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Der Graf von Moret

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XI.
Fräulein von Gournay

Das Fräulein von Gournay gehörte, wie wir bereits erwähnt haben, zu der weitverbreiteten Kaste der alten Jungfern; sie war um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts geboren. Ihre Heimat war die Picardie, und sie stammte aus gutem Hause.

In einem Alter von neunzehn Jahren hatte sie die »Essais« von Montaigne gelesen, und wurde von denselben bezaubert; sie nahm sich vor, den Verfasser um jeden Preis kennen zu lernen.

Montaigne war gerade nach Paris gekommen; sie erkundigte sich nach seiner Adresse, sandte ihm ihren Gruft und ließ ihm sagen, welche Achtung sie vor seiner Person und seinen Büchern hegte.

Montaigne besuchte sie, und da er sie voll Jugend und Enthusiasmus fand, bot er ihr seine Freundschaft und die Neigung eines Vaters für seine Tochter an, die sie mit Erkenntlichkeit annahm.

Von diesem Tage an fügte sie zu ihrer Unterschrift stets den Beisatz: »Adoptivtochter Montaigne's« hinzu.

Sie machte Verse und nicht gar schlechte, wie man gesehen hat, aber diese Verse ernährten sie schlecht, und sie befand sich in einer dem Elend nahen Lage, als Bois-Robert, den man den Bittsteller der betrübten Musen zu nennen pflegte, ihre misslichen Verhältnisse in Erfahrung brachte und sofort beschloss, sie dem Kardinal vorzustellen.

Bois-Robert kannte seinen Einfluss auf den Kardinal so gut, dass er zu sagen pflegte:

»Ich wünsche weiter nichts, als in der andern Welt ebenso gut mit unserem Heiland Jesus Christus zu stehen, wie ich in dieser Welt mit dein Kardinal stehe.«

Bois-Robert war ein Mann der Tat; er zögerte nicht, seinen Schützling sogleich zum Kardinal zu bringen, und durch einen sonderbaren Zufall führte er sie gerade an einem Tage und zu einer Stunde dahin, in welcher der Kardinal beschlossen hatte, sie aufsuchen in lassen.

Das arme alte Mädchen befand sich also gewissermaßen am Ziele ihrer Wünsche und hatte die besten Aussichten.

Der Kardinal empfing sie lächelnd und sagte ihr einige artige Worte über ihre schriftstellerische Fertigkeit.

Sie kam dadurch keineswegs aus der Fassung.

»Ihr lacht eine arme alte Jungfer aus, Monseigneur,« sagte sie, »aber lacht immerhin; ganz Frankreich, dessen Genius Ihr seid, muss sich glücklich schätzen, zu Eurer Unterhaltung etwas beitragen zu dürfen.«

Der Kardinal, der über so viele Geistesgegenwart erstaunt, und durch so große Demut gerührt war, entschuldigte sich bei der Dame und wandte sich an Bois-Robert.

»Was willst Du, Le Bois, dass wir für Fräulein von Gournay tun sollen?«

»Es steht mir nicht zu,« sagte Bois-Robert, sich tief verneigend, »der Großmut Ew. Eminenz Schranken zu setzen.«

»Gut,« sagte der Kardinal, »ich gebe ihr also zweihundert Taler Pension.«

Zu jener Zeit, und namentlich für ein altes, alleinstehendes Mädchen, waren zweihundert Taler eine große Summe; sie vertraten zwölfhundert Livres, und damals konnte man mit zwölfhundert ebenso viel ausrichten, wie jetzt mit viertausend.

Fräulein von Gournay wollte ihren tiefgefühlten Dank ausdrücken, als Bois-Robert, welcher durchaus nicht zufrieden war, und den Kardinal nicht mit einer solchen Kleinigkeit freigeben mochte, sie beim ersten Worte unterbrach,

»Zweihundert Taler, sagten Monseigneur?« fragte er.

»Ja!« antwortete der Kardinal.

»Das ist gut für sie, und sie wird Euch dankbar dafür sein, Monseigneur, aber sie hat auch Dienerschaft.«

»Ah, sie hat auch Dienerschaft?«

»Ja wohl, ein adeliges Fräulein kann sich doch nicht allein bedienen? Monseigneur werden das begreifen!«

»Ich begreife! Und was für Diener hat das Fräulein?« sagte der Kardinal, der im Voraus entschlossen war, Alles was Bois-Robert verlangen würde, zu gewähren, um dadurch die Bittstellerin zu bestechen.

»Sie hat zuerst Fräulein Jamyn,« sagte Bois-Robert.

»O, mein Herr,« unterbrach ihn die Gournay, welche fand, dass er sich denn doch zu viel Freiheiten auf dem Gebiete der Wohltätigkeit des Kardinals gestattete.

»Lasset mich nur machen,« flüsterte ihr der Lustigmacher des Kardinals zu, »ich kenne Se. Eminenz besser, als Ihr.«

»Und wer ist dieses Fräulein Jamyn?« f ragte der Kardinal.

»Sie ist die natürliche Tochter des Amadis Jamyn, Pagen des Herrn Ronsard.«

»Ich gebe fünfzig Livres für die natürliche Tochter des Herrn Amadis Jamyn, Pagen des Herrn Ronsard.«

Das Mädchen machte eine Bewegung, um sich zu erheben, aber Bois-Robert drückte sie aus ihren Sitz nieder.

»Da ist ferner meine Freundin Piaillon,« fuhr der hartnäckige Bittsteller fort.

»Wer ist die Piaillon?« fragte der Kardinal, während Fräulein von Gournay verzweiflungsvolle Gebärden machte, die jedoch Bois-Robert nicht im Geringsten beachtete.

»Ew. Eminenz kennen die Piaillon nicht?«

»Nein, wie ich zu meiner Schande gestehen muss.«

»Es ist das Kätzchen des Fräulein von Gournay.«

»Monseigneur!« schrie die geängstigte Dame, »entschuldigt« – der Kardinal machte ihr ein beschwichtigendes Zeichen mit der Hand.

»Ich gebe dieser Katze zwanzig Livres Pension,« sagte er.

»Fräulein von Gournay wird in dem Namen ihrer Katze Ew. Eminenz danken – aber —«

»Wie? Es gibt noch ein Aber?«

»Ja, Monseigneur, und dieses Aber bedeutet, dass nicht nur die Katze, sondern auch Kätzchen da sind.«

Fräulein von Gournay faltete in ihrer größten Seelenangst die Hände und streckte sie bittend nach Bois-Robert aus.

»Wie viele?« f ragte der Kardinal lakonisch. .

»Fünf!«

»Oho! Diese Piaillon scheint fruchtbar zu sein. Thut nichts! Ich füge eine Pistole für jedes Kätzchen hinzu.«

»Und nun, Fräulein von Gournay,« sagte Bois-Robert, entzückt über seinen Erfolg, »gestatte ich Euch, Sr. Eminenz zu danken.«

»Noch nicht, noch nicht,« rief der Kardinal; »das Fräulein hat mir nicht zu danken, da im Gegenteile bald an mich die Reihe kommen dürfte, ihr dankbar zu sein.«

»Wie das?« rief Bois-Robert erstaunt.

»Lasst uns allein,« erhielt er vom Kardinal zur Antwort, »ich habe an das Fräulein eine Bitte.« Bois-Robert richtete einen ganz verwunderten Blick auf den Kardinal und dann auf das Fräulein von Gournay.

»Ich errate deine Gedanken, Du schlechter Spaßmacher,« sagte Richelieu; »aber wenn ich irgend einen Witz höre, den Du Dir gegen die Ehre des Fräuleins erlaubt hast, so bekommst Du es mit mir zu tun. – Erwarte das Fräulein im Salon.«

Bois-Robert grüßte und ging hinaus; er war über die Absicht des Kardinals vollkommen im Dunkeln.

Der Kardinal versicherte sich, dass die Tür gut verschlossen sei, und näherte sich dann dem Fräulein von Gournay, welches ebenso erstaunt war, wie Bois-Robert.

»Ja, mein Fräulein,« sagte er, »ich habe Euch um eine Gunst zu bitten.«

»Um welche, Monseigneur?« fragte das arme alte Mädchen.

»Ich möchte Euch bitten, in Euren Erinnerungen zurückzugehen; es wird Euch das sehr leicht sein, da Ihr gewiss ein gutes Gedächtnis habt.«

»Ein vortreffliches, Monseigneur, und wenn die Begebenheit, an die ich mich erinnern soll, nicht gar zu weit hinter mir liegt —«

»Die Mitteilungen, die ich von Euch wünsche, betreffen eine Tatsache, oder vielmehr zwei Tatsachen, welche sich zwischen dem 9. und 11. Mai 1610 zugetragen haben.«

Fräulein von Gournay erbebte unmerklich, als sie dieses Datum hörte und richtete auf den Kardinal einen Blick in welchem sich einige Unruhe verriet.

»Vom 9. bis 11. Mai 1610?« wiederholte sie; »das will sagen, in demselben Jahre, in welchem unser guter König Heinrich IV. ermordet wurde?«

»Ganz richtig, mein Fräulein, und die Mitteilung, um die ich Euch bitten will, bezieht sich sogar auf seinen Tod.«

Fräulein von Gournay antwortet nicht, aber ihre Unruhe verdoppelte sich.

»Beunruhigt Euch nicht, Fräulein; die Art von Verhör, die ich mit Euch anzustellen beabsichtige, berührt Euch nicht im Geringsten; ich bin weit entfernt, Euch in irgend einer Art belästigen zu wollen; im Gegenteile habt Ihr es mehr Eurer in jener traurigen Zeit bewahrten Haltung und Gesinnung, die mir bekannt sind, als den Empfehlungen Bois-Robert's zu verdanken, dass ich, so viel in meinen Kräften steht, Eure Zukunft zu sichern bemüht bin.«

»Entschuldigt, Monseigneur,« sagte Fräulein von Gournay ganz verwirrt, »aber ich kann nicht begreifen —«

»Zwei Worte werden genügen, um Euch aufzuklären. Ihr kanntet eine Dame Namens Marquise Jacqueline Levoyer, genannt von Coëtman.«

Diesmal erbebte und erbleichte das Fräulein sichtlich.

»Ja,« sagte sie, »sie ist aus derselben Provinz.wie ich, aber um dreißig Jahre jünger, wenn – sie noch lebt.«

»Sie übergab Euch am 9. oder 10. Mai, sie selbst kann sich genau des Tages nicht mehr erinnern, einen Brief, welcher wohl an Herrn von Sully adressiert, aber an den König gerichtet war.«

»Es war dies am 10. Mai, Monseigneur.«

»Ihr wisst, was dieser Brief enthielt?«

»Es war eine Anzeige, dass der König ermordet werden sollte.«

»Der Brief nannte den Urheber der Verschwörung?«

»Ja, Monseigneur,« hauchte das Fräulein von Gournay und zitterte dabei am ganzen Körper.

»Ihr erinnert Euch an die Namen der Personen, welche von der Coëtman angegeben wurden?«

»Ich erinnere mich, Monseigneur.«

»Wollt Ihr mir diese Namen nennen?«

»Es ist etwas Großes, was Ihr da von mir verlangt, Monseigneur.«

»Ihr habt Recht. Ich will also diese Namen nennen, und Ihr könnt Euch darauf beschränken, mit einem Ja oder Nein zu antworten. Diese Personen waren also: Ihre Majestät, die Königin-Mutter, Maria von Medicis, der Marschall d'Ancre und der Herzog von Epernon.«

Fräulein von Gournay war mehr todt als lebendig; sie machte ein schwaches, bejahendes Zeichen Mit dem Kopfe.

»Diesen Brief,« fuhr der Kardinal fort, »übergabt Ihr Herrn von Sully, der das große Unrecht beging, ihn dem Könige nicht zu zeigen, sondern Euch denselben zurückgab, indem er sich begnügte, dem Könige davon zu erzählen.«

 

»Dies Alles ist vollkommen genau, Monseigneur.«

»Ihr habt diesen Brief aufbewahrt?«

»Ja, Monseigneur, denn es gab nur zwei Personen, welche ein Recht besaßen, ihn von mir zu fordern, das war Herr von Sully, an den er adressiert war, und Frau von Coëtman, die ihn geschrieben hatte.«

»Ihr habt nie wieder von Herrn von Sully gehört?«

»Nie, Monseigneur.«

»Auch von der Coëtman nicht?«

»Ich hörte, dass sie am 13. verhaftet wurde, habe sie seitdem nicht wieder gesehen, und weiß nicht, ob sie lebt oder todt ist.«

»Ihr habt also diesen Brief noch?«

»Ja, Monseigneur.«

»Nun denn, die Gunst, die ich von Euch erbitten wollte, ist, mir diesen Brief zu übergeben.«

»Unmöglich, Monseigneur!« sagte das Fräulein von Gournay mit einer Festigkeit, die man ihr einen Augenblick vorher nicht zugetraut hätte.

»Und warum?« fragte der Kardinal gespannt.

»Weil, wie ich Euer Eminenz vor wenigen Augenblicken sagte, nur zwei Personen in der Welt ein Recht aus diesen Brief haben: Frau von Coëtman, welche als Mitschuldige in diesen fürchterlichen Prozess verwickelt wurde, und der er als Rechtfertigung dienen kann, und der Herzog von Sully.«

»Frau von Coëtman hat in diesem Augenblicke keine Rechtfertigung mehr nöthig, da sie heute Nacht zwischen 1 und 2 Uhr in dem Kloster der Büßerinnen gestorben ist,«

»Gott nehme ihre Seele gnädig auf!« sagte Fräulein von Gournay sich bekreuzend; »sie war eine Märtyrerin.«

»Und was Sully anbelangt,« fuhr der Kardinal fort, »so hat er sich achtzehn Jahre lang nicht um diesen Brief bekümmert, und wird sich wahrscheinlich auch ferner nicht darum kümmern.«

Fräulein von Gournay schüttelte mit dem Kopfe.

»Ich kann ohne Einwilligung des Herrn von Sully nichts tun, besonders da Frau von Coëtman nicht mehr unter den Lebenden ist.«

»Und wenn ich die Gnadengaben, die ich Euch eben bewilligte, als Preis für diesen Brief setzte?«

Fräulein von Gournay erhob sich mit Würde von ihrem Sitze.

»Monseigneur,« sagte sie, »ich bin aus adeligem Geschlechte, daher ebenso gut ein Edelfräulein, wie Ihr ein Edelmann; ich werde verhungern, wenn es sein muss, aber ich werde nichts tun, wegen dessen mir mein Gewissen einen Vorwurf machen könnte.«

»Ihr werdet nicht verhungern, edles Mädchen, und Euer Gewissen wird Auch auch keine Vorwürfe zu machen haben!« sagte der Kardinal, welcher sichtlich erfreut war, so viel Uhrliebe und Charakterstärke bei einer armen Bücherschreiberin gefunden zu haben. »Herr von Sully hat mir versprochen, Euch die Erlaubnis zu erteilen, und Ihr werdet selbst in Begleitung meines Gardecapitäns sich nach seinem Hotel begeben, um dieselbe aus seinem Munde zu hören.«

Dann rief er zugleich Cavois und Bois-Robert in s Gemach.

»Cavois,« sagte er, »Ihr bringt Fräulein von Gournay in meiner Karosse zudem Herrn Herzog von Sully; daselbst werdet Ihr, damit' sie nicht zu warten braucht, meinen Namen nennen, und wenn die Audienz zu Ende ist, begleitet Ihr das Fräulein in ihre Wohnung, wo selbst sie Euch einen Brief übergeben wird, den Ihr nur mir allein einzuhändigen habt.«

Dann wandte er sich an Bois-Robert.

»Le Bois,« sagte er, »ich verdopple die Pension, des Fräuleins von Gournay, so wie die der natürlichen Tochter des Amadis Jamyn, der Piaillon und ihrer fünf Kätzchen. Ist es recht so und habe ich Niemanden vergessen?«

»Nein!« rief Bois-Robert außer sich vor Freude.

»Ihr werdet Euch also mit meinem Schatzmeister ins Einvernehmen setzen, dass die Pension vom 1. Januar 1628 flüssig gemacht wird.«

»O, Monseigneur,« rief die alte Dame, die Hand Richelieu's ergreifend, um sie zu küssen.

»Es ist an mir, Euch die Hand zu küssen, mein Fräulein,« sagte der Kardinal.

»Monseigneur, Monseigneur,« rief die Dame, indem sie versuchte, ihre Hand zurückzuziehen, »einem armen alten Mädchen!«

»Eine rechtschaffene Hand ist mehr wert, als eine jugendliche!« sagte der Kardinal.

Und er drückte einen achtungsvollen Kuß auf die gelbe, runzelige Hand des Fräuleins.

Fräulein von Gournay. Cavois und Bois-Robert verließen das Arbeitszimmer des Kardinals.

XII.
Souscarières Rapport

Als der Kardinal allein war, rief er nach seinem Sekretär Charpentier und verlangte von ihm die an diesem Tage eingelaufenen Briefe.

Es waren drei wichtige darunter.

Einer von Beautru, dem Gesandten, oder vielmehr dem Geschäftsträger in Spanien, denn Beautru erhielt niemals den Titel eines Gesandten, weil er am französischen Hofe stets die Stelle eines Lustigmachers bekleidete.

Ein zweiter von La Saludie, dem außerordentlichen Gesandten in Piemont.

Ein dritter von Charnassé, der als vertrauter Botschafter Frankreichs sich in Deutschland aushielt und zugleich mit einer geheimen Mission für Gustav Adolph beauftragt war.

Mag sein, dass Beautru von Richelieu gewählt wurde, weil er ein erbitterter Feind Epernon's war.

Als er sich eines Tages einige Späße über den Herzog erlaubt hatte, ließ ihn dieser von seinen Leuten ergreifen und tüchtig durchprügeln.

Noch nicht ganz von diesem Abenteuer hergestellt, und mit schmerzenden Lenden, war er genöthigt, Audienz bei der Königin-Mutter zu nehmen; er erschien auf einen Stock gestützt.

»Habt Ihr denn die Gicht, Herr von Beautru,« fragte die Königin-Mutter, »dass Ihr genöthigt seid, Euch auf einen Stock zu stützen?«

»Majestät,« antwortete der Fürst von Guémené, »Herr von Beautru leidet keineswegs an der Gicht, aber wie der heilige Laurentius seinen Rost, so trägt auch er den Stock als das Instrument herum, mit welchem er gepeinigt wurde.«

Als Beautru in der Provinz war, belästigte ihn der Richter einer kleinen Stadt so häufig, dass er seinem Diener den Befehl gab, denselben nicht mehr vorzulassen; der Richter kam abermals und der Diener meldete ihn trotz des Verbotes an.

»Habe ich Dir nicht befohlen, Du Dummkopf, einen Vorwand zu finden, um mich dieses Überlästigen zu entledigen?«

»Meiner Treu, ja, Ihr befahlt mir das; aber ich. wusste nicht, was ich ihm sagen sollte.«

»Sage ihm, dass ich im Bette liege.«

Der Diener geht hinaus, kehrt aber gleich darauf wieder zurück.

»Gnädiger Herr, er sagt, er werde warten, bis Ihr aufsteht.«,.

»Sage ihm, dass ich krank bin.«

Wieder geht der Diener und wieder kehrt er zurück.

»Gnädiger Herr, er sagt, er wolle Euch ein Rezept geben.«

»Sage ihm, dass ich bereits in den letzten Zügen liege.«

Der Diener ging und kam.

»Gnädiger Herr, er will Abschied von Euch nehmen.«

»Enge ihm, ich sei schon todt.«

Neues Gehen und Kommen des Dieners.

»Gnädiger Herr, er möchte Euch gern mit Weihwasser besprengen.«

»So lasse ihn denn in Gottes Namen eintreten,« sagte Beautru seufzend! »ich hätte niemals geglaubt, dass ich einen Menschen finden würde, der noch eigensinniger ist, als ich selbst es bin.«

Was ihn dem Kardinal noch ganz besonders empfahl, war die unbedingte Geringschätzung, die er gegen Rom hegte, welches er nicht anders nannte, als »das apostolische Hemd« . Der Kardinal theilte ihm eines Tages die durch Urban XIII. erfolgte Ernennung von zehn Kardinälen mit, deren letzter Fachinetti (Lastträger, Tölpel) hieß.

»Ich sehe hier nur neun,« sagte Beautru.

»Und Fachinetti?« fragte der Kardinal.

»Entschuldigt, Monseigneur,« entgegnete Beautru, »ich glaubte, das wäre der Titel der Übrigen.«

Beautru schrieb, dass man am spanischen Hofe seine Mission nicht sehr ernst zu nehmen scheine, dass Olivarez ihm den Hühnerhof des Königs gezeigt, welcher sehr gut gehalten sei, und ihm dabei gesagt habe, er zweifelte nicht, dass Se. Majestät, Philipp IV., sobald er seine Ankunft erführe, ihn: dellas gallos schicken würde, was in Spanien ein für die Franzosen nicht besonders schmeichelhaftes Wortspiel bildet. Beautru fügte hinzu, dass er den Kardinal ersuche, in den Vorschlägen, die etwa Spanien machen würde, ein Mittel zu erblicken, Zeit zu gewinnen, da Spanien durch einen Vertrag mit Carl Emanuel verpflichtet sei, diesem zur Eroberung des Montferrat beizustehen, ja dass es dasselbe, wenn es einmal erobert wäre, mit Piemont teilen würde. Schließlich forderte der Gesandte Se. Eminenz auf, Fargis zu misstrauen, der mit Leib und Seele (Beautru zweifelte an seiner Seele), also wenigstens mit ganzem Leibe der Königin-Mutter und der Königin gehöre, und der nichts tue, als wozu ihn seine Frau beordere, welche ihrerseits wieder die Instruktionen der beiden Königinnen ausführe.

Als Richelieu diese Depesche gelesen hatte, zuckte er die Achseln und sagte:

»Ich hätte den Frieden allerdings lieber gehabt, aber ich bin auch zum Kriege bereit.«

Die Depesche La Saludie's war noch viel klarer.

Herzog Carl Emanuel, welchen Richelieu, für den Fall, als er seinen Ansprüchen auf das Montserrat und Mantua entsagen wollte, die Stadt Trino und zwölftausend' Taler Renten in souveränen Ländereien anbieten ließ, hatte das Anerbieten zurückgewiesen und einfach geantwortet, Casale sei ihm gerade so lieb, wie Trino, und er werde es genommen haben, bevor noch die königlichen Truppen in Lyon angelangt wären.

Als La Saludie nach Mantua gekommen war, hatte der Herzog, der schon zu verzweifeln angefangen, wieder etwas Mut gewonnen, doch stellte er den Plan, den Herzog von Guise mit 7000 Mann in Genua landen zu lassen, als unausführbar dar, da die Spanier die Wege von dort nach Montferrat beherrschten. Der König könnte sich von nun an nur darauf beschränken, den Pass von Susa zu forcieren, eine Position, die wohl fest, aber nicht uneinnehmbar war.

La Saludie zeigte an, dass er, nachdem er den Herzog von Savoyen und den Herzog von Mantua gesprochen habe, nach Venedig reise.

Richelieu nahm sein Notizbuch und schrieb:

»Der Gesandte in Turin, Chevalier Marini, ist abzuberufen und ihm aufzutragen, dass er Carl Emanuel erkläre, der König von Frankreich betrachte ihn von nun als seinen entschiedenen Feind.«

Charnassé, in dessen Tätigkeit und Klugheit der Kardinal das größte Vertrauen setzte, war lange vor den beiden Anderen abgereist, da er auf seinem Wege nach Schweden über Constantinopel und Rußland gehen sollte. Charnassé hatte seine innig geliebte Frau verloren, und unter dem Drucke seines heftigen Schmerzes über diesen Verlust erbat er sich von dem Kardinal die Mission, da sie ihn von Paris entfernte.

Der Brief des Herrn von Charnassé war eine lange Lobrede des Königs von Schweden, den er dem Kardinal als den Einzigen darstellte, der im Stande wäre, das Vordringen der kaiserlichen Waffen in Deutschland aufzuhalten, wenn die Protestanten sich entschlössen, eine Ligue mit ihm einzugehen.

Richelieu dachte einen Augenblick lang nach, dann, als ob er einen letzten Skrupel besiegte, sagte er:

»Gut! Der Papst wird wohl seine Bedenken haben, doch da ich Kardinal bin, kann er mich nicht entcardinalisiren und der Ruhm und die Größe Frankreichs geht Allem vor.«

Und ein Blatt Papier zu sich heranziehend, schrieb er:

»Gustav Adolf ist zu ermahnen, sobald er mit den Russen fertig ist, seinen Glaubensbrüdern in Deutschland, denen von Ferdinand der Untergang gedroht wird, zu Hilfe zu eilen. Versprecht ihm, dass Richelieu für ihn eine große Summe Geldes bereit halten wird, wenn er dessen Politik unterstützt, und lasset ihn hoffen, der König werde zu gleicher Zeit Lothringen angreifen, um so eine Diversion herbeizuführen.«

Wie man sieht, vergaß der Kardinal den Brief in Chiffreschrift nicht, den er acht Tage früher erhielt, und den er mit Hilfe Rossignol's entchiffret hatte.

Endlich fügte er hinzu:

»Wenn die Unternehmung des Königs von Schweden einen guten Anfang nimmt und einen guten Fortgang verspricht, wird der König von Frankreich keine Schonung mehr gegen das Haus Österreich beobachten.

»Der Brief an den Chevalier Marini und die Depesche für Charnassé sind an einem und demselben Tage abzusenden.«

Der Kardinal war in seiner diplomatischen Beschäftigung soweit vorgeschritten, als Cavois eintrat, und ihm den Brief der Coëtman brachte, dessen Auslieferung dem Fräulein von Gournay von Sully gestattet worden war.

Dieser Brief lautete:

»An Se. geliebte Majestät, König Heinrich IV., wird im Namen Frankreichs, im Namen seiner Person, im Namen seines Lebens, die dringende Bitte gestellt, einen Menschen, Namens Franz Ravaillac, verhaften zu lassen, den man überall unter dem Namen der »Königsmörder« kennt, der mir selbst gestanden hat, was für schändliche Absicht er habe, und von dem man sagt (ich scheue mich, es zu wiederholen), dass er zu dem Verbrechen von der Königin gedrängt wird. Welche der Marschall d'Ancre und der Herzog von Epernon in diesen Bestrebungen unterstützen.

 

»Drei Briefe wurden bereits von mir, der sehr ergebenen Dienerin Eurer Majestät, an die Königin geschrieben und nie beantwortet; deshalb wende ich mich an den König und bitte Herrn von Sully, den ich für den besten Freund Sr, Majestät halte, und beschwöre ihn, diesen Brief dem Könige vor Äugen zu halten, dessen treueste Unterthanin und Dienerin ich bin.

»Jacqueline Levoyer von Coëtman.«

Richelieu schien die Fassung dieses Briefes sehr zu befriedigen; er öffnete das geheime Fach, in welchem sich, wie wir wissen, der Griff des Glockenzuges befand, der in das Zimmer seiner Nichte führte, schloss es jedoch rasch, als er bemerkte, dass Lavois noch immer aufrecht hinter ihm stand und eine Meldung machen zu wollen schien.

»Nun, Cavois, was willst Du noch da, Du Überlästiger?« fragte er in jenem barschen Tone, über den sich seine Umgebung niemals täuschte, und den sie für ein untrügliches Zeichen seiner guten Laune hielt.

»Monseigneur! Draußen steht Herr von Souscarières, der Euch seinen ersten Rapport bringt.«

»Übernimm diesen Rapport und bringe mir ihn herein.«

Cavois ging hinaus.

Der Kardinal, dem die Meldung Cavois etwas Vergessenes in Erinnerung gebracht hatte, näherte sich der zu Marion de Lorme führenden Verbindungsgstür, öffnete sie und hob ein auf dem Boden liegendes Billett auf, welches in zierlicher Schrift folgende Worte enthielt:

»Er ist ein einziges Mal während acht Tagen zu Frau Don Montagne gekommen; man hält ihn in ein Ehrenfräulein der Königin, Namens Isabelle von Lautrec, verliebt.«

»Ah, ah,« sagte Richelieu, »das ist wohl die Tochter des Baron Franz von Lautrec, welcher in der Umgebung des Herzogs von Rethellois zu Mantua sich aufhält?«

Und er schrieb folgende Note in sein Taschenbuch:

»Dem Baron von Lautrec den Befehl zu erteilen, seine Tochter zu sich zu berufen.« Dann sagte er bei sich selbst:

»Da ich den Grafen von Moret in den Krieg senden will – so wird Isabelle, wenn sie in Italien ist, ein mächtiger Magnet für ihn werden.«

Während er weiter schrieb, trat Cavois ein, und übergab ihm den schriftlichen Bericht Souscarières, der mit dem Wappen der Bellegarde gesiegelt war.

Der Kardinal riß den Umschlag auf und las: »Bericht des Sieux Michel, genannt Souscarières, an Se. Eminenz, den Kardinal Herzog von Richelieu,

»Gestern, 13.Dezember; erster Tag des Sänftendienstes.

»Der spanische Gesandte, Herr Mirabel, nahm in der Straße St. Sulpice eine Sänfte und ließ sich zu dem Juwelier Lopez bringen, wo er um 11 Uhr abgesetzt wurde.

»Zu der selben Stunden nahm Frau von Fargis in der Rue des Poulies eine Sänfte und ließ sich ebenfalls zu Lopez tragen.

»Einer der Träger bemerkte, wie daselbst der Gesandte Spaniens mit der Dame der Königin sprach und ihr ein Billet zusteckte.

»Zu Mittag ließ sich der Kardinal Bérulle zu dem Herzog von Bellegarde bringen; durch meine Beziehungen in diesem Hause, in welchem man mich noch immer als Sohn des Herzogs anerkennt, gelang es mir, zu erfahren, dass ein geheimer Rat besprochen wurde, der in den Tuilerien abgehalten werden soll, und bei dein es sich um den Krieg in Piemont handeln wird. Der Herzog von Bellegarde, Marschall Bassompierre, Herzog von Guise und Herr von Marillac werden gegenwärtig sein.«

»Ah. ich wusste es wohl,« unterbrach sich der Kardinal im Lesen, »dass dieser Kerl mir nützlich werden wird,« und er las weiter:

»Frau Bellier, die Kammerfrau der Königin, ließ sich von meinen Leuten gegen zwei Uhr zu dem Apotheker der Königin, Michel Dauze, tragen, welcher seinerseits bei Anbruch der Nacht eine Sanfte nahm und sich nach dem Louvre bringen ließ.«

»Gut,« murmele der Kardinal, sich im Lesen unterbrechend, »sollte die regierende Königin ebenfalls ihren Vauthier haben wollen, gleich der Königin-Mutter? Wir werden sie überwachen!«

Dann schrieb er in sein Notizbuch:

»Frau Bellier, die Kammerfrau der Königin, und der Stallmeister Patrocle, ihr Liebhaber, sind durch Geld ins Interesse zu ziehen.«

Er fuhr nun im Lesen des Berichtes fort:

»Gegen acht Uhr Abends nahm Ihre Majestät die.Königin-Mutter eine Sänfte und ließ sich zu der Präsidentin von Verdun tragen. Einige Minuten später brachte eine andere Sänfte den berühmten Astrologen Cleensuré eben dahin. Die Unterhaltung mochte eine Stunde gedauert haben, als Cleensuré wieder herauskam, und bei dem Scheine, welchen die Laterne der Sänfte verbreitete, einen schönen Diamantring betrachtete, den er zweifelsohne von der Königin zum Geschenk erhalten hatte. Den Gegenstand der Unterhaltung kennt man nicht.

»Gestern Abend benützte der Graf von Moret eine meiner Sänften zu einem Besuche im Hotel Longueville, wo große Gesellschaft war und wo sich auch der Herr Herzog von: Orleans, der Herzog von Montmorency und Frau von Fargis eingefunden hatten. Im Hinausgehen wechselten Frau von Fargis und der Graf von Moret im Vestibule einige Worte. Das Gespräch musste für Beide gleich befriedigend gewesen sein, denn im Fortgehen lachte Frau von Fargis, während der Graf von Moret ein Liedchen trällerte.«

»Das ist ja Alles vortrefflich,« sagte der Kardinal, »fahren wir fort:«

»Gestern Abend zwischen elf Uhr und Mitternacht nahm der Herr Kardinal von Richelieu als Kapuziner verkleidet —«

»Oho! Das wird beinahe zu vortrefflich!« brummte Richelieu und las dann mit gesteigerter Neugier weiter:

»– als Kapuziner verkleidet eine Sänfte und ließ sich nach dem in der Rue de l'Homme Armé gelegenen Gasthause »zum gefärbten Barte« bringen, wo er bis halb zwei Uhr in dem Zimmer des Stephan Latil verweilte. Um halb zwei Uhr kamen Se. Eminenz die Treppe herab und befahlen den Trägern der Sänfte, ihn nach dem Kloster der Büßerinnen zu bringen.«

»Teufel, Teufel!«

Dieser mehrmalige Ausruf entfuhr unwillkürlich den Lippen Sr. Eminenz, als er bei dieser Stelle angelangt war. Nichtsdestoweniger las er weiter:

»Dort ließ er sich durch die Pförtnerin das Thor öffnen, die Oberin wecken und sich von ihr zu dem Gefängnisse der Frau von Coëtman führen; nach einer viertel stündigen Unterhaltung, die er mit der Gefangenen durch das Gitterfenster gehalten hatte, befahl er seinen beiden Sänftenträgern, eine Öffnung in die Mauer zu brechen, durch welche die Gefangene ins Freie gelangen könnte. Eine halbe Stunde genügte, um den Befehl Sr. Eminenz auszuführen.«

Der Kardinal dachte einige Minuten lang nach; dann fuhr er fort:

»Da die Gefangene beinahe nackt war, umhüllte sie der Herr Kardinal mit seiner Kutte und ließ sie in die Zimmer der Oberin bringen, wo ein großes Feuer angemacht worden war, und wo sie sich nach und nach erholte und ihre Kräfte wieder erlangte. Um drei Uhr schickten Se. Eminenz nach einer zweiten Sanfte, in welcher die Coëtman zu dem Bader Nollet bei dem Pont Notre-Dame gebracht wurde; dort gab er in Bezug auf sie einige Befehle und setzte dann seinen Weg allein fort.«

»Sieh, sieh!« sagte der Kardinal, »dieser Teufelsjunge ist sehr geschickt. Desto besser, desto besser! Beenden wir die Lektüre.«

»Um drei Viertel auf fünf Uhr kam der Herr Kardinal in seine Wohnung zurück, verließ sie aber schon wenige Minuten nach fünf Uhr, nachdem er das Costüme gewechselt hatte. Er stieg in eine Sänfte und ließ sich nach dem Hotel Sully tragen, wo er ungefähr eine halbe Stunde blieb. Um drei Viertel auf sieben Uhr war er wieder zu Hause.

»Zehn Minuten später nahm seine Nichte, Frau von Combalet, eine Sänfte, um sich zu dem Bader Nollet zu begeben, von wo sie in Begleitung der Frau von Coëtman, die als Carmeliterin verkleidet war, wieder in ihre Wohnung zurückkehrte.

»Dies ist der Bericht des gestrigen Tages, für dessen Genauigkeit und Verlässlichkeit mit seinem Worte bürgt

»Michel, genannt Souscarières.«

»Teufel!« sagte Richelieu, als er geendet hatte, »das ist bei meinem Worte ein schlauer Spitzbube. Cavois! Cavois!«

Der Kapitän der Garden trat ein.

»Monseigneur befehlen?«

»Ist der Mann, der dieses Papier gebracht hat, noch draußen?«

»Monseigneur, wenn ich nicht irre, ist es Herr Souscarières selbst.«

»Lass ihn eintreten, lieber Cavois, laß ihn eintreten!«

Als ob der Herr Souscarières diese Ermächtigung, gehört hätte, erschien er in demselben Augenblicke aus der Schwelle des Gemaches, in einem sehr einfachen, aber eleganten Anzug und machte Sr. Eminenz eine tiefe Verneigung.