Tasuta

Der Graf von Bragelonne

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

XXXIII.
Wie Herr von Wardes, bei Hofe aufgenommen wurde

Herr von Wardes wurde von Monsieur mit der Huld aufgenommen, welche die Erfrischung des Geistes jedem leichten Charakter für die Neuigkeit, die gerade ankommt, räth.

Herr von Wardes, den man seit einem Monat nicht gesehen, war in der That neue Frucht. Ihn liebkosen war einmal eine Untreue, an den Alten begangen, und Untreue hat immer ihren Reiz; es war sodann eine Genugthuung, die man ihm zu geben hatte. Monsieur behandelte ihn also äußerst gnädig.

Der Herr Chevalier von Lorraine, der diesen Nebenbuhler sehr fürchtete, aber diese zweite, in jeder Hinsicht der seinigen ähnliche Natur (abgesehen von Muth, den sie überdies besaß) achtete, der Herr Chevalier von Lorraine hatte für Wardes noch süßere Liebkosungen, als Monsieur.

Guiche war da, wie wir erwähnt, hielt sich aber ein wenig beiseit, und wartete geduldig, bis alle diese Umarmungen beendigt waren.

Während er mit Anderen und sogar mit Monsieur sprach, hatte Wardes Herrn von Guiche nicht aus dem Blick verloren; sein Instinkt sagte ihm, er sei seinetwegen da.

Er ging auch auf Guiche zu, sobald er mit den Anderen zu Ende war.

Beide wechselten die artigsten Komplimente, wonach Wardes zu Monsieur und den anderen Edelleuten zurückkehrte.

Mitten unter allen diesen Glückwünschen zu einer guten Rückkehr meldete man Madame,

Madame hatte die Ankunft von Wardes erfahren. Sie wußte alle einzelnen Umstände von seiner Reise und von seinem Duell mit Buckingham. Es war ihr nicht unangenehm, bei den ersten Worten anwesend zu sein, die von demjenigen, welchen sie als ihren Feind kannte, gesprochen werden sollten..

Sie hatte zwei bis drei Damen bei sich.

Wardes verbeugte sich auf das Anmuthigste vor Madame und verkündigte sogleich, um die Feindseligkeiten zu beginnen, er sei bereit, Nachrichten von Herrn von Buckingham seinen Freunden zu geben.

Dies war eine unmittelbare Antwort auf die Kälte, mit der ihn Madame empfangen hatte.

Der Angriff war lebhaft. Madame fühlte den Schlag, ohne daß es schien, als hätte sie ihn empfangen. Sie warf rasch ihre Blicke auf Monsieur und Guiche.

Monsieur erröthete, Guiche erbleichte.

Bei Madame allein ging keine Veränderung in ihrem Gesicht vor; nun, da sie begriff, welche Widerwärtigkeiten dieser Feind ihr bei den zwei Personen, die ihn hörten, bereiten konnte, neigte sie sich lächelnd auf die Seite des Reisenden.

Der Reisende sprach von etwas Anderem.

Madame war muthig, unvorsichtig sogar; jeder Rückzug warf sie vorwärts. Nach der ersten Bangigkeit des Herzens kehrte sie ins Feuer zurück.

»Habt Ihr viel durch Eure Wunden gelitten, Herr von Wardes?« fragte sie; »denn es ist uns zu Ohren gekommen, Ihr habt das Unglück gehabt, verwundet zu werden.«

Nun war die Reihe an Wardes, zu beben; er biß sich auf die Lippen und erwiederte:

»Nein, beinahe nichts, Madame.«

»Aber bei dieser furchtbaren Hitze . . . «

»Die Seeluft ist frisch, und dann hatte ich einen Trost.«

»Oh! desto besser! . . . Welchen?«

»Den, zu wissen, daß mein Gegner mehr litt als ich.«

»Oh! er ist schwerer verwundet worden, als Ihr? ich wußte das nicht,« sagte die Prinzessin mit völliger Unempfindlichkeit.

»O! Madame, Ihr täuscht Euch, oder Ihr gebt Euch vielmehr den Anschein, als täuschtet Ihr Euch in meinen Worten. Ich sage nicht, sein Körper habe mehr gelitten als der meinige, sondern sein Herz war getroffen.«

Guiche begriff, worauf der Streit abzielte; er wagte es, Madame ein Zeichen zu machen: durch dieses Zeichen flehte er sie an, die Partie aufzugeben.

Doch ohne Guiche zu antworten, ohne daß es schien, als sähe sie ihn, fragte sie, beständig lächelnd:

»Wie! Herr von Buckingham war also ins Herz getroffen worden? Ich glaubte bis jetzt, eine Wunde im Herzen ließe sich nicht heilen.«

»Ah! Madame,« erwiederte Wardes mit freundlichem Ton, »die Frauen glauben dies alle, und das gibt ihnen über uns die Ueberlegenheit des Vertrauens.«

»Mein Herzchen, Ihr versteht schlecht,« sprach der Prinz ungeduldig. »Herr von Wardes will sagen, der Herzog von Buckingham sei im Herzen durch etwas Anderes als einen Degen getroffen worden.«

»Ah! gut! gut!« rief Madame. »Ah! das ist ein Scherz von Herrn von Wardes, sehr gut. Nur möchte ich wissen, ob sich Herr von Buckingham an diesem Scherz ergötzen würde. Es ist in der That sehr Schade, daß er nicht hier ist, Herr von Wardes.«

Ein Blitz zuckte in den Augen des jungen Mannes.

»Oh!« sagte er, die Zähne an einander pressend, »es wäre mir auch lieb.«

Guiche rührte sich nicht.

Madame schien zu erwarten, daß er ihr zu Hilfe käme.

Monsieur zögerte.

Der Chevalier von Lorraine trat vor und nahm das Wort.

»Madame,« sprach er, »Herr von Wardes weiß wohl, daß für einen Buckingham im Herzen getroffen werden, nichts Neues ist, und was er gesagt, hat man schon gesehen.«

»Statt eines Verbündeten zwei Feinde,« murmelte Madame, »zwei vereinigte, erbitterte Feinde.«

Und sie wechselte das Gespräch.

Das Gespräch wechseln, ist bekanntlich ein Recht der Fürsten, das die Etiquette zu achten befiehlt.

Der Rest der Unterhaltung war also gemäßigt; die Hauptschauspieler hatten ihre Rollen beendigt.

Madame zog sich frühzeitig zurück, und Monsieur, den sie befragen wollte, reichte ihr die Hand.

Der Chevalier von Lorraine befürchtete zu sehr, es könnte sich ein gutes Einvernehmen zwischen den zwei Gatten gründen, um sie ruhig beisammen zu lassen.

Er ging nach dem Gemach von Monsieur, um ihn bei seiner Rückkehr zu überfallen, und mit drei Worten alle guten Eindrücke zu zerstören, welche Madame in seinem Herzen hätte aussäen können.

Guiche machte einen Schritt gegen Wardes, den viele Leute umgaben.

Er bezeichnete ihm so den Wunsch, mit ihm zu reden. Wardes machte mit den Augen und mit dem Kopf ein Zeichen, daß er ihn verstehe.

Dieses Zeichen hatte für die Fremden nur Freundschaftliches.

Dann konnte sich Guiche umwenden und warten.

Er wartete nicht lange. Von den Sprechenden befreit, näherte sich Wardes Guiche, und nach einer neuen Verbeugung gingen beide neben einander.

»Ihr habt eine gute Rückkehr gehabt, mein lieber Wardes,« sagte der Graf.

»Eine vortreffliche, wie Ihr seht.«

»Und Ihr seid immer heiteren Geistes?«

»Mehr als je.«

»Das ist ein großes Glück.«

»Was wollt Ihr; es ist Alles so spaßhaft in der Welt, es ist Alles so grotesk um uns her.«

»Ihr habt Recht.«

»Ah! Ihr seid also meiner Meinung?«

»Ja wohl! Und Ihr bringt keine Nachrichten von dort?«

»Meiner Treue, nein! Ich suche hier . . . «

»Verzeiht. Ihr habt doch Menschen in Calais gesehen, einen unserer Freunde, und zwar vor nicht langer Zeit?«

»Leute . . . einen unserer Freunde?«

»Ihr habt ein kurzes Gedächtniß.«

»Ah! es ist wahr, Bragelonne.«

»Ganz richtig.«

»Der sich in einem Auftrag zu König Karl begab.«

»So ist es. Nun! hat er Euch nicht gesagt oder habt Ihr ihm nicht gesagt?«

»Ich muß gestehen, ich weiß nicht genau, was ich ihm gesagt habe; doch was ich ihm nicht gesagt habe, das weiß ich.«

Herr von Wardes war die Feinheit selbst. Er fühlte vollkommen an der Haltung von Guiche, einer, Haltung voll Kälte und Würde, das Gespräch würde eine schlimme Wendung nehmen. Er beschloß, sich dem Gespräch hinzugeben und auf seiner Hut zu sein.

»Was ist das, wenn es Euch beliebt, was Ihr ihm nicht gesagt habt?« fragte Guiche.

»Nun denn! das was La Vallière betrifft.«

»La Vallière . . . Was ist das, und was ist die so seltsame Sache, die Ihr dort wußtet, während Bragelonne, der hier war, sie nicht wußte?«

»Fragt Ihr mich das im Ernste?«

»In vollem Ernste.«

»Wie, Ihr ein Mann bei Hofe, ein Mann, der bei Madame lebt, Ihr, der Tischgenosse des Hauses, Ihr, der Freund von Monsieur, Ihr, der Günstling unserer schönen Prinzessin.«

Erröthend vor Zorn, fragte Guiche:

»Von welcher Prinzessin sprecht Ihr?«

»Ich kenne nur eine, mein Lieber. Ich spreche von Madame. Sagt, habt Ihr noch eine andere Prinzessin bei Hofe?«

Guiche war im Begriff, loszuschlagen, doch er sah die Finte.

Ein Streit war zwischen den zwei jungen Leuten dem Ausbruche nahe. Wardes wollte nur den Streit im Namen von Madame, während ihn Guiche nur im Namen von La Vallière annahm. Es war von diesem Augenblick an ein ganzes Fintenspiel, das so lange dauern sollte, bis der eine von ihnen getroffen war.

Guiche gewann wieder seine ganze Kaltblütigkeit und sprach:

»Mein lieber Wardes, bei dem Allem ist nicht entfernt von Madame die Rede, sondern von dem, was Ihr so eben sagtet.«

»Und was sagte ich?«

»Ihr habt Bragelonne gewisse Dinge, verborgen.«

»Die ihr ebenso gut wißt, als ich,« erwiederte Wardes.

»Auf Ehre, nein.«

»Geht doch.«

»Wenn Ihr sie mir sagt, werde ich sie wissen; sonst nicht, das schwöre ich Euch.«

»Wie! ich komme sechzig Meilen weit her; Ihr habt Euch nicht von der Stelle gerührt. Ihr habt mit Euren Augen gesehen, was mir das Gerücht dorthin brachte. Und ich höre Euch im Ernste zu mir sagen, Ihr wisset nicht. Oh! Graf, Ihr seid nicht liebreich.«

»Das wird sein, wie es Euch beliebt: doch ich wiederhole Euch, ich weiß nichts.«

»Ihr spielt den Diskreten, das ist klug.«

»Ihr werdet mir also eben so wenig etwas sagen, als Bragelonne.«

»Ihr spielt den Tauben. Ich bin fest überzeugt, Madame wäre nicht so sehr Herrin über sich, wie Ihr.«

»Ha! doppelter Heuchler,« murmelte Guiche, »nun bist Du wieder auf Deinem Terrain.«

»Nun wohl!« fuhr Wardes fort, »da es uns so schwer ist, uns über La Vallière und Bragelonne zu verständigen, plaudern wir über Eure persönlichen Angelegenheiten.«

 

»Ich habe aber keine persönliche Angelegenheiten. Ich denke, Ihr habt zu Bragelonne nichts über uns gesagt, was Ihr mir nicht wiederholen könntet?«

»Nein. Doch Ihr begreift, Guiche, daß ich, so sehr ich unwissend über gewisse Dinge, eben so sehr in Beziehung auf andere beschlagen bin. Wenn es sich zum Beispiel darum handelte. Euch über die Verhältnisse und Verbindungen von Buckingham in Paris zu unterhalten, so könnte ich Euch, da ich die ganze Reise mit dem Herzog gemacht habe, die interessantesten Dinge sagen. Soll ich sie Euch sagen?«

Guiche fuhr mit der Hand über seine von Schweiß befeuchtete Stirne und erwiederte:

Nein, hundertmal nein, ich bin nicht neugierig bei den Dingen, die mich nichts angehen. Herr von Buckingham ist für mich nur ein einfacher Bekannter, während Raoul ein vertrauter Freund von mir ist. Ich bin also nicht neugierig, zu erfahren, was sich mit Herrn von Buckingham begeben hat, während ich jedes Interesse habe, zu wissen, was Raoul begegnet ist.«

»In Paris?«

»Ja, in Paris oder in Boulogne. Ihr begreift, ich bin anwesend; tritt ein Ereigniß ein, so bin ich da, um ihm die Stirne zu bieten. Doch Raoul ist abwesend und hat nur mich, um ihn zu vertreten; die Angelegenheiten von Raoul gehen also den meinigen voran.«

»Raoul wird aber zurückkommen.«

»Nach seiner Sendung, – mittlerweile, das begreift Ihr, dürfen keine schlimme Gerüchte über ihn im Umlauf sein, ohne daß ich sie untersuche.«

»Um so mehr, als er einige Zeit in London bleiben wird,« versetzte Wardes hohnlächelnd.

»Ihr glaubt?« fragte Guiche naiv.

»Bei Gott! glaubt Ihr, man schicke einen Gesandten nach London, damit er nur hin- und herreise! . . . Nein, man hat ihn nach London geschickt, damit er dort bleibt.«

»Ah! Graf,« sagte Guiche, indem er mit Gewalt die Hand von Wardes ergriff, »das ist ein für Bragelonne sehr ärgerlicher Verdacht, der vortrefflich das rechtfertigt, was er mir von Boulogne geschrieben hat.«

Wardes wurde wieder kalt, die Liebe zum Spotten hatte ihn angestachelt, und er hatte sich durch seine Unklugheit eine Blöße gegeben.

»Nun, so sagt, was hat er geschrieben?«

»Ihr habet ihm einige treulose Insinuationen gegen La Vallière zugeflüstert, und es habe geschienen, als lachtet Ihr über sein großes Vertrauen zu diesem Mädchen.«

»Ja, ja, ich habe das Alles gethan, und war bereit, indem ich dieß that, den Vicomte von Bragelonne mir sagen zu hören, was ein Mann einem andern Mann sagt, wenn dieser ihn unzufrieden gemacht hat. So, zum Beispiel, wenn ich einen Streit mit Euch suchte, würde ich Euch sagen, Madame, nachdem sie Herrn von Buckingham ausgezeichnet, gelte in diesem Augenblick dafür, daß sie den schönen Herzog nur zu Euren Gunsten weggeschickt habe.«

»Oh! das würde mich nicht im Geringsten verletzen, lieber Wardes,« sagte Guiche lächelnd, trotz des Schauers, der seine Adern wie eine Feuereinspritzung durchlief.«Teufel! eine solche Gunst, das ist Honig.«

»Einverstanden, doch wenn ich durchaus einen Streit mit Euch haben wollte, so würde ich Euch lügen zu strafen suchen und von einem gewissen Bosquet, wo Ihr Euch mit dieser erhabenen Prinzessin zusammengefunden, von gewissen Kniebeugungen, von einem gewissen Handkuß sprechen, und Ihr, der Ihr ein verschwiegener, lebhafter und wunderlicher Mann seid . . . «

»Nein, ich schwöre Euch,« unterbrach ihn Guiche mit einem Lächeln auf den Lippen, obgleich er glaubte, er müsse sterben; »nein, ich schwöre Euch, das würde mich nicht berühren, ich würde Euch nicht lügen strafen; seht, Theuerster, ich bin nun einmal.so, bei den Dingen, die mich betreffen, bin ich von Eis. Ah! das ist ganz etwas Anderes, wenn es sich um einen abwesenden Freund handelt, um einen Freund, der uns bei seiner Abreise seine Interessen anvertraut hat; oh l für diesen Freund, seht Ihr, Wardes, bin ich ganz Feuer!«

»Ich verstehe Euch, Herr von Guiche: doch Ihr möget sagen, was Ihr wollt, es kann in diesem Augenblick zwischen uns weder von Bragelonne, noch von dem bedeutungslosen Mädchen die Rede sein, das man La Vallière nennt.«

In diesem Augenblick durchschritten einige junge Leute von Hof den Salon und waren, da sie schon die Worte gehört, welche gesprochen worden, auch im Stande, diejenigen zu hören, welche noch folgen sollten.

Wardes gewahrte dieß und fuhr laut fort:

»Oh! wenn La Vallière eine Coquette wäre, wie Madame, deren, ich will es wohl glauben, unschuldige Lockungen zuerst gemacht haben, daß Herr von Buckingham nach England zurückgeschickt wurde, sodann daß man Euch verbannte, denn Ihr habt Euch am Ende von diesen Lockungen fangen lassen, nicht wahr, meine Herren?«

Die Cavaliere näherten sich, Saint-Aignan an der Spitze, Manicamp hernach.

»Ei! mein Lieber, was wollt Ihr?« versetzte Guiche lachend, »ich bin ein Geck, alle Welt weiß das. Ich habe einen Scherz im Ernste genommen und dadurch gemacht, daß ich verbannt wurde. Doch ich habe meinen Irrthum eingesehen, ich habe meine Eitelkeit zu den Fußen des Berechtigten niedergebeugt und meine Zurückberufung erlangt, indem ich öffentliche Abbitte that und mir selbst mich von diesem Fehler zu heilen gelobte, und Ihr seht, ich bin so gut davon geheilt, daß ich nun über das lache, was mir vor vier Tagen das Herz brach. Doch er, Raoul, liebt, er wird geliebt, er lacht nicht über Gerüchte, die sein Glück stören können, über Gerüchte, zu deren Dolmetscher Ihr Euch gemacht habt, während Ihr doch, wie ich, wie diese Herren, wie Jedermann wußtet, daß diese Gerüchte nur eine Verleumdung waren!«

»Eine Verleumdung!« rief Wardes wüthend, sich durch die Kaltblütigkeit von Guiche in die Falle getrieben zu sehen.

»Ja, eine Verleumdung. Hier ist sein Brief, worin er mir schreibt, Ihr habet schlimm von Fräulein de la Vallière gesprochen, und worin er mich fragt, ob das, was Ihr von dem Mädchen gesagt, wahr sei. Soll ich diese Herren zu Richtern machen, Wardes?«

Und mit der größten Kaltblütigkeit las Guiche ganz laut den Absatz des Briefes vor, der La Vallière betraf.

»Und nun,« fuhr Guiche fort, »nun ist es für mich erwiesen, daß Ihr die Ruhe des lieben Bragelonne verletzen wolltet, und daß Eure Reden boshaft waren.«

Wardes schaute umher, um zu wissen, ob er irgendwo auf Unterstützung zu hoffen hätte; doch bei dem Gedanken, daß Wardes unmittelbar oder mittelbar diejenige beleidigt habe, welche das Idol des Tages war, schüttelte jeder den Kopf und Wardes sah nur Männer, bereit, ihm Unrecht zu geben.

»Meine Herren,« sprach Guiche, der instinktartig das allgemeine Gefühl errieth, »unsere Erörterung mit Herrn von Wardes betrifft einen Gegenstand von so zarter Natur, daß es von Gewicht ist, daß Niemand mehr davon hört, als Ihr davon gehört habt. Ich bitte Euch daher, bewacht die Thüren und laßt uns unser Gespräch unter uns vollenden, wie es sich unter zwei Edelleuten geziemt, von denen der eine den andern lügen gestraft hat.«

»Meine Herren! meine Herren!« riefen die Anwesenden.

»Findet Ihr, daß ich Unrecht gehabt habe, Fräulein de la Vallière zu vertheidigen?« sagte Guiche. »In diesem Fall unterziehe ich mich der Verurtheilung und nehme die verletzenden Worte zurück, die ich gegen Herrn von Wardes habe aussprechen können.«

»Teufel!« sagte Saint-Aignan. »Nein! nein! . . . Fräulein de la Vallière ist ein Engel!«

»Die Tugend, die Reinheit in Person,« rief Manicamp.

»Ihr seht, Herr von Wardes,« sprach Guiche, »ich bin nicht der Einzige, der die Vertheidigung dieses armen Kindes übernimmt. Meine Herren, zum zweiten Male flehe ich Euch an, uns allein zu lassen. Ihr seht, man kann unmöglich ruhiger sein, als wir es sind.«

Die Höflinge entfernten sich gerne; die einen gingen an eine Thüre, die andern an die andere.

Die zwei jungen Leute blieben allein.

»Gut gespielt,« sagte Wardes zum Grafen.

»Nicht wahr?« erwiederte dieser.

»Was wollt Ihr, ich bin in der Provinz eingerostet, mein Theurer, während mich das, was Ihr an Selbstbeherrschung gewonnen habt, verwirrt; man erlangt immer etwas in der Gesellschaft der Frauen, empfangt also alle meine Complimente.«

»Ich empfange sie.«

»Und ich werde sie an Madame zurückwenden.«

»Oh! nun, mein lieber Herr von Wardes, sprechen wir so laut, als es Euch beliebt.«

»Fordert mich nicht heraus.«

»Ich fordere Euch heraus. Ihr seid als ein boshafter Mensch bekannt; wenn Ihr das thut, werdet Ihr für einen Feigen gelten, und Monsieur wird Euch heute Abend an seine Fensterstange hängen lassen.«

»Ich bin geschlagen.«

»Ja, aber nicht so sehr, als es sich gebührt.«

»Ich sehe, es wäre Euch nicht leid, wenn Ihr mich ganz und gar auf das Haupt schlagen würdet.«

»Noch mehr.«

»Teufel, Graf, für den Augenblick seid Ihr übel daran; nach der, die ich gespielt, kann mir eine andere Partie nicht zusagen; ich habe zu viel Blut in Boulogne verloren; bei der geringsten Anstrengung würden sich meine Wunden wieder öffnen, und Ihr hättet in der That bei mir einen zu leichten Handel.«

»Das ist wahr,« sagte Guiche, »und dennoch habt Ihr bei Eurer Ankunft Euer schönes Aussehen und Eure guten Arme zur Schau gestellt.«

»Ja, die Arme gehen allerdings noch, aber die Beine sind schwach, und dann habe ich seit dem verteufelten Duell kein Rappier mehr in der Hand gehabt, und Ihr, dafür stehe ich, Ihr fechtet alle Tage, um Euren kleinen Hinterhalt zu einem guten Ende zu führen.«

»Bei meiner Ehre,« erwiederte Guiche, »seit einem halben Jahre habe ich mich nicht mehr geübt.«

»Nein, seht, Graf, Alles wohl überlegt, werde ich mich nicht schlagen, wenigstens nicht mit Euch. Ich werde auf Bragelonne warten, da Ihr mir sagt, Bragelonne sei böse auf mich.«

»Oh! nein, Ihr werdet nicht auf Bragelonne warten,« rief Guiche außer sich, »denn Ihr habt es gesagt, Bragelonne kann lange nicht zurückkommen und mittlerweile wird Euer schlimmer Geist sein Werk vollbringen.«

»Ich werde jedoch eine Entschuldigung haben. Nehmt Euch in Acht.«

»Ich gebe Euch acht Tage zu Eurer völligen Wiederherstellung.«

»Das ist schon besser. In acht Tagen werden wir sehen.«

»Ja, ja, ich begreife, in acht Tagen kann man seinem Feinde entkommen. Nein, nein, nicht einen.«

»Ihr seid verrückt, mein Herr,« sagte Wardes, indem er einen Schritt rückwärts machte.

»Und Ihr seid ein Elender, wenn Ihr Euch nicht freiwillig schlagt.«

»Nun?«

»Ich zeige es dem König an, daß Ihr Euch geweigert. Euch zu schlagen, nachdem ihr La Vallière beschimpft.«

»Ah!« versetzte Wardes, »Ihr seid gefährlich verrätherisch, mein redlicher Herr.«

»Nichts kann gefährlicher sein, als die Falschheit desjenigen, welcher immer den Rechtschaffenen spielt.«

»Gebt mir meine Beine wieder, oder laßt Euch Alles Blut abzapfen, um die Chancen gleich zu machen.«

»Nein, ich habe etwas Besseres.«

»Sprecht.«

»Wir setzen uns beide zu Pferde und wechseln drei Pistolenschüsse. Ihr seid ein Vortrefflicher Schütze. Ich habe Euch Schwalben mit der Kugel im Galopp schießen sehen. Leugnet es nicht, ich habe es gesehen.«

»Ich glaube, Ihr habt Recht, und so ist es möglich, daß ich Euch tödte.«

»Ihr würdet mir in der That einen Dienst leisten.«

»Ich werde mein Möglichstes thun.«

»Ist das abgemacht!«

»Eure Hand.«

»Hier habt Ihr sie . . . Unter einer Bedingung jedoch.«

»Nennt sie.«

»Ihr schwört mir, nichts dem König zu sagen oder sagen zu lassen?«

»Nichts, ich schwöre es Euch.«

»Ich will mein Pferd holen.«

»Und ich das meinige.«

»Wohin reiten wir?«

»Nach der Ebene, ich weiß einen vortrefflichen Ort.«

»Reiten wir mit einander?«

»Warum nicht?«


Und beide gingen nach den Ställen, wobei sie unter den sanft erleuchteten Fenstern von Madame vorüberkamen; ein Schatten erhob sich hinter den Spitzenvorhängen.

»Ah!« sagte Wardes lächelnd, »das ist eine Frau welche nicht vermuthet, daß wir für sie in den Tod gehen.«