Tasuta

Der Graf von Moret

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

VIII.
Maximilian von Bétune, Herzog von Sully, Baron von Ronuy

Während der ganzen Zeit, welche die Erzählung der Frau von Coëtman in Anspruch genommen hatte, war der Kardinal mit großer Aufmerksamkeit dieser Leidensgeschichte gefolgt, aber wenn auch fast aus jedem Worte des armen Opfers ein moralischer Beweis für die Mitschuld Concini's, des Herzogs von Epernon und der Königin-Mutter an der Ermordung des Königs sich ergab, so fehlte noch immer ein materieller, handgreiflicher, unwiderlegbarer Beweis dieser Mitschuld.

Was aber klarer als der Tag, strahlender als der Kristall war, das war die Unschuld der Frau von Coëtman, ja ihr Eifer, den Königsmord zu verhindern, ein Eifer, den sie mit neun Jahren Gefängnis in der Conciergerie und neun Jahren Begrabensein in dem Kloster der Büßerinnen bezahlen musste.

Was dem Kardinal noch zu erlangen übrig blieb, was er sich um jeden Preis verschaffen musste, da das Protokoll über den Prozess Ravaillac verbrannte, das war jenes Blatt Papier, auf welchem auf dem Schafott die letzten Geständnisse des Mörders niedergeschrieben wurden.

Aber hierin lag die Schwierigkeit, wir möchten sagen: die Unmöglichkeit. Nach dieser Richtung, hin hatte der Kardinal eigentlich seine Nachforschungen begonnen, war aber auf ein Hindernis gestoßen, von dem er sich selbst sagte, dass es beinahe unüberwindlich sei.

Wir glauben erwähnt zu haben, dass dieses lose Blatt Papier in den Händen des Berichterstatters des Parlaments, Messire Joly von Fleury, geblieben war. Unglücklicherweise war dieser seit zwei Jahren todt, und der Kardinal hatte erst nach dem Ausgang des Prozesses von Chalais, bei seiner Rückkehr von Nantes, daran gedacht, Beweise für die Mitschuld der Königin-Mutter an Heinrichs IV. Ermordung zu sammeln, da er bei Gelegenheit dieses Prozesses erst den ganzen Umfang des Hasses kennen lernte, womit Maria von Medicis gegen seine Person erfüllt war.

Messire Joly von Fleury hinterließ einen Sohn und eine Tochter.

Der Kardinal hatte sie Beide in sein Kabinett rufen lassen und sie über die Existenz dieses für ihn und selbst für die Geschichtsschreibung so wichtigen Blattes befragt.

Aber dieses Papier befand sich nicht mehr in ihren Händen und war auf folgende Weise aus ihrem Besitze gekommen:

Im Monat März des Jahres 1617. d. h. vor etwa elf Jahren, hatte sich ein junger Mensch, der etwa fünfzehn bis sechzehn Jahre zahlen mochte, und von einem um zehn oder zwölf Jahre älteren Gefährten begleitet war, dem Messire Joly von Fleury vorgestellt. Er war ganz schwarz, gekleidet und trug einen Hut mit breiter, herab geschlagener Krämpe.

Der Berichterstatter des Parlaments, welcher die Beiden in seinem Kabinett empfing, unterhielt sich daselbst mit ihnen etwa eine Stunde lang, dann begleitete er sie mit allen Zeichen einer großen Ehrerbietung die Treppe hinab, bis vor die Haustüre, wo eine Carosse, in jener Zeit noch eine Seltenheit, auf sie wartete, und des Abends, als man das Nachtmahl eingenommen hatte, sagte der würdige Beamte zu seiner Familie:

»Meine Kinder, wenn nach meinem Tode sich Jemand an Euch wegen eines gewissen losen Papierblattes wendet, auf welchem die letzten Geständnisse Ravaillac's verzeichnet sein sollten, so saget, dass es sich nicht mehr in Eurem Besitze befinde, oder besser noch, dass ein solches Papier niemals existiert hat.«

Der Kardinal hatte also fünf bis sechs Monate vor der Zeit, in welcher unsere Erzählung begann, die beiden Geschwister in sein Kabinett kommen lassen, und diese versuchten zufolge des ihnen von ihrem Vater erteilten Rates zuerst zu leugnen; als sie aber, durch die Fragen des Kardinals gedrängt, nicht mehr auszuweichen vermochten, hatten sie ihm nach einer kurzen Beratung Alles gesagt.

Allein sie wussten durchaus nicht, wer die beiden geheimnisvollen Besucher gewesen waren, welche allem Anscheine nach das wichtige Schriftstück von Messire Joly von Fleury erhalten hatten.

Sechs Monate später bewog, wie wir gesehen haben, die Größe der Gefahr, in der er selbst schwebte, den Kardinal, seine Nachforschungen wieder aufzunehmen.

Mehr als jemals war ihm dieses Document nöthig, um die Schanze, die er zu seinem Schutze gegen die Angriffe Marias errichtet hatte, zu vervollständigen, mehr als jemals aber musste er verzweifeln, es zu erlangen.

Indessen tat, der Bemerkung Pater Joseph's zufolge, die Vorsehung so viel für den Kardinal, dass man sich der Hoffnung hingeben durfte, sie werde nicht auf halbem Wege stehen bleiben.

Mittlerweile wollte sich Richelieu gleichsam als Nebenbeweis jenen Brief verschaffen, welchen Frau von Coëtman an den König geschrieben und durch Fräulein von Gournay an Sully übersandt hatte. Dieser Brief musste sich entweder in den Händen der Gournay oder Sully's befinden.

Dies war übrigens leicht zu erfahren. Der alte Minister oder vielmehr der alte Freund Heinrichs IV. lebte noch; er bewohnte im Sommer das Schloss Villebon, im Winter sein Hotel in der Rue St.-Antoine. Man versicherte, dass er, getreu seinen Gewohnheiten der Arbeitsamkeit, stets des Morgens um fünf Uhr bereits in seinem Arbeitscabinet sich befinde.

Der Kardinal zog, während die Coëtman sich an den Speisen und an dem Weine labte, aus der Tasche eine prachtvolle Uhr; sie zeigte die vierte Morgenstunde.

Er ließ sich nach seiner Wohnung bringen, um daselbst einen Hut zu holen, ließ seinen täglichen Tischgenossen Mulot, den Almosenier, und La Follone, den Schmarotzer Sr. Eminenz, benachrichtigen, dass er sie zum Frühstück erwarte, und seinen Narren Bois-Robert, dass man mit ihm plaudern wolle; dann ließ er sich nach dem Hotel Sully bringen, wo er um fünf Uhr ankam.

Er klopfte an das Thor, wo ihm ein Schweizer öffnete.

Benutzen wir diesen Besuch, den der verkannte Minister der Zukunft dem ein wenig überschätzten Minister der Vergangenheit abstattete, um den Leser mit einer der merkwürdigsten Persönlichkeiten bekannt zu machen, welche zu Ende des 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts lebten, mit einer Persönlichkeit, welche von den Geschichtsschreibern schlecht erfasst und noch schlechter geschildert worden ist, da sie sich begnügt haben, ihr so zu sagen ins Gesicht zu sehen, sie daher einseitig zu beurteilen, wahrend sie hätten suchen sollen^ sie aus verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten.

Maximilian von Bétune, Herzog von Sully, der zu der Zeit, von welcher wir erzählen, sein 68. Jahr erreicht hatte, gab sich in Bezug auf seine Geburt eigenthümlichen Anschauungen hin. Anstatt, wie sein Vater und sein Großvater, sich einfach von dem Grafen Bétune von Flandern abstammen zu lassen, hatte er sich einen Stammbaum gebildet, zufolge dessen er von einem Schotten Namens Betun abstammen sollte, was ihm den Vorteil verschaffte, den Erzbischof von Glasgow in Briefen seinen Vetter nennen zu können. Er hatte noch die zweite Marotte, mit dem Hause Guise durch die Familie Coucy verschwägert sein zu wollen, woraus er das Recht ableitete, den Kaiser von Österreich und den König von Spanien als seine Verwandten zu betrachten.

Sully, den man den Herrn von Rosny nannte, war trotz seiner Verwandtschaft mit dem Erzbischof von Glasgow, mit dem Kaiser von Österreich und dem Könige von Spanien, ein ganz unbedeutender Mensch. Gabriele d'Etrées glaubte in ihm einen treuergebenen Diener zu gewinnen; sie hatte sich außerdem über die derbe Freimütigkeit des Herrn von Sancy, des Oberintendanten der Finanzen, zu beklagen und erlangte daher von Heinrich IV., dass Sancy, der schlechte Hofmann, Sully Platz mache. Heinrich IV., dessen größter Fehler darin bestand, in Beziehung auf seine Geliebten vergesslich bis zur Undankbarkeit und schwach bis zur Feigheit zu sein – Heinrich IV., sagen wir, erinnerte sich unter dem Drucke, den Gabriele auf ihn ausübte, nicht mehr daran, dass Sancy, um die Schweizer für ihn zu gewinnen, den schönen Diamant verpfändet hatte, der nach heute seinen Namen trägt und jetzt zu den Krondiamanten Frankreichs gehört.

Durch die Opfer, welche der Oberintendant Frankreich brachte, war er selbst arm geworden, während sein Nachfolger im Amte sich bereicherte. Heinrich IV. sah sich dadurch gezwungen, ihm das zu gewähren, was man damals ein Dekret des Verbotes nannte und was nichts Anderes ist, als was man gegenwärtig einen Indult gegen die Gläubiger nennt. Der gute Sancy, der sehr spaßhaften Charakters war, machte sich daher zuweilen den Scherz, sich durch einen oder den andern seiner Gläubiger verhaften und bis zur Tür des Gefängnisses führen zu lassen. Hier zeigte er dann sein Dekret den Gerichtsboten, machte ihnen eine höfliche Verbeugung und ging davon, indem er es ihnen überließ, welchen Weg sie einzuschlagen für gut befinden würden.

Aber das Erste, was Sully tat, als die Zeit gekommen war, der schönen Beschützerin seine Erkenntlichkeit zu beweisen, war, dass er undankbar wurde, und Heinrich IV. fand, als er den Wunsch hegte, Gabriele zu heiraten, in ihm den eifrigsten Gegner dieses Planes.

Diese Absicht Heinrichs IV., Gabriele zu heiraten, war übrigens nicht die bloße Phantasie eines Verliebten.

Er wollte Frankreich eine Französin zur Königin geben; eine solche hatte auf dem Throne der Lilien noch nie gesessen.

Heinrich IV. verhehlte es sich, mit seinem trefflichen politischen Verständnisse, mit dem vollsten Bewusstsein seiner Schwäche gegenüber den Weibern, keinen Augenblick, dass, welches Weib er auch heirate, dasselbe einen großen Einfluss auf die Geschicke Frankreichs haben würde. Wenn er auch in den zwei Stunden, die er den Geschäften täglich zu widmen pflegte, die wichtigsten Fragen durch Befehle kurz angebundener militärischer Art zu lösen versuchte, so wusste doch Jedermann, dass, wenn er kommandierte, ein Obergeneral in Gestalt einer Frau da war, die von ihrem Schlafzimmer aus den König am Gängelband hielt.

Die Heirat eines solchen Königs war, wie man sieht, eine höchst wichtige Staatsangelegenheit.

 

Für die Spanier war es von geringer Wichtigkeit, bei Arques oder Ivry besiegt worden zu sein, wenn eine Königin, welche der Geburt oder dem Geiste nach Spanierin war, Gabriele bei Seite schob, indem sie sich in das Schloss des Königs und von hier aus ihre Hand auf das Königreich legte.

Als Heinrich IV. sich entschlossen hatte, sich wieder zu verheiraten, war er fast der einzige Souverän in Europa, welcher den Degen führte, der einzige Sieger, der auf einem Throne saß. Dieser Degen, der Degen Frankreichs, durfte Heinrich IV. nicht von einer Ausländerin unter dem Kopfkissen weggezogen werden.

Ein großer Politiker, ein genialer Mensch, Richelieu zum Beispiel, hätte das begriffen; Sully begriff es nicht.

Sully, welcher durch seine blauen Augen und seine noch im achtundsechzigsten Lebensjahre rosigen Wangen jene Behauptung rechtfertigte, dass er aus schottischem Blute stamme, war allgemein und selbst von seinem Könige, mehr gefürchtet als geliebt; er verbreitete Schrecken nach allen Seiten hin, und seine Augen flößten eben soviel Furcht ein, wie seine Handlungen.

Er war vor Allem Soldat und hatte einen guten Teil seines Lebens auf Feldzügen und Schlachtfeldern zugebracht; er hatte eine energische, tätige und vor Allem sparsame Hand. Er hielt mit dieser Hand, welche Alles zu zentralisieren verstand, den Krieg, die Finanzen und die Marine. Die Artillerie allein war ihm entschlüpft; Gabriele hatte die Torheit begangen, den Platz eines Großmeisters derselben durch Heinrich IV. ihrem Vater, einem höchst mittelmäßigen Menschen, verleihen zu lassen.

Sully suchte nur eine Gelegenheit, undankbar zu sein; sie wurde ihm hierdurch geboten und er ergriff sie.

An dem Tage, wo jenes Dekret eines Großmeisters der Artillerie unterzeichnet worden war, hatte Gabriele so zu sagen ihre Demission als Königin von Frankreich gegeben.

Heinrich IV. hatte ihre zwei Söhne anerkannt, ihnen den Prinzentitel verliehen und sie auch unter diesem Titel in die Taufregister eintragen lassen. Als der Staatssekretär den Taufschein der »Kinder Frankreichs« an Sully schickte, sendete dieser denselben zurück, indem er sagte:

»Es gibt jetzt keine Kinder Frankreichs!«

Der König wagte es nicht, zu widersprechen.

Sully hatte eine eigene Art, seinen Gebieter, den König, zu erforschen. Vielleicht hätte er nachgegeben, wenn Heinrich IV. auf seiner Forderung bestand, so aber gab Heinrich IV. nach und daraus schloss Sully, dass er doch Gabriele nicht so sehr liebe, als er selbst sich es einbilde.

Er stellte ihr, welche alt zu werden anfing, eine stets junge, stets schöne, stets verführerische Nebenbuhlerin gegenüber: eine volle Kasse.

Gabriele war leider nur eine leere Kasse.

Aber eine volle Kasse war bei dem Großherzog von Toskana zu finden.

Dieser schickte schon einige Jahre hindurch von Jahr zu Jahr das Porträt seiner Nichte; es stellte ein in Jugend und Frische strahlendes Mädchen dar, und die spätere Wohlbeleibtheit Marias von Medicis konnte, auf demselben noch als blühende Gesundheit gedeutet werden.

Gabriele sah das Porträt.

»Dies Bild,« sagte sie, »flößt mir keine Furcht ein, wohl aber die Kasse, die im Hintergrunde desselben steht.«

Heinrich IV. befand sich also in der Notwendigkeit, zwischen einer Frau und einer Geldkasse zu wählen.

Und da er sich nicht schnell genug für das Geld entschied, vergiftete man die Frau.

In Paris lebte damals ein Mann maurischer Abstammung, Namens Zamet, der sich vom Schuster zum großem Herrn mit einem Vermögen von siebzehn hunderttausend Talern durch seine Geschicklichkeit sowohl, als durch die Elastizität seines Gewissens, aufgeschwungen hatte. Er zauberte Heinrich III., dessen Eitelkeit, sprichwörtlich geworden ist, durch seine Kunst einen kleinen Fuß, einen wahren Frauenfuß, an. Heinrich III., welcher über einen so reizenden Fuß entzückt war, ernannte Zamet zum Direktor seines kleinen Kabinetts, in welchem er zwölf Chorknaben erziehen und unterrichten ließ. Dieser vortreffliche König liebte so sehr die Musik!

Zamet legte durch dieses Amt den Grundstein zu seinem Reichtum, auf dem er spekulierend weiterbaute. Es war zur Zeit der Ligue; damals brauchte Alles Gold; Zamet lieh. Jedem, selbst dem Könige von Navarra, dem Niemand leihen wollte. Er schien seine künftige Größe vorauszusehen, wie Crassus die des Cäsar vorausgesehen hatte.

Dieser Zamet war für den Großherzog Ferdinand der rechte Mann.

Er und Sully verständigten sich bald.

Man musste den geeigneten Moment abwarten; wenn man den richtigen Mick und eine sichere Hand hatte, war die Partie gewonnen.

Gabriele beleidigte eines Tages Sully, indem sie ihn, als vom Kartenspiele die Rede war, ihren Buben nannte.

Sully klagte es dem Könige.

Heinrich IV. sagte im Zorn zu Gabriele:

»Ein solcher Bube ist mir lieber, als zehn Damen Euresgleichen!«

Die Stunde war gekommen.

Ferdinand, der Ex-Kardinal, stand auf der Lauer und streckte über die Alpen den Arm mit dem Gifte, welches seinen Bruder Franz und seine Schwägerin Bianca getödtet hatte.

Gabriele befand sich mit dem Könige in Fontainebleau; Ostern nahte heran; ihr Beichtvater trug ihr auf nach Paris zu gehen, und dort ihre Osterandacht zu verrichten. Sie tat es, hatte aber den verhängnisvollen Einfall, dies bei dem Mauren Zamet zu tun: das musste ihr Unglück bringen.

Sully besuchte sie damals, obgleich er auf gespanntem Fuße mit ihr lebte; vielleicht geschah es nur, um zu sehen, ob sie wirklich die Unklugheit begangen habe, sich in diesem Augenblicke vom Könige zu trennen.

Um Sully eine Höflichkeit zu erweisen, versicherte sie ihn, die Herzogin werde stets zu ihren Levers zugelassen werden.

Die arme Frau glaubte schon Königin zu sein.

Die Herzogin, der Sully die Nachricht überbrachte, war wütend.

»Beruhige Dich,« sagte Sully zu ihr, »die Sachen werden nicht so gehen, wie sie es denkt, und der Strick wird unversehens reißen

In der Tat wusste Sully Alles.

Wie? Sully wusste, dass man Gabriele vergiften wollte?

Ohne Zweifel; Sully war ein Staatsmann und ein kluger Politiker; deshalb verließ er auch Paris und gewährte den Giftmischern freies Spiel.

Wir sagen: den Giftmischern, denn es waren ihrer zwei. Der zweite war ein gewisser Lavarenne, ein ehemaliger Koch, wie Zamet ein ehemaliger Schuster war.

Als Sully von Paris abreiste, sagte er zu Lavarenne:

»Sorge dafür, dass ich zuerst davon unterrichtet werde, wenn der Frau Herzogin von Beaufort zufällig ein Unglück begegnen sollte.«

Lavarenne war dem erhaltenen Befehle gehorsam; Sully gehörte unter die Ersten, die benachrichtigt wurden.

Lavarenne schrieb ihm, Gabriele sei plötzlich von einer unerklärlichen Krankheit befallen worden, die sie dermaßen entstellte, dass er »aus Furcht, dass der König sich bei ihrem Anblick ekeln würde,« demselben geschrieben habe, er möge Fontainebleau nicht verlassen, da die Frau Herzogin bereits gestorben sei.

»Und ich,« fügte Lavarenne in dem Briefe an Sully hinzu, »ich halte hier die unglückliche Frau in meinen Armen und bin überzeugt, dass sie nur noch etwa eine Stunde zu leben hat.«

So sicher waren die beiden Schurken der Eigenschaft ihres Giftes, dass die arme Gabriele noch lebte, während sie bereits den König von ihrem erfolgten und Sully von ihrem nahe bevorstehenden Tode benachrichtigten.

Sie starb jedoch nicht so bald, als man es voraussetzte; ihr Todeskampf dauerte bis Samstag Morgen. Freitag Abend hatte Lavarenne an Sully seinen Boten geschickt. Als Sully die Nachricht hörte, weckte er seine Gattin und sagte zu ihr:

»Du wirst also den Levers der Herzogin nicht beizuwohnen brauchen; der Strick ist gerissen; jetzt, da sie todt ist, möge ihr Gott ein langes Leben und eine glückliche Regierung schenken!«

Nachdem Gabriele gestorben war, Machte es Sully keine große Mühe mehr, den König zu der Heirat mit Maria von Medicis zu bereden.

In dem Zwischenraume, der zwischen jenem Tode und dieser Heirat lag, wurde jedoch ein neuer Strick gedreht, den man abermals durchschneiden musste, wenn er nicht von selbst reißen wollte.

Diese neue Fessel für den König hieß Henriette von Entragues.

Unter den Königen Frankreichs ragte Heinrich IV. auch durch die Eigenschaft hervor, immer verliebt zu sein.

Gabriele war kaum todt, als Heinrich IV. sich in Henriette von Entragues, Tochter der Marie Tauchet, heftig verliebte. Um ihm nachzugeben, verlangte sie ein Heiratsversprechen; ihr Vater aber fünfmal hunderttausend Francs.

Der König zeigte Sully das Heiratsversprechen und befahl ihm, die fünfmal hunderttausend Francs auszuzahlen.

Sully zerriss das Heiratsversprechen, und ließ eine halbe Million in Silbermünze in das Gemach schütten, welches vor dem Schlafzimmer des Königs lag.

Als Heinrich IV. durch dieses Zimmer kam, watete er bis an den Knöcheln in Carls und Heinrichs und selbst in Florentinern, denn ein Teil dieser Summe kam aus Toscana.

»Oho,« rief er; »was ist das?«

»Da? sind die fünfmal hunderttausend Francs, Sire,« sagte Sully, der ihn begleitete, »mit denen Ihr Herrn von Entragues eine Liebe abkauftet, die Euch von seiner Tochter niemals zu Teil werden wird«

»Ventre-Saint-Gris!« rief der König, »ich hätte nie geglaubt, dass fünfmal hunderttausend Francs einen solchen Haufen bilden können; seht zu, mein guter Sully, ob sich die Sache nicht für die Hälfte des Geldes abmachen lässt.«

Sully vermittelte die Sache für dreimal hunderttausend Francs, welche er Henriettens Vater auszahlte; wie er es aber dem König vorhergesagt hatte, weigerte sich Henriette noch immer, diesen zu erhören.

Es ist selbstverständlich, dass Heinrich IV. auf jede Gefahr hin das von Sully zerrissene Heiratsversprechen wieder erneuerte.

Sully, welchen man den Wiederhersteller des öffentlichen Vermögens nannte, war nicht so unklug, wie sein Vorgänger Sancy, bei dieser Wiederherstellung sein eigenes Vermögen einzubüßen; wir wollen nicht sagen, dass er sich auf Kosten der Staatskassen bereicherte, aber er wusste vorteilhafte Geschäfte zu machen, und ließ keine Gelegenheit, etwas zu gewinnen, unbenutzt vorübergehen.

Heinrich IV. wusste das und lachte oft darüber.

Eines Tages ging Sully durch den Hof des Louvre; da begegnete ihm das Unglück, zu stolpern, während er den König grüßte, der auf dem Balkon stand.

»Das darf Euch nicht in Erstaunen setzen,« sagte Heinrich IV. zu seiner Umgebung, »wenn der stärkste meiner Schweizer nur einen kleinen Teil von dem Weine in seinem Kopfe hätte, den Herr Sully in seiner Tasche hat, er würde sich nicht damit begnügen zu stolpern, er würde der Lange nach hinstürzen.«

Sully war, obwohl Oberintendant der Finanzen, nicht minder geizig für seine Person, als für den Staat; er besaß noch keinen Wagen, und trabte zu Pferds in den Straßen von Paris umher; da er aber ein sehr schlechter Reiter war, so spottete Alles über ihn und selbst die Straßenjungen liefen ihm höhnend nach.

Niemals hatte Frankreich einen widerhaarigeren Oberintendanten gehabt. Ein Italiener, der zum fünften oder sechsten Male in das Arsenal kam, um eine Summe Geldes einzutreiben, die man ihm schuldete, sah im Hofe einige Gehenkte am Galgen baumeln.

»Glückliche Leute!« rief er aus, »die Ihr mit diesem Spitzbuben Sully nichts mehr zu tun habt!«

Doch kam Sully nicht bei allen Leuten so gut weg, wie bei diesem Italiener, der sich damit begnügte, das Schicksal der Gehenkten zu beneiden. Da war ein gewisser Pradel, ein ehemaliger Haushofmeister des Marschalls Biron, dem Sully nicht nur seinen rückständigen Lohn nicht zahlen wollte, sondern den er sogar mit Hinauswerfen bedrohte. Aber Pradel ergriff ein Messer und verfolgte Sully bis in sein Kassenzimmer, dessen Tür ihm dieser vor der Nase zuschlug. Pradel aber ging mit dem Messer in der Hand zum Könige, und sagte, es wäre ihm einerlei, gehängt zu werden, wenn er nur früher mit diesem Messer dem Herrn Oberintendantenden Bauch aufschlitzen könne. Dann zahlte Sully.

Sully war der Erste, welcher längs der großen Landstraße Ulmen pflanzen ließ, aber er war so verhasst, dass man tue jungen Baulichen abbrach, um ihn zu ärgern.

Sully war aber auch vielseitig. Er erzählt selbst in seinen Memoiren, dass, als einst Marschall Biron und zwölf der galantesten Herren des Hofes ein Ballet veranstalten wollten, und damit nicht zum Ziele kamen, der König ihnen gesagt habe: »Ihr werdet niemals fertig werden, wenn Rosny Euch nicht hilft.« .

Und dass, als er sich der Sache angenommen hatte, das Ballett auch sogleich glücklich ausgeführt wurde.

Tatsache ist – und es wäre schwer, das zu glauben, wenn man Sully nur aus den Geschichtswerken, wo er als ein ernster, strenger Hugenott dargestellt wird, kennen würde – dass Sully ein leidenschaftlicher Tänzer war. Jeden Abend bis zu dem Tode Heinrich's IV. – denn von diesem Augenblick angefangen tanzte er nicht mehr – jeden Abend spielte ihm ein Kammerdiener des Königs, Namens Laroche, auf der Laute die Tänze jener Zeit vor, und wenn die Saiten zu schwingen begannen, fing auch Sully ganz allein zu tanzen an. Er hatte dabei nur zwei Zuschauer, außer wenn er, um das Fest vollständiger zu machen, einige Frauen von schlechtem Rufe holen ließ, sagt Tallemant des Réaux, der freilich sehr streng gegen Sully ist. Wir unsererseits begnügen uns damit, zu sagen: von zweideutigem Rufe.

 

Diese beiden Zuschauer, welche zuweilen auch Teilnehmer wurden, waren der Präsident von Chivry und Herr von Chevigny. Wenn er zu seiner Tänzerin vis-à-vis nur einer leichtfertigen Frau bedurfte, so konnte er sich mit der Herzogin von Sully, seiner Gemahlin, begnügen, deren leichtsinniger Lebenswandel ihn so wenig beunruhigte, dass er ihr ihre monatliche Rente oft mit den Worten zustellte: dies für den Tisch, dies für die Toilette, und dies für Eure Verehrer.

Als er eines Tages überdrüssig wurde, auf der Treppe stets so vielen Leuten zu begegnen,die von ihm nichts wollten. und nach der Herzogin fragten, ließ er eine Stiege zu ihren Gemächern bauen, und als diese fertig war, sagte er zu ihr:

»Madame, ich habe eine eigene Treppe für Euch machen lassen; verfügt, dass gewisse Leute nur über diese zu Euch gelangen, denn sollte ich Einem oder dem Andern auf meiner Stiege begegnen, so werde ich ihn alle Stufen auf einmal hinabstiegen lassen!«

An dem Tage, an welchem er zum Großmeister der Artillerie ernannt wurde, wählte er zu seinem Siegel einen Adler, der in seinen Krallen einen Blitz hielt, und dazu die Devise: Quo jussa Jovis.

Die des Kardinal Richelieu, der die Treppe zu Sully um fünf ein halb Uhr Morgens hinaufstieg, war, wie man sich erinnern wird, ein in den Wolken schwebender Adler mir der Devise: Aquila in nubibus.

–         –         –         –         –         –         —

»Wen soll ich melden?« fragte der Diener, der dem frühen Besucher voranschritt.

»Meldet,« sagte der Kardinal, indem er im Voraus über die Wirkung lächelte, die seine Worte machen mussten, »meldet den Herrn Kardinal von Richelieu.«