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Der Graf von Moret

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XV.
Warum der König Ludwig XIII. immer schwarz gekleidet war

Guillemot verschwand augenblicklich und Ludwig XIII. und der Kardinal Richelieu standen einander allein gegenüber.

»Sire,« sagte Richelieu, sich tief verneigend, »mein Erstaunen, als ich hörte, Ew. Majestät besuchten meine niedere Behausung, war so groß, dass ich, statt an den Euch der Treppe zu eilen, um Ew. Majestät zu empfangen, wie festgenagelt auf dem Parquet dieses Zimmers stand, und dass ich noch jetzt, in der erhabenen Gegenwart Ew. Majestät, meinen Augen nicht traue, und kaum daran zu denken wage, dass Ew. Majestät sich so weit herabgelassen haben, mich aufzusuchen.«

Der König blickte im Zimmer umher.

»Sind wir allein, Herr Kardinal?« fragte er.

»Ganz allein, Sire.«

»Seid Ihr dessen sicher?«

»Vollkommen.«

»Und wir können ganz ungezwungen und ungestört mit einander sprechen?«

»Ja, Sire.«

»Dann verschließt die Tür und hört mich an!«

Der Kardinal tat nach dem Wunsche des Königs und deutete dann auf einen Lehnsessel, in den sich der König setzte, oder vielmehr sich fallen ließ.

Der Kardinal blieb stehen und wartete.

Der König erhob langsam den Blick zu ihm und sagte nach einer Weile:

»Herr Kardinal, Ich habe Unrecht gehabt.«

»Unrecht, Sire, worin?«

»Das zu tun, was Ich getan habe.«

Der Kardinal blickte den König fest und durchdringend an.

»Sire,« sagte er, »eine große Erklärung, eine Erklärung, welche klar und bestimmt ist, und keinen Zweifel, keine Wolke, keinen Schatten übrig lässt, ist zwischen uns notwendig geworden. Die Worte, welche Ew. Majestät soeben gesprochen haben, lassen mich hoffen, dass die Stunde dieser Erklärung gekommen sei.«

»Herr, Kardinal,« sagte Ludwig XIII., sich aufrichtend, »Ich hoffe, dass Ihr nicht vergessen werdet —«

»Dass Ihr der König Ludwig XIII. seid, und dass ich Euer untertäniger Diener, der Kardinal Richelieu bin – seid unbesorgt, Sire; ich werde das nicht vergessen; doch erlaubt mir, Sire, vorher die Bemerkung zu machen, dass ich bereit bin, im Falle ich Ew. Majestät verletzen sollte, mich so weit zurückzuziehen, dass Ew. Majestät in Zukunft nicht einmal meinen Namen aussprechen hören werden; wenn aber im Gegenteil Ew. Majestät einsehen, dass meine Gründe gut, meine Klagen gerechtfertigt sind, dann bitte ich, Sire, in demselben Tone, in welchem Ihr die Worte spracht: »Ich habe Unrecht gehabt,« in dem Tone der Überzeugung nämlich, mir zu sagen: »Kardinal, Ihr habt Recht!« und alles Vergangene soll dann in den Abgrund der Vergessenheit versenkt sein!«

»Sprecht, Kardinal,« sagte der König. »Ich höre!«

»Beginnen wir, Sire, wenn es Euch beliebt, mit dem, worüber sich nicht streiten lässt, mit meiner Uneigennützigkeit und Redlichkeit.«

»Habe Ich diese jemals bestritten?« fragte der König.

»Nein, aber Ihr ließt sie in Eurer Gegenwart von Anderen bestreiten.«

»Mein Herr!«

»Sire, ich werde entweder Alles sagen, oder schweigen.«

»Nein, Ventre-Saint-Gris, wie Mein Vater sagte. Ich befehle Euch im Gegenteil, zu reden; aber verschont Mich mit Euren Vorwürfen.«

»Ich muss dennoch Euer Majestät die Vorwürfe machen, die Ihr verdient.«

Der König erhob sich, stampfte mit dem Fuße, ging von seinem Stuhle zum Fenster, vom Fenster zur Tür, von dort zu seinem Stuhle, blickte den Kardinal an, der schweigend verharrte, und setzte sich endlich mit den Worten nieder:

»Redet. Ich sehe schon, dass Ich Meinen königlichen Stolz für eine Weile unterdrücken muss.«

»Ich sagte, Sire, dass ich mit meiner Uneigennützigkeit und Ehrlichkeit beginnen werde; wollt mich also anhören.«

Ludwig XIII. nickte mit dem Kopfe.

»Ich habe von meinem Erbteil,« fuhr der Kardinal fort, »25,000 Livres Rente; der König hat mir sechs Abteien verliehen, welche mir 120,000 Livres einbringen, ich habe daher Alles in Allem 150,000 Livres.«

»Ich weiß das,« sagte der König.

»Ew. Majestät wissen auch ohne Zweifel, dass ich als Minister so von Verschwörungen und Dolchen umgeben war, dass ich mir zu meinem persönlichen Schutze Garden sammt einem Kapitän halten musste.«

»Ich weiß auch das.« »

»Nun wohl, Sire; ich habe eine Pension von 60,000 Livres ausgeschlagen, welche Ihr mir nach der Einnahme von La Rochelle anbotet.«

»Ich erinnere Mich dessen.«

»Ich habe die Bezüge der Admiralswürde von 40,000 Livres zurückgewiesen, ich habe ein Admiralsrecht, das 100,000 Taler wert war, zurückgewiesen, oder vielmehr, ich habe dem Staate damit ein Geschenk gemacht. Ich habe mit Entrüstung eine Million abgelehnt, welche die Generalpächter des Reiches mir anboten, um nicht in Untersuchung zu kommen; sie kamen in Untersuchung und mussten zehn Millionen in die Kassen abliefern.«

»In Bezug darauf gibt es keinen Widerspruch, Kardinal,« sagte der König, seinen Hut berührend, »und Ich freue Mich, sagen zu können, dass Ihr der ehrlichste Mann Meines Königreiches seid.«

Der Kardinal verneigte sich.

»Wer aber,« fragte er, »sind meine Feinde in der Umgebung Eurer Majestät? Wer sind Jene, welche mich vor Frankreich anklagen und in den Augen Europa's verleumden? Es sind dieselben, welche die Ersten sein sollten, mir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es sind Seine k. Hoheit, Monseigneur Gaston, Euer Bruder, die regierende Königin Anna und Ihre Majestät, die Königin-Mutter.«

Der König stieß einen Seufzer aus. Der Kardinal hatte den wunden Fleck berührt und beeilte sich, fortzufahren:

»Seine k. Hoheit, Monsieur, hat mich immer verabscheut; und wie habe ich seinem Hasse geantwortet? In der Angelegenheit von Chalais war nichts Geringeres beabsichtigt, als mich zu ermorden; die Geständnisse von allen Seiten, und sogar von Seite des Prinzen selbst, lauten in diesem Punkte klar und bestimmt, und wie habe ich mich gerächt? Ich vermittelte seine Heirat mit der reichsten Erbin des Königreiches, Fräulein von Montpensier; ich erwirkte für ihn von Ew. Majestät die Apanage und den Titel eines Herzogs von Orleans. Monseigneur Gaston besitzt in diesem Augenblicke eine und eine halbe Million jährlicher Einkünfte.«

»Das heißt, er ist reicher als Ich, Herr Kardinal.«

»Der König braucht nicht reich zu sein; er kann, was er will. Wenn der König einer Million bedarf, so verlangt er sie und er hat sie.«

»Es ist wahr,« sagte der König, »da Ihr Mir vorgestern vier und gestern eine und eine halbe Million gabt.«

»Muss ich Ew. Majestät daran erinnern, wie die Königin Anna von Österreich mich hasst, und was sie bereits gegen mich unternommen hat? Und woraus besteht mein Verbrechen in ihren Augen? Die Achtung verschließt mir den Mund.«

»Nein, redet, Herr Kardinal; Ich kann, Ich muss, Ich will Alles hören.«

»Sire, das große Unglück der Fürsten und das große Missgeschick der Staaten sind die Heiraten mit ausländischen Prinzessinnen. Die Königinnen von Frankreich, wenn sie aus Spanien, Österreich oder Italien kommen, bringen auf den französischen Thron Familiensympathien mit, welche in gegebenen Augenblicken zu Staatsverbrechen werden können. Wie viele Königinnen haben nicht schon zu Gunsten ihres Vaters oder ihres Bruders das Schwert Frankreichs unter dem Kopfkissen des Königs, ihres Gemahls, hinweg gestohlen? Was kommt davon? Das, was man das Verbrechen des Hochverrates nennt; da man die wahren Schuldigen nicht verfolgen kann, so fallen dann gewöhnlich auf dem Schafott Köpfe, welche nicht fallen sollten. Nachdem sie mit England konspiriert hat, verschwört sich die Königin Anna, welche mich hasst, weil sie in mir den Kämpfer für Frankreichs Ehre sieht, nun mit Spanien und Österreich.«

»Ich weiß es, Ich weiß es,« sagte der König; »aber die Königin Anna hat keine Macht über Mich.«

»Das ist wahr, aber könnt Ihr dasselbe von der Königin Marie sagen, Sire? Von der Königin Marie, welche die grausamste meiner Feindinnen ist, weil ich am meisten für sie getan habe?«

»Verzeiht ihr, Herr Kardinal.«

»Nein, Sire; ich verzeihe ihr nicht.«

»Auch nicht, wenn Ich Euch darum bitte?«

»Selbst dann nicht, wenn Ihr es mir befehlt; ich habe bei Euer Majestät vorher gesagt, da Ihr einmal hierher gekommen seid, so sollt Ihr hier die ganze Wahrheit hören.«

Der König stieß einen Seufzer aus.

»Glaubt Ihr, dass Ich die Wahrheit nicht kenne?« fragte er mit vor Aufregung zitternder Stimme.

»Nicht ihrem ganzen Umfange nach, Eure Mutter, Sire, – es ist schrecklich, dies einem Sohne sagen zu müssen, Eure Mutter—«

»Nun? Meine Mutter?« fragte der König, seinen Blick fest auf den Kardinal heftend.

Dieser Blick des Königs, welcher die Worte in dem Munde jedes minder entschlossenen Menschen zurückgehalten hätte, entmutigte den Kardinal keineswegs.

»Eure Mutter, Sire,« fuhr er fort, »war keine treue Gattin, als sie noch die Verlobte Eures Vaters war, als sie in Marseille landete —«

»Haltet ein, mein Herr; die Wände haben Ohren und sie hören zuweilen, wie man sagt. Wenn sie aber Ohren haben und wirklich hören, so können sie auch sprechen, und Niemand, als Ihr und Ich darf wissen, weshalb Ich zögere, der Krone einen Erben zu geben, während doch alle Welt deshalb in Mich dringt und Ihr vor allen Anderen.«

Der König stand auf, ergriff die Hand des Kardinals und fuhr fort:

»Was Ich Euch frage, ist so wahr, dass Ich, – so gewiss nur Gott allein und Ihr, Herr Kardinal, Mich hört – wäre Ich überzeugt, mein Bruder sei der Sohn Heinrichs IV., das heißt, in seinen Adern flösse das Blut, welches allein berechtigt ist, über Frankreich zu herrschen, schon längst zu seinen Gunsten abgedankt und Mich in ein Kloster zurückgezogen hätte, um dort für meine Mutter und für Frankreich zu beten. – Habet Ihr Mir noch etwas zu. sagen, Herr Kardinal? Nachdem dieses gesagt ist, kann Ich Alles hören.«

»Nun wohl, Sire, so will ich Alles sagen, denn ich fange an, Ew. Majestät, die ich bisher immer geliebt und geachtet habe, nun auch zu bewundern. O Sire, welchen Horizont von Traurigkeit verbarg mir der Schleier, den Ihr soeben gelüftet habt, und Gott ist mein Zeuge, dass ich lieber schweigen würde, wenn ich nicht die Zukunft Frankreichs von dem abhängig glaubte, was ich jetzt sagen will. – Habt Ihr jemals über den Tod Heinrichs IV. nachgedacht, Sire?«

 

»Ach, Ich denke an nichts Anderes.«

»Habt Ihr auch versucht, in dem schrecklichen Rätsel des 14. Mai klar zu sehen?«

»Ja, und Ich bin auch dahin gelangt!«

»Aber kennt Ihr die wahren Mörder, Sire?«

»Die Ermordung des Marschalls d'Ancre, von welcher Ich ohne Gewissensbisse rede, und welche Ich morgen vollbringen lassen würde, wenn sie nicht schon seit elf Jahren vollbracht wäre, mag Euch beweisen, dass Ich wenigstens Einen dieser Mörder kannte, wenn Ich auch die Anderen nicht kenne.«

»Aber ich, Sire, ich, der ich nicht dieselben Gründe hatte, wie Ew. Majestät, die Augen zu schließen, ich bin bis auf den Grund dieses Geheimnisses gedrungen, und ich kenne die Königsmörder alle.«

Der König seufzte tief auf.

»Ihr wisst nicht, Sire, dass es eine brave Frau, ein dem Könige ergebenes Geschöpf, gegeben hat, welche wusste, dass das Verbrechen ausgeübt werden sollte und sich zu geschworen hatte, es zu verhindern; und wisst Ihr, Sire, was ihr Lohn war?«

»Man hat sie in ein Grab eingesperrt, das über der Lebenden vermauert wurde, und wo sie achtzehn Jahre dem glühenden Sonnenstrahl und dem eisigen Frost ausgesetzt war; dieses Grab befand sich im Kloster der Büßerinnen; die Frau hieß Coëtman und ist vor zehn oder zwölf Tagen gestorben.«

»Und Ew. Majestät ließen, da Ihr es wusstet, eine solche Ungerechtigkeit zu?«

»Die Könige sind geheiligte Personen, Herr Kardinal,« sagte Ludwig XIII., »und wehe Denen, die sich in ihre Geheimnisse zu mischen wagen.«

»Nun wohl, Sire, es gibt noch eine andere Person, als Euch und mich, die um dieses Geheimnis weiß.«

Der König heftete einen ausdrucksvollen fragenden Blick auf den Kardinal.

»Ihr habt vielleicht gehört, Sire,« sagte Richelieu, »dass Ravaillac auf dem Schafott Geständnisse zu machen verlangte.«

»Ja,« sagte Ludwig XIII. erbleichend.

»Ihr habt auch wohl gehört, dass sich der Gerichtsschreiber ihm sofort näherte und unter dem Diktat des schon halb zerfleischten Königsmörders die Namen der wahren Schuldigen niederschrieb?«

»Ja,« sagte Ludwig XIII., »auf ein fliegendes Blatt Papier, welches aus dem Protokolle herausgerissen worden war.«

»Da werdet Ihr wohl auch vernommen haben, Sire, dass dieses Blatt Papier von dem Referenten des Prozesses, Joly von Fleury, in Empfang genommen und lange Zeit sorgfältig in Verwahrung gehalten wurde?«

»Ich weiß das Alles, Herr Kardinal. Was weiter?«

»Ich wollte dieses Blatt von den Kindern Joly's von Fleury an mich bringen; zwei junge Leute aber, von denen der Eine sechzehn, der Andere etwa sechsundzwanzig Jahre zählte, hatten sich eines Tages bei dem Berichterstatter des peinlichen Gerichtes eingefunden, sich ihm: zu erkennen gegeben und so viel Einfluss auf ihn gehabt, dass er ihnen das kostbare Schriftstück auslieferte.«

»Und Ew. Eminenz, die Ihr Alles wisst, konntet nicht in Erfahrung bringen, wer diese beiden jungen Leute waren?« fragte der König.

»Nein, Sire,« antwortete der Kardinal.

»Nun wohl. Ich will es Euch offenbaren,« sagte der König, krampfhaft die Arme des Kardinals ergreifend; »der Ältere dieser Beiden war Luynes, der Jüngere war Ich selbst.«

»Ihr, Sire!« rief der Kardinal, erstaunt einen Schritt zurücktretend.

»Und jenes verhängnisvolle Blatt mit dem letzten Geständnisse Ravaillac's – hier ist es!«

Der König zog aus der Brusttasche seines Wamses ein vergilbtes, zerknittertes Papier und reichte es dem Kardinal hin.

»O Sire, Sire!« rief dieser, welcher aus der furchtbaren Blässe des Königs ersah, was dieser während des Gespräches gelitten haben mochte, »verzeiht mir! Alles, was ich gesagt habe, dachte ich, wäre Euch unbekannt!«

»Und welche Ursache gabt Ihr denn Meiner steten Traurigkeit, Meiner Vereinsamung, Meiner Trauerkleidung? Ist es vielleicht die Gewohnheit der Könige von Frankreich, sich dergestalt zu kleiden? Die Könige von Frankreich tragen die Trauer um Eltern, Geschwister und Verwandte in violetter Farbe; aber alle Menschen, ob Könige oder Bürger, hüllen sich in Schwarz, wenn sie ihr Glück zu betrauern haben.«

»Sire,« sagte der Kardinal, »es ist überflüssig, dieses Papier aufzubewahren. Verbrennt es.«

»Nein, Herr Kardinal. Ich bin schwach, aber Ich kenne Mich zum Glück. Meine Mutter ist, Alles in Allem genommen, doch Meine Mutter, und hin und wieder erlangt sie Einfluss auf Mich. Aber wenn Ich sehe, dass dieser Einfluss anfängt, mich von dem geraden Wege abzulenken, und zu irgend einer Ungerechtigkeit zu drängen, blicke Ich dieses Papier an und es gibt Mir Meine Kraft zurück. Behaltet nun dieses Papier, Herr Kardinal, als eine Art Vertrag zwischen Uns, und an dem Tage, war es sein wird, dass Ich mit Meiner Mutter vollends breche, dass Ich sie aus meiner Nähe entferne, dass Ich sie aus Paris verbanne, fordert Ihr, dieses Papier in der Hand, von Mir, was Ihr wollt.«

Der Kardinal zögerte.

»Nehmt,« sagte der König, »nehmt, Ich will es so!«

Der Kardinal verbeugte sich und nahm das vergilbte Papier.

»Und nun, Herr Kardinal, stellt mir keine weiteren Bedingungen; Ich und Frankreich übergeben Uns in Eure Hände.«

Der Kardinal ließ sich auf ein Knie nieder, ergriff die Hand des Königs, küsste sie und sagte:

»Sire, im Austausch für diesen Augenblick widme ich Euch die Ergebenheit meines ganzen Lebens!«

»Ich rechne darauf,« sprach der König mit jenem majestätischen Ausdrucke, den er in gewissen großen Augenblicken anzunehmen wusste, »und nun vergessen Wir alles Vergangene, verachten Wir die erbärmlichen Intrigen Meiner Mutter, Meines Bruders und der Königin und beschäftigen Wir Uns nur noch mit dem Ruhm unserer Waffen und der Größe Frankreichs!«

XVI.
In welchem der Kardinal die Rechnung des Königs ordnet

Am andern Tage um zwei Uhr Nachmittags saß der König im Arbeitscabinet des Kardinals, den Stock zwischen seinen Beinen und den großen Hut mit der schwarzen Feder auf den Stock gestülpt, die Augenbrauen etwas weniger zusammengezogen und das Gesicht etwas heiterer als gewöhnlich, und sah dem Kardinal zu, der an seinem Schreibtische arbeitete.

Das Arbeitscabinet war dasselbe in dem Hause des Kardinals auf der Place Royale, in welchem wir den König während der drei Tage seiner Selbstregierung so schlimme Stunden verleben sahen.

Nachdem der Kardinal lange geschrieben hatte, blickte er nach dem Könige.

»Sire, ich habe nach Spanien, Mantua, Venedig und Rom geschrieben und Ew. Majestät die Briefe gezeigt, welche Ihr zubilligen geruhtet. Jetzt habe ich einen Brief an Euren Vetter, den König von Schweden, vollendet. Diese Antwort war schwerer abzufassen, als die anderen. Se. Majestät, der König Gustav Adolf, weiß, da er weit entfernt von uns ist, die Persönlichkeiten nicht zu schätzen, während er die Ereignisse sehr richtig beurtheilt, und sich an den allgemeinen Eindruck, den dieselben machen, nicht im mindesten kehrt.«

»Lest, lest, Herr Kardinal,« sagte Ludwig XIII. »Ich weiß genau, was der Brief Meines lieben Vetters Gustav Adolf enthielt.«

Der Kardinal las:

»Sire!

»Die Vertraulichkeit, mit welcher Ew. Majestät an mich schreiben, ist eine unendliche Ehre für mich; gleichwohl würde mir dieser Ton gegenüber Ew. Majestät schlecht anstehen, und wäre eine Außerachtlassung der Demut, welche die geringe Meinung, die ich von mir habe, und der Titel eines Kirchenfürsten, mit dem Ew. Majestät mich beehren, mir zur Pflicht machen.

»Nein, Sire, ich bin weder ein großer Mann, noch ein Mann von Genie. Ich bin aber, wie Ihr ebenfalls anzuerkennen beliebt, ein ehrlicher Mann. Und deshalb schätzt mich mein König, da er nur aus sich selbst bei Fragen zu schöpfen braucht, bei denen die Größe und das Genie eines Menschen in Betracht kommen. Ich werde daher nach Eurem Wunsche unmittelbar mit Euch verhandeln, Sire, aber nur in der Eigenschaft als Minister meines Königs.

»Ja, Sire, ich bin meines Königs sicher, heute sicherer, als jemals; denn eben erst hat er mir, indem er mich gegen den Willen der Königin Maria von Medicis, seiner Mutter, der Königin Anna, seiner Gemahlin, des Herzogs von Orleans, seines Bruders, an der Spitze der Staatsgeschäfte beließ, den Beweis gegeben, dass, wenn auch sein Herz manchmal der kindlichen Liebe, der brüderlichen Freundschaft, der ehelichen Zärtlichkeit weicht, welche Gefühle den Stolz und das Glück der übrigen Menschen ausmachen, und welche Gott in das Herz eines Jeden gelegt hat, er doch, wenn es das Interesse des Staates verlangt, diese edlen Regungen seiner Seele zu unterdrücken vermag, denen ja leider nicht selten die Könige widerstehen müssen, wollen sie die höchste Herrschertugend erreichen? welche darin besteht, das Wohl der Untertanen und des Staates selbst den Naturgesetzen unterzuordnen,

»Einer der großen Übelstände des Königtums ist es, Sire, dass Gott seine Vertreter auf Erden so hoch gestellt hat, dass die Könige, da sie keine Freunde haben können, gezwungen sind, Günstlinge zu haben. Weit entfernt jedoch, sich von seinen Günstlingen beeinflussen zu lassen, hatte mein Gebieter, dem man den schonen Beinamen »der Gerechte« gegeben hat, die Kraft, sie selbst der richterlichen Strafe zu überliefern – Herr von Chalais ist ein Beweis dafür – sobald sie anfingen, dem Interesse des Staates verderblich zu werden. Mein König hat zugleich einen zu scharfen Blick und eine zu feste Hand, um zu gestatten, dass eine Intrige, sei sie auch noch so geschickt eingefädelt, und seien Diejenigen, welche sie einfädelten, noch so hochgestellte Personen, so weit gedeihe, dass sie einen Mann stürze, der seinen Geist seinem Könige und sein Herz Frankreich geweiht hat. Vielleicht werde ich eines Tages von meiner Stellung herabsteigen, aber ich werde niemals von derselben gestürzt werden.

»Ja, Sire, – und mein König, dem ich diesen Brief zeige, da ich vor ihm kein Geheimnis habe, ermächtigt mich, es Euch zu sagen – ja, Sire, ich bin sicher, wenn es anders Gott gefällt (der mich in einem Augenblicke, wo ich es am wenigsten vermute, aus dieser Welt abrufen kann), noch drei Jahre in meiner Stellung zu verbleiben und in meinem, wie im Namen des Königs die Verpflichtungen zu erfüllen, die ich Euch gegenüber auf Befehl des Königs eingehe.

»Was den Wunsch Ew. Majestät anbelangt, Euch meinen Freund Gustav zu nennen, so kenne ich im Altertum, wie in der Neuzeit, nur fünf Personen: Alexander, Cäsar, Carl den Großen, Philipp, August und Heinrich IV., welche sich Euch gegenüber ohne Überhebung diese Vertraulichkeit hätten erlauben dürfen. Was mich betrifft, so darf ich mich nur den ergebensten und gehorsamsten Diener Ew. Majestät zu nennen wagen.

»Armand Kardinal Richelieu.«

»N. S. Wie es Ew. Majestät wünschen und es mein König befohlen hat, wird der Herr Baron von Charnassé Euch diesen Brief überreichen und die Angelegenheit der protestantischen Liga, bezüglich deren er im Besitze aller Vollmachten ist, mit Ew. Majestät festsetzen und ordnen.«

Während der Kardinal diesen langen Brief las, welcher eine Apologie des von Gustav Adolf in freimütiger Weise angegriffenen Königs war, nickte Ludwig XIII. bei jedem Absatz zum Zeichen des Einverständnisses mit dem Kopfe, Als aber der Kardinal zu Ende war, fragte er ihn:

»Glauben Ew. Eminenz, dass dieses Bündnis mit einem Ketzer meinem Seelenheile nicht schaden wird?«

»Da ich es bin, der dazu geraten hat, Sire, fällt selbstverständlich die Sünde, wenn anders eine darin liegt, auf mein Haupt.«

»Unsere Arbeit wäre also zu Ende?«

»Noch nicht ganz, Sire, und ich bitte, mir noch einige Minuten zu schenken, damit wir über die Verpflichtungen, die Ew. Majestät eingegangen sind, und die Versprechungen, die Ihr gemacht habt, reden.«

»Wollt Ihr von den Summen sprechen, welche meine Mutter, meine Frau und mein Bruder von mir verlangt haben?«

»Ja. Sire!«

»Verräter. Betrüger, Ungetreue! Ihr, der Ihr so gern Sparsamkeit predigt, wollt mir doch nicht etwa den Rat geben, die Untreue, die Lüge und den Verrat zu belohnen?«

»Nein, Sire, aber ich will Ew. Majestät sagen: Ein königliches Wort ist heilig; einmal gegeben, muss es auch gehalten werden. Ew. Majestät haben Eurem Bruder 50,000 Taler versprochen —«

»Wenn er General-Lieutenant des Feldzuges sein würde; da er es nun aber nicht ist —«

»Ein Grund mehr, ihm eine Entschädigung zu geben.«

 

»Ein Elender, der getan, als ob er die Prinzeß Marie liebte, einzig und allein in der Absicht, um in Verlegenheiten aller Art zu stürzen.«

»Denen wir nun, wie ich hoffe, entgangen sind, da er ja selbst erklärt hat, auf diese Liebe verzichten zu wollen.«

»Ja, indem er auf seine Entsagung einen Preis setzte.«

»Fünfzigtausend Taler!«

»Es ist viel Geld, ich weiß das; aber ein König hat nur ein Wort.«

»Er wird nichtsdestoweniger mit seiner Beute sich sogleich nach Kreta zu dem Könige Minos flüchten, wie er Carl IV. nennt.«

»Desto besser, Sire; denn wird das Geld gut angelegt sein, und wir werden für 50,000 Taler Lothringen erobern.«

»Und Ihr glaubt, dass Kaiser Ferdinand das zugeben wird?«

»Bah! Wozu hätten wir denn Gustav Adolf?«

Der König überlegte einen Augenblick.

»Ihr seid ein kühner Schachspieler, Kardinal,« sagte er dann; »Mein Bruder soll die 50,000 Taler haben. Was aber Meine Mutter anbelangt, so möge sie aus die 60,000 Livres, welche Ich ihr in der ersten Aufwallung versprach, nicht rechnen.«

»Sire, Ihre Majestät, die Königin-Mutter, braucht dieses Geld schon lange, da sie von mir 100,000 Livres begehrte, und ich ihr zu meinem großen Bedauern nur 50,000 geben konnte. Jetzt sind wir aber reichlich mit Geld versehen, wahrend die Kassen damals fast leer waren.«

»Kardinal, Ihr vergesst also, was Ihr Mir gestern von Meiner Mutter gesagt habt?«

»Habe ich gesagt, dass sie nicht Eure Mutter sei, Sire?«

»Nein, zu Meinem und zu Frankreichs Unglück ist sie«

»Sire, Ihr habt der Königin-Mutter eine Anweisung auf 60.000 Livres gegeben.«

»Ich habe bloß versprochen und nichts unterzeichnet.«

»Ein königliches Versprechen ist viel heiliger, als ein Schriftstück.«

»Dann werdet Ihr das Geld geben, und nicht Ich; vielleicht wird sie dann einige Erkenntlichkeit haben und Uns in Ruhe lassen.«

»Sire, die Königin-Mutter wird uns niemals in Ruhe lassen; der zerstörende Geist der Medicis wohnt in ihr, und sie wird den Rest ihres Lebens damit verbringen, zwei Dinge zu bedauern, die sie nicht wiedererlangen kann: ihre Jugend und ihre alleinige Macht.«

»Ich füge Mich. Aber wie ist's mit der Königin, welche sich ihre Perlenschnur von Emery bezahlen ließ, und das Geld nochmals von Mir verlangte?«

»Das beweist nur Eines, Sire; wenn die Königin zu solchen Mitteln ihre Zuflucht nehmen muss, so ist sie gewiss in ihren Geldmitteln sehr beschrankt. Es ist weder schicklich noch natürlich, dass, wenn der König die Schlüssel zu einer Kasse besitzt, in der sich mehr als vier Millionen befinden, die Königin genöthigt sei, von einem Privatmanne 20.000 Livres zu entlehnen. Ew. Majestät werden, wie ich hoffe, der Königin 50,000 statt 30,000 Livres geben, unter der Bedingung, dass sie Herrn von Emery bezahlt. Die Krone Frankreichs ist von reinem Gold, Sire, und muss ebenso strahlend auf der Stirn der Königin, wie auf dem Haupte des Königs, glänzen.«

Der König erhob sich, ging auf den Kardinal zu und reichte ihm die Hand.

»Ihr seid nicht allein ein großer Minister und guter Ratgeber,« sagte er, »sondern auch ein großmütiger Feind. Ich bevollmächtige Euch, die verschiedenen Summen auszuzahlen, die Wir soeben festgesetzt haben.«

»Der König hat die Summen versprochen, es ist an ihm, sein Versprechen einzulösen. Ich bitte Ew. Majestät, die Anweisungen zu unterzeichnen, welche, sobald die betreffenden Personen sie vorweisen, sofort ausgezahlt werden; es will mir jedoch scheinen, als hätten Ew. Majestät eine der bewilligten Gnadengaben vergessen.«

»Welche?«

»Wenn ich nicht irre, haben Ew. Majestät in Eurer Großmut Eurem Narren L'Angely dieselbe Summe wie Eurem Günstlinge Baradas bewilligt.«

Der König errötete.

»L'Angely hat abgelehnt,« sagte er.

»Ein Grund mehr, Sire, das Versprechen zu halten. L'Angely hat das Geld deshalb zurückgewiesen, damit die Leute, welche davon hören, ihn für einen wahren und vollständigen Narren halten und sich nicht um seine Stelle bewerben. Indes haben Eure Majestät in Eurer Umgebung nur zwei wahre Freunde: Euren Narren und mich. Möchtet Ihr dafür gegen den Einen nicht undankbar sein, nachdem Ihr den Andern so überreich belohnt habt.«

»Sei es, Herr Kardinal; Ihr sollt auch hierin Recht haben. Aber da ist noch ein kleiner Bösewicht, der meinen ganzen Zorn verdient hat; und der soll —«

»Eure Majestät, dürfen nicht vergessen, dass dieser kleine Bösewicht drei Monate lang Euer Günstling war, und dass ein König von Frankreich wohl monatlich 10,000 Livres an einen Menschen geben darf, den er seiner Vertraulichkeit würdigt.«

»Aber er hat das Geld einem Mädchen wie Marion de Lorme angeboten!«

»Das ist eine sehr nützliche Person, Sire, denn sie war es, welche mir meinen Sturz voraus verkündete und mich dadurch in den Stand setzte, ihn mit Fassung zu erwarten. – Gebet Herrn von Baradas eine Compagnie, und er möge dann zeigen, dass er Euer treuer Diener bleib! wie Ihr ihm ein gnädiger Herr und Gebieter geblieben seid.

Der König überlegte.

»Herr Kardinal,« sagte er nach einiger Zeit. »was haltet Ihr von Baradas Gefährten, St. Simon?«

»Sire, er ist mir sehr durch eine Person empfohlen der ich Dank schuldig bin, und ich halte ihn für vollkommen geeignet, die Stelle einzunehmen, welche durch die Undankbarkeit des Herrn von Baradas erledigt wird.«

»Überdies bläst er wunderschön das Waldhorn,« sag Ludwig XIII. »Es freut Mich, dass Ihr ihn Mir empfehlt, Herr Kardinal, Ich werde sehen, was Ich für ihn tun kann. – Wie steht es aber mit dem Staatsrat?«

»Geruhen Eure Majestät, ihn für morgen Mittag in den Louvre berufen zu lassen; ich werde meinen Plan zu de Feldzuge vorlegen, und wir werden trachten, zu der Überschreitung von Flüssen andere Mittel ausfindig zu mache, als die Finger Seiner königlichen Hoheit, des Herzogs von Orleans.«

Der König blickte den Kardinal mit jenem Erstaunen an, welches er stets empfand, wenn er den Kardinal Richelieu von Dingen unterrichtet sah, die ihm hätten verborgen, bleiben sollen.

»Mein lieber Kardinal,« sagte er lächelnd, »Ihr habt zuverlässig einen Dämon in Eurem Dienst, wenn Ihr nicht etwa – wie ich schon oft gedacht habe, – selbst eine Art Dämon seid.«