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Der Graf von Moret

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IX.
Die beiden Adler

Und in der Tat, wenn jemals eine Anmeldung einen großartigen Eindruck hervorgebracht hatte, so war es die, welche Sully vernahm, als er sich unwillig nach der Tür wandte, um zu sehen, welcher Lästige ihn schon in so früher Morgenstunde störe.

Er beschäftigte sich eben mit den umfangreichen Memoiren, die er uns hinterlassen hat, und erhob sich, als er den Namen des Kardinals vernommen hatte, rasch von seinem Lehnstuhl.

Sully war nach der Mode von 1610 gekleidet, das heißt nach einer Weise, die bereits gegen zwanzig Jahre nicht mehr Mode war. Sein Anzug bestand aus schwarzem Samt, der auf der Brust und an den Ärmeln über einem Unterkleid von violetter Seide geschlitzt war – Sully trug die Haare kurz geschoren und hatte einen langen Bart. In diesem Barte stak, wie in dem Coligni's, ein Zahnstocher, damit man ihn in der Nähe habe, wenn man seiner bedürfe. Obwohl diesen Anzug ein langer, bis auf die Filzschuhe hinabreichender Schlafrock verhüllte, waren an demselben doch die großen Ordenssterne befestigt, als ob der Oberintendant bereit wäre, sich zu einer Audienz bei Heinrich IV. zu begeben.

Bei schönem Wetter stieg Sully die große Treppe hinab, und begab sich, von vier Schweizern, die er als Leibgarde hielt, begleitet, nach den Arcaden des Palais Royal, wo er in gemessenem Schritte, gleich einem Gespenst aus früherer Zeit, sich eine Stunde lang erging.

Jeder der beiden Männer, die sich jetzt zum ersten Male einander gegenüberstanden, war durch die Devise seines Wappenschildes vortrefflich gekennzeichnet.

Aquila in nubibus (der Adler in den Wolken). Der Adler in den Wolken schwebend und durch diese halb verborgen, ganz Frankreich lenkend, stellte auf bewunderungswürdige Weise den Minister dar, der Alles war und durch den allein Ludwig XIII. sich König nannte. – Der Adler dagegen, der seine Blitze schleuderte, Quo jussa Jovis – wohin Jupiter sie sendete – bezeichnete auf eine nicht minder charakteristische Weise Sully, welcher zwar der rechte Arm Heinrich's IV. war, der aber nur gehorchte, wenn Heinrich IV, befahl, und der nur durch diesen etwas war.

Vielleicht werden einige Leser finden, dass alle diese Einzelheiten überflüssig sind; andere wieder behaupten vielleicht, dass sie diese Dinge eben so gut wissen, wie ich. Nun wohl! Für diese Letzteren schreibe ich sie nicht und sie können deshalb darüber hinweggehen. Ich schreibe für die, welche diese Details nicht kennen, so wie für die vielleicht noch zahlreichere Classe der Leser, welche durch den anspruchsvollen Titel: Historischer Roman, angezogen werden und die, indem sie den Roman lesen, etwas lernen wollen, damit der Titel gerechtfertigt werde.

Richelieu, der erst zweiundvierzig Jahre alt war und folglich jung im Vergleiche zu dem achtundsechzig jährigen Sully, schritt auf den alten Freund Heinrich's IV. mit der Achtung zu, die er sowohl seinem Alter, als seinem Rufe schuldig zu sein glaubte.

Sully deutete auf einen Armsessel; Richelieu nahm jedoch einen gewöhnlichen Stuhl; der Greis, der stolz und mit der Hofetikette vertraut war, wusste diese zarte Rücksichtnahme wohl zu würdigen.

»Herr Herzog,« sagte der Kardinal lächelnd, »mein Besuch setzt Euch wohl in Erstaunen?«

»Ich gestehe,« erwiderte Sully mit seiner gewöhnlichen Barschheit, »dass ich ihn nicht erwartete.«

»Warum denn, Herr Herzog? Alle Minister, welche für die Nachwelt arbeiten, und wir Beide gehören zu diesen, müssen gemeinschaftlich für das Glück, den Ruhm und die Größe der Regierung einstehen, unter welcher sie berufen wurden, dem Lande Dienste zu erweisen. Warum soll also ich, der dem Sohne mit Ergebenheit dient, nicht Stütze und Rat suchen bei dem Manne, der dem Vater so ruhmvoll gedient hat?«

»Bah,« sagte Sully mit Bitterkeit, »wer erinnert sich denn an geleistete Dienste, wenn Der, der sie geleistet hat, unnütz geworden ist? Ein vertrockneter Baum ist nicht einmal mehr gut zum Feuermachen; man tut ihm auch gar nicht die Ehre an, ihn umzuhauen.«

»Oft leuchtet das abgestorbene Holz im Dunkeln, Herr Herzog, während das frische Holz nicht das geringste Licht verbreitet. Übrigens nehme ich den Vergleich an. Ihr seid noch immer eine Eiche, in deren Aesten jene Vögel, welche man Erinnerungen nennt, von Eurem Ruhm singen.«

»Man sagt mir, wenn ich nicht irre, dass Ihr Verse machet, Herr Kardinal,« sagte in fast geringschätzendem Tone Sully.

»Ja, in meinen freien Augenblicken, aber nicht für mich. Ich habe die Dichtkunst nicht studiert, um selbst zu dichten, sondern um Gedichte beurteilen und die Dichter nach Verdienst belohnen zu können.«

»Zu meiner Zeit,« warf Sully ein, »beschäftigte man sich mit diesen Herren gar nicht.«

»Eure Zeit, Messire,« sagte Richelieu, »war eine ruhmvolle Zeit; man verzeichnete in derselben die Namen von Schlachten, welche Contras, Arques, Ivry, Fontaine-Francaise hießen; man nahm in derselben die Pläne Franz I. und Heinrich's II. gegen das Haus Österreich wieder auf, und Ihr, Herr Herzog, waret eine der Hauptstützen dieser Pläne.«

»Was mich auch mit der Königin-Mutter entzweite.«

»Man befestigte in jener Zeit den Einfluss Frankreichs in Italien,« fuhr Richelieu fort, scheinbar ohne auf die Unterbrechung zu achten, deren Sinn er jedoch seinem Gedächtnisse tief einprägte; »man eroberte Savoyen, Brescia, Bugey und Valromay; man unterstützte die in der Empörung gegen Spanien begriffenen Niederlande, man näherte in Deutschland die Lutheraner den Katholiken, man überlegte den Entwurf zu einer allgemeinen christlichen Republik, in welcher alle Differenzen vor einen souveränen Senat hätten kommen, in welcher alle Religionen hätten gleiche Rechte genießen sollen.«

»Ja, und alle diese Pläne durchstachen die Königsmörder der mit ihrem verruchten Stahl.«

Auch diese Äußerung ließ der Kardinal nicht unbemerkt an seinem Ohr vorübergehen.

»In so glorreichen Zeiten,« fuhr er fort, »hatte man natürlich nicht Musse, sich mit der Literatur zu beschäftigen. Unter einem Cäsar wird kein Horaz oder Virgil geboren, oder wenn sie auch unter einem Cäsar geboren,werden, dichten sie nur unter Augustus. Ich bewundere Eure Gesetzgeber und Eure Krieger, Herr Herzog; verachtet dafür auch meine Poeten nicht. Durch die Krieger und die Gesetzgeber mögen die Reiche größer werden; durch die Dichter allein werden sie glänzend und berühmt. Die Zukunft ist eine Nachts so wie die Vergangenheit, und in dieser Nacht stehen als Leuchttürme die Poeten. Fragt heute nach den Generälen und Ministern des Augustus; man wird nur Agrippa nennen, die Andern sind verschollen. Fraget aber um die Schützlinge des Mecänas und man wird Euch Horaz, Virgil, Varius, Tibullus anführen. Die Verbannung des Ovid ist ein Fleck an der Regierung des Neffen Cäsars. Ich kann nicht Agrippa oder Sully sein; gönnt mir den Namen eines zweiten Mecänas.«

Sully blickte mit Staunen nach dem Manne, von dessen stolzer Tyrannei man ihm zwanzigmal erzählt hatte und der zu ihm kam, um ihn an die glorreiche Zeit seiner Macht zu erinnern und ihn zu versichern, dass er jetzt nicht minder groß sei, als damals.

Er stocherte in seinen Zähnen herum, die jedem jungen Manne Ehre gemacht haben würden.

»Gut, gut, gut!« sagte er, »ich lasse Euch Eure Poeten, obwohl sie keine besonders vorzüglichen Dinge schaffen.« .

»Herr von Sully,« sagte der Kardinal, »wie lange ist es her, dass Ihr die Ulmen pflanzen ließt, die jetzt unsere Wege beschatten?«

»Herr Kardinal, das geschah in den Jahren 1598 bis 1604, es mögen also jetzt etwa vierundzwanzig Jahre seitdem verflossen sein.«

»Waren sie damals so schön, so stark, so schattig, wie heute?«

»Das heißt, man hat sie damals arg zugerichtet.«

»Ja, ich weiß, dass das Volk, welches, oft die besten Absichten verkennend, den Schatten nicht sehend, den eine vorsorgliche Hand dem müden Wanderer der Zukunft bereitete, einen Teil dieser Bäumchen ausriss. Sind aber die übrigen nicht gewachsen, haben sie nicht ihre Äste ausgebreitet, ihr Blätterdach verdichtet?«

»Ia wohl, ja wohl,« sagte Sully freudig, »und wenn ich diese übergebliebenen Bäume sehe, wie sie so stark, so grün, so hoch sind, bin ich fast über den Verlust der anderen getröstet.«

»Und gerade so, Herr von Sully, ergeht es mir mit meinen Poeten; die Kritik wird einen Teil von ihnen vernichten, der gute Geschmack einen andern Teil, aber Die, welche bleiben, werden nur um so kräftiger, um so fruchtbarer sein. Heule habe ich eine Ulme gepflanzt, die man Rotrou nennt, morgen werde ich eine Eiche pflanzen, die Corneille heißen wird; dabei begieße ich die, welche unter Eurer Regierung von selbst empor gesprossen sind: Desmarets, Bois-Robert, Mairet. Voiture, Chapelain, Gombault, und es ist wahrlich nicht meine Schuld, wenn sie nicht so gedeihen, wie sie sollten.«

»Sei es. sei es!« sagte Sully, »die großen Denker, sagt man – und Ihr seid ein großer Denker, Kardinal – müssen eine Zerstreuung haben, und in Euren freien Augenblicken ist es eben so gut, wenn Ihr Gärtner seid, als irgend etwas Anderes.«

»Wenn Gott meinen Garten segnet, Herr von Sully, wird er zum Garten für die ganze Welt werden.«

»Ich glaube aber nicht,« sagte jetzt Sully in verändertem Tone, »dass Ihr um fünf Uhr Morgens aufgestanden seid, um mir Artigkeiten zu sagen und von Euren Poeten zu erzählen,«

»Erstens bin ich nicht um fünf Uhr Morgens aufgestanden, Herr Herzog; ich habe mich einfach gar nicht niedergelegt. Zu Eurer Zeit. Herr Herzog, ging man spät zu Bett und stand früh auf, aber man schlief doch. In der jetzigen Zeit schläft man nicht mehr. Ich bin in der Tat nicht hierhergekommen, um Euch Artigkeiten zu sagen, und mit Euch von meinen Schützlingen zu sprechen, aber da sich die Gelegenheit zu diesem Gespräche ergab, ließ ich sie nicht unbenutzt vorübergehen. Ich bin gekommen, um mit Euch über zwei. Dinge zu sprechen, die Ihr eben selbst in Eurem Gespräche schon berührt habt.«

 

»Ich hätte von zwei Dingen gesprochen?«

»Ja!«

»Ich erinnere mich nicht, etwas gesagt zu haben.«

»Entschuldigt, Herr Herzog, als ich Euch an Eure weittragenden Pläne erinnerte, welche gegen, Österreich und Spanien gerichtet waren, sagtet Ihr, diese Pläne hätten Euch mit der Königin-Mutter entzweit.«

»Das ist wahr; ist sie nicht Österreicherin durch ihre Mutter Johanna und Spanierin durch ihren Onkel Carl V.?«

»Ganz wohl! Aber doch wart Ihr es, Herr Herzog, dem sie das Glück verdankte, Königin von Frankreich zu werden.«

»Es war ein Unrecht von mir, dass ich Heinrich IV. meinem erhabenen Herrn, diesen Rat gab, und oft schon habe ich es bereut,«

»Nun, denselben Kampf, den Ihr vor zwanzig Jahren zu bestehen hattet, und in welchem Ihr unterlagt, denselben Kampf bestehe ich heute, und vielleicht werde auch ich zum Unglücke für Frankreich unterliegen; denn heute habe ich zwei Königinnen gegen mich, die junge und die alte.«

»Glücklicherweise,« sagte Sully lachend und seinen Zahnstocher beißend, »ist es nicht die junge, welche den größeren Einfluss hat. Heinrich IV. liebte zu viel; sein Sohn liebt nicht genug.«

»Habt Ihr manchmal über diesen Unterschied nachgedacht, Herr Herzog, der zwischen dem Vater und dem Sohne besteht?«

Sully blickte den Kardinal spöttisch an, als ob er sagen wollte: »Willst Du da hinaus?«

»Zwischen dem Vater und dem Sohne?« wiederholte er fragend, »o, ich habe darüber nachgedacht, und das sehr oft.«

»Erinnert Ihr Euch an den Pater, der die Thätigkeit selbst war, zwanzig Meilen im Tage zu Pferde zurücklegte, und Abends Ball schlug, der immer auf den Beinen war, der in Person Beratungen hielt, der in Person die Gesandten empfing, der vom Morgen bis zum Abend jagen konnte, der in Allem und Allem feurig und energisch war, der spielte, um zu gewinnen, und zu betrügen anfing, wenn er zu gewinnen aufhörte, der immer lächelte und immer dem weinen nahe war, der bei jeder noch so flüchtigen Leidenschaft zur Hälfte sein Herz einsetzte, der die Frauen achtete und betrog?

»Er hatte vom Himmel das große Geschenk erhalten, welches machte, dass die heilige Theresia über Satan weinte, der nur hassen kann: er liebte.«

»Habt Ihr König Heinrich IV. Gekannt?« fragte Sully erstaunt.

»Ich habe ihn ein- oder zweimal in meiner Jugend gesehen,« antwortete Richelieu, »aber ich habe ihn später zum Studium meines Lebens gemacht . . . . und betrachtet nun ihm gegenüber seinen Sohn! Lässig wie ein Greis, düster wie ein Gespenst, niemals aufrecht gehend. sondern, wenn er nicht sitzt, an einen Pfeiler, an ein Fenster gelehnt sich haltend, blickend, ohne zu sehen, auf der Jagd einem Automaten gleichend; spielend, ohne Wunsch, zu gewinnen, ohne Bedauern über den Verlust. Viel schlafend, wenig weinend, nichts liebend und, was noch schlimmer ist, auch Niemand liebend.«

»Über einen solchen Menschen muss Euch begreiflicher Weise jeder Einfluss fehlen?«

»Nicht so ganz: denn er besitzt doch zwei hervorragende Eigenschaften: er hat den Stolz des Herrschers, und ist auf die Ehre Frankreichs eifersüchtig. Das sind die zwei Sporen, mit denen ich ihn stachle, und ich würde ihn auf diese Weise zur Größe führen, wenn seine Mutter nicht immer auf meinem Wege stände, um Spanien zu verteidigen und Österreich zu unterstützen, wenn ich, eingedenk der Tradition des großen Königs Heinrich IV. und seines nicht minder großen Ministers Sully, diese beiden ewigen Feinde Frankreichs angreifen will. Ich komme, also zu Euch, meinem Meister, den ich studiere, den ich bewundere, besonders als Finanzmann; ich komme, um Euren Beistand gegen jenen bösen Dämon zu suchen, der einst Euch bekämpfte, und der jetzt mich bekämpft.«

»Worin kann ich Euch helfen, Herr Kardinal, da man von Euch sagt, Ihr wäret mächtiger, als der König?«

»Ihr sagtet, Herr Herzog, dass die Mörder den König mitten in seinen kühnsten Plänen tödteten,«

»Habe ich die Mörder oder der Mörder gesagt?«

»Ihr sagtet, die Mörder.«

Sully schwieg.

»Nun denn,« sagte Richelieu, seinen Stuhl näher zu dem Armsessel Sully's rückend, »sammelt Eure Erinnerungen, Herzog, über jenen fluchwürdigen 14.Mai und saget mir, welches die Bemerkungen waren, die Ihr damals machtet.«

»Man bemerkt oft etwas, ohne darauf zu achten. Wenn die Vorsehung wacht, mag es oft geschehen, dass die Menschen schlafen, aber König Heinrich hatte vor Allem zwei Unklugheiten begangen.«

»Welche?«

»Erstens hatte er dem Papste Paul V. die Wiederherstellung des Jesuitenordens im Reiche versprochen, aber als er Wort halten sollte, ihm gesagt: »Ew. Heiligkeit, wenn ich zwei Leben hätte, so würde ich eines mit Vergnügen geben, um den Wunsch Ew. Heiligkeit zu befriedigen, aber da ich nur eines habe, so muss ich es für den Dienst Eurer Person und die Wohlfahrt meiner Untertanen anwenden.« Zweitens gestattete er es, dass im versammelten Parlamente Concino Concini, der Cavalier der Königin, beleidigt wurde; die Königin sah sich in ihrem Cicisbeo verletzt und schwor ihrem Gemahl eine echt italienische Vendetta. Sie verschloss sich von nun an allen Andeutungen, die ihr über Komplotte gegen das Leben Heinrichs gemacht wurden.«

»Machte ihr solche Andeutungen nicht namentlich eine gewisse Frau von Coëtman?«

Sully erbebte.

»Ja,« sagte er nach einem kurzen Stillschweigen, »aber es gab auch Andere; da war ein gewisser Lagarde, welcher in Neapel bei Hebert gewohnt hatte. Dieser benachrichtigte den König von der ganzen Verschwörung und wurde dafür auf Befehl des Herzogs von Epernon ermordet. Dann gab es einen gewissen Labrosse, der später nicht mehr aufgefunden werden konnte, und welcher am Morgen des verhängnisvollen Tages dem Herzog von Vendôme sagte, dass der Übergang vom 13. zum 14. Mai für den König gefährlich sein würde. – Ich weiß übrigens nicht, ob Ihr schon daran gedacht habt, dass die Zahl 14 im Leben des Königs und für seinen Tod entscheidend war,«

»Nein,« sagte Richelieu, welcher den Faden des Gespräches Sully überließ, um desto sicherer ans Ziel zu gelangen.

»So hört denn: Erstens wurde Heinrich IV. 14 Jahrhunderte, 14 Decaden und 14 Jahre nach der Geburt unseres Heilands geboren.

»Zweitens: Der erste Tag seines Lebens war der 14. Dezember, der letzte der 14. Mai.

»Drittens: Er hatte in seinem Namen – Henry de Navarre – 14 Buchstaben.

»Viertens: Er lebte 4mal 14 Jahre, 4mal 14 Tage und 14 Wochen.

»Fünftens: Er wurde durch Johann Chatel 14 Tage nach dem 14. Dezember des Jahres 1598 verwundet. Zwischen diesem Tage und dem seines Todes verstrichen 14 Jahre, 14 Monate und 14mal 5 Tage.

»Sechstens: Am 14. März gewann er die Schlacht von Fory,

»Siebentes: Der Dauphin, der heute auf dem Throne sitzt, wurde am 14. August getauft.

»Achtens: Ravaillac wurde 14 Tage nach dem Tode des Königs hingerichtet?

»Neuntes endlich gibt hundertfünfzehnmal 14 die Zahl 161«, sein Todesjahr.«

»Das ist in der Tat merkwürdig,« sagte Richelieu, »aber kommen wir abermals auf unser Gespräch zurück; hat sich jene Coëtman nicht auch an Euch, Herr Herzog, gewendet?«

Sully senkte den Kopf.

»Auch die Besten und die Ergebensten,« sagte er, »sind zuweilen verblendet, Übrigens sprach ich davon mit dem Könige, aber dieser zuckte die Achseln und sagte: »Was willst Du, Rosny – er nannte mich immer nach meinem Geburtsnamen, obwohl er mich zum Herzog von Sully gemacht hatte – was willst Du, Rosny, es wird so kommen, wie es Gott gefällt.«

»Es war ein Brief, den diese Frau an Euch richtete, nicht wahr, Herr Herzog?«

»In!«

»An wen war dieses Schreiben adressiert?«

»An mich, um dem Könige übergeben zu werden.«

»Von wem war der Brief geschrieben?«

»Von der Coëtman.«

»Eine Andere aber hat Euch denselben übergeben.«

»Fräulein von Gournay.«

»Und darf ich Euch fragen – bedenkt wohl, Herr Herzog, dass es zur Ehre und zum Heile Frankreichs ist, wenn ich mir erlaube, gewissermaßen ein Verhör mit Euch anzustellen.«

Sully machte ein Zeichen mit dem Kopf, welches andeuten sollte, dass er bereit sei, zu antworten.

»Und darf ich Euch fragen,« fuhr der Kardinal fort, »warum Ihr es für gut fandet, diesen Brief dem Könige nicht zu zeigen?«

»Weil die Namen der Königin-Mutter, Epernon's und Concini's in demselben ganz deutlich zu lesen waren.«

»Habt Ihr diesen Brief aufbewahrt, Herr Herzog?«

»Nein, ich habe ihn zurückgegeben.«

»An wen?«

»An Die, welche ihn gebracht hatte, an Fräulein von Gournay.«

»Würdet Ihr Euch weigern, Herr Herzog, mir ein Billet folgenden Inhalts zu geben: »Fräulein von Gournay ist ermächtigt, dem Herrn Kardinal Richelieu den Brief auszufolgen, der am 11, Mai 1610 von Frau von Coëtman an den Herrn Herzog von Sully gerichtet wurde?«

»Nein, wenn Fräulein von Gournay sich weigern sollte; aber sie wird sich nicht weigern, denn sie ist arm.«

»Wenn sie sich aber dennoch weigerte?«

»So schickt mir einen Boten und er wird Euch meine Genehmigung bringen.«

»Nun noch ein letztes Wort, Herr Herzog, und Ihr werdet den vollsten Anspruch auf meine Erkenntlichkeit haben.«

Sully verneigte sich.

»Bei Messire Joly von Fleury, Berichterstatter des Parlaments, befand sich in einer Kassette das Protokoll des Ravaillac'schen Processes.

»Diese Kassette ist reclamirt worden, und wurde in den Justizplllast gebracht, wo sie bei Gelegenheit eines Brandes verschwunden ist, so dass Joly von Fleury sich nur noch im Besitze jenes Teiles des Protokolls befand, welches die von Ravaillac auf dem Schafott gemachten Aussagen enthielt.

»Dieses Blatt befindet sich nicht mehr in den Händen Der Familie.«

»Ich weiß es; es wurde durch Joly von Fleury vor seinem Tode zurückgestellt.«

»Wisst Ihr, an wen?« fragte lebhaft der Kardinal.

»Ihr wisst es?« rief der Kardinal, unfähig, eine freudige Bewegung zu unterdrücken; »nun, dann werdet Ihr mir es auch sagen, nicht wahr? Dieses Blatt enthält mein Lebensglück, doch das will nichts bedeuten, aber es enthält auch den Ruhm, die Größe und die Ehre Frankreichs. Im Namen des Himmels beschwöre ich Euch, mir zu sagen, in wessen Hängen sich das Blatt befindet.«

»Unmöglich!«

»Und warum unmöglich?«

»Weil ich einen Eid geleistet habe.«

Der Kardinal erhob sich.

»Wenn der Herzog von Sully einen Eid geleistet hat, muss dieser wohl in Ehren bleiben, aber es ist ein Missgeschick für Frankreich.«

Und ohne noch durch ein einziges Wort die Umstimmung Sully's zu versuchen, machte er dem Herzog eine tiefe Verneinung, die höflich, aber gemessen erwidert wurde, und zog sich zurück, indem er an jener Vorsehung zu zweifeln begann, deren Hilfe ihm Pater Joseph in so sichere Aussicht gestellt hatte.