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Der Graf von Moret

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Die Deutschen, Wallonen und Spanier, aus denen die beiden Flügel bestanden« hielten eine Weile wacker Stand.

Rieux, wüthend über die schmachvolle Feigheit Gastons und des Centrums, schwenkte mit den paar hundert Mann, die bei ihm aushielten, nach dem rechten Flügel zu dessen Verstärkung.

Schomberg, seinen Vortheil gewährend, ließ schnell die wichtige Position besetzen, welche das verschwundene Centrum des Feindes innegehabt, und trennte auf diese Weise dessen beide Flügel, welche zusammengenommen aber noch immer numerisch stärker gewesen wären als die ganze königliche Armee.

Verfolgen wir jetzt etwas näher die Vorgänge auf den beiden Flügeln, Montmorency stellte sich auf seinem, nämlich dem rechten Flügel, an die Spitze einer Schwadron leichter Reiterei, setzte über einen Graben und schlug einen schmalen Weg ein, auf welchem ihm nur Wenige zu folgen vermochten. Darunter Rieux, der ihn vor dieser neuerlichen Thorheit warnte. Am Ende des Weges war eine Abtheilung königlicher Infanterie aufgestellt. Auch einige Chevauxlegers kamen dazu.

Dem Commandanten dieser Reiter zerschoß der Herzog von Montmorency den Arm, erhielt aber selbst drei leichte Wunden. Ohne auf dieselben zu achten, stürmte er weiter. Er erhielt noch zwei Wunden.« Endlich stürzte sein Pferd; er selbst wurde in Folge des Bluverlustes halb ohnmächtig und rief in diesem Zustande mehrmals seinen Namen aus.

Als Montmorency gefallen war, trat auf den beiden Flügeln der Rebellen die heilloseste Verwirrung ein und hatte natürlich eine zügellose Flucht zur Folge.

Die ganze Schlacht, wenn dieses Pêle-mêlo von Feigheit und Tollkühnheit überhaupt einen solchen Namen verdient, zumal der officielle Bericht Schombergs den Verlust der königlichen Truppen mit acht Todten und zwei Verwundeten angibt, hatte kaum eine Stunde gedauert, nach deren Verlauf die ganze Armee Monsieurs, von Castelnaudary und Umgebung wie weggeblasen schien. Von den Italienern des Centrums wurden alle, welche aus der Stadt nicht rechtzeitig die Flucht ergriffen und den einrückenden Truppen Schombergs dort in die Hände fielen, ohne Umstände dutzendweise theils füsilirt, theils aufgehängt.

Auf dem linken Flügel, den der Graf von Moret commandirte, entbrannte der Kampf um etwa zehn Minuten später als auf dem rechten, also fast in demselben Momente, wo Montmorency bereits fiel.

Moret, dicht hinter ihm der Marquis von Pisani mit einem Fähnlein Fußvolk, schickte sich an, einen Verhau zu nehmen, der den Uebergang durch die Furth eines tiefen Mühlgrabens wehrte und den Schlüssel zur Umgehung des Feindes und einer Vereinigung mit dem eigenen rechten Flügel bildete.

Hinter dem Verhaue stand Latil, neben ihm ein junger Capuzinermönch. Beide blickten so neugierig und unbefangen nach den Anstürmenden, als gelte es ein bloßes Scheinmanöver auf dem Exercirplatze.

Der Graf von Moret erblickte den Gascogner, dem er bis auf etwa fünfzig Schritte nahegekommen war.

»Ha, lügnerischer Hund!« schrie Moret, in die äußerste Wuth gerathend, »deine letzte Stunde soll heute geschlagen haben!«

»Schlagt an – Feuer!« kommandirte er, zur Seite springend, den Musketieren hinter ihm.

Eine volle Decharge krachte aus hundert Läufen.

»Stürmt!« rief Moret unmittelbar hieran und stürzte mit gezücktem Degen auf den Verhau los.

Von Latil, dem Mönche und der königlichen Mannschaft war nichts zu sehen.

»Rette sich, wer kann!« erscholl es plötzlich in der Ferne aus ein paar tausend Kehlen.

Die anstürmenden Musketiere, welche dem Verhaue bereits auf zwanzig Schritte nahegekommen waren, stutzten und hielten im Laufe inne.

»Vorwärts, vorwärts!« riefen Moret und Pisani, und um den Unschlüssigen Muth zu machen, stellten sie sich an die Spitze und schritten dem Verhaue muthig näher.

»Rette sich, wer kann!« erscholl es neuerdings, und in die Rufe der wildesten Verzweiflung mischte sich das Geschrei: »Montmorency ist todt, Montmorency ist gefangen, Alles verloren; rettet Euch, rettet Euch!«

Morets Fähnlein und das nachrückende Gros des linken Flügels wandte sich jetzt wie ein Mann zur Flucht.

Zu spät gewahrten Moret und Pisani, daß man die Aufgabe, den Verhau zu stürmen, ihnen allein übrig gelassen.

»Zurück! Zurück!« schrie Pisani, der zuerst gewahrte, daß das Fähnlein hinter ihnen das Fersengeld gegeben.

Aber sowohl für ihn als den Grafen von Moret war es zur Flucht zu spät geworden.

Der Verhau öffnete sich auf drei Seiten auf einmal; über vierzig königliche Arquebusiere stürzten hervor. In einem Augenblicke war Moret zu Boden geworfen und gebunden. Der bucklige Marquis suchte nun in der schleunigsten Flucht sein Heil, aber mit wahren Löwensprüngen hatte ihn Latil in der nächsten Minute ein und zwang ihn zum Stehen.

»Ich könnte Euch niederschießen lassen wie einen Hund, « rief der Gascogner vor Zorn glühend, »aber ich bin kein Meuchelmörder wie Ihr; ich will Euch die unverdiente Ehre gönnen, als Edelmann zu fallen.«

Der Marquis von Pisani knirschte mit den Zähnen. An ein Entrinnen war nicht zu denken. Er stellte sich also zur Wehre.

Latil, der an seiner Fechtkunst nichts eingebüßt hatte, machte es kurz. Auf den ersten Ausfall durchbohrte er seinem Gegner die linke Schulter. Pisani stöhnte vor Schmerz, Latil hätte ihm jetzt leicht den Garaus machen können. Statt dessen ließ er ihm aber einige Sekunden Zeit, sich wieder zu sammeln.

Der Marquis, welcher,begriff, daß es der Gascogner auf sein Leben abgesehen hatte, wollte es so theuer als möglich verkaufen.

Aber was vermochte er, nach dazu vom Blutverluste bereits merklich erschöpft, gegen die überlegene Kraft und Gewandtheit des routinirten Klopffechters, der den Kampf absichtlich in die Länge zog, um die Leiden seines Opfers zu verlängern.

Endlich nach zehn Minuten machte Latil den letzten Ausfall.

Pisani, von des Gascogners Klinge mitten durchs Herz getroffen, stürzte, ohne einen Laut von sich zu geben, zu Boden.

Der Stammhalter der Familie Rambouillet war augenblicklich eine Leiche. – Die unehrenhafte, hinterlistige Weise, in der er sich vor vier Jahren gegen Latil in Meister Soleil's Wirthschaft »zum gefärbten Barte« betragen, läßt uns sein gewaltsames Ende gewissermaßen als die Sühne eines begangenen Verbrechens erscheinen.

Latil steckte ruhig seinen blutgefärbten Degen in die Scheide und kehrte zur Gruppe zurück, in deren Mitte der Graf von Moret als Gefangener sich befand.

Der Gascogner salutirte ehrerbietigst vor dem Sohne Heinrichs IV. und sagte:

»Wenn Monseigneur mir sein Ehrenwort gibt, keinen Fluchtversuch zu machen, so werden diese eines Anton von Bourbon unwürdigen Fesseln sogleich beseitigt sein«

Der Graf van Moret blickte lange vor sich hin, in ernstes Schweigen versunken. Als aber die Siegesfanfaren der königlichen Truppen von allen Seiten erschallen und die fliehenden Colonnen des Rebellenheeres in der Ferne nur mehr wie dunkle Linien erschienen, wandte sich der Graf tief – aufseufzend zu Latil und sprach:

»Ich gebe Euch hiermit das verlangte Ehrenwort.«

Der junge Capuzinermönch, der in der Nähe stand und die ganze Zeit übers den Grafen mit glühenden Blicken starr betrachtet hatte, stürzte auf Moret und löste ihm die Fesseln.

Dieser blickte erstaunt auf den Mönch, den er erst jetzt gewahrte, und sagte mit Resignation:

»Also so schnell soll es mit mir abgethan werden, daß Ihr bereits den Mönch für meinen letzten Gang in Bereitschaft habt?«

»Oho!« lachte Latil, »aber müßte der Kopf des lügnerischen Hundes, der hier vor Euch steht, fallen, bevor dem Sohne meines großen Heinrich auch nur ein Haar gekrümmt würde.«

»Wie, der Cardinal trachtet mir nicht nach dem Leben?« rief der Graf von Moret ebenso erstaunt als ungläubig.

»Fällt ihm nicht ein« entgegnete Latil sehr bestimmt, aber kurz, weil er befürchtete etwa zu viel zu sagen.

»Welche Strafe steht mir bevor?« frag der Graf von Moret, der sich schon für einen verlorenen Mann gehalten, neu auflebend.

»Die Strafe überläßt Seine Eminenz Euch, Monseigneur!«

»Mir, wie so?«

»Der Cardinal,« entgegnete Latil ruhig und ein ungewöhnlicher Ernst spiegelte sich in seinen Mienen, »der Cardinal hegt eine viel zu gute Meinung von Euch, Monseigneur, um nicht vorauszusetzen, daß das Bewußtsein der Schmach. sich mit den Feinden Frankreichs liirt zu haben, in Euch bei zweckmäßiger Gestaltung Eurer künftigen Verhältnisse sehr bald erwachen müsse, und die Gewissensbisse darüber für einen Sohn des großen Königs die ärgste Strafe sein werden.«

»Und was versteht Seine Eminenz unter einer zweckmäßigen Gestaltung meiner künftigen Verhältnisse?« begann der Graf von Moret in fieberhafter Spannung.

»Daß Ihr, Monseigneur, für längere Zeit den Einflüssen der sündigen Welt entzogen und in den moralischen Betrachtungen, welche Eure Strafe bilden sollen, nicht gestört werdet.«

»In welchen Kerker habt Ihr mich abzuführen?« frag der hohe Gefangene, mit dumpfer Ergebung in sein Schicksal.

»Monseigneur!« rief Latil, »Ihr seid heute sehr schwarzseherisch gelaunt; zuerst hattet Ihr Visionen van Galgen und Rad und jetzt spiegelt Euch Eure lebhafte Phantasie etwas von Hals- und Fußeisen vor; so schlimm ist es um einen Anton von Bourbon nicht bestellt, so lange ein Richelieu die Geschicke Frankreichs lenkt.«

»So sprecht endlich, was hat man mit mir vor?« erwiderte ungeduldig der Gefangene.

»Bis auf Weiteres, Monseigneur, « sagte Latil ruhig, »werdet Ihr die Gastfreundschaft der ehrwürdigen Capuziner in Toulouse in Anspruch nehmen, und dieser junge Mönch hier wird dahin Euer Führer sein. Meine Aufgabe ist Euch gegenüber gelöst und, da Ihr Euer königliches Ehrenwort gabt, nicht zu entfliehen, könnt Ihr die übrigen Personen Eurer Escorte selbst bestimmen.«

»Ich will vorläufig für todt gelten in dieser Welt,« murmelte düster der Graf von Moret, »und wenn eine Bitte mir gestattet ist, so sprengt das Gerücht aus, daß ich gefallen bin.«

 

»Dann hegt Ihr wohl keinen Widerwillen, Euch mit dieser Kutte schon hier zu maskiren?«« frug Latil lauernd und reichte dem Gefangenen das braune Ordensgewand eines Capuzinermönchs.

Der Graf von Moret riß sich sein goldgesticktes Wams vom Leibe, warf sich in die Kutte und nachdem er sein Antlitz tief in die Capuze verhüllt hatte, bestieg er den Gaul, welchen ihm Latil verführen ließ.

V.
Montmorency's Ende

Als Montmorency in die Hände der königlichen Truppen gefallen war und wieder zur Besinnung kam, dachte er an den Tod und bat um einen Geistlichen. Dann zog er einen Ring von dem Finger und ersuchte, denselben seiner Gemahlin zu senden.

Nach auf dem Schlachtfelde nahm man ihm die Rüstung ab, was ihm eine große Erleichterung verschaffte. Dann trug man ihn in dasselbe Haus, welches er des Morgens so wohlfeilen Kaufes mit Sturm genommen. Ein Wundarzt verband ihm seine Wunden. Hierauf wurde er nach Castelnaudary geschafft.

In diesem Orte mußte er durch mehrere Wochen zurückgelassen werden, bis sein leidender Zustand seinen Weitertransport gestattete.

Inzwischen hatte der König den Gerichtshof von Toulouse zur Untersuchung des letzten Aufruhrs delegiert.

Richelieu hielt den bevorstehenden Proceß für so wichtig, daß er Ludwig XIII. Bestimmte, an der Spitze einer kleinen Armee sich persönlich nach Toulouse zu begeben.

Der Cardinal hatte aber hierbei mehrere Nebenabsichten. Erstens wollte er, daß der König sich durch die Reise etwas zerstreue, denn die Ereignisse der letzten Zeit hatten wieder sein Gemüth sehr verdüstert, zweitens wurde der Etappenmarsch mit der den König escortirenden Armee von Richelieu sehr fleißig dazu benützt, die Köpfe der Unzufriedenen in allen jenen Gegenden, durch die man kam, so ganz en passant nach einem sehr summarischen Verfahren schockweise abschlagen zu lassen, endlich durfte der erste Minister hoffen, daß der König in Toulouse weit weniger den Agitationen zur Begnadigung Montmorencys ausgesetzt sein werde, als in Paris, und Richelieu hielt es für unbedingt nothwendig, daß dieses Mal zur Abschreckung vor ähnlichen Aufständen wie der letzte nicht nur viel, sondern auch edles Blut fließe. Vom Cardinale aus war daher der Herzog Heinrich II. von Montmorency bereits von der Stunde an gerichtet, als dieser den Vermittler La Valette unverrichteter Dinge nach Paris reisen ließ.Einen noch weiteren und sehr triftigen Grund, der es Richelieu wünschenswerth machte, der Stadt Toulouse persönlich einen Besuch abzustatten, werden wir später kennen lernen.

Am 22. October 1632 traf endlich der Herzog von Montmorency in Toulouse ein. Der König« welcher mit dem Cardinal fast gleichzeitig dort angekommen war, erließ am 25. October das königliche Patent, welches das Parlament von Toulouse beauftragte, Mantmorency's Proceß zu instruiren.

Am 27. wurde der Herzog bereits den Richtern vorgeführt.

Anfangs bestritt er die Competenz des für ihn bestellten Gerichtshofes, da es nur den Pairs von Frankreich zustehe, über ihn zu Gericht zu sitzen.

Aber noch in demselben Verhöre annullirte er seine kurz zuvor eingelegte Verwahrung mit den Worten:

»Was hilft es mir, um mein Leben zu feilschen? Ich würde in Paris ebenso gut zum Tode verurtheilt werden, wie hier.«

Als er nach diesem ersten Verhöre in seine Gefängnißzelle zurückkehrte, schnitt er seinen Bart ab und schickte ihn seiner Frau.

Binnen zwei Tagen war der ganze Prozeß des Herzogs von Montmorency zu Ende geführt. Das Urtheil lautete, wie es leicht vorausgesehen werden konnte, auf Tod durch Enthauptung.

Bevor wir mit dem weiteren Verlaufe des tragischen Endes des Herzogs von Montmorency uns beschäftigen, wollen wir uns wieder etwas nach Monsieur umsehen, der bei Castelnaudary eine neuerliche so glänzende Probe seiner Tapferkeit abgelegt hatte.

Als er den unglücklichen Ausgang der Schlacht erfuhr, geberdete er sich wie unsinnig und erging sich in den gröbsten Schmähreden über Montmorency und alle seine übrigen Generäle.

In seiner Kopflosigkeit wäre er in Castelnaudary beinahe auf ein Haar den königlichen Truppen in die Hände gefallen; der Geistesgegenwart des Marschall Rieux, der nach Montmorencys Fall durch ein halbes Wunder der Gefangenschaft entging und dem Herzoge Gaston von Orleans die Kunde von der ganzen Größe des hereingebrochenen Unglücks zuerst überbrachte, gelang es jedoch Monsieur, sich auf Umwegen nach dem von Castelnaudary nur einige Meilen entfernten Beziers zu retten.

Beziers liegt im heutigen Departement Herault, in einer der schönsten und fruchtbarsten Gegenden des südlichen Frankreichs, auf seiner Anhöhe am linken Ufer der Orde, über welche eine lange steinerne Brücke führt, ein wahres Meisterwerk der Baukunst. Der Languedoc-Canal verbindet Beziers mit Cette und dem mittelländischen Meere. Eine Merkwürdigkeit von Beziers ist eine aus der Römerzeit stammende Wasserleitung, welche aber nicht die Bestimmung hatte, Wasser zuzuführen, sondern Wasser fortzuschaffen, indem sie nämlich zur Austrocknung des Sumpfes und Sees von Montady diente, den sie in ein höchst fruchtbares Land verwandelt hat. Der eigentliche Gründer von Beziers ist Julius Cäsar, welcher in Biterrae, so hieß es dazumal und gehörte zum Gebiete der Tectosagen, die siebente Legion stationirte, wovon es den Beinamen Septimanorum erhielt. Ueber ein Jahrhundert, und zwar bis zum Jahre 732 nach Christi Geburt, befand Beziers sich im Besitze der Saracenen. Carl Martell vertrieb sie zwar, zerstörte aber auch die Stadt, damit die Mauren sich nicht wieder in ihr festsetzen könnten. Zur Krone Frankreichs gehörte Beziers seit 1258, nämlich seit es der Graf von Barcellona an Ludwig IX. Abtrat. Die Albigenser erhoben Beziers zu ihrer Hauptstadt; bei dem ersten Kreuzzuge gegen dieselben (1209) wurden alle Einwohner niedergemacht. In den nachfolgenden bürgerlichen und Religionskriegen wurde Beziers noch öfters verheert, aber dessen äußerst günstige Lage zog immer wieder neue Colonisten dahin. Bischöfe von Beziers gab es schon sehr frühe und zählt dermalen diese Stadt mit nicht ganz 19.000 Einwohnern zwölf große Kirchen. Synoden und Kirchenversammlungen wurden in Beziers abgehalten: 356 wegen der Arianer, 1233 und 1255 gegen die Albigenser und andere sogenannte Ketzer, 1279, 1280, 1299 und 1351 in verschiedenen kirchlichen Zänkereien.

Beziers war eine von den wenigen Städten, welche für Monsieur entschieden Partei ergriffen hatten. Dabei kamen aber keineswegs große Sympathien für den Bruder Ludwigs XIII. ins Spiel, sondern der Haß gegen die französische Herrschaft überhaupt trieb diese Stadt zur Empörung. Zur damaligen Zeit gab es noch keinen französischen Nationalgeist von heute. In Süden, und zwar namentlich in der Provence, in der Languedoc, in Ravarra, in der Bretagne, galt Frankreich mehr für einen geagraphischen Begriff als für einen wirklich existirenden Einheitsstaat, diesem Ideale Richelieu's, das erst Ludwig XIV. zu verwirklichen vermochte, denn diese Länder konnten den Verlust ihrer einstigen Souveränität nach immer lange nicht verschmerzen. Selbst die französische Sprache war zu jener Zeit in den genannten Provinzen nach keineswegs allgemein verbreitet.

Gaston von Orleans, aller Mittel entblößt, würde in Beziers am Nothwendigsten Mangel gelitten haben, wenn nicht diese Stadt für seinen Unterhalt Sorge getragen. – Die Bürger von Beziers rüsteten sich indessen, um im Vereine mit den Paar hundert Landsknechten, die vom versprengten Rebellenheere sich dahin geflüchtet hatten, Stadt und Citadelle mannhaft zu vertheidigen. – Sie schwuren, sich eher unter dem Schutte ihrer Häuser zu begraben, bevor sie den Truppen des Königs die Thore öffnen würden.

Sich ein solches Mausoleum zu setzen, überhaupt zu fechten, zu sterben, war durchaus nicht nach Monsieurs Geschmack. – Er schickte deshalb im geheimen Unterhändler zum Könige, um für seine Person zu parlamentiren. Was mit seinen Anhängern geschah, war ihm natürlich ganz gleichgültig. Für Montmorency verwendete er sich bei dieser Gelegenheit nur einmal, und zwar blos der Form wegen, denn es freute ihn sogar, daß der Herzog, welcher ihm in all und jedem sein geistiges und moralisches Uebergewicht fühlen gelassen, jetzt so recht in der Tinte saß. – Wärmer nahm er sich für Rieux, Pay-Laurent, Coigneaux und Andere, die zu Beziers in seiner nächsten Umgebung sich befanden, an, aber auch nicht aus Besorgniß um deren Heil, sondern weil er wußte, daß diese Herren ihn scharf im Auge behielten und seine Flucht aus Beziers verhindert haben würden. – Auf diese Flucht sann er Tag und Nacht, denn in Beziers wurde ihm bereits sehr schwül in Folge der tapferen Haltung von dessen Bürgern, und bei einem Kampf auf Leben und Tod mitzuthun, widerstrebte ganz und gar seiner feigen Natur.

Der König bewilligte in der That seinem Bruder und dessen ganzem Gefolge freien Abzug aus Beziers und wies ihm Tours bis auf Weiteres zum Aufenthalte an. – Bei Erhalt dieses Pardon geberdete sich Monsieur unsinnig vor Freude, wie ein Schulbube, welchem die wohlverdiente Ruthe für diesmal geschenkt wird.

Monsieur und sein ganzer Hofstaat verließen Beziers unter dem Verwende einer Recognoscirung, da sich in der Nähe ein ganzes Regiment königlicher Cavallerie zeigte.

Die Bürger von Beziers freuten sich über diesen mannhaften Entschluß Gastons; aber in Wuth und Verzweiflung brachen sie aus, als sie zu spät inne wurden, daß die königliche Cavallerie nur erschienen war, um Monsieur und seinem Gefolge als Escorte nach Tours zu dienen. – Eine Weile unschlüssig, ob sie etwa jetzt ihre Unterwerfung unter die königliche Autorität anzeigen sollten, wurden sie von dieser jedenfalls klugen Maßregel durch spanische Agenten abgehalten, welche ihnen die Hilfe Spaniens zusicherten. In der That landeten auch bald darauf in Cette einige wohlausgerüstete Fähnleins Spanier, welche zugleich namhafte Vorräthe an Munition und Proviant mit sich nach Beziers brachten. Das Schicksal dieser unglücklichen Stadt war hiermit entschieden.

Richelieu, zur Stunde auf zu vielen Seiten beschäftigt, ließ vor der Hand das rebellische Beziers unbehindert, aber wenige Monate darauf, im März 1633, erschien plötzlich Schomberg vor dieser Stadt mit vielen schweren Geschützen. Nach tapferer sechs wöchentlicher Vertheidigung war die Citadelle zu Beziers in Schutt verwandelt, die Stadt selbst gestürmt.Eine schwere Züchtigung erlitt der Rest der rebellischen Bürgerschaft, von welcher ohnehin mehr als zwei Drittheile bereits im Kampfe gefallen waren. – Die sämmtlichen Befestigungen Beziers wurden geschleift. Seit dieser Zeit spielte Beziers bei den Aufständen im Süden nie mehr eine hervorragende Rolle.

Auf dem ganzen langen Wege von Beziers bis nach Tours war Monsieur zum »Ritter von der traurigen Gestalt« verurtheilt. Er stand unter der allerstrengsten Bewachung der ihn begleitenden königlichen Reiter, und in den Städten, die man passirte, konnte er mit eigenen Ohren die lautete und kernigen Lobreden über seine Tapferkeit und seine sonstige ehrenhafte Haltung vernehmen.

Auf ausdrücklichen Befehl des Königs durften ihm nirgends die einem Prinzen des königlichen Hauses gebührenden Ehrenbezeigungen geleistet werden.

Monsieur kam in Tours fast zur selben Zeit an, als der Proeeß von Montmorency seinem tragischen Schlusse nahte, und mit diesem wollen wir uns jetzt weiter beschäftigen.

Der Herzog benahm sich in den weiteren zwei Verhören, die er noch zu bestehen hatte, ebenso würdevoll, als er sich mit christlicher Demuth in sein Schicksal fügte.

Auf die Frage, ab er die Größe seines Verbrechens erkenne und ab er bereit sei, Gott und den König deshalb um Vergebung anzuflehen, erwiderte er:

»Wenn der-König mich begnadigt, werde ich ihm besser dienen als je, und ich wünsche nichts sehnlicher als den Rest meines Lebens und meines Blutes seinem Dienste weihen zu können, um auf diese Weise gut zu machen, was ich begangen habe.«

Als er sein Todesurtheil vernommen, zeigte er keinerlei Bestürzung oder Unruhe. – Er sprach mit seinen Freunden, schrieb an seine Gattin, brachte alle seine Angelegenheiten in Ordnung und nahm von seinen Dienern Abschied.

In dem Briefe an seine Gattin ersuchte er selbe, drei Gemälde an drei bezeichnete Personen zu schenken, unter denen seltsamer Weise, auch Richelieu sich befand.

Es fehlte nicht an Verwendungen von allen Seiten, um wenigstens Montmorencys Lebens zu retten. Umsonst riefen seine Gemalin und seine Schwester, die Prinzessin von Condé, des Königs Gnade persönlich an.

Beide wurden mit harten Worten abgewiesen. Keine Gnade!

Denn ein unglücklicher Zufall versteinerte Ludwigs XIII. Herz gegen alle Bitten zu Gunsten Montmorency's.

 

Dieser trug nämlich am Arme ein seines Goldbracelet mit einem Medaillon in der Mitte. In diesem Medaillon befand sich en miniature das wohlgetroffene Porträt der – Königin Anna. – Auf welche Weise der Herzog zu diesem Schmucke gekommen war, weiß Niemand. Wir haben jedoch bereits früher erwähnt, daß Montmorency vor der Buckingham-Affaire in Anna von Oesterreich verliebt gewesen sei und seine eigene Gemahlin in letzterer Zeit diese eingeschlafene Leidenschaft in ihm absichtlich wieder wachgerufen habe.

Wenige Tage bevor der König in Toulouse eintraf, wurde Montmorency unglückseliger Weise von seinen Gefangenenwärtern bei der Betrachtung des geöffneten Medaillons überrascht; man nahm es ihm ab und meldete den Vorfall dem Könige.

Von dieser Stunde an hatte Ludwig XIII. auf alle Gnadengesuche, die für den Herzog von Montmorency einliefen, blos die eine Antwort:

»Mein Bruder muß bestraft werden.«

Eine seltsame Art, Gaston von Orleans dadurch zu strafen« daß man dem Herzog von Montmorency den Kopf abschlug.

Cardinal Richelieu fühlte im letzten Augenblicke für den Verurtheilten ein menschlich Rühren, obwohl auch er bisher all den Bittstellern entgegnete: »Ein Christ muß die erlittenen Beleidigungen verzeihen, aber ein Minister hat die Pflicht sie zu ahnden.«

Er wollte einen Mittelweg einschlagen, nämlich das Urtheil über den Herzog aufrecht erhalten, aber die Hinrichtung bis auf Weiteres – vielleicht sogar ad calendas graecas – verschieben. – Der König, der doch fast in Allem von Richelieu beschwatzt werden konnte, blieb unerschütterlich, denn er lechzte seit ein paar Tagen nach dem Blute Montmorency's, dem er vielleicht noch zehn Hochverrathe, nicht aber die vermeintliche Kränkung seiner ehelichen Rechte zu verzeihen vermochte.

Das Einzige, was der Cardinal erreichen konnte, war die Nachsicht der Güterconfiscatian, wodurch der Familie von Montmorencys ein namhaftes Vermögen erhalten blieb.

Montmorency erbat sich, nachdem er sein Urtheil vernommen, sogleich einen Geistlichen. Dieser erwirkte, ohne Wissen des Verurtheilten, auf Andringen seiner Familie einen Aufschub der Hinrichtung von vierundzwanzig Stunden unter dem Vorwande, der Herzog sei noch nicht hinlänglich zum Tode vorbereitet.

Der alte Herzog von Epernon wagte einen letzten Versuch. Dieser hochbetagte Greis kniete vor dem Könige nieder und bat ihn, dem Montmorency zu verzeihen. Der König drehte sich halb zur Seite und sagte nach einer langen Pause in sehr barschem Tone:

»Geht, geht!«

Epernon, noch immer auf den Knien liegend, faltete flehend die Hände.

»Geht, bei Gott ist Gnade! wiederholte der König und stampfte wüthend mit dem Fuße.

Epernon ging. Jedermann sah es klar ein, daß der Verurtheilte nur durch ein Wunder gerettet werden konnte.

Das Einzige, was Ludwig XIII. noch bewilligte, war, daß die Enthauptung des Herzogs statt auf öffentlichem Platze im Hofe des Rathhauses von Toulouse vollzogen werden dürfe.

Montmorency legte ein Gewand von weißer Leinwand an und als man ihn zum letzten Gange abholte, warf man ihm einen alten Soldatenmantel über und gab ihm ein Crucifix in die Hand. So führte man ihn in die Capelle. Am Altare kniete er nieder, betete und hörte die zweite Verlesung seines Urtheils an. – Nachmals machte man in dieser letzten Stunde einen Versuch bei dem Könige, der aber als Erwiderung dem Henker den Befehl sandte, sich zu beeilen.

Montmorency ließ sich die Hände binden und die Haare abschneiden, die er nach damaliger Sitte lang trug. Dem Henker empfahl er Sorge zu tragen, daß sein Kopf nicht auf die Erde rolle; dann schritt er aus der Capelle in den Hof, wo das Schaffot aufgebaut war, stieg festen Schrittes die Stufen hinan, kniete nieder und legte sein Haupt auf den Block.

»Ueber dem Block,« so lautet der Bericht eines Augenzeugen, »hing eine Art Breitbeil zwischen zwei Brettern an einem Stricke, an welchem es heruntergelassen wurde. Da es aber nicht gut hing, sagte Montmorency zum Henker: »Wartet einen Augenblick.« – Nach diesen Worten ließ er das Fallbeil anders stellen, winkte dann, daß er bereit sei und rief: »Mein Gott« nimm meine Seele auf!« Das Beil wurde losgelassen und der Kopf war vom Rumpfe getrennt.

So weit der Bericht eines Augenzeugen, der uns belehrt, daß die Guillotine der ersten Revolution keine neue, sondern höchstens eine verbesserte Erfindung ist.

Sobald der Kopf gefallen war, öffnete man die Thore des Rathhauses und das Volk drang in Schaaren ein.

Der Herzog von Montmorency zählte, als er auf eine so tragische Weise endigen mußte, erst achtunddreißig Jahre, denn er war am 30. April 1595 in Chantilly geboren, nämlich in dem Stammsitze des berühmten Hauses Condé an der Nonnette im Departement Oise. Von dem Schlosse und dem einst prachtvollen Parke ist noch ein Theil erhalten. In der großen Revolution des vorigen Jahrhunderts wurde fast das ganze Besitzthum auf wahrhaft vandalische Weise zerstört, darunter auch der merkwürdige Marstall für 250 Pferde, welcher ein wahres Weltwunder der Baukunst gewesen sein mag. Beim Abbruche der Schloßcapelle fand man den Leichnam des edlen Admirals von Coligny, der hier, nachdem er vom Galgen von Mantfaucon abgeschnitten worden war, seine letzte Ruhestätte fand. Mit Herzog Heinrich II. von Montmorency starb die ältere Linie dieses an großen Helden so reichen Hauses aus.

Seine Frau zog sich nach Maulins in ein Kloster zurück, wo sie ihrem unglücklichen Gemahl, an dessen frühem Tode ihre politischen Intriguen wohl die Hauptschuld trugen, ein prachtvolles Monument errichten ließ. Ihre Reue und ihr Schmerz waren ebenso grenzenlos als lange, denn sie verstarb erst am 5. Juni 1666, verbrachte also fast dreiunddreißig Jahre in dein selbstgewählten Asyle ihrer bitteren Leiden.