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Der Graf von Bragelonne

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Neunzehntes bis fünfundzwanzigstes Bändchen

I.
Nachtfahrten

Monsieur hatte die Prinzessin in der schönsten Laune der Welt verlassen, und da er am Tag sehr ermüdet worden war, so kehrte er in seine Wohnung zurück und ließ Jeden die Nacht nach seinem Belieben beschließen.

Wieder in seiner Wohnung, nahm der Prinz seine Nachttoilette mit einer Sorgfalt vor, die sich noch in seinem Paroxismus der Freude verdoppelte.

Er sang auch, während der ganzen Arbeit seiner Kammerdiener, die Hauptmelodie de« Ballets, das die Musikanten gespielt und der König getanzt hatten.

Dann rief, er seine Schneider, ließ sich seine Kleider für den andern Tag zeigen, und da er sehr mit ihnen zufrieden war, so theilte er einige Gnadengeschenke unter sie aus.

Endlich, da der Chevalier von Lorraine, der ihn hatte zurückkehren sehen, ebenfalls zurückkehrte, überhäufte er ihn mit Freundschaftsbezeugungen.

Der Chevalier, nachdem er sich vor dem Prinzen verbeugt hatte, schwieg einen Augenblick, wie ein Anführer vom Tirailleurs, der studirt, um zu wissen, auf welcher Seite das Feuer beginnen werde; dann, indem er sich zu entschließen schien, sagte er:

»Habt Ihr einen seltsamen Umstand bemerkt, Monseigneur?«

»Nein, welchen?«

»Den schlimmen Empfang, der scheinbar Herr von Guiche von Sr. Majestät zu Theil wurde.«

»Scheinbar?«

»Ja, gewiß, denn in Wirklichkeit hat er ihm seine Gunst wieder zugewendet.«

»Ich habe das nicht gesehen,« sagte der Prinz.

»Wie! Ihr habt nicht gesehen, daß er ihn, statt ihn wieder in seine Verbannung zu schicken, wie dieß natürlich war, in seinem sonderbaren Widerstand bestätigt hat, indem er ihm seinen Platz im Ballet einzunehmen gestattete.«

»Und ihr findet, der König habe Unrecht gehabt?«

»Seid Ihr nicht meiner Ansicht, Prinz?«

»Nicht ganz, mein lieber Chevalier, und ich billige es, daß der König nicht gegen einen Unglücklichen getobt hat, der mehr Narr als böswillig ist.«

»Meiner Treue,« sagte der Chevalier, »ich meinerseits gestehe, daß diese Großmuth mich im höchsten Grad in Erstaunen setzt.«

»Und warum dieß?« fragte Philipp.

»Weil ich den König für eifersüchtig gehalten hätte,« erwiederte boshaft der Chevalier.

Seit einigen Augenblicken fühlte Monsieur etwas Aufreizendes sich unter den Worten seines Günstlings rühren; sein letztes Wort entzündete das Pulver.

»Eifersüchtig!« rief der Prinz, »eifersüchtig! was soll dieses Wort bedeuten? eifersüchtig, auf was, wenn’s beliebt, auf wen?«

Der Chevalier bemerkte, daß er eines von den boshaften Worten, wie er sie zuweilen machte, hatte entschlüpfen lassen. Er suchte es also wieder zu erhaschen, so lange es noch im Bereiche seiner Hand war.

»Eifersüchtig auf seine Autorität,« antwortete er mit einer geheuchelten Naivetät, »worauf soll denn ein König eifersüchtig sein?«

»Oh!« machte Monsieur, »sehr gut.«

»Sollte Eure Königliche Hoheit die Begnadigung des lieben Grafen von Guiche verlangt haben?« fuhr der Chevalier fort.

»Meiner Treue, nein! Guiche ist ein Junge von Geist und Muth, aber er ist leichtfertig gegen Madame gewesen, und ich will ihm weder wohl noch übel.«

Der Chevalier war im Begriff, Gift über Guiche zu ergießen, wie er über den König zu ergießen versucht hatte, aber er glaubte zu bemerken, daß das Wetter auf Nachsicht oder sogar auf Gleichgültigkeit stand, und daß er, um die Frage zu erhellen, dem Gatten die Lampe gerade unter die Nase zu halten genöthigt sei.

Mit diesem Spiel brennt man zuweilen die Andern, sehr häufig brennt man aber auch sich selbst.

»Es ist gut, es ist gut,« sagte er in seinem Zimmer, »ich werde auf Wardes warten; er wird in einem Tag mehr thun, als ich in einem Monat, denn ich glaube, Gott verzeihe mir! oder vielmehr, Gott verzeihe ihm! er ist noch eifersüchtiger als ich.

»Und dann ist es nicht Wardes, was ich nothwendig haben muß, sondern ein Ereigniß, und in dem Allem sehe ich keines.«

»Daß Guiche zurückgekommen ist, während man ihn weggejagt hat, ist allerdings sehr ernst; doch jeder Ernst verschwindet, wenn man bedenkt, daß Guiche in dem Augenblick zurückkam, wo Madame sich nichts mehr um ihn bekümmerte.«

»Madame bekümmerte sich in der That um den König, das ist klar.«

»Aber abgesehen davon, daß meine Zähne nicht in den König zu beißen vermöchten, und dieß zu thun auch nicht nöhig haben, wird sich Madame nicht länger mit dem König beschäftigen können, wenn sich der König, wie man sagt, nicht mehr um Madame bekümmert.«

»Aus Allem dem geht hervor, daß wir ruhig bleiben und die Ankunft einer neuen Laune abwarten müssen; diese wird über das Resultat entscheiden.«

Und hiernach streckte sich der Chevalier in dem Lehnstuhl aus, in dem ihm Monseigneur sich in seiner Gegenwart zu setzen erlaubte, und da er keine Bosheiten mehr zu sagen hatte, so fand es sich, daß der Chevalier von Lorraine keinen Geist mehr hatte.

Zum Glück hatte Monsieur, wie gesagt, Vorrath an guter Laune, und er hatte sogar für zwei bis zu dem Augenblick, wo er Kammerdiener und Hausoffizianten entließ und in sein Schlafzimmer ging.

Während er sich zurückzog, beauftragte er den Chevalier, Madame seine Komplimente zu machen und ihr zu sagen, der Mond sei frisch, Monsieur, der für seine Zähne befürchte, werde den Rest der Nacht nicht mehr in den Park hinabgehen.

Der Chevalier trat gerade in dem Augenblick bei Madame ein, wo diese in ihre Gemächer zurückkehrte.

Er entledigte sich seines Auftrags als getreuer Bote und bemerkte sogleich die Gleichgültigkeit, die Unruhe sogar, mit der Madame die Mittheilung ihres Gemahls aufnahm.

Das schien ihm eine Neuigkeit in sich zu schließen.

Wäre Madame mit dieser seltsamen Miene aus ihrer Wohnung weggegangen, so würde er ihr gefolgt sein.

Doch Madame kehrte zurück, es war also nichts zu machen. Er pirouettirte auf seinen Absätzen wie ein müßiger Reiher, befragte die Luft, die Erde, das Wasser, schüttelte den Kopf und nahm maschinenmäßig seine Richtung nach dem Blumenbeete.

Er hatte nicht hundert Schritte gemacht, als ihm zwei junge Leute begegneten, die sich am Arm hielten, den Kopf gesenkt, einhergingen, und die kleinen Kieselsteine, die sich vor ihnen fanden, fortstießen, eine unbestimmte Belustigung, mit der sie ihre Gedanken begleiteten.

Es waren die Herren von Guiche und Bragelonne.

Ihr Anblick brachte auf den Chevalier von Lorraine, wie immer, die Wirkung eines instinctartigen Widerwillens hervor.

Er machte nichtsdestoweniger eine tiefe Verbeugung vor ihnen, die ihm mit Zinsen erwiedert wurde.

Dann, als er sah, daß der Park sich entvölkerte, daß die Beleuchtung allmälig erlosch, daß der Morgenwind zu wehen anfing, drehte er sich links und kehrte durch den kleinen Hof in das Schloß zurück.

Sie zielten rechts und setzten ihren Gang nach dem großen Park fort.

In dem Augenblick, wo der Chevalier die kleine Treppe hinaufstieg, die zu dem Geheimeingang führte, sah er eine Frau, gefolgt von einer andern Frau, unter der Arcade erscheinen, welche den Durchgang vom kleinen in den großen Hof gewährte.

Diese zwei Frauen beschleunigten ihren Marsch, den das Rauschen ihrer seidenen Kleider in der schon finsteren Nacht verrieth.

Die Form der Mantille, die zierliche Taille, der geheimnißvolle und zugleich stolze Gang, was Alles die zwei Frauen und besonders diejenige, welche voranschritt, auszeichnete, fielen dem Chevalier auf.

»Das sind zwei Frauen, die ich sicherlich kenne,« sagte er zu sich selbst, indem er auf der letzten Stufe der kleinen Irrtreppe stehen blieb.

Dann, als er sich mit seinem Spürhundsinstinct anschickte, ihnen zu folgen, hielt ihn einer von seinen Lackeien, der ihm seit einigen Augenblicken nachlief, zurück und sagte:

»Gnädiger Herr, der Courier ist angekommen.«

»Gut, Gut,« erwiederte der Chevalier, »wir haben Zeit, morgen.«

»Es sind pressante Briefe, die der Herr Chevalier vielleicht gern lesen wird.«

»Ah!« machte der Chevalier, »und woher kommen sie?«

»Einer kommt von England, der andere von Calais, der letztere kommt mit Estafette und scheint sehr wichtig zu sein.«

»Von Calais! Ei! wer Teufels schreibt mir von Calais?«

»Ich glaubte die Handschrift Eures Freundes, des Herrn von Wardes zu erkennen.«

»Oh! dann gehe ich hinauf,« rief der Chevalier, der sogleich sein Spähereivorhaben vergaß.

Und er ging in der That hinauf, während die zwei unbekannten Damen am Ende des Hofes, dem entgegengesetzt, durch welchen sie eingetreten waren, verschwanden.

Diesen wollen wir folgen, während wir den Chevalier ganz seiner Correspondenz überlassen.

Als sie zur Allee kamen, hielt die erste ein wenig athemlos an, schlug vorsichtig ihren Schleier zurück und fragte:

»Sind wir noch weit von dem Baum entfernt?«

»Oh! ja, Madame, wenigstens noch fünfhundert Schritte; doch Madame bleibe ein wenig stille stehen, sie könnte nicht lange so hastig gehen.«

»Ihr habt Recht,« sprach die Prinzessin, denn sie war es.

Und sie lehnte sich an einen Baum an. Nachdem sie einen Augenblick Athem geholt hatte, fuhr sie fort:

»Sprecht, mein Fräulein, verbergt mir nichts, sagt mir die volle Wahrheit.«

»Oh! Madame, nun seid Ihr schon streng,« erwiederte das Mädchen mit bewegter Stimme.

»Nein, meine liebe Athenais, beruhigt Euch, denn ich bin Euch durchaus nicht böse. Das sind im Ganzen nicht meine Angelegenheiten. Ihr seid unruhig über das, was Ihr unter dieser Eiche gesagt haben mochtet; Ihr befürchtet, den König verletzt zu haben, und ich will Euch beruhigen, indem ich mich durch mich selbst versichere, ob Ihr gehört werden konntet.«

»Oh! ja, Madame, der König war so nahe bei uns.«

»Aber Ihr sprachet nicht so laut, daß sich nicht einige Worte verlieren konnten?«

 

»Madame, wir glaubten uns ganz allein.«

»Und Ihr waret zu drei?«

»Ja: La Vallière, Montalais und ich.«

»Somit habt Ihr, Ihr persönlich, leichtsinnig vom König gesprochen?«

»Ich befürchte es. Aber nicht wahr, Eure Hoheit würde in diesem Fall die Gnade haben, mich mit Seiner Majestät auszusöhnen?«

»Wenn es Noth thut, verspreche ich es Euch. Doch es ist, wie gesagt, besser, dem Schlimmen nicht entgegen zu gehen, und sich wohl zu versichern, ob das Schlimme auch wirklich geschehen ist. Es ist dunkle Nacht und noch dunkler unter den Bäumen. Ihr werdet vom König nicht erkannt worden sein. Ihn zuerst sprechend in Kenntniß setzen, hieße Euch selbst anzeigen.«

»Oh! Madame, Madame, wenn man Fräulein de la Vallière erkannt hat, so wird man mich auch erkannt haben. Uebrigens hat mir Herr von Saint-Aignan keinen Zweifel in dieser Hinsicht gelassen.«

»Ihr sagtet also für den König sehr unartige Dinge?«

»Keineswegs, Madame, Eine Andere sagte sehr artige Dinge, und da werden meine Worte einen Contrast mit den ihrigen gebildet haben.«

»Die Montalais ist so toll,« rief Madame.

»Oh! nicht Montalais, Montalais hat nichts gesagt. Es war La Vallière.«

Madame bebte, als hätte sie es noch nicht ganz genau gewußt.

»Oh! nein, nein,« sagte sie, »der König wird nichts gehört haben. Ueberdies werden wir die Probe machen, für die wir ausgegangen sind. Zeigt mir die Eiche.«

Nach diesen Worten setzte sich Madame wieder in Marsch.

»Wißt Ihr, wo sie ist?« fuhr sie fort.

»Ach! ja, Madame.«

»Und Ihr werdet sie wieder finden?«

»Ich finde sie mit geschlossenen Augen.«

»Das ist vortrefflich. Ihr setzt! Euch auf die Bank, wo Ihr waret, auf die Bank, wo La Vallière war, und Ihr sprecht in demselben Ton und in demselben Sinn; ich verberge mich im Gebüsch, und wenn man hört, so sage ich es Euch.«

»Ja, Madame.«

»Es folgt daraus, daß Ihr wirklich laut genug gesprochen habt, um vom König gehört worden zu sein, nun denn . . . «

Athenais schien voll Angst das Ende des angefangenen Satzes zu erwarten.

»Nun!« sagte Madame mit einer ohne Zweifel durch den raschen Lauf erstickten Stimme, »nun, ich werde Euch vertheidigen . . . «

Und Madame verdoppelte ihre Schritte.

Plötzlich blieb sie stehen und rief:

»Es kommt mir ein Gedanke!«

»Sicherlich ein guter Gedanke,« erwiederte Fräulein von Tonnay-Charente.

»Montalais muß eben so in Verlegenheit gewesen sein, als Ihr Beide, Ihr, Athenais und La Vallière.«

»Weniger, denn sie ist weniger compromittirt, da sie weniger gesagt hat,«

»Gleich viel, sie wird Euch wohl durch eine kleine Lüge unterstützen.«

»Oh! besonders, wann sie weiß, daß Madame sich für mich zu interessiren die Gnade hat.«

»Gut! ich habe, glaube ich, gefunden, was wir brauchen, mein Kind!«

»Welch ein Glück!«

»Ihr sagt, Ihr habet alle drei die Gegenwart des Königs hinter diesem Baum oder hinter diesem Gebüsch, ich errinnere mich nicht mehr, so wie die von Herr von Saint-Aignan ganz gut gewußt.«

»Ja, Madame.«

»Denn verhehlt es Euch nicht, Athenais, Saint-Aignan zieht Vortheil aus ein paar sehr schmeichelhaften Worten, die Ihr gesprochen haben sollt.«

»Ei! Madame,« rief Athenais, »Ihr seht wohl, daß man hört, da Herr von Saint-Aignan gehört hat.«

Madame hatte etwas Unüberlegtes gesagt, sie biß sich auf die Lippen.

»Oh! Ihr wißt wohl, wie Saint-Aignan ist!« sprach sie, »die Gunst des Königs macht ihn verrückt und er schwatzt ungereimtes Zeug; oft erfindet er sogar. Hiervon ist indessen nicht die Rede. Hat der König gehört oder nicht gehört? das ist die Frage.«

»Nun ja, Madame, er hat gehört!« rief Athenais in Verzweiflung.

»Dann thut, was ich sagte, behauptet dreist, Ihr habet alle Drei, wohlverstanden alle Drei, denn zweifelt man bei der Einen, so wird man auch bei der Andern zweifeln, behauptet, sage ich: Ihr habet die Gegenwart des Königs und des Herrn von Saint-Aignan gewußt und habet Euch auf Kosten der Horcher belustigen wollen.«

»Oh! Madame, auf Kosten des Königs; nie werden wir es wagen, dies zu sagen.«

»Scherz, reiner Scherz, unschuldiger Spott, wohl erlaubt für Frauen, welche Männer überraschen wollen. Auf diese Art erklärt sich Alles. Was Montalais von Malicorne gesagt hat, Scherz; was Ihr von Herrn von Saint-Aignan gesagt habt, Scherz; was la Vallière sagen mochte . . . «

»Und was sie gern wieder zurückhaben möchte . . . «

,Seid Ihr dessen sicher?«

»Oh! dafür stehe ich.«

»Nun wohl, ein Grund mehr, Alles Scherz. Herr von Malicorne wird sich nicht zu ärgern haben. Herr von Saint-Aignan wird verblüfft sein oder über sich lachen, statt über Euch zu lachen. Der König endlich wird für eine seines Ranges unwürdige Neugierde bestraft sein. Man lache ein wenig bei dieser Gelegenheit über den König, und ich glaube nicht, daß er sich darüber beklagt.«

»Ah! Madame, Ihr seid in der That ein Engel der Güte und des Geistes.«

»Es ist mein Interesse.«

»Wie so?«

»Ihr fragt, wie es mein Interesse sein könne, meinen Ehrenfräulein Spöttereien, Unannehmlichkeiten, Verleumdungen vielleicht zu ersparen I Ach! Ihr wißt es, mein Kind, der Hof hat keine Nachsicht für solche kleine Sünden. Aber nun gehen wir schon lange . . . sind wir denn nicht bald an Ort und Stelle?«

»Noch fünfzig bis sechzig Schritte, Wenden wir uns links, Madame, wenn es Euch beliebt?«

»Ihr seid also der Montalais sicher?« fragte Madame.

»Oh! ja.«

»Sie wird Alles thun, was Ihr wollt.«

»Alles! Sie wird entzückt sein.«

»Was La Vallière betrifft . . . « sagte die Prinzessin.

»Oh! bei ihr wird es schwieriger sein, Madame, es widerstrebt ihr zu lügen.«

»Wenn sie aber ihr Interesse dabei findet?«

»Ich befürchte, daß dies durchaus nichts in ihren Ideen ändert.«

»Ja, ja!« sprach Madame, »man hat mich schon hiervon in Kenntniß gesetzt; es ist eine sehr fromme Person, einer von den Zieraffen, die Gott voranstellen, um sich hinter ihm zu verbergen. Doch da sie nicht lügen will, so wird, insofern sie sich dem Gespötte des ganzen Hofes aussetzt, insofern sie den König durch ein eben so lächerliches als unanständiges Geständniß herausgefordert hat, so wird Fräulein Lebaume Leblanc de la Vallière es gut finden, daß ich sie in ihre Heimath zurückschicke, damit sie dort In Touraine oder im Bloisois, ich weiß nicht, ganz nach ihrem Belieben Sentimentalität und Schäferei treiben kann.«

Diese Worte wurden mit einer Heftigkeit und sogar mit einer Härte gesprochen, welche Fräulein von Tonnay-Charente erschreckten.

In Folge hiervon gelobte sie sich für ihre Person so viel nöthig wäre, zu lügen.

In dieser Verfassung gelangten Madame und ihre Gefährtin in die Gegend der Königseiche.

»Wir sind an Ort und Stelle,« sagte Athenais.

»Wir werden wohl sehen, ob man hört,« erwiederte Madame.

»St!« machte das Mädchen, indem es Madame mit einer die Etiquette sehr wenig berücksichtigenden Schnelligkeit zurückhielt.

Madame blieb stehen.

»Seht Ihr, daß man hört?« sagte Athenais.

»Wie so?«

»Horcht.«

Madame hielt den Athem an sich und man hörte in der That folgende Worte, von einer sanften traurigen Stimme ausgesprochen, durch die Luft schweben:

»Oh! ich sage Dir, Vicomte, ich sage Dir, daß ich sie wahnsinnig liebe; ich sage Dir, daß ich sie zum Sterben liebe.«

Bei dieser Stimme bebte Madame und unter ihrem Schleier beleuchtete ein freudiger Strahl ihr Antlitz.

Sie hielt ihre Gefährtin ebenfalls zurück und führte sie mit leichtem Gang zwanzig Schritte rückwärts, das heißt, außer den Bereich der Stimme.

»Bleibt da, meine liebe Athenais, Niemand soll uns ertappen,« sagte sie. »Ich denke, es ist bei diesem Gespräch von Euch die Rede.«

»Von mir, Madame?«

»Ja, von Euch . . . oder vielmehr von Eurem Abenteuer. Ich will horchen; zu zwei würden wir entdeckt. Sucht Montalais auf und erwartet mich mit ihr am Saume des Gehölzes.«

Dann, als Athenais zögerte, sagte Madame mit einem Tone, der keine Einwendung zuließ:

»Geht! geht!«

Sie nahm daher ihre rauschenden Röcke zusammen und kehrte auf einem Fußpfad, der das Gehölz durchschnitt, nach dem Lustgarten zurück.

Madame aber kauerte sich in das Gebüsch und lehnte sich an einen riesigen Kastanienbaum an, von dem einer seiner Stämme in der Höhe eines Sitzes abgehauen worden war.

Voll Furcht und Bangigkeit sprach sie zu sich selbst:

»Nun dann, da man hier hört, so wollen wir erlauschen, was zu Herrn von Bragelonne der andere verliebte Mann sagt, den man Herrn von Guiche nennt.«

II.
Worin Madame den Beweis erlangt, daß man, wenn man horcht, hören kann, was gesprochen wird

Es herrschte einen Augenblick tiefe Stille, als schwiegen alle die geheimnißvollen Geräusche, um zugleich mit Madame auf dieses jugendliche Liebesgeständniß zu horchen.

Es war an Raoul, zu sprechen.

Er stützte sich träge auf den Stummel der großen Eiche und antwortete mit seiner sanften, harmonischen Stimme:

»Ach! mein lieber Guiche, das ist ein großes Unglück.«

»Oh! ja,« rief dieser, »ein sehr großes.«

»Ihr höret mich nicht, Guiche, oder vielmehr, Ihr versteht mich nicht. Ich sage, es sei ein großes Unglück für Euch, nicht, daß Ihr liebet, sondern daß Ihr Eure Liebe nicht zu verbergen wisset.«

»Wie so?« rief Guiche.

»Ja, Ihr bemerkt Eins nicht, daß ihr jetzt nicht mehr allein Eurem einzigen Freund, das heißt, einem Menschen, der sich eher tödten ließe, als daß er Euer Geheimniß verrathen würde, Euere Liebe gesteht, sondern dem Ersten dem Besten.«

»Dem Ersten dem Besten,« rief Guiche, »seid Ihr verrückt, Bragelonne, daß Ihr mir solche Dinge sagt!«

»Es ist so.«

»Unmöglich! Wie und auf welche Art sollte ich in diesem Grad schwatzhaft geworden sein?«

»Ich will damit sagen, mein Freund, daß Eure Augen, Eure Geberden, Euer Seufzen wider Euren Willen sprechen: daß jede übertriebene Leidenschaft den Menschen aus sich hinausreißt. Dann gehört dieser Mensch nicht mehr sich an; er ist einer Verrücktheit preisgegeben, die ihn sein Leiden den Bäumen, den Pferden, der Lust zu erzählen veranlaßt, sobald er kein vernünftiges Wesen mehr im Bereiche seiner Stimme hat. Erinnert Euch aber, mein Freund, daß beinahe immer Einer da ist, der ganz besonders die Dinge hört, welche nicht gehört werden sollen.«

Guiche stieß einen tiefen Seufzer aus.

»Höret,« fuhr Bragelonne fort, »in diesem Augenblick thut Ihr mir leid; seit Eurer Rückkehr habt Ihr mir hundertmal und auf hundert verschiedene Weisen Euere Liebe für sie erzählt, und es wäre doch, hättet Ihr nichts erzählt, Eure Rückkehr allein schon eine furchtbare Indiscretion gewesen. Hieraus mache ich folgenden Schluß: wenn Ihr Euch nicht besser in Obacht nehmt, als Ihr es thut, so wird früher oder später ein Tag kommen, der eine Explosion herbeiführt. Wer wird Euch dann retten? sprecht, antwortet mir? Wer wird sie selbst retten? Denn so unschuldig sie an Eurer Liebe sein mag, so wird sie doch in den Händen ihrer Feinde eine Anklage gegen sie sein.«

»Ach! mein Gott!« murmelte Guiche.

Und ein tiefer Seufzer begleitete seine Worte.

»Das heißt nicht antworten, Guiche.«

»Doch.«

»Nun, was antwortet Ihr?«

»Ich antworte, daß ich an jenem Tag nicht mehr todt sein werde, als ich es heute bin.«

»Ich begreife nicht.«

»Ja, so viele Umwechselungen haben mich abgenutzt. Heute bin ich kein denkendes, handelndes Wesen mehr; heute bin ich nicht mehr so viel werth, als ein Mann, so mittelmäßig er auch sein mag; siehst Du, heute sind meine letzten Kräfte erloschen, meine letzten Entschlüsse erlahmt und ich verzichte auf den Kampf. Ist man im Felde, wie wir es miteinander gewesen sind, und bricht allein auf, um zu scharmützeln, trifft man zuweilen eine Abtheilung von fünf bis sechs Fouragirern, und obgleich allein, vertheidigt man sich doch; dann kommen sechs Andere hinzu, man ergrimmt und hält aus; kommen aber noch sechs, acht, zehn in die Quere, so gibt man seinem Pferde die Sporen, wenn man noch ein Pferd hat, oder man läßt sich auch tobten, um nicht zu fliehen. Nun! so weit bin ich; ich habe Anfangs gegen mich selbst gekämpft; dann gegen Buckingham, nun ist der König gekommen, ich werde nicht gegen den König kämpfen, selbst nicht, Ich sage es Dir sogleich, wenn sich der König zurückzöge, und ebenso wenig gegen den Charakter dieser Frau allein. Oh! ich täusche mich nicht, einmal in den Dienst dieser Liebe getreten, werde ich mich darin tödten lassen.«

»Nicht ihr mußt Du Vorwürfe machen, sondern Dir,« erwiederte Raoul.

 

»Warum dies?«

»Wie, Du kennst die Prinzessin! ein wenig leichtsinnig, sehr verliebt In Neuigkeiten, sehr empfänglich für das Lob, und sollte es von einem Blinden oder einem Kinde kommen, und Du fängst dergestalt Feuer, daß Du Dich selbst verzehrst. Schaue die Frau an, liebe sie, denn Keiner, dessen Herz nicht anderswo gefangen ist, kann sie ansehen, ohne sie zu lieben. Doch, während Du sie liebst, achte in ihr zuerst den Rang ihres Gemahls, sodann ihn selbst, und endlich Deine eigene Sicherheit.«

»Ich danke, Raoul.«

»Wofür?«

»Dafür, daß Du mich, weil Du mich durch diese Frau leiden siehst, tröstest, dafür, daß Du mir von ihr alles Gute sagst, was Du von ihr denkst, und vielleicht sogar, was Du nicht von ihr denkst.«

»Oh! Du täuschest Dich, Guiche, was ich denke, sage ich nicht immer, doch dann sage ich nichts; wenn ich aber spreche, weiß ich weder zu heucheln, noch zu hintergehen, und wer mich hört, kann mir glauben.«

Den Hals vorgestreckt, das Ohr gierig, das Auge erweitert und in der Dunkelheit zu sehen bemüht, athmete Madame mittlerweile den geringsten Hauch ein, der durch die Zweige strich.

»Oh! ich kenne sie besser, als Du!« rief Guiche. »Sie ist nicht leichtsinnig, sie ist frivol; sie ist nicht in Neuigkeiten verliebt, sie ist ohne Gedächtniß, und ohne Treu und Glauben; sie ist nicht ganz einfach empfänglich für das Lob, sondern sie ist auf eine abgefeimte und grausame Weise coquette. Tödtlich coquette! Oh! ja, ich weiß es. Glaube mir, Bragelonne, ich leide alle Qualen der Hölle; muthig, leidenschaftlich die Gefahr liebend, finde ich eine Gefahr, welche größer ist, als meine Stärke und mein Muth. Doch siehst Du, Raoul, ich behalte mir einen Sieg vor, der sie viele Thränen kosten wird.«

Raoul schaute seinen Freund an, und als dieser, beinahe erstickt durch die Aufregung, seinen Kopf gegen die Eiche zurückwarf, fragte er:

»Einen Sieg? Und welchen?«

»Welchen?«

»Ja.«

»Eines Tages werde ich auf sie zutreten und zu ihr sprechen: »»Ich war jung, ich liebte bis zum Wahnsinn, hatte aber Achtung genug, um Euch zu Füßen zu fallen und für die Sirene im Staub zu bleiben, hätten mich Eure Blicke nicht bis zu Eurer Hand erhoben. Ich glaubte Eure Blicke zu begreifen, stand auf, und dann habt Ihr mich, ohne daß ich Euch etwas Anderes gethan, als daß ich Euch, wenn es möglich, noch mehr liebte, mit heiterem Herzen durch eine Laune niedergeschmettert, Weib ohne Gemüth, Weib ohne Treue, Weib ohne Liebe. Obgleich Prinzessin von königlichem Geblüt, seid Ihr doch nicht würdig der Liebe eines redlichen Mannes; und ich verhänge die Todesstrafe über mich dafür, daß ich Euch zu sehr geliebt, und sterbe, Euch hassend.««

»Oh!« rief Raoul erschrocken über den Ausdruck tiefer Wahrheit, der die Worte des jungen Mannes durchdrang, »oh! ich sagte Dir wohl, Guiche, Du seist wahnsinnig,«

»Ja, ja,« rief Guiche, seine Gedanken verfolgend, »da wir keine Kriege mehr hier haben, so werde ich dorthin ziehen, nach dem Norden, ich werde Dienste beim Reich nehmen, und irgend ein Ungar, ein Kroate, ein Türke wird mir die Wohlthat einer Kugel angedeihen lassen.«

Guiche vollendete nicht, oder vielmehr, als er eben endigte, machte ihn ein Geräusch beben, das Raoul sogleich auf die Beine brachte.

Guiche aber blieb, ganz von seinen Worten und Gedanken in Anspruch genommen, den Kopf zwischen seine Hände zusammengedrückt, sitzen.

Das Gebüsch öffnete sich, und eine Frau erschien, bleich, in Verwirrung vor den zwei jungen Leuten. Mit einer Hand schob sie die Zweige, die ihr das Gesicht gepeitscht hätten, auseinander, mit der andern schlug sie die Kapuze des kleinen Mantels, der ihre Schultern bedeckte, zurück.

An diesem feuchten und zugleich flammenden Auge, an diesem königlichen Gang, an der Höhe ihrer souverainen Geberde, und mehr noch als an dem Allem, am Schlagen seines Herzens erkannte Guiche Madame; er stieß einen Schrei aus und zog seine Hände von seinen Schläfen vor seine Augen.

Zitternd, aus der Fassung gebracht, drehte Raoul seinen Hut hin und her, und stammelte einige unbestimmte Formeln von Ehrerbietung.

»Herr von Bragelonne,« sprach die Prinzessin, »ich bitte, habt die Güte, nachzusehen, ob meine Frauen nicht irgendwo dort in den Alleen sind; und Ihr, Herr Graf, bleibt; ich bin müde, Ihr werdet mir Euren Arm geben.«

Wäre der Blitz zu den Füßen des unglücklichen Mannes niedergefallen, es hätte ihn weniger erschreckt, als dies« kalte und strenge Wort.

Nichtsdestoweniger, da er, wie gesagt, muthig war, da er im Grunde seines Herzens alle seine Entschlüsse gefaßt hatte, erhob sich Guiche, und richtete an Bragelonne, als er sein Zögern sah, einen Blick voll Resignation und innigen Dankes.

Statt Madame sogleich zu antworten, machte er sogar einen Schritt gegen den Vicomte, reichte ihm die Hand, welche die Prinzessin von ihm verlangt hatte, und drückte die redliche Hand seines Freundes mit einem Seufzer, in welchem er der Freundschaft Alles zu geben schien, was an Leben in der Tiefe seines Herzens übrig war.

Madame wartete, sie, die Stolze, welche nicht zu warten wußte, Madame wartete, bis dieses stumme Gespräch beendigt war.

Ihre Hand, ihre königliche Hand blieb in der Luft schwebend, und fiel, als Raoul weggegangen war, ohne Zorn, aber nicht ohne Erschütterung in die von Guiche.

Sie waren allein mitten in dem finsteren, schweigsamen Wald, und man hörte nur noch die Tritte von Raoul, der sich hastig auf dem beschatteten Fußpfade entfernte.

Ueber ihren Häuptern breitete sich da« dichte duftende Gewölbe vom Blätterwerk des Waldes aus, durch dessen Risse man da und dort einen Stern glänzen sah.

Madame zog Guiche sanft hundert Schritte von dem indiscreten Baum fort, der an diesem Abend so viele Dinge gehört und hatte hören lassen, und führte ihn zu einer nahen Lichtung, die auf eine gewisse Entfernung umher zu sehen erlaubte.

»Ich führe Euch hierher,« sprach sie tief erbebend, »weil man dort, wo wir waren, jedes Wort hört.«

»Man hörte jedes Wort, sagt Ihr, Madame?« erwiederte maschinenmäßig der junge Mann. Ja.«

»Was meint Ihr damit?«

»Ich meine damit, daß ich alle Eure Worte gehört habe.«

»Oh! mein Gott! mein Gott! das fehlte mir nur noch,« stammelte Guiche.

Und er neigte das Haupt, wie es der ermüdete Schwimmer unter der Welle thut, die ihn verschlingt.

»Ihr beurtheilt mich also so, wie Ihr gesagt habt,« sprach sie.

Guiche erbleichte, wandte den Kopf ab und antwortete nicht; er fühlte sich einer Ohnmacht nahe.

»Das ist sehr gut,« fuhr die Prinzessin mit einem Stimmton voll Milde fort, »ich liebe mehr diese Offenherzigkeit, die mich verletzen muß, als eine Schmeichelei, die mich hintergehen würde. Es sei! Eurer Ansicht nach, Herr von Guiche, bin ich also coquette und verächtlich?«

»Verächtlich,« rief der junge Mann, »verächtlich, Ihr, oh! ich habe das sicherlich nicht gesagt; ich konnte das, was es Kostbarstes für mich auf der Welt gibt, nicht etwas Verächtliches nennen; nein, nein, ich habe das nicht gesagt.«

»Eine Frau, die einen Mann, verzehrt von dem Feuer, das sie entzündet, sterben sieht, und dieses Feuer nicht löscht, ist meiner Ansicht nach eine verächtliche Frau.«

»Oh! was ist Euch an dem gelegen, was ich gesagt habe? Mein Gott! was bin ich gegen Euch! und warum solltet Ihr Euch darum bekümmern, ob ich exestire oder nicht existire!«

»Herr von Guiche, Ihr seid ein Mann, wie ich ein Weib bin, und da ich Euch kenne, wie ich Euch kenne, so will ich Euch nicht dem Sterben preisgeben; ich wechsele mit Euch Benehmen und Charakter. Ich werde nicht offenherzig, das bin ich immer, sondern wahr sein. Ich flehe Euch also an, Herr von Guiche, liebt mich nicht mehr und vergeßt ganz und gar, daß ich Euch je ein Wort oder einen Blick zugewendet habe.«

Guiche wandte sich um, bedeckte Madame gleichsam mit einem leidenschaftlichen Blick und erwiederte:

»Ihr, Ihr entschuldigt Euch, Ihr steht mich an?«

»Ja, allerdings, weil ich das Böse gethan habe, muß ich es wieder gut machen. Also, Herr Graf, wir sind dahin übereingekommen: Ihr vergebt mir meine Leichtfertigkeit, meine Coquetterieen . . . Unterbrecht mich nicht . . . Ich vergebe Euch, daß Ihr gesagt, ich sei leichtfertig, coquette, etwas Schlimmeres vielleicht noch, und Ihr verzichtet auf Eure Todesgedanken und bewahret Eurer Familie, dem König und den Damen einen Cavalier, den Jedermann achtet und den Viele lieben.«

Madame sprach dieses letzte Wort mit einem solchen Ausdruck von Offenherzigkeit und von Zärtlichkeit sogar, daß das Herz des jungen Mannes aus seiner Brust hervorzuspringen bereit schien.