von ihrer gelockerten Brust fielen die Spitzen zerknittert unter den Locken ihrer schönen auf ihren Schultern zerstreuten Haare.

Das Auge schmachtend, mit schlecht gelöschtem Feuer beladen, in schwere Thränen getaucht, lebte sie nur noch wie jene schönen Visionen unserer Träume, welche ganz bleich und ganz poetisch vor den geschlossenen Augen des Schläfers vorüberziehen, indem sie ihre Flügel öffnen, ohne sie zu bewegen, ihre Lippen, ohne einen Ton hören zu lassen.

Diese perlmutterartige Blässe von la Vallière hatte einen Reiz, den nichts wiederzugeben vermöchte; das Leiden des Geistes und des Körpers hatte dieser sanften Physiognomie eine Harmonie edlen Schmerzes verliehen; die völlige Schlaffheit ihrer Arme und ihrer Büste machte sie mehr einer Hingeschiedenen, als einer Lebendigen ähnlich; sie schien weder das Geflüster ihrer Gefährtinnen, noch das entfernte Geräusch, das sich aus der Umgegend erhob, zu hören. Sie unterhielt sich mit sich selbst und ihre schönen, langen, zarten Hände bebten von Zeit zu Zeit, wie bei der Berührung von unsichtbarem Druck.

Der König trat ein, ohne daß sie seine Ankunft wahrnahm, so sehr war sie in ihre Träumerei versunken.

Er sah von ferne dieses anbetungswürdige Gesicht, auf das der Mond das reine Licht seiner silbernen Lampe warf.

»Mein Gott!« rief er mit einem unwillkührlichen Schrecken, »sie ist todt!«

»Nein, nein, Sire,« erwiederte Montalais leise, »es geht im Gegentheil besser. Nicht wahr, Louise, es geht besser bei Dir?«

La Vallière antwortete nicht.

»Louise fuhr Montalais fort, »es ist der König, der die Gnade hat, über Deine Gesundheit besorgt zu sein.«

»Der König!« rief Louise, die sich plötzlich aufrichtete, als wäre eine Flammenquelle von den Extremitäten zu ihrem Herzen aufgestiegen; »der König ist über meine Gesundheit besorgt?«

»Ja,« antwortete Montalais.

»Der König ist also hier?« fragte la Vallière, ohne daß sie umherzuschauen wagte.

»Diese Stimme! diese Stimme!« sagte der König lebhaft Saint-Aignan ins Ohr.

»Ja wohl,« erwiederte Saint-Aignan, »es ist die in die Sonne Verliebte.«

»St!« machte der König.

Dann näherte er sich la Vallière und sprach:

»Ihr seid unpäßlich, mein Fräulein? Ich habe Euch sogar vorhin im Park ohnmächtig gesehen. Wie hat Euch das befallen?«

»Sire,« stammelte das arme Kind zitternd und farblos, »ich vermöchte es in der That nicht zusagen.«

»Ihr seid zu viel gegangen, und es ist vielleicht die Müdigkeit . . . «

»Nein,« sagte Montalais rasch, für ihre Freundin antwortend, »es kann nicht die Müdigkeit sein, denn wir haben einen Theil der Nacht unter der Königseiche sitzend zugebracht.«

»Unter der Königseiche?« versetzte Ludwig bebend. »Ich täuschte mich nicht, es ist so.«

Und er richtete an den Grafen einen Blick des Einverständnisses.

»Ah! ja, unter der Königseiche mit Fräulein von Tonnay-Charente,« sagte Saint-Aignan.

»Woher wißt Ihr das?« fragte Montalais.

»Ich weiß es auf eine sehr einfache Weise: Fräulein von Tonnay-Charente hat es mir gesagt.«

»Dann mußte sie Euch auch die Ursache der Ohnmacht von la Vallière mittheilen.«

»Sie sprach von einem Wolf oder von einem Räuber, ich weiß nicht mehr genau.«

La Vallière horchte, die Augen starr, die Brust keuchend, als hätte sie durch eine Verdoppelung der Erkenntniß einen Theil der Wahrheit geahnt.

Ludwig hielt diese Haltung und diese Aufregung für die Folge eines schlecht getilgten Schreckens.

»Seid unbesorgt, mein Fräulein,« sagte er mit einem Anfang von einer Gemüthsbewegung, die er nicht zu verleugnen vermochte, »der Wolf, der Euch so Angst gemacht hat, war ganz einfach ein Wolf mit zwei Füßen.«

»Es war ein Mann! es war ein Mann!« rief Louise; »ein Mann behorchte uns dort!«

»Nun, mein Fräulein, welches große Unglück seht Ihr darin, daß man Euch behorcht hat? Solltet Ihr Eurer Ansicht nach Dinge gesagt haben, die nicht gehört werden durften?«

La Vallière schlug Ihre Hände aneinander und drückte sie dann an ihre Stirne, deren Röthe sie so zu verbergen suchte.

»Oh!« fragte sie, »in des Himmels Namen, wer war denn verborgen, wer hat denn gehört?«

Der König näherte sich ihr, um eine von ihren Händen zu ergreifen, bückte sich mit einer sanften Ehrerbietung zu ihr herab und antwortete:

»Ich war es . . . sollte ich Euch zufällig bange machen?«

La Vallière stieß einen gewaltigen Schrei aus, zum zweiten Mal verließen sie ihre Kräfte, und kalt, seufzend, in Verzweiflung erstarrte sie in ihrem Lehnstuhl.

Der König hatte noch Zeit, den Arm auszustrecken, so daß sie halb von ihm gestützt wurde.

Zwei Schritte vom König stehend, unbeweglich und wie versteinert bei der Erinnerung an ihr Gespräch mit la Vallière, dachten die Fräulein von Tonnay-Charente und Montalais nicht einmal daran, ihrer Freundin Hilfe zu leisten; es hielt sie die Gegenwart des Königs zurück, der den Leib von la Vallière umschlungen hatte.

»Ihr habt gehört, Sire,« flüsterte Athenais.

Doch der König antwortete nicht, er hatte seine Augen auf die halbgeschlossenen Augen von la Vallière geheftet und hielt ihre hängende Hand in seiner Hand.

»Bei Gott!« sagte Saint-Aignan, der seinerseits auf eine Ohnmacht von Fräulein von Tonnay-Charente hoffte, und die Arme geöffnet auf sie zuschritt, »wir haben kein Wort verloren.«

Aber die stolze Athenais war nicht die Frau, um so ohnmächtig zu werden, sie schleuderte Saint-Aignan einen furchtbaren Blick zu und entfloh.

Muthiger als Athenais, näherte sich Montalais Louise und empfing sie aus den Händen des Königs, der schon den Kopf verlor, da er sein Gesicht von den duftenden Haaren der Sterbenden überfluthet fühlte.

»So Ist es gut,« sagte Saint-Aignan, »das ist ein Abenteuer, und bin ich nicht der Erste, der es erzählt, so habe ich Unglück.«

Der König trat, die Stimme zitternd, die Hand wüthend, nahe auf ihn zu und sprach:

»Graf, nicht ein Wort.«

Der arme König vergaß, daß er eine Stunde zuvor demselben Mann dieselbe Ermahnung gegeben hatte, doch mit einem ganz entgegengesetzten Wunsch, mit dem, daß dieser Mann indiscret sein möchte.

Diese Ermahnung war auch gerade so überflüssig, als die erste.

Eine halbe Stunde nachher wußte ganz Fontainebleau, daß Fräulein de la Vallière unter der Königreiche ein Gespräch mit Montalais und Tonnay-Charente gepflogen hatte, und daß sie bei diesem Gespräch ihre Liebe für den König gestanden.

Man wußte auch, daß der König, nachdem er die ganze Besorgniß kundgegeben, die ihm der Zustand von Fräulein de la Vallière eingeflößt, erbleicht war und gezittert hatte, als er die schöne Ohnmächtige in seinen Armen empfing, so daß es beim ganzen Hofe feststand, es habe sich das größte Ereigniß der Epoche enthüllt: Seine Majestät liebe Fräulein de la Vallière und Monsieur könne folglich ruhig schlafen.

Eben so erstaunt, als die Anderen, über diesen plötzlichen Umschlag, beeilte sich auch die Königin-Mutter, dies der jungen Königin und Philipp von Orleans zu erklären.

Nur operirte sie auf eine verschiedene Weise bei Behandlung dieser beiden Interessen.

Zu ihrer Schwiegertochter sagte sie:

»Seht, Therese, ob Ihr nicht sehr Unrecht hattet, den König anzuschuldigen: man gibt ihm heute eine neue Geliebte: warum sollte diese mehr wahr sein, als die von gestern, und warum die von gestern mehr, als die von heute?«

Und zu Monsieur sprach sie, nachdem sie ihm das Abenteuer unter der Königseiche erzählt hatte:

»Seid Ihr albern in Eurer Eifersucht, mein lieber Philipp? Es ist erwiesen, daß der König den Kopf für die kleine la Vallière verliert. Sprecht nicht davon mit Eurer Frau: die Königin würde es sogleich erfahren.«

Diese letzte Ermahnung hatte ihren unmittelbaren Widerprall.

Erheitert, triumphirend, suchte der König seine Frau auf, und da es noch nicht Mitternacht war, und das Fest bis zwei Uhr Morgens dauern sollte, bot er ihr seine Hand für die Promenade.

Nach einigen Schritten aber war das Erste, was er that, daß er seiner Mutter ungehorsam wurde.

»Sagt der Königin wenigstens nicht Alles, was man vom König erzählt,« flüsterte er geheimnißvoll.

»Und was erzählt man sich?« fragte Madame.

»Daß mein Bruder plötzlich von einer seltsamen Leidenschaft ergriffen worden ist.«

»Für wen?«

»Für die kleine la Vallière.» Es war Nacht, Madame konnte nach Belieben lachen.

»Ah!« sagte sie, »und seit wann ist dies der Fall?«

»Seit einigen Tagen, wie es scheint. Aber es war nur Rauch, und erst heute Abend hat sich die Flamme enthüllt.«

»Der König hat einen guten Geschmack,« sprach Madame, »meines Dafürhaltens ist die Kleine reizend.«

»Ihr spottet, wie es scheint, meine Theuerste.«

»Ich! Und warum?«

 

»In jedem Fall wird diese Leidenschaft Jemand zum Glück gereichen und wäre es nur der La Vallière.«

»Ah!« entgegnete die Prinzessin, »Ihr sprecht, als hättet Ihr im Grunde des Herzens meines Ehrenfräuleins gelesen. Wer sagt Euch, sie lasse sich herbei, die Leidenschaft des Königs zu erwiedern?«

»Und wer sagt Euch, sie werde sie nicht erwiedern?«

»Sie liebt den Vicomte von Bragelonne.«

»Ah! Ihr glaubt?«

»Sie ist sogar seine Braut.«

»Sie war es.«

»Wie so?«

»Als man den König um Erlaubniß bat, die Ehe schließen zu dürfen, verweigerte er die Erlaubniß.«

»Er verweigerte sie!«

»Obgleich dem Grafen de la Fère selbst, den der König, wie Ihr wißt, mit einer großen Achtung wegen der Rolle beehrt, die er bei der Wiedererhebung Eures Bruders und bei einigen vor langer Zeit vorgefallenen Ereignissen gespielt hat.«

»Nun, die armen Verliebten werden warten, bis es dem König anderer Ansicht zu werden gefällt: sie sind jung, sie haben Zeit.«

»Ah! mein Herz!« sprach Philipp ebenfalls lachend, »ich sehe, daß Ihr das Schönste von der Geschichte nicht wißt.«

»Nein.«

»Was den König am tiefsten berührt hat.«

»Der König ist tief berührt worden?«

»Im Herzen.«

»Sprecht geschwinde, von was?«

»Von einem äußerst romanhaften Abenteuer.«

»Ihr wißt, wie sehr ich solche Abenteuer liebe, und laßt mich warten!« sagte die Prinzessin ungeduldig.

»Nun also . . . «

Monsieur machte eine Pause.

»Ich höre.«

»Unter der Königseiche . . . , Ihr wißt, wo die Königseiche ist?«

»Gleichviel, unter der Königseiche, sagt Ihr?«

»Fräulein de la Vallière, die sich mit zwei Freundinnen allein glaubte, gestand diesen ihre Leidenschaft für den König.«

»Oh!« machte Madame mit einem Anfang von Unruhe . . . »ihre Leidenschaft für den König?«

»Ja.«

»Wann dieß?«

»Vor einer Stunde.«

Madame bebte.

»Und diese Leidenschaft kannte Niemand?«

»Niemand.«

»Nicht einmal Seine Majestät?«

»Nicht einmal Seine Majestät. Die kleine Person bewahrte ihr Geheimnis; in ihrem Innersten, als plötzlich dieses Geheimniß stärker wurde als sie, und ihr entschlüpfte.«

»Und woher wißt Ihr diese Albernheit?«

»Wie die ganze Welt.«

»Von wem weiß sie die ganze Welt?«

»Von la Vallière selbst, die ihre Liebe Montalais und Tonnay-Charente, ihren Gefährtinnen, gestand.«

Madame hielt inne und ließ mit einer ungestümen Bewegung die Hand ihres Gemahls los.

»Vor einer Stunde machte sie dieses Geständniß?«

»Ungefähr.«

»Und der König hat Kenntniß hiervon bekommen?«

»Darin liegt gerade das Romanhafte der Sache: der König war mit Saint-Aignan hinter der Königseiche und hörte das ganze interessante Gespräch, ohne ein einziges Wort davon zu verlieren.«

Madame fühlte sich von einem Schlag ins Herz getroffen.

»Aber ich habe den König seitdem gesehen und er hat mir nicht ein Wort von dem gesagt,« entgegnete sie unbesonnener Weise.

»Ah! ja wohl,« rief Monsieur naiv, wie ein Ehemann, der triumphirt, »er hütete sich, selbst mit Euch davon zu sprechen, da er Jedermann verbot. Euch etwas davon mitzutheilen.«

»Wie beliebt?« rief Madame gereizt.

»Ich sage, man habe Euch die Sache verheimlichen wollen.«

»Und warum sollte man sie vor mir verbergen?«

»Aus Furcht, Eure Freundschaft könnte Euch hinreißen, der jungen Königin etwas davon zu entdecken.«

Madame neigte das Haupt, sie war auf den Tod verwundet.

Dann hatte sie keine Ruhe mehr, bis sie den König getroffen.

Da ein König natürlich der Letzte des Reichs ist, der weiß, was man von ihm sagt, da ein Liebender der Einzige ist, der nicht weiß, was man von seiner Geliebten sagt, so kam der König, als er Madame erblickte, die ihn suchte, ihr ein wenig unruhig, aber immer voll Eifer und Freundlichkeit entgegen.

Madame wartete, daß er zuerst von la Vallière spreche.

Denn als man von ihr sprach, fragte sie:

»Und die Kleine?«

»Welche Kleine?« versetzte der König.

»La Vallière . . . habt Ihr mir nicht gesagt, sie sei in Ohnmacht gefallen?«

»Sie befindet sich immer noch schlecht,« erwiederte der König, die größte Gleichgültigkeit heuchelnd.

»Das wird aber dem Gerücht Eintrag thun, das Ihr verbreiten solltet, Sire?«

»Welchem Gerücht?«

»Daß Ihr Euch mit ihr beschäftigt.«

»Oh! ich hoffe, es wird sich dasselbe verbreiten,« antwortete der König zerstreut.

Madame wartete noch; sie wollte wissen, ob der König mit ihr von dem Abenteuer bei der Königseiche sprechen würde.

Doch der, König sagte kein Wort.

Madame öffnete ihrerseits den Mund nicht über das Abenteuer, so daß der König von ihr Abschied nahm, ohne ihr das geringste Geständniß gemacht zu haben.

Kaum hatte sie den König sich entfernen sehen, als sie Saint-Aignan aufsuchte. Saint-Aignan ließ sich leicht finden, er war wie die Gefolgschiffe, die immer im Geleite mit den großen Schiffen gehen.

Saint-Aignan war der Mann, dessen Madame in der Beschaffenheit ihres Geistes bedurfte.

Er suchte nur ein Ohr, das etwas würdiger wäre, als die anderen, um in dasselbe das Ereigniß mit allen seinen Einzelheiten zu erzählen.

Er verschonte Madame auch nicht mit einem Wort. Als er geendigt hatte, sagte Madame:

»Gesteht, daß dieß ein reizendes Mährchen ist.«

»Ein Mährchen, nein; eine Geschichte, ja.«

»Mährchen oder Geschichte, gesteht, daß man es Euch gesagt hat, wie Ihr es mir sagt, und daß Ihr nicht dabei gewesen seid.«

»Madame, bei meiner Ehre, ich war dabei.«

»Und Ihr glaubt, diese Bekenntnisse haben Eindruck auf den König gemacht.«

»Wie die von Fräulein von Tonnay-Charente auf mich,« erwiederte Saint-Aignan. »Höret doch, Fräulein de la Vallière hat den König mit der Sonne verglichen, das ist schmeichelhaft.«

»Der König läßt sich durch solche Schmeicheleien nicht sangen.«

»Madame, der König ist wenigstens eben so sehr Mensch, als Sonne, und ich habe ihn vorhin wohl gesehen, als la Vallière in seine Arme fiel.«

»La Vallière ist in die Arme des Königs gefallen?«

»Oh! das war ein äußerst anmuthiges Bild; stellt Euch vor, daß La Vallière zurückgesunken war und daß . . . «

»Nun! was habt Ihr gesehen, sprecht?«

»Ich habe gesehen, was zehn Personen zugleich mit mir gesehen haben, ich habe gesehen, daß der König, als la Vallière in seine Arme fiel, beinahe ohnmächtig geworden wäre.«

Madame stieß einen kurzen Schrei aus . . . dieß war das einzige Merkmal ihres dumpfen Zorns.

»Ich danke,« sagte sie krampfhaft lachend, »Ihr seid ein vortrefflicher Erzähler, Herr von Saint-Aignan.

Und sie entfloh allein und erstickend nach dem Schlosse.