Tasuta

Der Graf von Moret

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

XI.
Wie Stephan Latil und der Marquis von Pisani in ihrem ersten Ausgang miteinander zusammen trafen

Wir haben gesagt, dass der Kardinal sich in sein Landhaus nach Chaillot zurückgezogen hatte, um sein Haus, welches er auf der Place Royale besaß, dem König Ludwig XIII. überlassen zu können.

Das Gerücht von seiner Ungnade hatte sich schnell in Paris verbreitet, und bei einem Rendezvous, welches Frau von Fargis im »gefärbten Barte« dem Siegelbewahrer Marillac gab, machte sie auch ihn mit dieser großen Reuigkeit bekannt. Diese überschritt bald die Grenze des Zimmers, in welchem sie erzählt worden war, und stieg in die Küche zu Frau Soleil hinab. Von Frau Soleil hatte sie ihr Mann erfahren und da war sie zu Stephan Latil gedrungen, der erst seit drei Tagen außer dem Bette war und anfing, auf seinen Degen gestützt, im Zimmer umherzuhinken.

Meister Soleil hatte ihm seinen eigenen Stock angeboten – ein schönes spanisches Rohr mit einem Achatknopf; aber Latil lehnte ihn ab, denn er hielt es für einen Mann des Schwertes unwürdig, sich auf etwas Anderes zu stützen, als auf sein Schwert.

Bei der Neuigkeit von der Ungnade Richelieu's blieb er plötzlich stehen, stützte sich mit beiden Händen auf den Griff seines Rappiers und sah dem Wirte gerade in das Gesicht

»Ist das, was Ihr da sagt, wahr?« fragte er.

»Wahr wie das Evangelium.«

»Und von wem habt Ihr die Nachricht?«

»Von einer Dame des Hofes.«

Stephan Latil kannte das Haus, in welchem zu wohnen ein Abenteuer ihn gezwungen hatte, zu gut, um nicht zu wissen, dass Besucher aller Stände in dasselbe kämen.

Er hinkte daher ein paarmal nachdenklich durch das Zimmer und kam dann wieder zu Meister Soleil zurück.

»Da er nicht mehr Minister ist, was haltet Ihr nun von seiner Sicherheit?«

Meister Soleil schüttelte den Kopf und ließ eine Art Grunzen hören.

»Ich denke,« sagte er, »wenn er seine Garden nicht mit sich nimmt, wird er gut tun, das Panzerhemd, das er bei La Rochelle stets über der Kutte trug, nun unter derselben zu tragen.«

»Und glaubt Ihr,« fragte Latil, »dass er keine andere Gefahr lauft?«

»Was die Nahrung anbelangt,« sagte Soleil, »so glaube ich, dass seine Nichte, Frau von Combalet, die weise Vorsicht haben wird. Die Speisen vor ihm durch Jemand Kosten zu lassen. Wo sollte sich aber ein solcher Jemand finden, der das riskiert?«

»Er ist gefunden. Meister Soleil.« sagte Latil; »schickt nach einer Sänfte.«

»Wie?« rief Soleil. »Ihr wolltet so unvorsichtig sein, auszugehen?«

»Ja, ich will diese Unklugheit begehen, mein Herr Wirt, und weil ich mir nicht verhehle, dass mir dies in dem Zustande, in welchem ich mich jetzt befinde, das Leben kosten kann, so wollen wir unsere kleine Rechnung ordnen, damit Ihr für den Fall meines Todes nichts verliert. Drei Wochen Krankheit, neun Schalen Thee. zwei Schoppen Wein und die unausgesetzten Bemühungen der Frau Soleil. die eigentlich über jeden Preis erhaben sind; – sollten wohl zwanzig Pistolen dafür genug sein?«

»Ich bitte, zu bedenken, Herr Latil, dass ich von Euch nichts verlange, und dass die Ehre, Euch beherbergt, gespeist—«

»Gespeist? Ich war leicht zu beköstigen.«

»Und getränkt zu haben, mir genügt. Wenn Ihr mir aber zwanzig Pistolen als Zeichen Eurer Befriedigung zahlen wollt—«

»So werdet Ihr sie nicht zurückweisen, nicht wahr?«

»Gott bewahre mich davor, Euch diese Beleidigung anzutun!«

»Also lasst mir eine Sänfte holen, während ich Euer Geld abzähle,«

Meister Soleil verneigte sich, ging hinaus und kam bald darauf zurück, um sein Geld in Empfang zu nehmen.

»Eure Sänfte ist bereits da,« sagte er.

Latil stieß seinen Degen in die Scheide und ersuchte Soleil, ihm den Arm zu leihen, damit er sich beim Hinausgehen darauf stützen könne,

»Ich leihe Euch dazu meinen Arm nur mit Bedauern,« sagte der artige Wirt.

»Soleil, mein Freund. auch ich sehe mit Bedauern diese kleine Wolke der Betrübnis auf Deinem sonst so strahlenden Gesicht und verspreche Dir, wenn ich nach Paris zurückkomme, soll mein erster Besuch Dir gelten, besonders wenn Du mir eine Neige von dem Weine aufbewahrst, den ich erst seit zwei Tagen zu kosten bekomme, und dessen nähere Bekanntschaft ich gern gemacht hätte.«

»Ich besitze ein Faß von 300 Schoppen davon, und werde es für Euch aufbewahren, Herr Latil.«

»Zu drei Schoppen des Tages reicht dies für drei Monate aus und Ihr seid also sicher, mich für drei Monate als Euren Kostgänger zu haben, das heißt, wenn meine Mittel mir dies erlauben.«

»Bah. Man wird Euch Credit geben; einem Manne, der Herrn von Moret, Herrn von Montmorency, Herrn von Richelieu, das heißt einen Königssohn, einen Prinzen und einen Kardinal, zu Freunden hat!«

Latil schüttelte den Kopf.

»Ein guter Generalpächter wäre wohl weniger ehrenvoll, aber sicherer,« sagte Latil, und setzte den Fuß in die Sänfte.

»Wohin soll ich den Trägern den Befehl geben?« fragte Soleil.

»In das Hotel Montmorency, wo ich eine Pflicht zu erfüllen habe, und dann sofort nach Chaillot,«

»In das Hotel des Herzogs von Montmorency,« schrie Soleil so laut, dass man ihn zehn Straßen weit hören konnte; die Träger gingen im Trabe ab.

Vor dem Thore des Hotels blieben sie stehen; der Schweizer, im großen Kostüm, mit dem Stocke in der Hand, stand auf der Schwelle.

Latil gab ihm ein Zeichen; er kam an die Sänfte heran,

»Mein Freund,« sagte Latil, »hier ist eine halbe Pistole für Euch; macht mir das Vergnügen, auf meine Fragen zu antworten.«

Der Schweizer nahm seinen galonnirten Hut ab.

»Ich bin ein verwundeter Edelmann,« sagte Latil, »dem der Herr Graf von Moret die Ehre erwies, ihn während seiner Krankheit zu besuchen, und der seinerseits versprochen hat, diesen Besuch zu erwidern, wenn er sich würde aufrecht halten können. Heute gehe ich zum ersten Male aus, und halte mein Versprechen. Kann ich die Ehre haben, von Herrn Herrn Grafen empfangen zu werden?«

»Der Herr Graf von Moret hat seit fünf Tagen das Hotel verlassen und Niemand weiß, wo er ist.«

»Nicht einmal Monseigneur?«

»Monseigneur ist Tags vorher nach seinem Gouvernement Languedoc abgereist.«

»Das ist unangenehm; aber ich habe das Versprechen gehalten, welches ich dem Herrn Grafen gab, und mehr kann man von mir nicht verlangen.«

»Der Herr Graf,« sagte der Schweizer, »hat aber, wenn ich mich recht erinnere, einen Auftrag zurückgelassen, welcher Euch angehen dürfte, mein Herr.«

»Was für ein Auftrag war das?«

»Er sagte, wenn ein Edelmann, Namens Stephan Latil, sich vorstellen würde, man ihm Wohnung, Speise und Trank anbieten und ihn wie zum Hause gehörig behandeln sollte.«

Latil nahm seinen Hut ab, um dem abwesenden Grafen von Moret seine Achtung zu bezeigen.

»Der Herr Graf von Moret,« sagte er, »hat sich als ein würdiger Sohn Heinrichs IV. bewiesen. Ich bin wirklich der genannte Edelmann und werde bei meiner Rückkehr die Ehre haben, ihm meinen Dank persönlich darzubringen und mich ihm zu Diensten zu stellen. Hier, mein Freund, ist noch eine halbe Pistole für das Vergnügen, welches Ihr mir bereitet habt, indem Ihr sagtet, es habe dem Grafen von Moret beliebt, an mich zu denken. Jetzt vorwärts, Ihr Träger, nach Chaillot, in das Haus des Herrn Kardinals.«

Die Träger setzten sich in Bewegung.

Der Zufall wollte, dass in dem Augenblicke, als Latil seinen Trägern den Befehl gab, ihn nach Chaillot zu bringen, der Marquis Pisani, den wir bei den wichtigen Ereignissen, die wir erzählten, aus den Augen verloren, so ziemlich hergestellt von dem Degenstoße, den ihm Souscarières beigebracht hatte, es ebenfalls für schicklich haltend, bei seinem ersten Ausgang dem Herrn Grafen von Moret seine Entschuldigungen darzubringen, auch seinerseits in eine Sänfte stieg und sich nach dem Hotel Montmorency begab, welches Latil soeben verlassen hatte.

In der Rue St. Honoré kreuzten sich die Sänften, und Latil erkannte augenblicklich den Marquis.

Man wird erraten, welchen Eindruck dieser Anblick auf den heißblütigen Klopffechter machte.

Er stieß einen Ruf aus und hielt damit seine Träger an; dann steckte er den Kopf aus dem Fenster der Sänfte.

»He! Herr Buckliger!« schrie er.

Vielleicht wäre es von dem Marquis Pisani klüger gewesen, nicht zu bemerken, dass der Ruf ihn angehe, aber er war sich seiner Missgestalt so bewusst, dass er fast unwillkürlich auch seinerseits den Kopf zum Fenster seiner Sänfte hinaus steckte, um zu sehen, wer es wage, ihn bei seinem Buckel statt bei seinem Titel anzurufen.

»Was beliebt?« fragte der Marquis, indem er seinen Trägern ein Zeichen gab, stehen zu bleiben.

»Es beliebt mir,« sagte Latil, »Euch zu ersuchen, dass Ihr einen Augenblick auf mich wartet, da ich eine Rechnung mit Euch zu ordnen habe.«

Dann gebot er seinen Trägern: »Tragt meine Sänfte an die Seite der Sänfte jenes Edelmannes und seht zu, dass die Türen einander genau gegenüberstehen,«

Die Träger taten, wie Ihnen befohlen wurde. »Ist es so gut, mein Herr?« fragten sie.

»Vortrefflich,« erwiderte Latil. »Ah!«

Dieser Ausruf wurde durch die Freude veranlasst, welche der Klopffechter bei dem Anblicke des ihm bekannten Marquis empfand, der ihm seinen Rang durch den Ring bekannt gemacht hatte, welchen er ihm bei ihrem ersten Zusammentreffen zeigte.

Jetzt erkannte auch Pisani den Mann des Degens.

»Vorwärts!« rief er seinen Trägern zu; »ich habe mit diesem Menschen nichts zu tun!«

»Aber dieser Mann hat mit Euch zu tun, mein Lieber! Rührt Euch nicht, Ihr Träger, oder Ventre-Saint-Gris. wie Heinrich IV. zu sagen pflegte, ich schneide Euch Eure langen Ohren ab!«

Die Träger, welche die Sänfte schon erhoben hatten, stellten sie wieder auf das Pflaster nieder.

Die Vorübergehenden wurden durch das laute Sprechen aufmerksam gemacht und singen an, sich um die beiden Sänften zu sammeln.

 

»Und ich werde Euch durch meine Leute prügeln lassen, wenn Ihr nicht weitergeht!« schrie Pisani, außer sich vor Wut.

Aber seine Träger schüttelten die Köpfe.

»Wir,« brummten sie, »wollen uns lieber prügeln als die Ohren abschneiden lassen: wenn Eure Leute mit den Stöcken kommen, so haben wir übrigens hier eine Antwort für sie,«

Damit zogen sie die schweren Tragstangen aus den Ringen der Sänfte.

»Bravo, meine Freunde!« rief Latil, welcher sah, dass sich die Sache zu seinen Gunsten wendete;, »bravo; hier sind vier Pistolen, dafür auf meine Gesundheit zu trinken; ich kann Euch meinen Namen sagen, ich heiße Stephan Latil,während ich glaube, dass Euer buckliger Marquis sich hüten wird, seinen Namen zu nennen.«

»Ah, Elender!« schrie Pisani, »Du hast also an den zwei Degenstößen noch nicht genug?«

»Nicht nur genug, sondern zu viel,« sagte Latil, »deshalb muss ich Euch durchaus einen davon zurückgeben.«

»Du missbrauchst den Umstand, dass ich mich noch nicht auf den Beinen halten kann.«

»Bah!« sagte Latil, »dann ist die Partie gleich und wir können uns sitzend schlagen.«

In demselben Augenblick zog er seinen Degen und brachte dessen Spitze in die Höhe der Stirn des Marquis Pisani.

Es war nicht möglich zurückzuweichen. Ein dichter Kreis von Gaffern umgab die beiden Sänften; übrigens besaß der Marquis viel persönlichen Mut, wie wir bereits erwähnt haben, und so zog auch er den Degen.

Ohne dass man einen der beiden Kämpfenden gewahrte, sah man die Klingen der Degen in dem Raume zwischen beiden Sänften nach allen Regeln der Kunst sich kreuzen, binden, parieren. Nachdem dieser sonderbare Kampf zum großen Ergötzen der Zuschauer gegen fünf Minuten gedauert hatte, ertönte ein Fluch aus einer der Sanften.

Latil hatte den Arm seines Gegners an die Wand der Sänfte gespießt.

»So,« sagte Stephan Latil, »nehmt das einstweilen auf Rechnung, mein schöner Herr Marquis, und zählt darauf, jedes mal, wenn wir zusammentreffen, die gleiche Abschlagszahlung zu empfangen.«

Die Leute aus dem Volke haben eine große Vorliebe für großmütige Sieger.

Latil hatte seine Großmut gezeigt, als er den Trägern ein so reiches Trinkgeld gab.

Der besiegte Pisani war als geizig bekannt.

Man nahm daher Partei für Latil und verhöhnte den Marquis.

Die beiden Sänften setzten sich wieder in Bewegung.

Die Latil's nahm die Richtung nach Chaillot; Pisani musste sich in das Hotel Rambouillet zurücktragen lassen.

XII.
Der Kardinal in Chaillot

In Chaillot angekommen befand der Kardinal sich ungefähr in der Lage des Atlas, als dieser die Weltkugel für einige Zeit von seinen Schultern gewälzt und dem Rücken seines Freundes Herkules aufgeladen hatte.

In der Tat war Chaillot das Asyl, wo der Kardinal von der Politik ausruhte, um sich, wir wollen nicht sagen, der Poesie, sondern dem Verse machen hinzugeben, Ein Kabinett im Erdgeschosse, dessen Türen in einen prachtvollen Garten führten, wo eine dunkle Lindenallee selbst in den heißesten Tagen des Sommers Frische und Kühlung bot, war das Allerheiligste, in welches sich der Kardinal auf einen oder zwei Tage im Monate zurückzuziehen pflegte. Diesmal kam er hierher, um Ruhe und Vergessenheit zu suchen. Auf wie lange, das wusste er nicht.

Sein erster Gedanke, als er diese der Poesie geweihte Oase betrat, war, seine gewöhnlichen Mitarbeiter rufen zu lassen, mit denen er, wie ein General mit seinem Stabe, die Dispositionen aus dem Gebiete der Gedanken zu treffen pflegte.

Aber er überlegte, dass er nicht mehr der allmächtige Minister sei, der Belohnungen austeilen könne, sondern ein gewöhnlicher Bürger, der unter seines Gleichen noch den Nachtheil hatte, seine Freunde und Anhänger zu kompromittieren, Er beschloss deshalb, zu warten, bis seine ehemaligen Freunde ihn besuchen würden, ohne von ihm gerufen zu sein.

Er hatte daher unter seinen Papieren den Plan zu einer neuen Tragödie hervorgesucht, welche »Mirame« hieß, nichts Anderes als eine Rache gegen die regierende Königin war und deren Szenen er schon entworfen hatte. Der Kardinal von Richelieu war nicht der Mann, ihm angetane Beleidigungen zu vergessen. Tief verwundet durch die geheimnisvolle Intrige, welche ihn soeben gestürzt hatte, und als deren tätigste Urheberin er die Königin Anna betrachtete, tröstete er sich mit dem Gedanken, ihr das Übel zu vergelten, das sie ihm zugefügt.

Es tut uns sehr leid, die geheimen Schwächen des großen Ministers aufdecken zu müssen; aber wir machten uns zu seinem Geschichtsschreiber und nicht zu seinem Lobredner.

Das erste Zeichen der Sympathie erhielt er von einer Seite, von der er es am wenigsten erwartet hatte.

Sein Kammerdiener Guillemot zeigte ihm an, dass eine Sänfte vor dem Thore hielte, und dass ein Mann, der von einer schweren Krankheit oder Verwundung kaum hergestellt scheine, aus derselben gestiegen sei, und, sich an den Mauern haltend, den Weg bis in das Vorzimmer gefunden habe, wo er sich auf eine Bank niederließ und sagte: »Mein Platz ist hier.«

Die Träger der Sänfte seien nach Paris zurückgekehrt.

Der Mann habe einen niederen Filzhut, sei in einen schnupftabakfarbenen Mantel gehüllt, mehr militärisch als bürgerlich gekleidet und mit einem überaus langen Stoßdegen bewaffnet.

Man habe ihn gefragt, wen man dem Herrn Kardinal melden solle, und er habe darauf geantwortet:

»Ich bin gar nichts – meldet daher Niemand an.«

Man habe ihn darauf gefragt, was er hier wolle, und er habe gesagt:

»Der Herr Kardinal hat hier keine Garden; ich werde daher über seine Sicherheit wachen.«

Die Sache war Guillemot so wunderlich erschienen

Dass er sich entschloss, dieselbe der Frau von Combalet und dem Herrn Kardinal anzuzeigen.

Der Kardinal gab Befehl, ihm seinen geheimnisvollen Verteidiger vorzustellen.

Fünf Minuten später öffnete sich die Tür und Stephan Latil erschien bleich und wankend auf der Schwelle.

Der Kardinal hatte ein so wunderbares Personengedächtnis, dass er seinen Blick nur auf den Mann zu richten brauchte, um ihn zu erkennen.

»Ah!« sagte er. »Ihr seid es. mein lieber Latil?«

»Ich selbst, Ew. Eminenz.«

»Es geht also besser, wie es scheint?«

»Ja, Monseigneur, und ich benutze meine Genesung, um Euch meine Dienste anzubieten.«

»Danke, danke,« sagte der Kardinal lachend; »ich wüsste Niemand, dessen ich mich entledigen wollte.«

»Das ist möglich,« entgegnete Latil, »aber gibt es nicht Leute, welche sich Eurer entledigen möchten, Herr Kardinal?«

»Das ist mehr als wahrscheinlich,« erwiderte Richelieu.

In diesem Augenblicke trat Frau von Combalet aus einem Seitengemache ein, und ihr unruhiger Blick streifte rasch den Unbekannten, der sich noch immer in der Nähe der Tür hielt.

»Komm her, Marie,« sagte der Kardinal, »und zeige gleich mir Deine Erkenntlichkeit diesem braven Menschen, welcher, seit ich in Ungnade gefallen bin, der Erste ist, der mir seine Dienste anbietet.«

»O, ich werde nicht der Letzte sein,« sagte Latil, »ich bin aber nicht bös darüber, dass ich vor den Andern gekommen bin.«

»Mein Oheim,« sagte Frau von Combalet mit jenem Blicke des Mitleids, der nur den Frauen eigen ist, »der Herr ist sehr bleich und scheint mir auch ziemlich schwach zu sein.«

»Es ist um so verdienstlicher von ihm, dass er kam; denn mein Arzt, der von Zeit zu Zeit nach ihm sah, sagte mir, dass er erst acht Tage außer Gefahr ist und erst seit drei Tagen das Bett verlassen hat.«

»Ach,« sagte Frau von Combalet, »ist das nicht jener Herr, welcher in einem Streite in der Schenke »zum gefärbten Barte« unterlag?«

»Ihr seid sehr gütig, meine schöne Dame, Euch daran zu erinnern; aber ich habe soeben dem verfluchten Buckligen. vergolten, und ihn mit einem tüchtigen Stich im Arm nach Hause geschickt.«

»Den Marquis von Pisani?« rief Frau von Combalet. »Der Arme hat wirklich Unglück; seit kaum acht Tagen ist die Wunde geheilt, die er an demselben Tage erhielt, an welchem Ihr hättet ermordet werdet sollen.«

»Der Marquis Pisani! Der Marquis Pisani!« murmelte Latil. »Nun, ich bin nicht böse darüber, seinen Namen zu wissen. Deshalb also rief er seinen Trägern zu: »Nach dem Hotel Rambouillet!« während ich den meinigen befahl: »Nach Chaillot!« – Hotel Rambouillet! – Die Adresse werde ich mir merken!«

»Aber auf welche Weise habt Ihr Euch geschlagen,« fragte der Kardinal, »da Ihr Beide Euch doch kaum auf den Beinen erhalten konntet?«

»Wir haben uns aus unseren Sänften heraus geschlagen; ein sehr bequemes Auskunftsmittel, wenn man trank ist.«

»Und mir erzählt Ihr das, nach den Edicten, die ich gegen das Duell erlassen habe? Freilich bin ich nicht mehr Minister und die Edikte werden in Kurzem außer Kraft sein.«

Der Kardinal stieß einen Seufzer aus, welcher bewies, dass er sich noch nicht so sehr von den irdischen Dingen losgesagt hatte, als er es glauben machen wollte.

»Aber Ihr sagtet, teurer Oheim,« bemerkte Frau von Combalet, »dass Herr Latil hierher kam, um Euch seine Dienste anzubieten; welcher Art sind denn diese Dienste?«

Latil zeigte auf seinen Degen.

»Diese Dienste sind zugleich die des Angreifers und des Verteidigers. Der Herr Kardinal hat in diesem Augenblicke weder Garden noch einen Gardecapitän; an mir ist es daher, ihm diese zu ersetzen.«

»Wie! Keinen Gardecapitän?« fragte eine weibliche Stimme hinter Latil. »Er hat noch immer seinen Cavois, welcher auch zugleich mein Cavois ist.«

»Ah!« rief der Kardinal, »diese Stimme sollte ich kennen, wie ich meine; tretet näher, Frau Cavois; tretet näher.«

Ein Frau, rührig und nett, welche ihre dreißig Jahre nur durch eine gewisse Wohlbeleibtheit verriet, schlüpfte behende zwischen Latil und den Türpfosten hindurch und machte dem Kardinal und seiner Nichte ihren Knix.

»Ah,« sagte sie, sich die Hände reibend, »Ihr seid also « Mich Euer Ministerium und all' den Wirrwarr los, den es uns bereitete?«

»Wie, mein Ministerium bereitete auch Euch einen Wirrwarr, liebe Frau?«

»Ach, ich glaube wohl, Herr Kardinal; ich konnte weder bei Tage noch bei Nacht schlafen; ich fürchtete immer irgend eine Katastrophe, Ew. Eminenz, in welche auch mein armer Cavois verwickelt würde. Bei Tage dachte ich daran und bei Nacht träumte ich davon. Und nun waren der Herr Kardinal sogar im Begriff, mir meinen Cavois nach Italien zu entführen; wer weiß, auf wie lange Zeit. Aber ich habe zu Gott gebetet und er tat ein Wunder; Ew. Eminenz sind in, Ungnade gefallen.«

»Ich danke, Frau Cavois,« sagte der Kardinal lachend.

»Ich danke Euch auch, meine liebe Frau,« sagte Frau von Combalet; »Gott hat uns wirklich eine Wohltat erwiesen; Euch hat er den Gatten und mir den Oheim zurückgegeben.«

»Aber,« sagte der Kardinal, »wenn Cavois mir nicht dient, wird er dem Könige dienen.«

»Wo?« fragte Frau Cavois.

»Wo anders, als in Italien?«

»O, er wird nicht nach Italien gehen; da kennt Ihr ihn schlecht, Herr Kardinal; er wird sein armes Weib nicht allein lassen.«

»Aber er ließ Euch allein, als er mir nach La Rochelle folgte.«

»O, für Euch, das ist etwas Anderes, Herr Kardinal; ich weiß nicht, was Ihr mit ihm gemacht habt, aber so viel weiß ich, dass er von Euch verzaubert worden ist; doch für einen Andern, als Euch, würde er sein Weib nicht verlassen,«

»Aber die Pflichten seines Dienstes?«

»Welches Dienstes?«

»Nun, als er meinen Dienst verließ, trat er in den des Königs.«

»Weit gefehlt! Da trat er in den meinigen; ich hoffe auch, dass er bereits bei dem Könige um seine Entlassung angesucht hat.«

»Hat er Euch die Absicht dazu mitgeteilt?« fragte Frau von Combalet.

»Braucht er mir das etwa zu sagen? Weiß ich nicht im Voraus, was er tut? Durchschaue ich ihn nicht, als ob er von Glas wäre? Wenn ich sage, es ist geschehen, so ist es geschehen.«

»Aber, meine liebe Frau Cavois,« sagte der Kardinal, »die Stelle eines Kapitäns der Garden trug 6000 Livres jährlich, wovon Ihr, Euren ganzen Haushalt bestreiten könntet; aber ich kann mir als Privatmann keinen Gardecapitän halten; denkt an Eure Kinder!«

»So? Habt Ihr nicht etwa für die gesorgt, Herr Kardinal? Ist etwa das Privilegium der Sänften, welches mir 12, 000 Livres jährlich einträgt, nicht besser, als eine Stelle, welche der König nach seinem Belieben nimmt und verleiht? Unsere Kinder sind Gott sei Dank alle dick und fett und Ihr sollt sogleich sehen, ob die Würmer Mangel leiden. Kommt Alle herein!«

»Wie, Eure Kinder sind alle hier?«

»Ausgenommen das jüngste, welches erst während der Belagerung von La Rochelle zur Welt kam und noch bei der Amme ist. Kommt Alle herein; der Herr Kardinal erlaubt es.«

 

»Ja, ich erlaube es; zugleich aber erlaube ich, oder befehle vielmehr dem Meister Latil, sich zu setzen.«

Latil antwortete nicht und gehorchte; wäre er noch eine Minute stehen geblieben, würde er ohnmächtig geworden sein. Während dieser Zeit defilierte die ganze Nachkommenschaft der Frau Cavois, nach Alter und Größe geordnet, zur Zimmertür herein. Voran schritt ein hübscher Bursche von neun Jahren, dann kam ein Mädchen, dann wieder ein Bursche, und so fort bis zu dem letzten Sprössling, einem blauäugigen Mädchen von zwei Jahren.

»So, Kinder,« sagte Frau Cavois, »da steht der Mann, dem ich, Euer Vater und Ihr Alles verdanken; beugt hübsch Euer Knie vor ihm, um Euren Dank abzustatten.«

»Frau Cavois, Frau Cavois! Man beugt nur vor Gott das Knie!« sagte der Kardinal.

»Und vor Denen, die seine Stelle vertreten; übrigens bin ich da, um meinen Kindern zu befehlen. Auf die Knie, Ihr Taugenichtse!«

Die Kinder gehorchten.

»Nun, Armand,« sagte Frau Cavois, sich an den Ältesten wendend; »wiederhole dem Herrn Kardinal das Gebet, welches ich Dich gelehrt habe, und das Du jeden Morgen und Abend betest.«

»Mein Herr und Gott,« betete das Kind, »schenke meinem Vater und meiner Mutter, meinen Brüdern und meinen Schwestern Gesundheit und mache, dass Se. Eminenz, der Herr Kardinal, dem wir Alles verdanken, und auf den ich Alles Glück herabflehe, sein Ministerium verliere, damit Papa jeden Abend nach Hause kommen kann!« – »Amen!« antworteten im Chor alle übrigen Kinder.

»Nun, es wundert mich nicht,« sagte der Kardinal lachend, »dass ein Gebet, welches aus so guten Herzen kommt, erhört wurde.«

»So,« sagte Frau Cavois; »da wir Monseigneur nun gesagt haben, was wir ihm zu sagen hatten, erhebet Euch und kommt.«

Die Kinder erhoben sich fast zu gleicher Zeit und standen schnurgerade da.

»Seht Ihr, Herr Kardinal,« fragte Frau Cavois mit einem Lächeln der Befriedigung, »wie Alle auf einen Wink gehorchen?«

»Frau Cavois.« sagte der Kardinal, »wenn ich jemals in das Ministerium zurückkehre, werde ich Euch zum Exerciermeister der königlichen Truppen ernennen.«

»Gott möge uns davor bewahren, Monseigneur!«

Frau von Combalet küsste die Kinder und deren Mutter, welche ihre Sprösslinge zu zwei und zwei in drei Sanften steigen ließ und es sich selbst mit dem jüngsten in einer vierten bequem machte; der Kardinal folgte ihnen mit wohlwollendem Blicke.

»Monseigneur,« sagte Latil. sich von seinem Stuhl erhebend, »bedürft meiner nicht mehr als Mann des Degen, da Herr Cavois Euch in die Verbannung folgt; aber es ist nicht das Eisen allein, was Ihr zu fürchten habt; Eure Feindin nennt sich Medicis.«

»Das ist also auch Eure Ansicht?« sagte Frau von Combalet.

»Muss ich auch das Gift fürchten« « – fragte der Kardinal.

»Ihr braucht eine ergebene Person, welche Eure Speisen und Getränke früher kostet. Ich biete mich dazu an.«

»O, dazu kommt Ihr zu spät, Herr Latil,« sagte Frau von Combalet lächelnd; »es hat sich schon Jemand dazu erboten.«

»Und ist dieser Jemand auch angenommen worden?«

»Ich hoffe es wenigstens,« sagte Frau von Combalet, indem sie ihren Oheim zärtlich anblickte.

»Und wer ist das?« fragte Latil.

»Ich selbst bin es,« entgegnete Frau von Combalet.

»Dann,« sagte Latil, »bin ich hier nicht mehr nöthig. Gott befohlen, Monseigneur.«

»Was tut Ihr?« rief der Kardinal.

»Ich gehe; Ihr habt einen Gardecapitän; Ihr habt eine Vorkosterin; unter welchem Titel sollte ich also bei Eurer Eminenz bleiben?«

»Unter dem Titel eines Freundes, Stephan Latil; ein Herz wie das Eure ist selten, und da ich es einmal gefunden habe, will ich es nicht wieder verlieren.«

Dann wandte sich der Kardinal an seine Nichte.

»Meine liebe Marie,« sagte er, »Dir vertraue ich meinen Freund Latil an; wenn ich auch jetzt keine Gelegenheit habe, ihn seinen Verdiensten angemessen zu beschäftigen, so wird sich eine solche später hoffentlich finden lassen. In der Voraussetzung, dass meine literarischen Freunde mir eben so treu bleiben werden, wie mein Gardecapitän und der brave Latil, muss ich ihre Aufgaben vorbereiten.«

In diesem Augenblicke meldete der Kammerdiener den Dichter Rotrou.

»Ah, da ist gleich Einer,« sagte der Kardinal, »der auch nicht lange auf sich warten lässt!«

»Mordieu,« brummte Latil, »warum hat mich mein Vater nicht Verse machen lernen lassen; jetzt wäre ich doch wenigstens zu etwas nütze.«