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Der Graf von Moret

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V.
Eine Untreue des Grafen von Moret

Wir müssen uns nun wieder einer Persönlichkeit erinnern, aus welche wir anscheinend seit einem vollen Monate ganz vergessen haben.

Es ist dies der Graf von Moret, dessen zum letzten Male Erwähnung geschah , als die Königin Anna durch die Schlange Fargis dahin gebracht wurde, zwischen ihm und dem Herzog von Buckingham eine Vergleichung anzustellen.

Aber nicht hieran, sondern an jene Worte, die Richelieu in der durch eine Million in seinen Besitz gelangten Festung Pignerol in den letzten Tagen des Monats März sprach, haben wir unsere Erinnerung an den natürlichen Sohn Heinrichs IV. wieder angeknüpfen.

»Hole mir den Grafen Moret!« hatte er Latil geboten., als er von St.-Simon, des Königs Stallmeister, ein Warnungsbriefchen aus Fontainebleau mit dem Datum »17. März 1630« erhielt.

»Monseigneur wissen,« sagte Latil lachend , »daß der Graf von »Moret seine schöne Geißel nach Briancon bringt.«

Der Cardinal erwiderte aber hierauf:

»Suche ihn auf, wo er ist , und um ihn zu bewegen, ohne Zögern zurückzukehren, sage ihm, er sei es, dem ich den Auftrag ertheilen wollte, die Nachricht von der Einnahme Pignerols nach Paris zu überbringen.«

Latil sattelte seine Stute Ninon und trottete dem Grafen von Moret, der erst vorgestern Früh Pignerol mit der Gräfin Urbano verlassen hatte, auf der Straße nach Briancon nach.

»Es sollte mich sehr wundern,« schmunzelte der Gascogner, »wenn ein Sohn Heinrichs IV. sich besonders beeilen sollte, eine so prächtige Liaison in zwei oder drei Tagen wieder abzubrechen. Der Excommandant von Pignerol dürfte daher hübsch lange in Briancon warten, bis er das Glück genießt, seine treue Gemalin wieder zu sehen. Teufel! ich will morgen an deiner Seite. meine liebe Ninon, sechs Lieues zu Fuß einherlaufen, wenn wir nicht das Vergnügen haben, den Herrn Grafen noch heute Abends einzuholen.«

In dem von Pignerol drei schwache Stunden entfernten Dorfe Perosa machte Latil Halt. Hier erfuhr er zu seiner großen Befriedigung, daß der Graf von Moret und seine reizende Geißel in demselben Wirthshause , wo er jetzt sein Nachmittagsbrot verzehrte, übernachtet und die Dame bei dem erst heute in sehr vorgerückter Morgenstunde erfolgten Aufbruche ein bedeutendes Unwohlsein vorgeschützt hatte.

Der Gascogner rieb sich sehr vergnügt die Hände und zäumte nach zwei Stunden wieder seine braune Stute, zu der er sagte :

»Meine liebe Ninon. in Fenestrelles. vier kleine Stunden von hier, gibt es prächtige Stallungen, wir werden uns nicht weiter zu bemühen brauchen.«

Der Gascogner hatte sich wirklich nicht getäuscht. Auch in Fenestrelles begünstigte ihn der Zufall , daß er unter den fünf Herbergen, die der Ort zählte, gleich in jene gerieth, wo richtig der Graf von Moret und die Gräfin von Urbano eingekehrt waren.

Fenestrelles gilt als Schlüssel des Passes Cluseone, welcher über den Genèvre nach Briancon führt. In der Nähe sind die berühmten Thäler der Waldenser. Die Befestigungen, welche diesen Punkt späterhin besonders wichtig machten, rühren erst aus dem spanischen Erbfolgekriege her. Die Festung bestand aus drei besonderen Forts: delIe Valli, San Carlo und der Redoute San Antonio. Das Fort Mutin (St.· Martin) lag viel tiefer im Thale, denn nicht weniger als 3956 Stufen in einem durchaus bedeckten, bombenfest gewölbten Gange mußte man zu demselben von den obgenannten drei Forts hinabsteigen-. Derzeit wird Fenestrelles als Staatsgefänguiß benützt. Ja den Jahren 1813—1814 diente es als Verwahrungsort der Gefangenen von der Cavallerie des Lützowschen Corps.

Als Latil sein Pferd versorgt hatte. ging er gemächlich die Stufen zum ersten Stockwerte hinan.

Er brauchte keinen Wegweiser, um die Gemächer zu finden, wo die beiden hohen Reisenden sich befanden.

Das Unwohlsein der Gräfin Mathilde von Urbano mußte wohl bereits gänzlich behoben sein, denn sie hatte soeben mit bezaubernder kräftiger Stimme eine lange Romanze zu Ende gesungen und lachte jetzt in ausgelassener Fröhlichkeit; in dieses Lachen mischte sich auch jenes des Grafen von Moret.

»Da geht es ja sehr lustig her,« murmelte Latil; »wie packe ich aber die Geschichte nur an, um nicht unartig zu erscheinen? Man könnte vielleicht gerade stören. Der Graf ist am Ende doch der Sohn eines Königs und der Cardinal hm! mir scheint, der hat auch noch große Dinge mit ihm vor. O! Latil, das ist ein ganz verdammt gescheidter Kerl, der bekommt gleich Alles weg.«

Im Gemacht, wo er früher so laut lachen gehört, war es inzwischen ganz still geworden.

Latil blinzelte pfiffig mit den Augen und wandte sich zum Gehen.

»Werde morgen Früh kommen,« sagte er zu sich. »Es ist ja nicht,so eilig und ich brenne durchaus nicht vor Begierde zu meiner Eminenz nach Pignerol zurückzukehren ; da gibt es Tag und Nacht keine Ruhe. Sacredieu! Weiß aber selbst nicht was mir der Mann angethan, daß ich doch gerne bei ihm bin, daß ich nicht acht Tage mehr leben könnte, ohne ihn zu sehen, das heißt mich von ihm schmähen und schelten zu lassen.«

Der Gascogner gelangte mit diesem Selbstgespräche wieder zur Stiege, die durch den Mondschein ziemlich hell beleuchtet war. Er stieß aus eine Frauengestalt, die die Treppe eben hinanstieg; sie trug einen Napf mit Wasser in der einen und – verschiedenes Leinenzeug in der anderen Hand.

»He, mein holdes Dämchen, seid Ihr nicht Jacintha, der Frau Gräfin von Urbano Zoffe? – Ich sah Euch zwar in Pignerol einen einzigen Augenblick kurz vor der Abreise, aber – ventre-Saint-Gris! wie der selige König, mein Landsmann, sagte« – mehr bedarf es auch nicht für einen Gascogner, um eine Schönheit, wie Ihr seid, je wieder zu vergessen. «

»Ei«I ei!« lächelte Jacintha, »galant sind diese Franzosen, das ist wahr, doch wer seid Ihr, woher kommt Ihr?«

»Davon später, meine schöne, liebreizende Jacintha; stellt vorerst diese Dinge da, die Eure schönen. vollen Arme verunstalten, an ihren Ort und Latil, Lieutenant bei der Leibgarde Sr. Eminenz des Herrn Cardinals von Richelieu, wird so frei sein, alle möglichen Fragen zu beantworten und auch – einige selbst zu stellen.«

»Ja einem halben Stündchen werde ich wieder hier vorbeikommen,« sagte Jacintha leise.

Doch erwähnt heute meiner nicht bei Eurer Gebieterin oder dem Grafen von Moret, ich will mich letzterem erst morgen vorstellen.

Jacintha nickte zustimmend und verschwand.

Latil rührte sich nicht von der Stelle.

Noch vor der selbst gestellten Frist war Jacintha zurück. Dem scharfen Auge des Gascogners entging es nicht, daß die Zofe diese Zwischenzeit auch etwas zur Verbesserung ihrer eigenen Toilette verwendet hatte.

»Nun, Herr Latil, ich glaube. so nanntet Ihr Euch ja, was habt Ihr mit mir von meiner Gebieterin zu sprechen?« begann die schlaue Italienerin, als ob sie nur aus Dienstesrücksichten in das Rendezvous gewilligt hätte.

»Lassen wir die jetzt sanft ruhen«r lachte Latil, »und beschäftigen wir uns lieber mit etwas weit Näherem, mit uns selbst nämlich.«

Die Märzluft strich rauh und eisig in dieser hochgelegenen Landschaft. Die Nacht war in der That bitter kalt. Jacintha fröstelte. Latil schlug rasch die eine Flanke seines Mantels um ihren Leib, während er die andere Hälfte selbst auf den Schultern behielt.

»Es ist sehr kalt!« lispelte Jacintha.

»Wir werden uns zum Kamine flüchten.« erwiderte rasch der Gascogner und zog die Zofe sanft mit sich fort.

Jacintha öffnete ihr Gemach, in welchem ein lustiges Feuer so hell brannte, daß eine weitere Beleuchtung, als der Kamin ohnehin spendete, ganz unnöthig gewesen wäre.

Latil versuchte Jacintha zu küssen, aber diese entwand sich rasch seinem Arme, und huschte in eine Ecke.

»Teufel!« rief Latil ärgerlich und verfolgte die Fliehende.

Jacintha aber war flink wie eine Gemse; sie entschlüpfte ihm behend stets in dem Momente, wo er sie zu erhaschen glaubte.

Der Gascogner, dem es bereits warm zu werden begann gab endlich die fruchtlose Jagd auf und sagte:

»Gut, wenn Ihr mir keinen Kuß gebt, so soll Graf Urbano erfahren, was es mit eurem guten Bruder Gaetano eigentlich für eine Bewandtniß hatte.«

»Der Graf würde meine Herrin ermorden!«

»Nun, so rettet dieselbe!«

»Wie kann ich aber das?«

»Daß Ihr thut, was ich will.«

»Ihr Grausamer!« lachte Jacintha, »Ihr seid durch nichts zu erweichen?«

»Nein, tausend nein!«

»Dann bin ich ja das Opfer meines Dienstes.«

»Opfert Euch nur immerhin!«

»Ach Gott« ich kann nicht i« rief Jacintha und verhüllte kokett mit der Schürze das Gesicht.

Latil benützte ihre momentane Blindheit, sprang auf sie zu und umschlang sie.

Das Reisig, welches kurz zuvor noch so stark aufgelodert hatte, daß wir die ganze Scene sehr gut beobachten konnten, ist verbrannt ; tiefes Dunkel herrscht plötzlich im Gemache und da wir mit feinen Katzenaugen ausgestattet sind verzichten wir darauf, auch nur mit einiger Bestimmtheit angeben zu wollen, bis zu welchem Grade die arme Dienerin nun für ihre gottlose Herrin sich opfern mußte.

Des andern Morgens finden wir bereits um fünf Uhr den Gascogner im Stalle, aus welchem er nicht früher wich, bis er sich überzeugt, daß sein braves Thier von einem Knechte sorgfältigst geputzt worden war und es auch nicht um ein Körnchen seines Hafers verkürzt sei.

Gegen sieben Uhr pochte er an Jacinthas Kammer. Diese öffnete und lächelte ihm eben so schelmisch als vertraulich zu. Sie war bereits ganz angekleidet und besserte an dem Reitkleide ihrer Gebieterin, für die sie, wie wir wissen, zu allen Leistungen sich fähig fühlte.

»Bis acht Uhr muß ich den Grafen sprechen,« begann Latil, » richte Dir es darnach ein, mein Täubchen!«

»Jetzt dutzt er mich gar, der Schlingel, der garstige!« rief Jacintha und warf den Fingerhut nach ihm; »daß Ihr es wenigstens vor den Leuten bleiben lasset, Herr Latil, was würde man denn von mir denken?«

 

»Daß Ihr den armen Latil rein verrückt gemacht habt; was sonst?« entgegnete der Gascogner mit schmachtendem Blicke. »Doch, meine schöne Jacintha, jetzt wecket endlich die Zwei da drüben. Wenn wir um neun Uhr aufbrechen, können wir ohnehin erst gegen Abend in Pignerol sein.«

»Was faselt Ihr, Latil? In Pignerol? von dort kamen wir ja eben ; Ihr wolltet Briancon sagen.«

Latil schüttelte verneinend den Kopf, ließ sich aber in keine weiteren Erklärungen ein. Es that ihm bereits leid, daß er sich verschnappt hatte. In Dienstsachen und insbesonders, wenn es einen vom Cardinal selbst gegebenen Befehl betraf, war er in der That stets höchst vorsichtig und verschwiegen.

Jacintha entfernte sich, kam aber nach kaum fünf Minuten wieder zurück und sagte:

»Ihr könnt sogleich eintreten bei Monseigneur!«

Der Graf von Moret war soeben im Begriffe, sich selbst anzukleiden, was er mit der im Felde vor dem Feinde erworbenen Hast und Fertigkeit that.

»Ei« was macht denn Ihr da ?« rief der Graf von Moret beim Anblicke Latil's. » Ich mochte kaum meinen Ohren trauen« als die Zofe mir Euren Namen nannte.«

Der Gascogner, welcher eine straffe militärische Haltung angenommen, langte vor dem Sohne Heinrich IV. respectvoll an den Hut und sagte :

»Bote Seiner Eminenz!«

»Nun« so gebt mir den Brief.«

»Bin blos mündlich beauftragt, Monseigneur zur sogleichen Rückkehr nach Pignerol einzuladen.«

»Nach Pignerol ?«

»Seine Eminenz wünscht Monseigneur noch vor heute Abend zu sprechen.«

»Und warum?«

»Er hält Niemanden für würdiger, die Nachricht von der Einnahme des Schlüssels von Savoyen nach Paris zu bringen, als den Sohn des großen Heinrich, den Grafen von Moret, dessen Umsicht und Klugheit Frankreich diese wichtige Eroberung verdankt.«

Der Graf von Moret fühlte sich zwar sehr geschmeichelt durch diese Auszeichnung, aber fast ärgerlich sagte er nach einer kurzen Pause:

»Was soll es aber mit der Gräfin von Urbano werden?«

»Darüber hat Seine Eminenz keinen neuen Befehl ertheilt, es bleibt also bei dem alten,« erwiderte Latil ruhig.

»Wie meint Ihr das?«

»Daß Monseigneur die Gräfin Urbano nach Briancon zu bringen hat.«

»Wie kann ich aber die Gräfin nach Briancon bringen und doch heute Abend in Pignerol sein?«

»Ich glaube, das Erstere geht ganz gut, wenn Monseigneur die Gräfin vorläufig wieder nach Pignerol retour führt,« bemerkte der Gascogner schmunzelnd.

Der Graf von Moret lachte hell aus und rief:

»Latil, Du bist ein gescheidter Bursche, dein Rath ist fünfzig Pistolen werth, da nimm sie, und er warf dem Klopffechter ein Beutelchen zu.

»Die Gräfin von Urbano wird doch nicht meinem Einfalle zürnen,« sagte Latil, die Börse zu sich steckend, und schnitt eine so dummbesorgte Miene, daß der Graf von Moret neuerdings laut lachen mußte.

»Du sollst in einer Stunde von ihr selbst die Antwort darauf bekommen, jetzt aber gehe, mein lieber Latil, und sage Galaor, daß er Alles zur Abreise bereit mache.«

Die Antwort der Gräfin bestand in einem werthvollen Brillantringe, den sie Latil durch Jacintha übersendete. Der Gascogner war aber so galant, denselben sogleich der Ueberbringerin an den Finger zu stecken. Dann bestieg er seine Stute und trottete voraus nach Pignerol, wo er um fast drei Stunden früher ankam als der Graf von Moret mit seiner Suite.

Richelieu hörte mit Vergnügen dem launigen Berichte des Gascogners zu, der selbst sein Abenteuer mit Jacintha nicht verschwieg.

Als Latil geendet, langte der Cardinal in eine offenstehende Cassette und zog daraus ein kleines Beutelchen hervor.

»Ich kann hinter dem Grafen von Moret wohl nicht zurückbleiben,« sagte er lächelnd und händigte die Börse dem Gascogner ein; »ich fürchtete schon, Du würdest am Ende die Dummheit begehen, die Gräfin selbst nach Briancon zu geleiten, das wäre mir sehr fatal gewesen ; aber ich sehe schon, Du bist ein ganzer Kerl! Noch Eins – gefällt Dir Jacintha?«

Latil verdrehte die Augen und seufzte.

»Auf tausend Pistolen zur Ausstattung soll es mir seiner Zeit nicht ankommen – aber, Stephans ich erwarte, daß Du unter keiner Bedingung mit ihr brichst ohne mein Wissen. Verstehst Du?«

Latil, der begriff, daß der Cardinal die Zofe der Gräfin Urbano als handelnde Person in irgend einer seiner kühnen, feingesponnenen Intriguen zu verwenden gesonnen sei, verbeugte sich.

Zuerst wirft Du den Grafen von Moret bei mir einführen, dann die Gräfin von Urbano und endlich auch ihre Zofe. Es ist nicht nöthig, daß davon Eines um das Andere wisse. Nun geh! sprach der Cardinal nach kurzer Ueberlegung und setzte sich zu seinem Schreibtische.

Als er einen ziemlich langen Brief geendigt, klingelte er Cavois, dem Capitän seiner Garden.

»Kennst Du,« begann Richelieu, als der Gerufene eingetreten war, »einen Cavalier. der alt, häßlich, ehrbar, verheiratet und mir treu ergeben ist? Es gilt einen Begleiter für eine junge und schöne Dame zu finden.«

Cavois kratzte sich verlegen hinter den Ohren und sagte:

»Das ist sehr viel auf einmal verlangt; doch wir wollen suchen; da wäre z. B. der Marquis von Fontaine – «

»Das ist ein Spieler,« der würde das Reisegeld in den ersten drei Tagen verthun —«

»Also Herr von Abrantes —«

»Hm! der taugte wohl, aber dieser geldgierige Mensch wird die Kosten mit fünffacher Kreide ausrechnen —«

»Dann hätten wir den Vicomte von Belleville —«

»Ist ein alberner Tropf« besitzt kein Quentchen Hirn —«

»Nun denn, was meinen Ew. Eminenz zu Rochehaute, zu De Criancon, zu La Bettelier, zu Fonteneuse, zu – «

»Halt ein!« rief der Cardinal »bleiben wir in Gottesnamen bei dem Betrüger Abrantes und der ist noch dazu zur Hand rufe ihn sogleich hierher; er muß im Sattel sitzen, bevor noch der Graf von Moret anlangt.«

Herr von Abrantes, der eine Compagnie in Pignerol commandirte, trat alsbald ein.«

Richelieu hatte inzwischen seinen Brief gesiegelt und einige Röllchen Gold auf den Tisch vor sich hingelegt.

Herr von Abrantes war über sechzig Jahre alt, außerordentlich häßlich, er· schielte, er hinkte, er stotterte auch etwas. Durch den letzten Hugenottenkrieg war er um sein ganzes Vermögen gekommen; er lebte seit fünf Jahren von des Cardinals Gnade, dem er, auch seine jetzige Stellung verdankte und dem er in der That unbedingt ergeben war. – Aber die Sucht, sich wieder ein Vermögen zusammenzusparen, ließ ihn manche Thaten begehen, die mitunter sehr übel abgelaufen wären, hätte ihm nicht immer der Cardinal durch einen Machtspruch aus der Klemme geholfen. Erst vor Kurzem hatte er wieder, natürlich aus bloßem Irrthume, die Gelder für seine Campagnie doppelt erhoben und eine flamhafte Brandschatzung, die er von der Stadt Savigliano im höheren Auftrage eingetrieben, war spurlos in seinen weiten Taschen verschwunden. Richelieu, der gegen Abrantes, wie gesagt, außerordentlich nachsichtig zu sein pflegte, stellte sich, als glaube er seiner Entschuldigung, daß ihm das Maulthier, welches die erkleckliche Summe in Silber trug, von einer piemontesischen Streifpatrouille abgejagt worden sei.

»Ihr werdet diesen Brief nach Genf überbringen, in einer halben Stunde müßt Ihr Pignerol im Rücken haben.«

Der Cardinal reichte dem Herrn von Abrantes nach diesen Worten das Schreiben, dessen Adresse an den Baron von Lautrec lautete, der mit seiner Tochter Isabella vor, der feindlichen Belagerung, die Mantua bevorstand, sich nach Genf geflüchtet hatte.

»Und wenn dies geschehen, Eminenz?« .

»Dann werdet Ihr Fräulein Isabella von Lautrec nach Paris geleiten und der Frau von Combalet übergeben, die ich von hier aus direct verständige.«

Herr von Abrantes verbeugte sich abermals und schielte nach den Geldrollen, die auf dem Tische lagen.

»Nehmt das,« sagte der Cardinal und deutete auf den Gegenstand der Begehrlichkeit des Herrn von Abrantes, »es sind fünfhundert Pistolen; wird wohl genug sein?«

Herr von Abrantes zuckte sehr bedenklich mit den Axeln und sagte: »Das Leben fängt an sehr theuer zu werden, auf Ehre; sehr theuer, und da ich doch fast drei Wochen mit einem Gefolge von etwa zehn Personen zu reisen habe, so —«

»Schon gut,« unterbrach ihn Richelieu, »Frau von Combalet wird Euch noch fünfhundert Pistolen ausfolgen, sobald ihr Fräulein Isabella von Lautrec ihr übergeben habt, und bei dieser Pauschalsumme wollen wir es ohne alle Rechnungslegung bewenden lassen.«

Herr von Abrantes schnalzte sehr vergnügt mit der Zunge – sechshundert Pistolen blieben ihm wenigstens übrig. Er hatte aber auch einen weiteren Grund, über seine Entsendung nach Paris sehr erfreut zu sein, denn er trug eine erkleckliche Anzahl guter Wechsel, ausgestellt von den Brüdern Malvasini in Turin und auf Herrn Bullion in Paris lautend, bei sich.

Von zwei Dienern begleitet verließ Herr von Abrantes eine halbe Stunde nach seiner Audienz bei dem Cardinal Pignerol. Den ganzen weiten Weg bis Genf quälte er sich mit der Besorgniß, daß für Fräulein von Lautrec und deren Dienerinnen die erforderlichen Maulthiere am Ende er werde anschaffen müssen. Aber Herr von Lautrec, der für seine Tochter nie eine besondere Zärtlichkeit gefühlt, war so erfreut, daß er der Aufsicht über Isabella wieder enthoben wurde, daß er nicht nur auf das Freigiebigste für alle Bedürfnisse der weiblichen Reisenden sorgte, sondern auch überdies dem Herrn von Abrantes beim Abschiede zum Angedenken einen mit kostbaren Edelsteinen reich verzierten goldenen Becher schenkte.

Auch Isabella schied mit nicht sehr schwerem Herzen von ihrem Vater. Wiesen doch alle Umstände darauf hin, daß der Cardinal bald nach Paris zurückkehren dürfte, und war nicht in seinem Briefe angedeutet, daß der Graf von Moret dahin bereits auf dem Wege sei? – Und ihre reine, makellose Seele schwelgte im Glücke der Erinnerung an jene feierlichen Schwüre der ewigen Liebe und Treue, die sie und der Graf von Moret vor dem Altare von unserer lieben Frau der Engel mit einander gewechselt hatten.

Gegen fünf Uhr Abends trat der Graf von Moret bei dem Cardinal ein; letzterer ging ihm entgegen und reichte ihm die Hand.

»Eminenz!« sagte der Graf, Latil hat mir bereits mitgetheilt, welcher hohen Ehre Ihr mich zu würdigen gesonnen seid. Ich glaubte, daß der Herzog von Montmorency dazu auserwählt sei, die Nachricht von der Einnahme von Pignerol Seiner Majestät zu Füßen zu legen?«

»Anton von Bourbon, Sohn Heinrichs IV., hat den Vortritt vor allen übrigen Herzogen Frankreichs, in meinen Augen wenigstens,« sagte Richelieu bedeutungsvoll lächelnd.

»Und wann wünschen Ew. Eminenz, daß ich abreise?«

»Morgen, Monseigneur, und ich würde Euch gebeten haben, die Route über Susa, Grenoble, St. Etienne, Nevers und Orleans einzuschlagen; ich ließ bereits Euren ganzen Reiseplan zusammenstellen. Hier ist er. Graf von Moret wird, hoffe ich, die Güte haben, denselben auf das Allergenaueste einzuhalten.«

Graf Moret, der das Papier überflog, rief:

»Aber, Eminenz« das sind ja sehr kleine Tagesmärsche und dann die vielen Rasttage. Ich getraue mich Paris acht Tage früher zu erreichen.«

»Ganz richtig« mein lieber Graf, aber ich mußte ja doch auf Eure Begleitung Rücksicht nehmen,« entgegnete der Cardinal ruhig.

»Auf meine Begleitung?« frug Moret ganz erstaunt.

»Nun ja, ich wollte eben Monseigneur bitten, der Gräfin von Urbano Ihren weiteren Schutz angedeihen zu lassen.«

»Wie! Mathilde soll nach Paris?« rief der Graf freudig, »aber was wird Ihr Gemal in Briancon dazu sagen?«

»Er wird sie dort nicht erwarten.«

»Geht auch er nach Paris?« frag Moret etwas gedämpft.

»Nein,« erwiderte Richelieu ruhig, »seine Million könnte ihm dort gestohlen werden; ich werde ihm rathen lassen, das Geld und seine Person nach Brouage in Sicherheit zu bringen.«

»Der Graf von Urbano wird wohl so vernünftig sein, diesen Rath zu befolgen,« lachte Moret.

»Gewiß,« entgegnete Richelieu, »denn ich werde Latil zu ihm senden, und damit man dem Grafen seine Million ja nicht stehle, nimmt Stephan dreißig Musketiere mit sich.«

»Das heißt so viel, der Graf von Urbano ist Euer Gefangener, Eminenz!«

Brouage war jene kleine feste Stadt, welche einst Ludwig XIII. dem Cardinal mit fast ganz souveränen Rechten geschenkt hatte, denn der König gestattete ihm sogar eine eigene, von der königlichen Armee ganz unabhängige Garnison zu halten.«

Brouage liegt im heutigen Departement Charente inferieure, in dem ehemaligen Aunis, der Insel Oléron gerade gegenüber, unweit von Rochefort, an einem Seearme, in welchem Ebbe und Flut mit großer Heftigkeit eintreten. Es besitzt einen tiefen, sicheren Hafen und seine großen Salinen gehörten auch schon zu. jener Zeit zu den wichtigsten und vorzüglichsten Frankreichs. – Das Erträgniß derselben allein deckte dem Cardinal hinlänglich alle Auslagen für die kleine Garnison und die übrige Verwaltung seines halbsouveränen Besitzthums. Es war ihm daher möglich, die Lasten seiner Unterthanen auf ein Minimum zu stellen, wofür der Cardinal von den Einwohner in Brouage auch vergöttert wurde, zumal er ihre Schifffahrt und ihren Handel besonders zu begünstigen verstand.

 

Der Canal, welcher gleichfalls den Namen Brouage führt und von dem Städtchen in die Charente führt, wurde erst 1782 angelegt, um die Sümpfe von Rochefort trockenzulegen. Derselbe ist 15.870 Meter lang und gegen 7 Meter breit. Schiffbar wurde er jedoch erst im Jahre 1807 durch die Anlage von Schleußen an seinen beiden Endpuncten gemacht.

Der Cardinal bejahte des Grafen Moret letzte Frage durch ein Kopfnicken und sagte:

»Monseigneur möge daraus erkennen, wie sehr ich es mir angelegen sein lasse, Euren Neigungen zu dienen. Cavois wird jetzt die Ehre haben, Euer Hoheit in das Vorderkastell zu geleiten und die Mannschaft und die Pferde vorzustellen, welche Ihre Escorte zu bilden bestimmt sind. Es ist natürlich, daß Anton von Bourbon mit allem Prunke auftrete, der seiner Person und der Wichtigkeit seiner Botschaft entspricht.«

Der Graf von Moret, durch diese Aufmerksamkeit des Cardinals zum zweiten Male sehr geschmeichelt, ergriff seine Hand, drückte selbe warm und sagte:

»Anton von Bourbon gehört von dieser Stunde an nicht blos zu den Bewunderern, sondern auch zu den treuesten Freunden des Cardinals von Richelieu.«

Kaum war der Graf von Moret aus dem Zimmer verschwanden als Latil den Kopf zur Thür hereinsteckte und leise frug:

»Kann die Gräfin eintreten?«

Richelieu nickte zustimmend.

Mathilde, Gräfin von Urbano, näherte sich etwas scheu dem Cardinal, dem sie bisher noch nie gegenübergestanden, und sah mit ziemlich besorgten Blicken zu ihm auf.

Richelieu trat mit der vollendetsten Artigkeit auf sie zu, geleitete sie zu einem Lehnstuhle und sagte:

»Ich bin entzückt, die schöne Freundin meines Freundes Anton von Bourbon kennen zu lernen.«

Mit Absicht hob hier der Cardinal die königliche Abstammung des Grafen von Moret hervor.

»Ich bin stolz auf den Titel, den mir Ew. Eminenz zu verleihen die Gnade haben, ich wäre überglücklich, könnte ich die Freundin des edlen Grafen auch für immer bleiben!«

»Und warum sollte dies nicht möglich sein?« frug der Cardinal, den Erstaunten spielend.

»Ach, nur zu bald wird das grausame Schicksal mich wieder dem rohen Grafen von Urbano an die Seite bringen,« erwiderte Mathilde und trocknete sich eine Thräne.

»Wenn Ihr wollet, wird es nicht geschehen.«

»Wäre es möglich?« rief die Gräfin entzückt.

»Wie könnte ich es verantworten, eine Schönheit wie die Ihrige der, verderblichen Sumpfluft von Brouage auszusetzen.«

»Von Brouage?« frug die Gräfin höchst erstaunt.

»Ja, von Brouage, denn dort wird Euer Gemahl sammt seiner Million den Aufenthalt nehmen.«

»Für immer?«

»Ich fürchte sehr für immer.«

»Und ich glaube für nicht lange,« bemerkte die Gräfin, »denn er verträgt die Luft niederer Gegenden nicht.«

»Nun, dann werden wir seinen Tod als gute Christen betrauern,« bemerkte Richelieu trocken.

»Ew. Eminenz bemitleiden mich also schon in vorhinein als Witwe?«

»Ich werde den Grafen von Moret dann bitten, die unglückliche Gräfin von Urbano zu trösten, und ich meine, es gebe ein Mittel, jede Erinnerung an den Grafen von Urbano zu verwischen.«

»Und dieses Mittel wäre?«

»Daß Ihr Euren jetzigen Namen mit dem einer Gräfin von Moret vertauschen «

»Ah!« rief Milde und wurde bald blaß, bald roth. Der Cardinal hatte etwas ausgesprochen« an das zu denken sie bisher noch nie gewagt. Sie wäre ja zufrieden gewesen, den schönen Grafen als Liebhaber an sich dauernd fesseln zu können.

»Ew. Eminenz geruhten etwas ganz Unwahrscheinliches anzudeuten!« hauchte sie nach einer Weile von ihren Purpurlippen.

»Der ehemalige Bischof von Lucon hat schon manches noch weit unmöglicher Scheinende zu Stande gebracht,« entgegnete Richelieu kurz, »für seine Freunde fühlt er sich eben fähig, Alles zu leisten.«

»Und ich sollte so glücklich sein zu denselben zu gehören?«

»Ich zähle die Gräfin Urbano bereits zu denselben.«

»Meine Dankbarkeit kennt keine Grenzen.«

»Beweiset es, indem Ihr meinen Plan, Euch zur Gräfin von Moret zu machen, unterstützet.«

»Was soll ich thun?«

»Die Gegnerin bekämpfen, die alle unsere Entwürfe zu Schanden machen könnte.«

»Wer ist diese Gegnerin?«

»Fräulein Isabella von Lautrec, von der Ihr wohl schon sprechen gehört.«

Die Augen der Italienerin sprühten Blitze des Hasses.

»Vor Allem,« fuhr Richelieu fort, »werdet Ihr Euch in Gesellschaft des Grafen von Moret nach Paris begeben, und dort weitere Mittheilungen erwarten. Ist Eure Zofe verläßlich?«

»Jacintha?«

»Ja, diese meine ich.«

»Vollkommen. «

»Gut« dann wird man unter der Adresse dieses Mädchens an Euch, Frau Gräfin, schreiben. – Noch Eines, Graf von Moret darf selbstverständlich von dem Inhalte unserer Unterredung nichts ahnen. Und nun Gott befohlen, reizende Gräfin, amüsiret Euch gut auf der Reise.«

Die Gräfin wollte dem Cardinal die Hand zum Abschiede küssen; dieser entzog sie ihr schnell, faßte aber dafür ihr Kinn und bevor Mathilde es sich versah, hatte ihr Richelieu, der durchaus kein Verächter des schönen Geschlechtes war, einen Kuß auf die Stirne gedrückt.

Etwas verwirrt, aber überglücklich in ihrem Innern zog sich die Gräfin zurück.

»Auch die hat angebissen,« lachte der Cardinal, als er wieder allein war, und ein Zug spöttischer Verachtung umspielte seine Lippen.

»Jacintha?« rief jetzt Latil zur Thür herein.

»Vorwärts!« gebot Richelieu.

Die Zofe trat schüchtern unter hundert Knixen ein, der Gascogner wollte sich zurückziehen.

»Kannst dableiben« « sagte der Cardinal zu ihm, »geht auch Dich an.«

»Also Du« mein liebes Kind, und der Mann da, Ihr seid schon bekannt miteinander?« frug Richelieu Jacintha, »sehr gut bekannt, wie? he?«

Jacintha warf einen zornigen Blick Latil und sagte:

»Wie, der Unverschämte hätte Alles geplaudert?«

»Alles, mein Kind, und ich habe ihm gleich auf der Stelle die Absolution ertheilt und Dir gebe ich sie hiermit nachträglich.«

»Ach ja!« sagte die bigotte Italienerin, deren Gewissen durch des Cardinals Worte gleich total beruhigt war, »ach ja! ich dachte gar nicht daran, daß Ew. Eminenz auch Priester sind.«

Richelieu trug im Lager stets und zu meist auch sonst die Cavalierstracht der damaligen Zeit statt des Cardinalsgewandes, welch erstere zu seinem Schnur- und Knebelbarte in der That auch weit besser paßte als letzteres.

»Hat Stephan Dir schon wegen eurer Ausstattung meine Absicht mitgetheilt?«

»O, Ew. Eminenz sind zu gnädig!« rief Jacintha.

»Und Du möchtest wohl, daß ich bald mit den tausend Pistolen herausrücke?«

Jacintha that verschämt und ließ den Kopf sinken.

»Ein Jährchen oder so was dergleichen werdet ihr Zwei schon noch wartete müssen, vorausgesetzt, daß diese Mariage überhaupt zu Stande kommt.«

»Wieso?« frug Jacintha ängstlich, denn der Cardinal hatte bei den letzten Worten ein furchtbar ernstes Gesicht gemacht.

»Weil ich Latil hängen und Dich zu Tod peitschen lasse, fällt auf Euch auch nur der mindeste Schatten eines Verrathes. Hast Du mich verstanden, Du Schlange?«

»Aber Ew. Eminenz!« rief Jacintha halb ohnmächtig.

»Nun, das war jetzt nur so eine kleine Prophezeiung oder wenn Du anders willst, eine kleine Warnung —geht.«

Latil und seine Geliebte schlichen hinaus.

Richelieu warf sich dann in seinen Lehnstuhl und blickte düster vor sich hin:

»Wie mag es wohl zu dieser Stunde in Paris aussehen,« murmelte er vor sich und ein schwerer Seufzer entrang sich seiner unruhig wogenden Brust, »wird mir die Intrigue gelingen, die ich heute angesponnen, bauend auf die Untreue des Grafen von Moret, wird es nicht zu spät sein, bis ich selbst wieder bei diesem Schatten eines Königs bin? – Ja, ich werde einen großen Entschluß fassen müssen. Doch vor Allem zu etwas Näherliegendem; kann wirklich der Graf von Moret nicht mit dem Fräulein von Lautrec zusammentreffen? Ein Verstoß dabei und mein ganzer Plan wäre todtgeboren.«