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Der Graf von Bragelonne

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XXXI.
Madame und Guiche

Wir haben gesehen, wie der Graf von Guiche den Saal an dem Tag verließ, wo Ludwig XIV. mit so viel Galanterie La Vallière die in der Lotterie gewonnenen Armspangen anbot.

Der Graf, dessen Geist tausendfacher Argwohn und tausendfache Beunruhigung verzehrten, ging einige Zeit vor dem Palast auf und ab.

Dann sah man ihn auf der Terrasse auf das Herauskommen von Madame lauern.

Es verging eine starke halbe Stunde. In diesem Augenblick allein konnte der Graf keine sehr belustigenden Gedanken haben.

Er zog seine Tabletten aus der Tasche und entschloß sich nach langem Zögern Folgendes zu schreiben:

»Madame, ich flehe Euch an, mir eine kurze Unterredung zu bewilligen. Laßt Euch nicht durch diese Bitte beunruhigen, die der tiefen Achtung nicht fremd ist, mit der ich u.s.w.«

Er unterzeichnete diese seltsame Bittschrift, die er in Form eines Liebesbillets zusammenlegte, als er aus dem Schloß mehrere Frauen, sodann mehrere Männer, kurz beinahe die ganze Gesellschaft der Königin herauskommen sah.

Er sah La Vallière selbst, sodann Montalais, die mit Malicorne plauderte.

Er sah Alle, bis auf den letzten der Gäste, die kurz zuvor noch das Cabinet der Königin Mutter bevölkerten.

Madame war noch nicht vorübergekommen, sie mußte jedoch diesen Hof durchschreiten, um in ihre Wohnung zurückzukehren, und von der Terrasse aus schaute Guiche in den Hof hinab.

Endlich sah er Madame mit zwei Pagen, welche Fackeln trugen, heraustreten. Sie ging rasch und rief, als sie vor ihre Thüre kam:

»Pagen, man erkundige sich nach Herrn von Guiche. Er muß mir über einen Auftrag Bericht machen. Wenn er frei ist, bitte man ihn, zu mir zu kommen.«

Guiche blieb stumm und in seinem Schatten verborgen; sobald aber Madame in ihre Wohnung eingetreten war, eilte er die Stufen der Terrasse hinab; er nahm die gleichgültigste Miene an, um sich von den Pagen treffen zu lassen, die schon nach seiner Wohnung liefen.

»Ah! Madame läßt mich suchen?« sagte er ganz bewegt zu sich selbst.

Und er drückte sein unnützes Billet zusammen.

»Graf,« sprach einer von den Pagen, als er ihn erblickte, »wir sind glücklich, Euch zu treffen.«

»Was gibt es, meine Herren?«

»Ein Befehl von Madame.«

»Ein Befehl von Madame?« rief Guiche mit erstaunter Miene.

»Ja, Graf. Ihre königliche Hoheit verlangt nach Euch; Ihr sollt ihr, wie sie uns sagt, Bericht über einen Auftrag erstatten. Seid Ihr frei?«

»Ich bin ganz zu den Befehlen Ihrer Königlichen Hoheit.«

»Wollt uns folgen.«

Als Guiche zur Prinzessin hinauf kam, fand er sie bleich und bewegt.

An der Thüre stand Montalais etwas unruhig über das, was im Geiste ihrer Gebieterin vorging.

Guiche erschien.

»Ah! Ihr seid es, Herr von Guiche,« sagte Madame. »Ich bitte, tretet ein . . . Fräulein von Montalais, Euer Dienst ist zu Ende.«

Noch mehr beunruhigt, verbeugte sich Montalais und ging hinaus.

Madame und Guiche blieben allein.

Der Graf fand sich ganz im Vortheil: Madame hatte ihn zu einem Rendezvous rufen lassen. Aber wie war es dem möglich, diesen Vortheil zu benützen? Madame war eine so phantastische Person! der Charakter Ihrer Königlichen Hoheit war ein so beweglicher Charakter!

Sie ließ es wohl sehen, denn plötzlich das Gespräch beginnend, sprach sie:

»Nun! habt Ihr mir nichts zu sagen?«

Er glaubte, sie habe seinen Gedanken errathen, er glaubte, die Liebenden sind so beschaffen, sie sind leichtgläubig und blind, wie die Dichter und die Propheten – er glaubte, sie kenne seinen Wunsch, sie zu sehen, und den Grund dieses Wunsches.

»Ja wohl, Madame, und ich finde das sehr seltsam,« erwiederte er.

»Nicht wahr, die Sache mit den Armspangen!« rief sie lebhaft.

»Ja, Madame.«

»Ihr haltet den König für verliebt, sprecht.«

Guiche schaute sie lange an; sie schlug die Augen unter diesem Blick nieder, der bis ins Herz ging.

»Ich glaube, der König kann die Absicht gehabt haben, Jemand hier zu quälen,« sagte er; »der König würde sich nicht so eifrig zeigen, wie er es ist; er würde es nicht wagen, mit heiterem Herzen ein sonst unantastbares Mädchen übler Nachrede auszusetzen.

»Oh! die Unverschämte!« rief die Prinzessin.

»Ich kann Eure Königliche Hoheit versichern, daß Fräulein de la Vallière von einem Mann geliebt wird, den man achten muß, denn es ist ein wackerer Mann,« sprach Guiche mit ehrerbietiger Festigkeit.«

»Oh! Bragelonne vielleicht.«

»Mein Freund, ja, Madame.«

»Nun, wenn er Euer Freund wäre, was liegt dem König daran?«

Der König weiß, daß Bragelonne mit Fräulein de la Vallière verlobt ist, und da Bragelonne dem König brav gedient hat, so, wird der König kein unwiederbringliches Unglück verursachen.

Madame schlug ein schallendes Gelächter auf, das einen schmerzlichen Eindruck auf Guiche machte.

»Ich wiederhole Euch, Madame, ich glaube nicht, daß der König in La Vallière verliebt ist, und zum, Beweise, daß ich es nicht glauben mag, diene, daß ich Euch fragen wollte, wessen Eitelkeit der König bei diesem Umstand zu stacheln suchen könne. Ihr, die Ihr den ganzen Hof kennt, werdet mir um so leichter finden helfen, als, wie man überall sagt, Eure Königliche Hoheit auf sehr vertraulichem Fuß mit dem König steht,«

Madame biß sich auf die Lippen und lenkte das Gespräch in Ermangelung von guten Gründen ab.

»Beweiset mir,« sagte sie, indem sie auf Guiche einen von den Blicken heftete, in welche die ganze Seele überzugehen scheint, »beweiset mir, daß Ihr mich zu befragen suchtet, mich, die ich Euch gerufen habe.«

Guiche nahm mit ernster Miene aus seinen Tabletten das, was er geschrieben halte, und zeigte es.

»Sympathie,« sagte sie.

»Ja,« sprach der Graf mit unüberwindlicher Zärtlichkeit, »ja, Sympathie; doch ich habe Euch erklärt, wie und warum ich Euch suchte; Ihr, Madame, habt mir noch zu sagen, warum Ihr mich zu Euch beriefet.«

»Es ist wahr.«

Und sie zögerte,

»Oh! diese Armspangen werden machen, daß ich den Kopf verliere,« rief sie plötzlich.

»Ihr erwartetet, der König werde sie Euch anbieten,« versetzte Guiche.,

»Warum nicht?«

»Hatte der König nicht vor Euch, Madame, von Euch, seiner Schwägerin, die Königin?«

»Hatte er nicht vor La Vallière mich?« rief die tief verletzte Prinzessin, »hatte er nicht den ganzen Hof?«

»Madame,« erwiederte ehrfurchtsvoll der Graf, »ich versichere Euch, wenn man Euch so sprechen hörte, wenn man Eure rothen Augen, und, Gott verzeihe mir, die Thräne sähe, die zu Euren Wimpern aufsteigt . . . oh! ja, Jedermann würde sagen, Eure Königliche Hoheit sei eifersüchtig.«

»Eifersüchtig!« rief die Prinzessin mit stolzem Tone, »eifersüchtig auf La Vallière!«

Sie erwartete, Guiche würde sich unter ihrer hochmüthigen Geberde und unter ihrem stolzen Tone beugen.

»Eifersüchtig auf La Vallière, ja, Madame,« wiederholte er muthig.

»Ich glaube, mein Herr, Ihr erlaubt Euch, mich zu beleidigen.«

»Ich glaube es nicht,« erwiederte der Graf etwas bewegt, aber entschlossen, diesen ungestümen Zorn zu bändigen.

»Entfernt Euch,« rief die Prinzessin, ganz außer sich, so sehr verwandelte sie die Kaltblütigkeit und die stumme Ehrerbietung von Guiche in Wuth und Galle.

Guiche wich einen Schritt zurück, verbeugte sich langsam, erhob sich wieder, weiß wie seine Manchetten und sprach mit einer leichtbebenden Stimme:

»Es war nicht der Mühe werth, daß ich mich so sehr beeiferte, um mich dieser ungerechten Ungnade auszusetzen.«

Und er wandte ihr ohne Hast den Rücken zu.

Doch kaum hatte er fünf Schritte gemacht, als ihm Madame wie eine Tigerin nachstürzte, ihn beim Aermel faßte, umdrehte, und zitternd vor Wuth ausrief:

»Was Ihr da von Ehrfurcht heuchelt, ist beleidigender, als die Beleidigung. Auf, beleidigt mich, aber sprecht wenigstens.«

»Und Ihr, Madame,« sagte der Graf, indem er sachte den Degen zog, »durchbohrt mir das Herz, laßt mich aber nicht am kleinen Feuer sterben.«

Nach dem Blicke, den er auf sie heftete, einem Blick voll Liebe, Entschlossenheit, Verzweiflung sogar, begriff sie, daß ein scheinbar so ruhiger Mann sich den Degen in die Brust stoßen würde, fügte sie noch ein Wort bei.

Sie entriß das Eisen seinen Händen, preßte seinen Arm mit einem Wahnsinn, der für Zärtlichkeit gelten konnte, und sprach.

»Graf, schonet mich. Ihr seht, daß ich leide, und habt kein Mitleid.«

Die Thränen, die letzte Krise dieses Anfalls, überwältigten ihre Stimme. Guiche, als er sie weinen sah, nahm sie in seine Arme und trug sie bis zu ihrem Lehnstuhl; noch einen Augenblick, und sie erstickte.

»Warum,« flüsterte er auf seinen Knieen, »warum gesteht Ihr mir Euren Kummer nicht? Liebt Ihr Einen? sagt es mir. Ich werde darüber sterben, doch erst nach dem ich Euch erleichtert, getröstet, sogar gedient habe.«

»Oh! Ihr liebt mich also?« erwiederte sie besiegt. »Ich liebe Euch in diesem Grade . . . ja, Madame.«

Sie reichte ihm ihre beiden Hände, und flüsterte so leise, daß es Niemand hätte hören können:

»Ich liebe in der That.«

Er hörte es.

»Den König?« fragte er.

Sie schüttelte sanft den Kopf und ihr Lächeln war wie jene Lichtungen der Wolken, in denen man nach dem Sturm das Paradies sich öffnen zu sehen glaubt.

»Aber es gibt andere Leidenschaften in einem gut geborenen Herzen,« fügte sie bei. »Die Liebe ist die Poesie; doch das Leben von diesem Herz ist der Stolz. Graf, ich bin auf dem Thron geboren, ich bin stolz und eifersüchtig auf meinen Rang, Warum läßt der König Unwürdiges sich ihm nähern?«

»Abermals,« versetzte der Graf, »Ihr mißhandelt das arme Mädchen, das die Frau meines Freundes sein wird.«

»Seid Ihr einfältig genug, dieß zu glauben?«

 

»Wenn ich es nicht glaubte, so wäre Bragelonne morgen davon in Kenntniß gesetzt,« erwiederte Guiche ganz bleich. »Ja, wenn ich dächte, die arme La Vallière habe die Schwüre vergessen, die sie Raoul geleistet . . . Doch nein, es wäre eine Schändlichkeit, das Geheimniß einer Frau zu verrathen; es wäre ein Verbrechen, die Ruhe eines Freundes zu stören.«

»Ihr glaubt, die Unwissenheit sei ein Glück,« rief die Prinzessin mit einem wilden Gelächter.

»Ich glaube es,« erwiederte er,

»Beweiset! beweiset doch,« rief sie lebhaft.

»Das ist leicht, Madame; man hat am ganzen Hof gesagt, der König liebe Euch und Ihr liebet den König.

»Nun!« versetzte sie mühsam athmend.

»Nehmet nun an, Raoul, mein Freund, wäre zu mir gekommen und hätte zu mir gesagt: »»Ja, der König liebt Madame; ja, der König hat das Herz von Madame gerührt;«« ich würde Raoul vielleicht getödtet haben.«

»Herr von Bragelonne müßte Beweise gehabt haben, um so zu Euch zu sprechen,« entgegnete die Prinzessin mit der Hartnäckigkeit der Frauen, die sich für unüberwindlich halten.

»Immerhin bleibt es eine Wahrheit,« erwiederte Guiche seufzend, »daß ich, da ich nicht in Kenntniß gesetzt worden bin, auch nichts ergründet habe, und daß meine Unwissenheit mir heute das Leben gerettet hat.«

»Ihr werdet die Selbstsucht und die Kälte so weit treiben, daß Ihr diesen unglücklichen jungen Mann La Vallière fortwährend lieben laßt,«

»Ja, Madame, bis zu dem Tage, wo sich mir La Vallière als schuldig geoffenbart hat.«

»Doch die Armspangen!«

»Ei! Madame, was hätte Ich sagen können, da Ihr sie vom König zu erhalten erwartetet?«

Der Beweisgrund war kräftig; die Prinzessin wurde dadurch niedergeschmettert und von diesem Augenblick an erhob sie sich nicht mehr.

Da sie aber eine Seele voll Adel, einen von Intelligenz glühenden Geist besaß, so begriff sie die ganze Zartheit von Guiche.

Sie las klar in seinem Herzen, er hege den Verdacht gegen den König, dieser liebe La Vallière, und wolle sich des gemeinen Auskunftsmittels nicht bedienen, das darin besteht, daß man einen Nebenbuhler im Geiste einer Frau zu Grunde richtet, indem man ihr die Versicherung, die Gewißheit gibt, dieser Nebenbuhler mache einer andern Frau den Hof.

Sie errieth, er habe La Vallière im Verdacht, und um ihr Zeit zu lassen, sie zu bekehren, um sie nicht auf immer zu verderben, behalte er sich einen unmittelbaren Schritt oder einige schärfere Beobachtungen vor.

Sie las mit einem Wort so viel wahre Große, so viel Edelmuth in dem Herzen dessen, der sie liebte, daß sie das ihrige bei der Berührung einer so reinen Flamme sich entzünden fühlte.

Guiche, indem er trotz der Furcht, zu mißfallen, ein Mann des Gewissens und der Ergebenheit blieb, vergrößerte sich zum Stande eines Helden und drückte sie zum Stande eines eifersüchtigen und armseligen Weibes herab.

Sie liebte ihn so zärtlich, daß sie sich nicht enthalten konnte, ihm einen Beweis davon zu geben.

»Das sind viele verlorene Worte,« sagte sie, den bei der Hand nehmend. »Verdacht, Unruhe, Mißtrauen, Schmerzen, ich glaube, wir haben alle diese Namen ausgesprochen.«

»Ach! ja, Madame.«

»Streicht sie aus Eurem Herzen, wie ich sie aus dem meinigen verjage. Graf, mag diese La Vallière den König lieben oder nicht lieben, mag der König La Vallière lieben oder nicht lieben, – machen wir von diesem Augenblick an eine Unterscheidung in unseren zwei Rollen. Ihr reißt die Augen weit auf; ich wette, daß Ihr mich nicht versteht.«

»Ihr seid so lebhaft, daß ich Immer Euch zu mißfallen zittere.«

»Seht, wie er zittert! der schöne Aengstliche!« rief sie mit einer reizenden Heiterkeit. »Ja, mein Herr, ich habe zwei Rollen zu spielen. – Ich bin die Schwägerin des Königs, der Königin, seiner Frau. Muß ich mich unter diesem Titel nicht mit den Intriguen der Ehe beschäftigen? Eure Meinung?«

»So wenig als möglich, Madame.«

»Einverstanden, doch das ist eine Frage der Würde; sodann bin ich die Frau von Monsieur.«

Guiche seufzte.

»Was Euch ermahnen muß, daß Ihr immer mit der tiefsten Ehrfurcht mit mir sprecht,« fügte sie zärtlich bei.

»Oh!« rief er, indem er zu ihren Füßen fiel, die er küßte wie die einer Gottheit.

»Wahrhaftig,« flüsterte die Prinzessin, »ich glaube, ich habe noch eine andere Rolle. Ich vergaß sie.«

»Welche? welche?«

»Ich bin Weib,« sprach sie noch leiser. »Ich liebe!«

Er erhob sich. Sie öffnete ihm ihre Arme, ihre Lippen berührten sich.

Es erscholl ein Tritt hinter der Tapete. Montalais klopfte.

»Was gibt es, mein Fräulein?« fragte Madame.

»Man sucht Herrn von Guiche,« antwortete Montalais, welche noch Zeit hatte, die ganze Unordnung der Darsteller dieser vier Rollen zu sehen, denn Guiche hatte auch beständig heldenmüthig die seinige gespielt.

XXXII.
Montalais und Malicorne

Montalais hatte Recht; überall gerufen, war Herr von Guiche durch die Vervielfältigung der Angelegenheiten sehr dem ausgesetzt, daß er Niemand antwortete.

So groß aber ist die Stärke schwacher Lagen, daß Madame trotz ihres verwundeten Stolzes, trotz ihres inneren Zorns wenigstens für den Augenblick Montalais, die das quasikönigliche Gebot, das sie entfernt, so vermessen verletzt hatte, keinen Vorwurf machen konnte.

Guiche verlor auch den Kopf, oder vielmehr, sagen wir es gerade heraus, Guiche hatte den Kopf vor der Ankunft von Montalais verloren; denn kaum hatte er die Stimme des Mädchens gehört, als er, ohne von Madame Abschied zu nehmen, wie es die einfachste Höflichkeit, selbst unter Gleichgestellten, heischte, das Herz brennend, den Kopf toll, entfloh und die Prinzessin, die ihm mit einer Geberde Lebewohl sagte, eine Hand aufgehoben zurückließ.

Guiche konnte nämlich sagen, wie Cherubin hundert Jahre später sagt, er trage auf seinen Lippen Glück für eine Ewigkeit fort.

Montalais fand also die zwei Liebenden sehr in Unordnung. Es war Unordnung bei dem, welcher entfloh, Unordnung bei der, welche blieb.

Das Mädchen murmelte auch, indem es fragend umherschaute:

»Ich glaube, dießmal weiß ich so viel, als die neugierigste Frau zu erfahren wünschen kann.«

Madame gerieth dergestalt in Verlegenheit über diesen forschenden Blick, daß sie, als hätte sie das Beiseit von Montalais gehört, nicht ein Wort zu dem Ehrenfräulein sagte und die Augen niederschlagend in ihr Zimmer zurückkehrte.

Als Montalais dieß sah, horchte sie.

Da hörte sie Madame die Riegel des Zimmers schließen.

Von diesem Augenblick begriff sie, sie habe ihre Nacht für sich; sie machte gegen die Thüre, die man geschlossen, eine ziemlich unehrerbietige Geberde, welche sagen wollte: »Gute Nacht, Prinzessin,« und ging hinab, um Malicorne wieder aufzusuchen, der für den Moment sehr damit beschäftigt war, daß er mit dem Auge einem ganz bestaubten Courier folgte, welcher vom Grafen von Guiche herauskam.

Montalais sah ein, daß Malicorne ein Werk von Bedeutung vollbrachte; sie ließ ihn die Augen spannen, den Hals ausstrecken, und als Malicorne hiervon zu seiner natürlichen Stellung zurückgekehrt war, klopfte sie ihm nur auf die Schulter und sagte:

»Nun! was gibt es Neues?«

»Herr von Guiche liebt Madame,« antwortete Malicorne.

»Gute Kunde! Ich weiß etwas Frischeres.« «

Und was wißt Ihr?«

»Daß Madame Herrn von Guiche liebt.«

»Das Eine war die Folge vom Andern.«

»Nicht immer, mein schöner Herr.«

»Wäre dieses Axiom etwa an mich gerichtet?«

»Die anwesenden Personen sind immer ausgenommen.«

»Ich danke,« sagte Malicorne. »Und auf der andern Seite?« fuhr er fragend fort.

»Der König wollte diesen Abend nach der Lotterie Fräulein de la Vallière besuchen.«

»Nun! er hat sie besucht?«

»Nein.«

»Wie! nein?«

»Die Thüre war verschlossen.«

»Somit . . . «

»Somit ist der König ganz beschämt, wie ein einfacher Dieb, der seine Werkzeuge vergessen, zurückgekehrt.«

»Gut.«

»Und auf der dritten Seite?« fragte Montalais.

»Der Courier, der bei Herrn von Guiche angekommen, ist von Herrn von Bragelonne abgeschickt.

»Gut!« rief Montalais in die Hände klatschend. »Warum gut?«

»Weil das Beschäftigung gibt. Wenn wir uns jetzt langweilten, müßten wir Unglück haben.«

»Es ist von Belang, daß man sich in das Geschäft theilt, damit keine Verwirrung entsteht,« sprach Malicorne.

»Nichts kann einfacher sein,« erwiederte Montalais. »Drei ein wenig wohl im Feuer erhaltene, wohl geleitete Intriguen geben, eine in die andere gerechnet und gering angeschlagen, drei Billets im Tag.«

»Oh!« rief Malicorne, die Achseln zuckend, »was fällt Euch ein, meine Liebe! Drei Billets im Tag, das ist gut für bürgerliche Gefühle. Ein Musketier im Dienst, ein kleines Mädchen im Kloster, wechseln täglich ihr Billet oben von der Leiter herab oder durch das in der Mauer gemachte Loch. Ein Billet enthält die ganze Poesie dieser armen Herzchen. Aber bei uns . . . Oh! wie wenig kennt Ihr die königliche Zärtlichkeit, meine Liebe.«

»Vorwärts, macht den Schluß,« sagte Montalais ungeduldig. »Man kann kommen.«

»Den Schluß machen! Ich bin erst bei der Erzählung und habe noch drei Punkte.«

»Er wird mich wahrhaftig mit seinem flämischen Phlegma sterben machen,« rief Montalais.

»Und Ihr werdet mit Eurer italienischen Lebhaftigkeit machen, daß ich den Kopf verliere. Ich sagte Euch also, unsere Verliebte werden sich Bände schreiben. Doch worauf zielt Ihr ab?«

»Darauf, daß keine von unseren Damen die Briefe, die sie empfangen wird, aufbewahren kann.«

»Allerdings.«

»Daß es Herr von Guiche auch nicht wagen wird, die seinigen aufzubewahren.«

»Das ist wahrscheinlich.«

»Wohl denn! ich werde dieß Alles aufbewahren.«

»Gerade das ist unmöglich,« sagte Malicorne.

»Und warum?«

»Weil Ihr nicht zu Hause seid, weil Ihr ein Zimmer gemeinschaftlich mit La Vallière habt, weil man sehr gern Aufsuchungen in dem Zimmer eines Ehrenfräuleins vornimmt, weil ich die Königin, welche eifersüchtig wie eine Spanierin, die Königin Mutter, welche eifersüchtig wie zwei Spanierinnen, und Madame, welche eifersüchtig wie zehn Spanierinnen, ungemein fürchte.«

»Ihr vergeßt Jemand.«

»Wen?«

»Monsieur.«

»Ich sprach nur von den Frauen. Beziffern wir also Monsieur Nro. l.«

»Guiche.«

»Nro.2«. Der Graf von Bragelonne.«

»Nro. 3. Und der König? der König?«

»Nro. 4. Gewiß, der König, der nicht nur eifersüchtiger, sondern auch mächtiger als alle Welt sein wird. Ah! meine Liebe.«

»Nun?«

»In welches Wespennest habt Ihr Euch gesteckt!«

»Noch nicht tief genug, wenn Ihr mir folgen wollt.«

»Sicherlich werde ich Euch folgen. Doch . . . «

»Doch . . . «

»Ich glaube, es wäre gescheiter, umzukehren, so lange es noch Zeit ist.«

»Und ich glaube im Gegentheil, daß es das Klügste ist, wenn wir uns mit dem ersten Schlag an die Spitze von allen diesen Intriguen stellen,«

»Ihr werdet hierzu nicht genügen.«

»Mit Euch würde ich zehn leiten. Seht Ihr, das ist mein Element. Ich war geschaffen, um bei Hofe zu leben, wie der Salamander geschaffen ist, um in den Flammen zu leben.«

»Eure Versicherung beruhigt mich nicht im Geringsten, meine Theuerste. Ich habe sehr gelehrte Gelehrte lagen hören, einmal, es gäbe keine Salamander. Und dann, gäbe es, so wären sie vollkommen geröstet und gebraten, wenn sie aus dem Feuer herauskämen.«

»Eure Gelehrten können in salamanderischen Dingen sehr gelehrt sein, aber sie sind sicherlich sehr unwissend in dem, was die Weiber betrifft. Eure Gelehrten werden Euch auch nicht sagen, was ich Euch sage: Aure von Montalais ist berufen, ehe ein Monat vergeht, der erste Diplomat des französischen Hofes zu sein.«

»Es sei, doch unter der Bedingung, daß ich der zweite bin.«

»Abgemacht; Trutz- und Schutzbündniß, wohl verstanden.«

»Nur mißtraut den Briefen.«

»Ich werde sie Euch zustellen, wie man sie mir zustellt.«

»Was werden wir dem König von Madame sagen?«

»Madame liebe den König immer noch.«

»Was werden wir Madame vom König sagen?«

»Sie hätte das größte Unrecht, wenn sie ihn nicht mit Schonung behandeln würde.«

»Was werden wir La Vallière von Madame sagen?«

»Alles, was wir wollen, LaVallière gehört uns.«

»Uns?«

»Doppelt,«

»Wie so?«

»Einmal durch den Vicomte von Bragelonne.«

»Erklärt Euch.«

»Ihr vergeßt hoffentlich nicht, daß der Vicomte von Bragelonne viele Briefe an La Vallière geschrieben hat?«

»Ich vergesse nichts.«

»Diese Briefe empfing ich, und ich verberge sie auch.«

 

»Und folglich habt Ihr sie?«

»Immer.«

»Wo? hier?«

»Oh! nein. Ich habe sie in Blois, in dem Euch bekannten Zimmerchen.«

»Theures Zimmerchen, Liebeszimmerchen, Vorzimmer des Palastes, den ich Euch eines Tages werde erbauen lassen. Doch verzeiht, Ihr sagt, alle diese Briefe seien in dem kleinen Zimmer?«

»Ja.«

»Habt Ihr sie nicht in einer Lade aufbewahrt?«

»Allerdings, in derselben Lade, in der ich die Briefe aufbewahrte, die ich von Euch empfing, und in die ich die meinigen legte, wenn Euch Eure Geschäfte oder Eure Vergnügungen abhielten, zum Rendezvous zu kommen.«

»Ah! sehr gut!« rief Malicorne.

»Warum diese Freude?«

»Weil ich die Möglichkeit sehe, diesen Briefen nicht nach Blois nachzulaufen.«

»Ich habe sie hier.«

»Ihr habt die Lade mitgebracht?«

»Sie war mir theuer, weil sie von Euch kam.«

»Seid wenigstens behutsam damit, die Lade enthält Originalien, welche später einen großen Werth haben werden.«

»Ich weiß es wohl, und darum lache ich, und zwar aus vollem Herzen.«

»Nun ein letztes Wort.«

»Warum denn ein letztes?«

»Brauchen wir Hilfstruppen?«

»Keine.«

»Bedienten, Dienerinnen?«

»Schlimmer, Abscheulicher! Ihr gebt die Briefe, Ihr empfangt sie. Oh! keinen Stolz, sonst müssen Herr Malicorne und Fräulein Aure, da sie ihre Geschäfte nicht selbst betreiben, sich entschließen, sie von andern betrieben zu sehen.«

»Ihr habt Recht, doch was geht bei Herrn von Guiche vor?«

»Nichts, er öffnet sein Fenster.«

»Verschwinden wir.«

Beide verschwanden wirklich; die Verschwörung war abgeschlossen.

Das Fenster, das man geöffnet, war in der That das des von Guiche.

Doch nicht nur, wie die Unwissenden hätten glauben können, um den Schotten von Madame durch ihre Vorhänge zu erschauen, stellte er sich an das Fenster, denn seine Beklommenheit war nicht ganz verliebter Natur.

Er hatte, wie gesagt, einen Courier erhalten. Dieser Courier war ihm von Bragelonne zugeschickt worden. Bragelonne hatte ihm geschrieben.

Er hatte den Brief, der einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht, gelesen, und wieder gelesen.

»Seltsam seltsam!« murmelte er. »Durch welche mächtige Mittel zieht das Geschick die Menschen zu ihrem Ziele fort?«

Und er verließ das Fenster, um sich dem Licht zu nähern, und las zum dritten Mal diesen Brief, dessen Zeilen zugleich seinen Geist und seine Augen versengten:

»Calais.

»Mein lieber Graf!

»Ich habe in Calais Herrn von Wardes gefunden, der in einem Zweikampf mit Herrn von Buckingham schwer verwundet worden war.

»Herr von Wardes ist, wie Ihr wißt, ein muthiger Mann, aber gehässig und boshaft.

»Er sprach mit mir von Euch, dem sein Herz, wie er sagt, sehr zugethan ist; von Madame, die er schön und liebenswürdig findet.

»Er hat Eure Liebe für die bewußte Person errathen.

»Er sprach auch von einer Person, die ich liebe, und bezeigte mir die lebhafteste Theilnahme, indem er mich beklagte, Alles mit Dunkelheiten, die mich Anfangs sehr erschracken, die ich aber am Ende für das Resultat seiner geheimnißvollen Gewohnheiten hielt.

»Höret, wie sich die Sache verhält,

»Er hätte Briefe vom Hofe erhalten. Ihr begreift, daß dies nur von Herrn von Lorraine gewesen sein kann.

»Man unterhält sich,« sagen diese Nachrichten, » von einer Veränderung, welche in den Neigungen des Königs vorgegangen sein soll

»Ihr wißt, wen das betrifft.

»Ferner sagen diese Nachrichten, man spreche von einem Ehrenfräulein, das zu übler Nachrede Anlaß gebe.

»Diese unbestimmten Phrasen ließen mich nicht schlafen. Ich habe seit gestern beklagt, daß mein gerader und trotz einer gewissen Hartnäckigkeit, schwacher Charakter mich ohne Gegenantwort auf diese Insinuationen ließ.

»Mit einem Wort, Herr von Wardes reiste nach Paris ab, ich verzögerte seine Abreise nicht durch Erklärungen, und dann kam es mir, ich muß es gestehen, hart vor, einen Mann, dessen Wunden kaum geschlossen sind, in ein peinliches Verhör zu nehmen.

»Kurz, er ist in kleinen Tagereisen abgegangen, abgegangen, um, wie er sagt, dem seltsamen Schauspiel beizuwohnen, das der Hof unfehlbar in kurzer Zeit bieten müsse.

»Er fügte diesen Worten gewisse Glückwünsche, sodann gewisse Beileidsbezeigungen bei. Ich habe die einen ebensowenig, als die anderen begriffen. Ich war betäubt durch meine Gedanken und durch ein Mißtrauen gegen diesen Menschen, ein Mißtrauen, das ich, Ihr wißt es besser, als irgend Jemand, nie habe überwinden können.

»Als er aber abgereist war, öffnete sich mein Geist.

»Es ist nicht möglich, daß ein Charakter, wie der von Wardes, nicht ein wenig von seiner Bosheit in den Besprechungen, die wir mit einander pflogen, hat mit einlaufen lassen.

»Es ist nicht möglich, daß nicht in allen den geheimnißvollen Worten, die mir Herr von Wardes gesagt hat, nicht ein geheimnißvoller Sinn liegt, den ich aus mich oder die Euch bekannte Person in Anwendung bringen kann.

»Genöthigt, schleunig abzureisen, um dem König zu gehorchen, hatte ich nicht die Idee, Herrn von Wardes nachzulaufen, um Erklärungen über das, was er mit Absicht verschwiegen, zu erhalten, aber ich sende meinen Eilboten an Euch ab, und schreibe Euch diesen Brief, der Euch alle meine Zweifel auseinandersetzen wird.

»Ihr, das bin ich; ich habe gedacht, handelt Ihr.

»Herr von Wardes wird binnen Kurzem ankommen; erfahret, was er sagen wollte, wenn Ihr es nicht schon wißt.

»Herr von Wardes behauptet übrigens, Herr von Buckingham habe Paris, von Madame mit Gunstbezeigungen überströmt, verlassen; das ist eine Sache, bei der ich sogleich nach dem Degen gegriffen hätte, glaubte ich mich nicht in der Nothwendigkeit, den Dienst des Königs jedem Streit vorgehen zu lassen.

»Verbrennt diesen Brief, den Euch Olivain übergiebt.

»Man sagt, Olivain sei die Sicherheit selbst.

»Wollt mich, ich bitte Euch, Herr Graf, bei Fräulein de la Vallière, der ich ehrfurchtsvoll die Hände küsse, ins Andenken zurückrufen.

»Euch umarme ich.

»Vicomte von Bragelonne.«

»N. S. Sollte sich etwas Wichtiges ereignen, – man muß für Alles vorhersehen, theurer Freund, – so schickt mir einen Eilboten mit dem einzigen Wort: »»Kommt,«« und ich werde sechsunddreißig Stunden nach Empfang Eures Briefes in Paris sein.«

Guiche seufzte, legte den Brief zum dritten Mal zusammen, und steckte ihn, statt ihn zu verbrennen, wie ihm Bragelonne empfohlen, in seine Tasche.

Es war für ihn Bedürfniß, diesen Brief zu lesen, und abermals zu lesen.

»Welche Unruhe und zugleich welches Vertrauen,« murmelte der Graf; »die ganze Seele von Raoul liegt in diesem Briefe.«

»Er vergißt den Grafen de la Fère und spricht darin von Louise.«

»Er warnt mich für mich, und steht mich für sich an.«

»Ah!« fuhr Guiche mit einer drohenden Geberde fort, »Ihr mischt Euch in meine Angelegenheiten, Herr von Wardes, wohl! ich werde mich mit den Eurigen beschäftigen.«

»Was Dich betrifft, mein armer Raoul, Dein Herz vertraut mir ein Gut an, sei unbesorgt, ich wache darüber.«

Als dieses Versprechen geleistet war, ließ Guiche Malicorne bitten, ohne Verzug, wenn es möglich wäre, zu ihm zu kommen.

Malicorne entsprach der Einladung mit einem Eifer, der das erste Resultat seiner Unterredung mit Montalais war.

Je mehr Guiche, der sich bedeckt glaubte, Malicorne ausfragte, desto mehr errieth dieser, der im Schatten arbeitete, den Fragenden.

Daraus erfolgte, daß nach einem Gespräch von einer Viertelstunde, in welchem Guiche die ganze Wahrheit über La Vallière und den König zu entdecken glaubte, er durchaus nichts, als das erfuhr, was er mit seinen eigenen Augen gesehen hatte, während Malicorne erfuhr oder errieth, wie man will, daß Raoul in der Entfernung Mißtrauen hegte, und daß Guiche den Schatz der Hesperiden bewachen würde.

Malicorne willigte ein, der Drache zu sein.

Guiche glaubte Alles für seinen Freund gethan zu haben und bekümmerte sich nur noch um sich selbst.

Man kündigte auf den andern Abend die Rückkehr von Wardes und seine erste Erscheinung beim König an.

Nach seiner Aufwartung sollte sich der Wiedergenesende bei Monsieur einfinden.

Guiche ging vor der Stunde zu Monsieur.