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Der Graf von Moret

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Fünfter Teil

Vorrede

Der Erfolg, welchen wir uns von des berühmten Alexander Dumas historischem Riemann »Der Graf von Moret« versprochen, ist keineswegs hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben, er hat dieselben vielmehr weit übertroffen.

Um so unliebsamer empfand die unterzeichnete Verlagshandlung daher die Pause, welche seit Schluss des vierten Bandes in der Veröffentlichung dieses historisch-romantischen Meisterwerkes eingetreten ist. —

Die Ursache der Verzögerung liegt nicht etwa in einem Verschulden unserseits, sondern ist dem Verfasser des Werkes zur Last zu bringen, welcher – in altbekanntem Launenwechsel – dieses Kind seiner Muse als Bruchstück zur Seite warf, um es vielleicht erst nach Jahren wieder einmal zu protegieren – d. h. zu vollenden. Wir haben keine Mühe versäumt; um diese Entwicklung zu beschleunigen leider vergebens; denn obgleich durch kaufmännische Verträge gebunden und zum Abschluss verpflichtet, lässt Herr Alexander Dumas sich doch nicht herbei, den Schluss des Werkes zu liefern. Nachdem wir nun von unseren Abnehmern gedrängt werden, den Roman unter allen Umständen zu vollendenden, mussten wir bedacht sein, ein Mittel hierzu ausfindig zu machen, welches wir darin fanden, das Werk einem bewährten deutschen Schriftsteller zur Fortführung als Originalroman zu übergeben. Wir glauben hierbei eine sehr glückliche Wahl getroffen zu haben und hoffen, dass Herr Arthur Storch, welcher schon oft sein glänzendes Talent bewies, historische Stoffe in fesselnde Romanform zu bringen und die beiden Schlussbände genau den in den früheren Teilen ausgedrückten Intentionen Alexander Dumas gemäß vollendet, sich die Zufriedenheit des Lesepublikums in gleich hohem Grade erwerben wird, wie der Verfasser der vier ersten Bände selbst.

Das erste Capitel des fünften Bandes stammt noch aus der Feder des französischen Verfassers, von da ab ist das Werk deutsche Originalarbeit.

Wien im Januar 1867.

Die Verlagshandlung.

I.
Das Billett und die Zange

In der Tat war Fräulein Henriette von Hautefort ein Wunder an Schönheit. Sie war eine Blondine des Südens, und wie Frau von Fargis gesagt hatte. war sie wegen ihres rosigen Teints und ihrer goldstrahlenden Haare Aurora genannt worden.

Vautiner hatte sie auf einer Reise nach Perigord entdeckt und durch den Erfolg seiner Bemühungen, nach denen der König sich wenigstens einen Tag mit Fräulein von Lautrec beschäftigte, fasste er den Gedanken, den durch Aderlasse erschöpften Kranken, das Phantom von einem Könige, wahrhaft verliebt zu machen.

Er hatte Alles im Voraus geordnet und sich überzeugt, dass sich kein Verwandten kein Liebhaber, kein Freund der Opferwilligkeit des jungen Mädchens widersetzen würde; aber auf den Rat der Königin Maria wartete er die Rückkehr der Frau von Fargis ab, da er meinte, dass Niemand so gut wie sie die Königin bestimmen könnte, den Wermuthsbecher zu trinken, dessen Rand mit Honig bestrichen war.

Man sah, wie die Königin den Becher leerte.

Als sie aber sah, wie das schöne junge Mädchen sich ihr zu Füßen warf und mit ausgebreiteten Armen rief:

»Alles – Alles für Euch, meine Königin!« da sah sie wohl. dass diese frische Schönheit, diese wohlklingende Stimme nicht lügen könnten. und sie hob wohlwollend das liebliche Kind auf.

An eben diesem Abend wurde Alles festgestellt.

Fräulein von Hautefort wollte trachten, die Liebe des Königs zu gewinnen und wenn ihr dies gelang, wollte sie den ganzen Einfluss, den ihr die Liebe des Königs verlieh, dazu verwenden, ihn der Königin zuzuführen und ihn dahin zu bringen, den Kardinal von Richelieu zu entlassen.

Es handelte sich nur noch darum, die schöne Ergebungsvolle Ludwig XIII. unter Umständen vorzuführen, die geeignet wären, ihn zu entzücken.

Die Königinnen verkündeten, da der König in Fontainebleau sei, würden auch sie dorthin gehen, um mit ihm ihre Ostern abzuhalten.

In der Tat trafen sie daselbst am Vorabend des Palmsonntag ein.

Am nächsten Tage hörte der König die Messe in der Schlosskapelle, wohin alle Welt berufen wurde, um der feierlichen Handlung mit den Majestäten beizuwohnen.

Einige Schritte von dem Könige entfernt kniete auf den nackten Quadern ein betendes junges Mädchen, das die Sonnenstrahlen, welche durch die mit Gold und Purpur gefärbten Fensterscheiben fielen, wie mit einem Heiligenschein umgaben.

Er, der König, kniete auf einem weichen Kissen, welches mit goldenen Quasten geschmückt war.

Sein ritterlicher Instinkt erwachte. Er schämte sich, auf einem Polster zu knien, während das junge Mädchen auf den harten kalten Steinen lag. Er rief einen Pagen und ließ dem Mädchen seinen Polster bringen.

Fräulein von Hautefort errötete; aber sie fühlte sich nicht würdig, ihre Knie auf das Kissen zu drücken, auf welchem die des Königs geruht hatten; sie stand daher auf, verneigte sich ehrerbietig vor dem Könige und legte das Kissen auf einen Sessel. Das Alles geschah mit jenem vornehmen Wesen und jenem jungfräulichen Adel, jener Art von Keckheit, welche den Frauen des Südens eigentümlich sind.

Diese Anmut ergriff den König; schon einmal in seinem Leben war er plötzlich ergriffen worden, aber mit geringerem Rechte als jetzt, und das erklärt hinlänglich den Eindruck welchen das Fräulein von Hautefort auf diesen sonst unerklärlichen Menschen machte.

Auf irgend einer kleinen Reise hatte er die Einladung zu einem Balle in einer kleinen Stadt angenommen; gegen Ende des Abends stieg eine der Tänzerinnen Namens Catin Gau auf einen Stuhl, um von einem Armleuchter ein Stückchen von einer Kerze oder vielmehr von einem Talglicht herunter zu nehmen. Wenn man nun den König mit seinem Widerwillen gegen die Weiber aufzog, erzählte er zu der Zeit das Abenteuer, indem er sagte, die Heldin desselben hätte die Handlung mit einer solchen Anmut verrichtet, dass er in sie verliebt geworden wäre und ihr bei seinem Scheiden aus der Stadt als Lohn für ihre Tugend dreißigtausend Livres hätte auszahlen lassen.

Er sagte indes dabei nicht, ob er Angriffe auf diese Tugend gemacht hätte und ob die Verteidigung derselben dreißigtausend Livres wert gewesen wäre.

Der König wurde also von der schönen Henriette von Hautefort nicht minder plötzlich eingenommen, wie einst von der tugendhaften Catin Gau. Kaum in das Schloss zurückgekehrt, erkundigte er sich, wer die reizende Person sei, die er in der Kirche gesehen hatte und er erfuhr, sie sei die Enkelin einer Frau von Flotte, welche den Tag zuvor als Obersthofmeisterin bei den Hofdamen der Königin Maria von Medecis eingetreten wäre.

Von diesem Tage an war zum allgemeinen Staunen aber zur großen Befriedigung der näher Beteiligten, in dem ganzen Wesen des Königs eine vollständige Veränderung eingetreten. Statt in seinem sonst ersten Zimmer eingeschlossen zu bleiben, wie er es seit einem Monat im Louvre und seit acht Tagen in Fontaineblau zu tun pflegte, fuhr er aus, besuchte die belebtesten Orte des Parkes, als ob er dort Jemand zu finden hoffte, und am Abend erschien er bei den Königinnen, was er seit der Abreise des Fräulein von Lautrec nicht getan hatte. Er plauderte den Abend hindurch mit der schönen Henriette und erkundigte sich bei ihr, ob sie am nächsten Abend wieder zugegen sein werde. Aus ihre bejahende Antwort hatte er den Tag darauf einen Courier an Bois Robert geschickt und denselben aufgefordert« in aller Eile nach Fontainebleau zu kommen.

Bois Robert kam sogleich, ganz verwundert über diesen Beweis königlicher Gunst, den er wohl von Richelieu hätte erwarten können, keineswegs aber von Ludwig XIII. Aber sein Erstaunen war noch viel größer, als der König ihn in eine Fenstervertiefung führte, ihm von hier aus Fräulein von Hautefort zeigte, die auf einer Terrasse auf und nieder ging, und ihm sagte, er sollte ihm Verse für diese schöne Person machen.

So verwundert Bois Robert auch über den Befehl war, ließ er ihn sich doch nicht wiederholen. Er lobte außerordentlich die Schönheit des Fräulein von Hautefort, und da er erfuhr, dass man ihr den Beinamen Aurora gegeben hätte. erklärte er, dass er, wie sehr er auch gesucht haben möchte, würde er doch keine passendere Bezeichnung für diese jungfräulich-frische Schönheit gefunden haben.

Der König gab ihm überdies den Stoff zu seinen Versen.

Ludwig XIII beschwor unter dem Namen Apollo, Apollo war – wie man weiß, der Gott der Lyra und Ludwig XIIL spielte nicht nur die Lyra, sondern war auch selbst Komponist – Ludwig XIII. fleht also unter dem Namen Apollo zu Aurora, nicht so früh auszugehen und nicht so schnell wieder zu verschwinden. Seit dem Beginn der Welt liebe er sie und verfolge sie auf einem mit vier Rossen bespannten Wagen, ohne sie jemals erreichen zu können, da er sie immer in dem Augenblick verschwinden sehe, in welchem er die Hand ausstreckte, um sie zu erfassen.

Der König empfing die Verse, las sie und billigte sie bis auf einen Punkt.

»Sie sind schön, Le Bois, « sagte er, »aber Ihr müsst das Wort Begierde weglassen.«

»Und weshalb Majestät?«

»Weil ich nichts begehre.«

Dagegen ließ sich nichts einwenden; Bois Robert strich also das Wort und Alles war gut.

Der König selbst komponierte die Musik zu den Worten Bois Robert's und Musik und Text wurden durch die beiden königlichen Musikanten Moulinier und Justin gespielt und gesungen. In Erwägung der Festlichkeit waren sie dabei vollständig gekleidet.

Die beiden Königinnen, besonders aber Anna von Österreich, lobten die Poesie Bois Robert's, sowie die Musik des Königs sehr lebhaft.

Ludwig XIlI. hielt feine Ostern; sein Beichtvater Suffren, der mit der Lage vertraut gemacht wurde, beseitigte die Gewissenszweifel des Königs. indem er ihm das Beispiel einiger Patriarchen vorhielt, welche ihren Frauen untreu gewesen waren, ohne deshalb den Zorn des Herrn auf sich zu lenken; aber der König antwortete darauf, bei ihm sei nichts der Art zu fürchten, denn er liebe Fräulein von Hautefort ohne einen bösen Gedanken.

 

Das passte aber nicht zu den Absichten der Cabale Fargis und Compagnie; es waren im Gegenteil eben die bösen Gedanken, welche sie wollten; bei einer so feurigen Einbildungskraft. wie die der Frau von Fargis war, verlor man nicht die Hoffnung, sie zu erregen; als Ostern vorüber war, erwartete man mit einer Art von Unruhe, dass Ludwig XIII. davon sprechen werde, seine Reise fortzusetzen; aber er tat dies nicht, sondern ordnete vielmehr Jagden und Feste an; aber bei den Jagden, wie bei den Festen blieb er vollkommen ehrerbietig gegen Fräulein von Hautefort, obgleich er sich ausschließlich mit ihr beschäftigte.

Nun blieb nur noch die eine Hoffnung, den König eifersüchtig zu machen.

Es gab auf der Welt einen gewissen Herrn von Ecqueville Bassé, dessen Familie von dem Präsidenten Hénnequir abstammte. Einige Heiratsversprechungen waren zwischen ihm und Fräulein von Hautefort ausgetauscht worden, aber ohne einen oder den andern Teil fest zu binden. Herr von Ecqueville war nach Fontainebleau gekommen und um so leichter eingeladen worden, da Frau von Fargis die Augen auf ihn geworfen hatte, um ihn zu einem Werkzeuge der Eifersucht zu machen. In der Tat wollte auch Ecqueville seine alte Stellung als Bewerber ungeachtet der eigenthümlichen Weise wieder einnehmen, auf welche der König seiner Verlobten den Hof machte.

Aber Ludwig XIII. machte darüber große Augen« befragte Fräulein von Houtefort und erfuhr die unbestimmten Versprechungen, welche die beiden Familien einander gemacht hatten. «

Ludwig XIII war darüber eifersüchtig geworden und zwar eifersüchtig auf ein Mädchen.

Es handelte sich nun darum, ein Mittel ausfindig zu machen, diese Eifersucht zu verwerten.

Frau von Fargis war es, welche ein solches andeutete.

Am Abend sollte die kleine Zwergin Gretchen, welche der König nicht ausstehen konnte, dem Fräulein von Hautefort ein Billett übergeben und zwar mit einer solchen Ungeschicklichkeit, dass der König das Briefchen bemerken musste.

Der König werde wissen wollen, was das Billett enthielte.

Das Übrige ging dann die Königin und Fräulein von Hautefort an.

Am Abend war kleiner Cercle bei der Königin Anna.

Der König saß neben Fräulein von Hautefort und schnitt kleine Landschaften aus Papier aus.

Fräulein von Hautefort war in großer Toilette; die Königin selbst hatte sie ankleiden wollen; sie trug eine weit ausgeschnittene Robe von weißem Atlas; ihre Arme, weißer wie ihre Robe und ihre blendenden Schultern, zogen die Lippen unwiderstehlicher an, wie der Magnet das Eisen.

Der König blickte von Zeit zu Zeit auf diese Arme und diese Schultern; das war aber Alles.

Die Fargis verschlang sie mit ihren Augen.

»Ach, Sire,« flüstert sie dem Könige in das Ohr, »wenn ich ein Mann wäre!«

Der König runzelte die Stirn.

Anna von Österreich spielte mit dem Ansatz der Robe und entblößte dabei noch mehr die schöne Büste von rosig angehauchtem Marmor.

In diesem Augenblicke kroch das kleine Gretchen auf allen Vieren zwischen die Beine des Königs. Ludwig XIII. Glaubte, es wäre Grisette, sein Lieblingshund, und stieß sie bei Seite.

Die Zwergin stieß einen Schrei aus« als hätte der König ihr auf die Finger getreten.

Der König stand auf; Gretchen benutzte diesen Augenblick, um so ungeschickt, wie es ihr befohlen war, dem Fräulein von Hautefort ein Billett in die Hand zu drücken.

Der König verlor nichts von dem ganzen Spiele.

Der Gedanke an die Rolle, die sie spielte, machte, dass das junge Mädchen errötete, und dies diente den Absichten der Verschworenen ganz vortrefflich.

Der König sah das Billett ans den Händen der Zwergin in die Hand Henriettens und aus der Hand Henriettens in deren Tasche gleiten.

»Die Zwergin hat Euch ein Billett übergeben?« fragte Ludwig.

»Glaubt Ihr, Sire?«

»Ich bin davon überzeugt.«

Es entstand eine kleine Pause.

»Von wem?« fragte der König weiter.

»Ich weiß es nicht,« entgegnete Fräulein von Hautefort.

»Lest es und Ihr werdet es wissen.«

»Später, Sire!«

»Weshalb später?«

»Weil ich keine Eile habe.«

»Aber ich habe sie.«

»Jedenfalls,« entgegnete Fräulein von Hautefort, »scheint es mir, Sire, dass es mir frei steht, Billetts zu empfangen, von wem ich will.«

»Nein.«

»Wie so nein?«

»Da —«

»Da – was?«

»Da – da – ich Euch liebe!«

»Schön! Ihr liebt mich!« entgegnete Fräulein von Hautefort lachend.

»Ja.«

»Aber was wird dazu Ihro Majestät die Königin sagen?«

»Ihre Majestät die Königin behauptet, dass ich Niemand liebe; sie wird den Beweis erhalten, dass sie sich irrt.«

»Bravo« Sire!« sagte die Königin; »und ich an eurer Stelle würde wissen wollen, wer an das kleine Mädchen schreibt und was er ihr schreibt.«

»Ich bin in Verzweiflung,« sagte Fräulein von Hautefort, indem sie aufstand, »aber der König wird es nicht erfahren.«

»Das wollen wir sehen!« rief der König.

Und er stand ebenfalls auf.

Fräulein von Hautefort sprang zur Seite; der König Mächte einen Satz, um sie zu erfassen. Die Tür zu dem Boudoir der Königin lag hinter ihr und sie flüchtete sich hinein.

Ludwig XIII. folgte ihr.

Die Königin ging dem Könige nach und trieb ihn an.

»Hüte deine Taschen, Hautefort!« rief ihr die Königin zu.

Und in der Tat streckte der König beide Hände in der offenbaren Absicht aus, das junge Mädchen zu durchsuchen.

Aber sie kannte die Schamhaftigkeit des Königs, zog das Billett aus der Tasche und steckte es in ihren Busen.

»Nehmt es« Sire!« sagte sie.

Und mit der Schamlosigkeit der Unschuld hielt sie ihren halb entblößten Busen dem Könige hin.

Ludwig XIII. zögerte; seine Arme sanken herab.

»Aber so nehmt es doch,« rief die Königin, welche laut über die Verlegenheit ihres Gemahls lachte.

Und um dem jungen Mädchen jede Möglichkeit der Verteidigung zu rauben, ergriff sie dessen beide Hände, hielt sie ihr hinter den Rücken und wiederholte:

»So nehmt doch, Sire; nehmt doch!«

Ludwig XIII. blickte überall umher, bemerkte in einer Zuckerschale eine silberne Zuckerzange, ergriff sie und zog auf die keuschste Weise das Billett aus seinem reizenden Asyl

Die Königin« welche eine solche Entwicklung nicht erwartet hatte, ließ die Hände des Fräulein von Hautefort los und murmelte:

»Ich glaube wirklich, dass uns nichts übrig bleibt, als zu tun, was die Fargis vorschlägt.«

Der Brief war von der Mutter des Fräulein von Hautefort.

Der König las ihn und gab ihn ganz beschämt zurück.

Dann traten Alle mit sehr verschiedenen Gefühlen wieder in den Solon.

Die Königin sprach mit einem Offizier, der eben von der Armee gekommen war und der, wie er sagte, dem Könige höchst wichtige Nachrichten überbrachte.

»Der Graf von Moret!« murmelte die Königin, welche den jungen Mann erkannte, den sie nur zwei- oder dreimal gesehen, von dem aber Frau von Fargis so oft mit ihr gesprochen hatte. »Er ist in der Tat sehr schön!«

Leiser fügte sie dann mit einem Seufzer hinzu:

»Er gleicht dem Herzog von Buckingham!«

Bemerkte sie das erst jetzt, oder war es ihr angenehm, eine Ähnlichkeit zwischen dem Abgeordneten Richelieus und dem Gesandten des Königs von England zu entdecken?

Fortgesetzt

von

Arthur Storch

II.
Eine Niederlage der grauen Eminenz

Im Hotel Rambouillet, diesem uns schon von früheren Gelegenheiten her wohlbekannten Centralmagnete, nach welchem alle politischen und schöngeisterischen Notabilitäten von ganz Paris gravitirten, fand am Abende des 17. April 1630 wieder eine jener pikanten Soiréen statt, deren Pointe auch heute, wie fast immer, in irgend einem denkwürdigen Ereignisse, wo nicht geradezu in einer Frankreichs Geschicke beeinflußenden Coalition von Geistern und Leidenschaften gipfeln zu wollen scheint.

Unter den vielen Anwesenden« welche« obgleich sie sich in mehrere selbstständige Gruppen zertheilt hatten, dennoch, gleich den Planeten, nur im Anziehungskreise ihrer Sonne, nämlich der Marquise von Rambouillet und der schönen Julie, sich zu bewegen vermochten, bemerken wir eine Menge alter Bekannten. Von den Herren z. B. die Grafen von Bétune und von Saule, Herrn Georg von Scudéry, den Bischof von Grasses, die Dichter Jean Chapelain, Gombault und Racan, die von Geist und Witz stets übersprudelnde Madame Cornuel und so viele andere.

Vor Allem fällt uns Voiture auf, denn mit ihm unterhält sich heute Madame Rambouillet schon zum dritten Male, eine Auszeichnung, deren sich seit Jahren nur höchst selten einer ihrer vielen Gäste zu rühmen vermochte.

Diese besondere Gunst, die ihm von Seite der Marquise widerfuhr, galt aber heute nicht dem Dichter Vincent Voiture, sondern dem Einführer der Gesandten bei Seiner königlichen Hoheit. Prinzen Gaston von Orleans, und vor Allem dem Schützlinge der Königin Anna. War er auch noch nicht der Vorleser und Geheimsecretär der Gemalin Ludwigs XIII., eine Stellung, in die er sich erst nach des Königs und des Cardinals Tode unter der Regentin Anna zu bugsiren vermochte, so wußte er doch Alles, Alles, was bei Hofe vorging. Was er nicht selbst sah und hörte, das trugen ihm seine unzertrennliche Gesellschafterin, die Frau Prinzessin Condé oder die Fargis und die Chevreuse zu, welche beiden letzteren, wenn sie auch über den Sohn des Weinhändlers, über das kleine Männchen mit dem naiven, fast ausdruckslosen Gesichte im Stillen lachten, es dennoch nicht mit dem Dichter verderben wollten, welcher es ebenso gut verstand, seine Freundinnen mit lieblichen Versen zu vergöttern, als seine Gegnerinnen mit den dreifach in Gift getauchten Pfeilen seiner satyrischen Epigramme zu vernichten.

Der platonische Liebeshandel zwischen dem Könige und dem Fräulein von Hautefort hatte begonnen Aussehen auch in den weitesten Kreisen zu erregen, welche aber die ganze Affaire nur leichtweg hinnahmen und daraus keine andere Schlußfolgerung zogen, als daß auch der jetzige König endlich in das Stadium der Maitressenwirthschaft getreten sei, eine Wirthschaft, die die guten Franzosen schon hinlänglich seit Jahrhunderten von ihren Monarchen gewohnt waren und deren nähere Bekanntschaft ihnen die späteren Bourbons noch weit eingehender als bisher verschaffen sollten.

Während also die Massen die ganze Affaire nur vorn so zu sagen rein physischen Standpunkte behandelten, faßten die dem Hofleben näher Stehenden die Sache allmälig von der rein politischen Seite auf und die hunderterlei Daten, die Voiture eben über des Königs gestriges Benehmen, über jedes seiner Worte im Umgange mit Fräulein von Hautefort zum Besten gab, wurden gierig verschlungen und wiedergekaut. Kein Zweifel – die Intrigue, den Cardinal zu stürzen, war bereits im besten Gange. Jeder Tag konnte die Paris und ganz Frankreich in Erstaunen setzende Kunde bringen: »Seine Majestät habe in Anbetracht der Unentbehrlichkeit des Herzogs von Richelieu bei der Armee in Italien, wo der österreichische General Colalto von einem Tage zum andern die Festung Mantua, den eigentlichen Zankapfel des ganzen Krieges, mit Sturm zu nehmen drohte, sich allergnädigst bewogen gefunden, mit Rücksicht auf den noch ganz ungewissen Zeitpunkt der Rückkehr Seiner Eminenz, für dessen Stelle als erster Minister, interimistisch den Bischof von Berulle zu ernennen.«

Wie wir wissen, war Berulle eine bloße Marionette, eine erbärmliche Creatur der Königin Witwe Maria von Medicis. Wurde dieser Schwachkopf heute Minister, so traten morgen La Vieuville, die Gebrüder Marillac, Lorient und Ponant mit ihm an's Ruder und um Richelieus Rückkehr nach Paris zu verhindern, würde man dann den Krieg fortgesetzt haben um jeden Preis. Die Königin Mutter calculirte so: »Ist der Cardinal siegreich, eh bien! dann entfernt er sich ohnehin immer mehr von Paris; wird er aber geschlagen, dringt der Feind bis in das Herz von Frankreich, dann wird es ein Leichtes sein, den rathlosen, eingeschüchterten König zu bestimmen, daß er den unglücklichen Heerführer entlasse, verbanne.«

Und im Solon der Marquise von Rambouillet gab es so Manche, welchen es durchaus nicht gleichgültig sein konnte, ob Richelieu die Seele Frankreichs blieb oder ob seine unversöhnliche Feindin Maria von Medicis die Zügel der Regierung in ihre Hände nahm; der König kam dann wohl noch weniger in Betracht als unter dem Cardinal, der, wie die Geschichte hinlänglich lehrt, nöthigenfalls mit dem Schafott für die äußerliche Wahrung der königlichen Autorität einstand und in seinem persönlichen Umgange mit Ludwig XIII. gerade um so submisser auftrat je mehr seine Gewalt über den Scheinkönig zuzunehmen begann.

 

Zu den nicht sehr zahlreichen Personen« welche für den Cardinal im Palais Rambouillet mit Leib und Seele sich interessirten, gehörte unstreitig heute Abend Bois-Robert, der verunglückte Sachwalter aus Rouen, Richelieus Spaßmacher und Morgenzeitung, dabei, wie es seine Stellung wohl nicht anders mit sich brachte, auch etwas Spion für seinen Herrn und Meister in jeder politischen Atmosphäre, in die er eben hineingerieth.

Nach Voiture war Bois-Robert heute unstreitig die zweitwichtigste Person, denn wie wir wissen war er es, den der König vor mehreren Wochen mit der Versemacherei für Fräulein von Hautefort beauftragt hatte; er gehörte also gewissermaßen zu den handelnden Personen der Intrigue. Ein Grund mehr für Bois-Robert, etwas im Dienste seines Cardinals wenigstens mit den Ohren zu leisten, um seine Mitschuld auszugleichen.

Bois-Robert, den man sonst im Hotel Rambouillet absichtlich nicht zu bemerken pflegte, wenn er sich nicht selbst bemerkbar machte, sollte heute, als die Gesellschaft sich endlich müde politisirt hatte, tüchtig zum Amusement der Uebrigen herhalten; aber wie immer blieb er auch heute nicht die Trümpfe schuldig.

»He, Monsieur Metel!« rief der Bischof von Grasses und faßte ihn am Arme, als der Angeredete Miene machte, sich an ihm ohne Antwort vorbeizuschleichen, denn Metel war sein eigentlicher Familienname, welchen er aber nach seiner Flucht von Rouen abgelegt hatte. »He, Monsieur Metel, wie befinden sich denn Eure Kinderchen?«

Der Bischof spielte damit auf jene scandaleuse Affaire mit einer Dame in Rouen an, welche Bois-Robert die Ehre erwiesen hatte, ihm die Vaterschaft zweier Sprößlinge ist zuzuerkennen.

»Ich werde Bischöfe aus ihnen machen lassen, damit sie ihrer Mama würdig sind,« entgegnete Bois-Robert trocken.

Der Bischof von Grasses wollte die Beleidigung nicht so kurzweg einstecken und sagte: »Dann werden die jungen Herren Metel jedenfalls salbungsvoller zu sprechen wissen als ihr Papa.«

»Ganz gewiß, vielleicht sogar zu salbungsvoll.«

»Wie so?«

»Weil ich wenigstens einen Bischof kenne, der, seit er gesalbt ist, an Gehirnerweichung leidet.«

Der Kirchenfürst ließ den Grobian für lange Zeit ungeschoren. Herr Georg von Scudéry, der heute gleichfalls Lust verspürte, sich an Richelieus Günstling zu reiben, rief ihn an: »Wie sieht es mit Eurer Bibliothek aus, macht Euer Büchertrödler noch immer gute Geschäfte?«

Bois-Robert, der nie Geld besaß, weil er ein leidenschaftlicher und dabei unglücklicher Spieler war, ging nämlich zu allen großen Herren und bettelte sich eine Bibliothek zusammen; doch sagte er stets, welche Bücher man ihm geben möge. Hatte er sie erhalten, so verkaufte er sie allsogleich einem Büchertrödler, der ihn begleitete.

Auf diese Weise erschwindelte er sich gegen sechstausend Thaler.

Er erschien bei dieser Bücherbettelei einmal auch bei Herrn von Candale, dem Sohne des Herzogs von Epernon, und bat diesen, er möchte ihm doch die Kirchenväter schenken.

»Ich habe die Kirchenväter nicht,« antwortete der Angegangene, »wenn Ihr aber meinen Vater annehmen wollten, den würde ich Euch gerne geben.«

Wie schon bei einer früheren Gelegenheit bemerkt wurde, hatte Herr von Scudéry einige Dutzend Theaterstücke geschrieben, welche alle am Durchfalle zu Grunde gingen und dermalen bis aus ihre Titel vollkommen verschollen sind.

Reis-Robert schnitt aus Scudérys obige Frage ein höchst jämmerliches Gesicht und sprach: »Mein Buchhändler beklagt sich bitter über Euch, Herr von Scudéry!«

»Warum?«

»Weil, seit Ihr Eure Werke drucken lasset, andere Maculatur gar nicht mehr an den Mann zu bringen ist.«

Auch Herr von Scudéry ließ von dieser Stunde auf Monate hinaus des Cardinals Spaßmacher in Ruhe.

Der Dichter Jean Chapelaine, im Stillen wüthend darüber, daß der König nicht an ihn, sondern an Bois-Robert sich gewendet, um die Verse für Fräulein von Hautefort anzufertigen, wollte seine Galle an dem bevorzugten Musensohne auslassen und rief laut, so daß es alle Umstehenden hören mußten:

»Le Bois hat gewiß ein schönes Honorar vom Könige bekommen, ich wette darauf.«

»Wettet immerhin, lieber Freund, daß Ihr ein Narr seid und Ihr werdet nie verlieren,« « antwortete Bois-Robert rasch und eben so laut. Er hatte die Lacher aus seiner Seite.

Voiture, heute noch aufgeblasener als gewöhnlich, mochte Bois-Robert als Anhänger des Cardinals nicht recht leiden; es verdroß ihn daher die Schlappe, die sein Freund Chapelaine erlitten, doppelt. Aber der Liebling der Damen kam nicht dazu, sich mit Bois-Roberts stets schlagfertigen Witzen zu messen, denn eben befiel ihn seine gewöhnliche Kolik, an der er fast das ganze Jahr hindurch litt und die ihn mitunter in sehr komische Situationen brachte, komisch wenigstens für Andere.

»Wenn aber nur kein Schloß vorgehangen ist!« rief Bois-Robert dem plötzlich von fürchterlichen Schmerzen gequälten Voiture nach, der, zusammengekrümmt wie eine Sichel, mit verzerrten Gesichtszügen der Thür zueilte.

Ein homerisches allseitiges Gelächter erscholl. Zum Verständniß von Bois-Roberts Aeußerung müssen wir folgendes damals stadtbekannte Geschichtchen erzählen.

In einem seiner Anfälle wie der gegenwärtige war Voiture einst in der Rue Honoré in das Haus eines Mannes, den er gar nicht kannte, eingetreten.

Ein gewisses Gemach daselbst gefiel Voiture so wohl, daß er beschloß, es von nun an täglich im Vorbeigehen mit seinem Besuche zu beehren.

Der Hausbesitzer, welcher bisweilen an denselben Ort zu gehen hatte. traf mehrere Male Voiture da, der ruhig sitzen blieb und es sich bequem machte.

Müde« auf das Belieben eines Fremden zu warten und noch dazu an einem Orte, wo er unbeschränkter Herr zu sein glaubte, ließ der Eigenthümer ein Schloß vor die Thür legen.

Am andern Tage kam Voiture in noch größerer Eile als gewöhnlich und fand die Thür verschlossen.

Da ging er an die Thür der Wohnung und klingelte.

Ein Diener öffnete. Voiture trat ein. Ohne ein Wort zu sagen, kauerte er sich in eine Ecke nieder und that – was er nicht länger aufschieben konnte.

»Herr!« rief der Diener, »seid Ihr des Teufels?!«

»Das hat dein Herr davon,« antwortete Voiture ruhig, »daß er ein Schloß an mein Cabinetchen legen läßt.«

Bois-Robert tänzelte, nachdem er Voiture dem allgemeinen Gelächter preisgegeben hatte. ganz ungenirt in den Kreis der Damen hinein. .

Frau von Sauvay, bekannt durch ihre scharfe Zunge, rief ihm schon von weitem zu:

»Ach, Ihr kommt zu gelegener Zeit.«

»Wie so?«

»Ich habe Euch auszuzanken.«

»So erlaubt mir die Absolution zu empfangen, wie es sich für einen guten Christen ziemt,« entgegnete Bois-Robert sich niederkniend.

»Ihr ein guter Christi Ihr geltet ja überall für einen gottlosen, ungläubigen Menschen?

»Das glaubet auch Ihr

»Nein, gewiß nicht!«

»Daran thut Ihr recht. Ich habe auch überall sagen hören, Frau von Sauvay tauge nichts.«

»Herr, was sagt Ihr?« rief Frau von Sauvay.

»Beruhigt Euch, ich mache es gegen Euch gerade so wie Ihr gegen mich, ich glaube nicht, was die Leute sagen.«

Bois-Robert trat absichtlich oder nicht, wir möchten beinahe das Erstere annehmen. Frau von Thoré auf ihre Sammtrode. Frau von Thoré war seit einiger Zeit unter die »Frommen« gegangen, nachdem sie in ihrem sehr bewegten Leben die Abscheulichkeiten des Lasters der Unkeuschheit gründlichst studirt hatte.

Bois-Robert warf, während er eine Entschuldigung stammelte, ihr einen schmachtenden Blick zu.

»Werdet ihr denn nie bereuen?« sagte Frau von Thoré, in docirendem Tone. welchen sie sich seit ihrer Bekehrung angewöhnt hatte; »die Reue ist eine Tugend!«

»Ich wünsche sie Euch von ganzem Herzen!« rief Bois-Robert! der nun vor Frau von Cournuel seine Reverenz machte.

Frau von Cornuel, deren Geist und Witz unter Ludwig XIII. und selbst noch unter Ludwig XIV. sprichwörtlich gewesen ist. war die Tochter eines gewissen Bigot, · den Man Guise Bigot nannte, weil er als Intendant beim Herzog Heinrich von Guise gedient hatte.

Ihr Vater, der reich war, verheiratete sie an Herrn Cornuel den Bruder des Präsidenten Cornuel. Sie war hübsch und sehr aufgeweckt ihr Mann aber sehr alt. Es darf also nicht befremden, daß sie sehr bald einen Substituten suchte und einen solchen auch in der Person des Marquis von Saurdes fand.