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Der Pastor von Ashbourn

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V.
Der Ansang meiner Geschichte

Es giebt in dem Leben jedes Menschen eine Stunde höchster Freude, in welcher er, da er fühlt, daß Gott ihm nicht mehr bewilligen kann, ihn bittet, nicht mehr, daß er das Glück ihm nähere, sondern daß er das Mißgeschick von ihm entferne.

Das war das Gebet, welches ich an den Allmächtigen an dem Tage richtete, an welchem ich meine Jenny zur Kirche führte.

Der würdige Pastor traute uns selbst, und er nahm zu der Rede, die er uns hielt, denselben Text, den ich fünf Wochen vorher zum Texte meiner Predigt genommen hatte: »Und der Herr sagte zu Rahel: Du sollst Deinen Vater und Deine Mutter verlassen, um Deinem Gatten zu folgen.«

Vielleicht wäre die Stimme des guten Pastors weniger sanft gerührt gewesen, wenn diese Trennung, auf welche er anspielte, erheblicher gewesen wäre. Diese Trennung, von der wir bedroht waren, war in der That keine große, da, wenn diese Trennung zu schmerzlich wurde, drei Viertelstunden Weges hinreichten, um sie aufhören zu lassen.

Ich kehrte als Sohn in dieses Pfarrhaus zurück, in welchem ich als Freund aufgenommen worden war; ich kehrte als Gatte in dieses jungfräuliche Zimmer zurück, in welches ich als Bruder eingetreten war.

Es war verabredet, daß am folgenden Tage an mir die Reihe sein sollte, meine geliebte Jenny in meinem Hause zu empfangen. Seitdem unsere Verheirathung beschlossen worden war, bereitete ich diesen Empfang vor. Ich hatte meiner Frau dieses reizende, der Sonne geöffnete und auf das Feld gehende kleine Zimmer bestimmt, aus dem ich, bevor ich sie kannte, mein Arbeitszimmer gemacht, und von dessen Fenster aus ich sie zum ersten Male erblickt hatte. Als diese Bestimmung getroffen, faßte ich den Entschluß, dieses kleine Zimmer ihrer würdig zu machen, und indem ich alles das zu Hilfe rief, was mich mein armer Vater vom Zeichnen hatte lehren können, unternahm ich es, dieses Zimmer in Fresko nach der Weise der französischen Maler, das heißt mit Blumenguirlanden und mit Früchten, Altären für den Gott der Ehe, girrenden Tauben, kurz mit allen den Sinnbildern auszumalen, welche auf die Lage anwendbar waren.

Dieses Unternehmen war keine geringe Aufgabe für mich und die Arbeit war lang und schwierig gewesen; glücklicher Weise hatte ich, da ich mit Wasserfarben und nach der Art der Theatermaler malte, des Nachts malen können; den Tag widmete ich gänzlich meinen Pflichten als Pastor und meinen Besuchen bei Jenny. Nur ereignete es sich zuweilen, daß ich, nachdem ich einen Theil der Nacht über gemalt und mich vollkommen zufrieden mit meiner Arbeit zu Bett gelegt hatte, am folgenden Morgen beim Erwachen bemerkte, daß ich grün für blau, gelb für weiß, und umgekehrt angewendet hatte: dann mußte ich Alles von Neuem anfangen; aber ich fing wieder an, um eine Arbeit zu ihrer Vollkommenheit zu bringen, die ich für Jenny unternommen hatte, und das unterstützte mich bei diesem langwierigen, aber reizenden Werke.

Am Abend vor unserer Verheirathung hatte ich die letzte Hand an den Altar des Gottes Hymen und an zwei Tauben gelegt, welche lustig darüber spielten; ich hatte meinen Blumen und Früchten den letzten Pinselstrich gegeben, und sehr zufrieden mit mir, hatte ich mir im Voraus eine Freude aus der Ueberraschung und der Dankbarkeit meiner theueren Jenny gemacht, wenn sie ein Talent an mir entdecken würde, das sie nicht an mir kannte, und sähe, daß ich dieses Talent dem Verlangen gewidmet hätte, ihr ein Vergnügen zu machen.

Der übrige Theil der Möbeln war in Nottingham angefertigt worden; sie bestanden aus einem hübschen Kanapee von geflochtenem Rohr mit weißem Barchent überzogen, aus zwei Sesseln von geblümtem Zeug, und einer kleinen nach der des Schlafzimmers von Wirksworth gearbeiteten Toilette.

Was den Fußboden anbelangt, so war er von Tannenholz, dessen beständige Sauberkeit man mit einer Lage Sand erhalten konnte.

Ich muß sagen, daß ich. da ich noch nicht das erste Vierteljahr meines Gehaltes bezogen hatte, um alle meine Einkäufe zu machen, gezwungen gewesen war, meine Zuflucht zu der Gefälligkeit meines Wirthes, des Kupferschmiedes, zu nehmen, der den herzlichsten Antheil an dem mir begegneten Glücke genommen, und der auf der Stelle seine Kasse zu meiner Verfügung gestellt hatte. Wie Sie wohl begreifen werden, mein lieber Petrus, hatte ich sein Vertrauen nicht mißbraucht, und mit sechs Guineen die unentbehrlichsten Ankäufe bestritten.

Aber ich habe Ihnen versprochen, mich so zu schildern, wie ich war, mein lieber Petrus. Ich weiß nicht, welche falsche Scham mich in dem Augenblicke meiner Verheirathung zurückhielt; ich wagte nicht, den wackeren Mann zu der Hochzeit einzuladen, eine Unterlassung, von der er gegen mich niemals sprach, und die er in seiner bewunderungswürdigen Bescheidenheit ohne Zweifel ganz natürlich fand.

Dem war nicht eben so mit mir; mehr als ein Mal warf ich mir diese Unterlassung vor, ohne den Muth zu haben sie wieder gut zu machen.

Das Haus war also bereit, seine neue Wirthin zu empfangen. Seit acht Tagen putzte die Tochter des Magisters die Möbeln, scheuerte das kupferne Küchengeschirr und stäubte die Vorhänge ab. Man hatte Blumen in alle Töpfe und alle Flaschen gestellt, und die von der Morgendämmerung an geöffneten Fenster hatten bis in die dunkelsten Winkel Lust, Licht und Wohlgerüche dringen lassen.

Wir umarmten den guten Herrn Smith und seine Frau; hierauf entschlüpften wir auf den Hof, um Abschied von unseren Hühnern, unseren Enten und unseren Tauben zu nehmen; wir gaben Fidel die Freiheit, um aus ihm den Gefährten unseres Weges und den Zeugen unseres Glückes zu machen; wir erreichten den Garten; Jenny gab den Rosen. ihren Schwestern, den Abschiedskuß, und es schien mir. daß die schmeichelnden Blumen eben so viel Raum zurücklegten, um ihren Lippen entgegenzukommen, als ihre Lippen, um sie zu finden; nach ihr küßte ich gleichfalls die, welche ihr Mund berührt hatte. Auf diese Weise gelangten wir an das Ende des Gartens. Das Schwarzköpfchen befand sich in seinem Dickicht mit seiner geflügelten Familie, fünf Jungen, die mit den Flügeln schlugen und von Zweig zu Zweig um ihre Mutter herumhüpften. Hierauf gingen wir auf die Wiese; wir schlugen denselben Weg ein, den wir fünf Wochen vorher eingeschlagen hatten; ich erkannte an dem Fuße der großen Weide die Stelle, wo ich Jenny gesagt hatte, daß ich sie liebte; ich führte sie an denselben Ort, wo ich ihr dieses Geständnis; abgelegt; ich sank von Neuem vor ihr auf die Knie; nur war es dieses Mal nicht mehr ein Geständniß. das meinem Munde entschlüpfte: es war ein Schwur, der Schwur sie immer zu lieben, der aus meinem Herzen kam!

Bevorrechtigte, wie wir waren, legten wir auf diese Weise den fröhlichen Weg des Glückes wieder zurück, den man so selten wieder zurücklegt, und auf diesem Weg fanden wir jene Spur wieder, die so schnell verschwindet, – die Schritte des glücklichen Menschen.

Im Garten hatte ich die Blumen geküßt, welche der Mund Jenny’s berührt hatte; dort küßte ich die Erde, die ihr Fuß betreten hatte.

Nun gingen wir über eine zitternde, über den kleinen Bach geworfene Brücke, von der einen Seite der Wiese auf die andere, um die Straße wieder zu erreichen, auf welche wir gelangten, nachdem wir die Runde um das Haus gemacht.

Wir schritten vergnügt nebeneinander, Jenny’s Arm aus den meinigen gestützt, als das Rollen eines Wagens, de r hinter uns kam, unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Wir traten zur Seite, um diesen Wagen zu vermeiden, aber bei uns angelangt hielt er, und zwei aus demselben Schlage hervorgestreckte Köpfe sprachen, der eine den Namen Jenny, der andere den Mademoiselle Smith aus.

Ich kannte keinen von ihnen, aber Jenny kannte sie Beide. Es waren ein Mann und eine Frau.

Die junge Frau war dieselbe Demoiselle Rogers, noch deren Kleidern Madame Smith sich gerichtet hatte, um Jenny jenes Kostüm machen zu lassen, das unser kaum aufblühendes Glück beinahe zerstört hätte.

Der vierzigjährige Mann war Herr Stiff, der Haushofmeister des Grafen von Alton.

Die junge Frau hatte in ihrer ganzen Person etwas Steifes, Geziertes und Hochmüthiges.

Der vierzigjährige Mann bot auf den ersten Blick alle Abstufungen der Albernheit und der Einfalt, von der feinsten bis zur gröbsten.

Beide hatten Jenny erkannt und den Wagen halten lassen, um sie, nicht aus Freundschaft, sondern aus Stolz zu grüßen; es war augenscheinlich, daß sie sich freuten, den demüthigen Fußgängern den glänzenden Wagen zeigen zu können, in welchem sie reisten. Unglücklicher Weise deutete eine an den Schlag gemalte Grafenkrone an, daß der Herr Haushofmeister sich in dem Wagen seines Herrn brüstete. Ohne Zweifel hatten sie gehofft, daß wir diesen Umstand nicht bemerken würden, und. ich muß es sagen, ich bemerkte ihn in der That allein; Jenny achtete nicht darauf.

Man machte den Schlag auf.

– O! Sie sind es, liebe Kleine, sagte die junge Frau. Wie ich mich freue. Sie zu sehen! Kommen Sie doch, mich zu umarmen!

Jenny näherte sich, stieg auf den Kutschentritt, den ein Livree-Bediente herabschlug, und Madame Stiff berührte mit den Spitzen ihrer Lippen Jenny’s Stirn.

Durch einen ziemlich sonderbaren Zufall hatten sie sich nicht allein an demselben Tage, sondern auch zu derselben Stunde verheirathet, wie wir. Mademoiselle Rogers nannte sich seit vorigem Tage Madame Stiff.

Die Erklärung fand gerade in diesem Augenblicke statt, und wir erfuhren auf diese Weise das Zusammentreffen in unseren Geschicken.

– Ich hoffe, sagte Madame Stiff, daß Ihnen das Glück bringen wird, meine Schöne . . . Aber stellen Sie Ihren Gatten doch Herrn Stiff vor.

Ich trat vor und machte mit dem Kopfe und dem Hute in der Hand die in einem solchen Falle von der strengsten Höflichkeit vorgeschriebenen Bewegungen. Herr und Madame Stiff hatten ihren Eindruck nicht verfehlt, und bei dem ersten Male hatten sie das Glück, mir gräßlich zu mißfallen.

 

Während ich mich verneigte, machte die junge Frau die Herzählung der Namen und Titel ihres Gatten.

– Herr Adam Leonhard Stiff. sagte sie, erster Haushofmeister des Herrn Grafen Noël von Alton. Pair von England. Hierauf sagte sie leise und so, daß ich es hörte:

– Und Ihr Gatte, liebe Kleine, welches Gewerbe treibt er?

– Madame, sagte ich, ohne Jenny Zeit zu lassen zu antworten, ich habe die Ehre, der Pastor der Gemeinde von Ashbourn zu sein.

– Ah! Bravo! äußerte Herr Stiff, das ist gerade unsere Pfarre und Sie werden uns den Gottesdienst auf dem Schlosse halten, mein guter Freund.

Ich war wüthend; ich hatte keinen Grund, mich wenigstens durch meine persönlichen Gefühle für den guten Freund des Herrn Stiff zu halten. Diese Vertraulichkeit verletzte mich, und vielleicht würde ich auf eine barsche Weise auf diese alberne Aeußerung geantwortet haben, als Madame Stiff mir in die Rede fiel, indem sie zu Jenny sagte:

– Stellen Sie sich vor, meine Liebe, daß, als meine Kleidermacherin mir gesagt hat, daß sie Ihrer Mutter eines meiner Muster gegeben hätte, ich geglaubt habe, daß ich Ihnen Glück zu wünschen haben würde und daß Sie irgend einen Baronet oder irgend einen reichen Mann heiratheten, ,– denn, Sie werden es zugeben, ich konnte mir eben nicht denken, daß eine solche Toilette die Ehren Ihrer Person für einen armen Dorfpastor machen sollte. Ich sehe daher auch mit Vergnügen, daß Sie zu Ihrer einfachen Tracht zurückgekehrt sind, die Ihnen außerdem so gut steht . . . Ist es nicht wahr, Herr Stiff. daß Mademoiselle Smith in einem einfachen weißen Kleide, mit diesem großen Strohhute und diesem blauen Bande, reizend ist?

– Reizend, das ist der richtige Ausdruck, äußerte Herr Stiff, indem er seine fünf Finger an den Mund hielt und ein leises Schnalzen mit den Lippen hören ließ.

– Madame, sagte Jenny, ohne daß sie die ungebührllche Zustimmung des Herrn Stiff zu bemerken schien, ich nehme von Ihrer Güte den Glückwunsch in Anspruch, den Sie mir zu machen gedachten; denn, obgleich ich weder einen Baronet, noch einen reichen Mann heirathe, so heirathe ich doch einen Mann, den ich liebe. . . Unsere Heirath ist weder eine Convenienzheirath, noch eine Vernunftheirath: sie ist eine Heirath aus Liebe.

– Sehr schön! sagte Herr Stiff, nichts rührt mich auf der Welt mehr, als diese Arten von Verbindungen; man sagt, daß sie selten glücklich sind; aber ich hoffe, mein lieber Herr, daß die Vorsehung eine Ausnahme zu Ihren Gunsten machen wird . . . Was uns anbetrifft, so ist unsere Heirath nicht ganz eine Heirath aus Liebe, – nicht wahr, Madame Stiff? – es ist eine Heirath . . . aus Achtung . . . Ich habe wahrlich den richtigen Ausdruck gefunden. Wir sind daher auch, fügte er lachend hinzu, bereits ruhig wie zwei alte Eheleute, während, als wir Sie aus der Ferne auf der Straße gehen sahen, Madame Stiff und ich uns fragten, wer die beiden Turteltauben wären, die wir einzuholen im Begriffe standen. . . Ah! ein Einfall, Madame Stiff!

– Welchen, mein Herr? fragte die junge Frau.

– Alle vier gestern zu derselben Stunde verheirathet, das ist eine Begebenheit, die sich vielleicht in zwanzig Jahren, in hundert Jahren, vielleicht niemals wiederholen wird. . . Sie verdient daher auch gefeiert zu werden. Wir nehmen Mademoiselle Smith und ihren Gatten mit auf das Schloß. und bringen einen Theil des Tages mit einander zu. – Ja! Madame Stiff. was sagen Sie dazu?

– Ach! mein Herr, rief ich rasch aus. das ist unmöglich!

– Nicht doch, nicht doch, wenn das Madame Stiff gefällt.

– Ei zuverlässig, mein Herr, und wenn unsere jungen Nachbarn uns das Vergnügen erzeigen wollen . . .

– Ach! was sagen Sie? ob sie wollen? rief Herr Stiff halb spaßend, halb ernsthaft aus, ich möchte einmal sehen, ob sie es ausschlügen!

– Madame, sagte Jenny, ich glaube in Wahrheit, daß es Ihre Güte mißbrauchen hieße. . .

– Mein Herr, unterbrach ich sie, ich habe bereits die Ehre gehabt, Ihnen zu sagen . . .

– Still! äußerte der Haushofmeister: sobald Madame Süss das gefällig ist, so werden Sie wohl begreifen, daß das sein muß. Ich spreche im Namen des Herrn Grafen, und ich sage Ihnen: »Mein lieber Pastor, ich nehme keine Entschuldigungen an . . . ich will!« Ah! was antworten Sie darauf?

Leider hatte er Recht, mein lieber Petrus; ich hätte antworten müssen: »Sie wollen? Wohlan! ich will nicht, weil Sie ein einfältiger Mensch, ein Geck, ein Unverschämter sind!« Und das hieß, mich nicht mit einem mächtigen Manne, sondern mit dem Bedienten eines mächtigen Mannes entzweien, was noch weit schlimmer war. . .

Außerdem hatte Jenny bei dem Worte: »Ich will« die Röthe auf meine Stirn steigen sehen, und sogleich sagte sie, indem sie meinen Arm ergriff, den sie sanft und zärtlich drückte:

– Mein Freund, da Herr und Madame Smith uns auf eine so artige Weise einladen, ihnen einen Besuch abzustatten, so laß uns die Ehre annehmen, die sie so gütig sind uns zu bewilligen . . . Nur werden wir unsern edlen Wirth gegen Mittag oder Ein Uhr um unsere Freiheit bitten; auch wir richten uns ein, und wir haben tausend, wenigstens für uns wichtige Dinge in unserm armen kleinen Hause einzurichten.

– Nun denn! so ist es vortrefflich! sagte Herr Stiff; Sie werden frei sein, sobald Sie es wünschen. Was uns anbetrifft, so ist glücklicher Weise Alles im Voraus eingerichtet; da Madame Stiff mich im Voraus benachrichtigt hat, daß sie einen Abscheu vor alle dem hätte, was die Haushaltung anbeträfe, so habe ich einen Tapezierer und zwei Bedienten gesandt, so daß ich hoffe, daß kein Nagel an unserer Wohnung fehlen wird. Im entgegengesetzten Falle, und wenn ich mich unglücklicher Weise irre, so werden die Schelme mit mir zu thun haben! – Jetzt, wo das abgemacht ist, und wo Sie, wie ich vermuthe, keine Einrede mehr zu machen haben, so steigen Sie ein, liebe Demoiselle Smith, steigen Sie ein. lieber Pastor . . . Entschuldigen Sie mich, Demoiselle Smith, wenn ich Ihnen nicht den Platz neben meiner Frau gebe; es macht mich unwohl, rückwärts zu fahren.

Bei dieser neuen Unschicklichkeit stand ich auf dem Punkte auszubrechen, aber mein Blick begegnete dem Jenny’s. und der Blitz, den er im Begriffe stand zu schleudern, erlosch bei ihrem Lächeln.

Jenny stieg zuerst ein, setzte sich mit bescheidener Miene auf den vorderen Sitz und ich setzte mich neben sie, indem ich leise flüsterte:

– Mein Gott! verleihe mir Geduld und Demuth, diese beiden erhabenen Tugenden, ohne welche es kein wahrhaft christliches Herz giebt!

An dem Thore des Schlosses machte ich einen letzten Versuch, um weiter zu gehen und Abschied von dem Herrn Haushofmeister und der Frau Haushofmeisterin zu nehmen, aber sie waren zuverlässig entschlossen, daß wir nicht damit davon kamen, ihren Wagen zu bewundern, und daß wir auch noch ihre Wohnung bewundern sollten.

Wir mußten nachgeben.

Madame Stiff ging hurtig, und ohne sich umzuwenden, die sechs Stufen der Freitreppe hinauf, und trat zuerst ein.

Was Herrn Stiff anbelangt, so wollte er zuvorkommend Jenny die Artigkeit erweisen, sie voraus gehen zu lassen.

Es versteht sich von selbst, daß er mir vorausging.

Aber Gott hatte mein Gebet erhört; ich war demüthig wie Abel und geduldig wie Hiob.

Ich litt nur für Jenny, für Jenny, die mir so schön schien, daß ich kaum hätte annehmen können, daß eine Königin ihr vorausginge.

Aber das liebenswürdige Wesen lächelte mir mit seiner engelgleichen Sanftmuth zu, und alle Bitterkeit verschwand in meinem Innern.

Herr Stiff hatte inzwischen die Spitze der Colonne eingenommen, und indem er eine Thür öffnete, sagte er zu seiner Frau:

– Hier ist Ihr Schlafzimmer, Madame, es ist von dem besten Tapezierer von Chesterfield möblirt worden. Ich wünsche, daß es nach Ihrem Geschmacke ist.

Aber Madame Stiff würdigte es kaum, auf das köstliche Amöblement dieses Zimmers zu achten, und indem sie um sich blickte, sagte sie:

– Wahrlich, mein Herr, ich glaube, daß Sie etwas Wesentliches vergessen haben.

– Was, Madame?

– Ein Vorzimmer. . . Es wäre unerhört, wenn man so geraden Weges in das Schlafzimmer einer Frau einträte!

Herr Stiff lächelte.

– O! sagte er, halten Sie mich nicht für so ohne Lebensart. Madame. Ich habe Sie über die Diensttreppe geführt. Gehen Sie durch das Boudoir, den Salon und das Eßzimmer, dann werden Sie das Vorzimmer finden, das Sie verlangen, und das auf die Ehrentreppe geht.

Madame Stiff nickte mit dem Kopfe, was sagen wollte: »Ich wußte wohl, daß Sie nicht in diesem Grade die Rücksichten vergessen hätten, die mir gebühren,« und indem sie durch das Boudoir und den Salon ging, ohne darin zu verweilen. versicherte sie sich, daß das Vorzimmer wirklich vorhanden wäre.

Ueber diesen Punkt im Reinen, kehrte sie hierauf m das Boudoir zurück.

Dieses Boudoir war ein Wunder. Die Wände waren mit einem Stoffe von perlgrauer Seide behangen, die ganz mit kleinen Kirschensträußen bedeckt war; die Sessel und die Vorhänge waren von gleichem Stoffe; die anderen Möbel waren von Rosenholz mit Medaillons von Porzellan.

– Wahrlich, Sie haben ziemlich guten Geschmack, Herr Stiff, sagte die junge Frau, und dieses Boudoir ist nicht übel. – Was meinen Sie dazu, Mademoiselle Smith.

– Ich meine. Madame, antwortete Jenny mit jenem treuherzigen Ausdrucke, der allen ihren Worten einen Reiz verlieh, ich meine, daß es wahrhaft prachtvoll ist, und daß ich nichts Schöneres gesehen habe.

Indem sie dieses sagte, hatte Jenny eine Miene so wahrhafter Bewunderung, daß mir die Thränen darüber in die Augen kamen.

Der Schlag hatte mich im Herzen getroffen.

– Sehen wir doch, wie man auf diesem Sopha sitzt, sagte Madame Stiff.

Und sie streckte sich nachlässig darauf aus.

– Kommen Sie, setzen Sie sich neben mich, meine liebe Kleine, sagte sie zu Jenny, und Sie werden mir sagen, ob Sie sich gut befinden.

Und indem sie Jenny an sich zog. zwang sie dieselbe, sich auf das Sopha zu setzen.

– O! gewiß Madame, sitzt man gut darauf! rief Jenny aus.

Ich blickte sie mit einem Auge an, das sie um Gnade zu bitten schien, aber, beschäftigt wie sie damit war, den Stoff des Möbels zu betrachten, sah sie mich nicht.

– O Weib! flüsterte ich leise, Du mußt also immer in irgend einem Winkel Deines Herzens das schwache Geschöpf sein, das den Mann zur Sünde verführt hat!

– Und jetzt, Madame Stiff, sagte der Haushofmeister, jetzt, wo Sie dieses Boudoir betrachtet haben, und damit zufrieden zu sein scheinen, ist es Ihnen nun gefällig, den übrigen Theil der Wohnung anzusehen, auf den Sie nur einen einfachen Blick geworfen haben?

Bei diesen Worten bot er mit einer ungewöhnlichen Artigkeit, die er ohne Zweifel aus dem Verlangen schöpfte, unseren Neid zu erregen, Jenny den Arm.

– Ich bitte Sie tausend Mal um Verzeihung, Herr Haushofmeister, sagte ich zu ihm, aber meine Frau hat gleichfalls ihr Haus zu besuchen, ein sehr armseliges Haus im Vergleiche mit dem Ihrigen, ich weiß es. aber so, wie ich es ihr mit großer Liebe und mit kleinen Mitteln habe einrichten können. – Willst Du kommen, Jenny?

– O! ja, ja, rief sie aus, laß uns gehen, mein Freund! Herr und Madame Stiff werden uns entschuldigen . . . Sie wissen, daß, je weniger man besitzt, desto sehnsüchtiger man auf das ist, was man hat.

Der Haushofmeister und seine Frau wechselten einen Blick aus, welcher sagen wollte: »Sie haben das gesehen, was wir wünschten, das sie sehen sollten; lassen wir sie gehen.«

Und der Herr Haushofmeister machte mir eine tiefe Verbeugung, indem er zu mir sagte:

– Wir hätten Sie zum Mittagessen zurückhalten wollen, mein lieber Pastor, aber, wie wir sehen, ist Ihre Ungeduld so groß, sich wieder mit Ihrer Frau unter vier Augen zu befinden, daß wir nicht darauf zu bestehen wagen. So geht denn, glückliche Gatten! Ich sage glückliche, denn ein lateinischer Dichter hat, wie ich glaube, geschrieben, daß das Glück in dem Mittelstande besteht. Sie wissen das, Herr Pastor, Sie, der Sie ein Gelehrter sind.

– Ja, mein Herr, ich weiß das, antwortete ich, und Jenny und ich werden hoffentlich den Beweis liefern, daß dieser Grundsatz in dem modernen Evangelismus wahr ist, wie er es in der Gesellschaft des Alterthums war.

– Was Ihr Gatte da so eben gesagt hat, ist sehr schön ausgedrückt, meine liebe Demoiselle Smith, äußerte die Frau Haushofmeisterin mit einem geringschätzenden Zeichen der Billigung, und ich bedauere in Wahrheit, mich nicht länger an seiner Unterhaltung zu unterrichten . . . Aber da Sie uns durchaus verlassen wollen, so müssen wir Ihrem Wunsche nachgeben. . . So leben Sie denn wohl, liebe Kleine, und möge der Himmel Sie beschützen! . . . Leben Sie wohl! Herr Pastor.

Jenny und ich verneigten uns; hierauf wollten wir uns durch die Thür der kleinen Treppe entfernen, welche die nächste war, aber der Haushofmeister hielt uns zurück.

 

– Nicht so, mein lieber Pastor, sagte er zu mir, durch den großen Eingang, wenn es Ihnen gefällig ist… Nichts ist zu schön für Sie! Der andere Weg ist für die Dienerschaft vorbehalten.

Und indem er uns den Weg zeigte, ließ er uns von Neuem durch den Salon, den Speisesaal und dieses Vorzimmer gehen, dessen unerläßliche Nothwendigkeit ihm Madame Stiff auf eine so empfindliche Weise hatte fühlen lassen, als sie gefürchtet, daß die Wohnung desselben beraubt wäre.

O! mein lieber Petrus, ich verließ dieses Haus mit blutendem Herzen! Diese Begegnung, dieser Zufall, dieses Verhängniß hatte den schönsten Tag meines Lebens getrübt, denn, während ich geglaubt hatte, daß es mir erlaubt sei, meine Jenny ganz, allein, ausschließlich mir angehörend zu besitzen, ohne daß ich einen Wunsch gehabt hätte, de r nicht erfüllt worden wäre, ohne daß ihr ein Bedauern übrig bliebe . . . hatten der verwünschte Haushofmeister und seine Frau dieses ganze reizende Gebäude glücklicher Träume mit einer armseligen Wirklichkeit umgestürzt! Wie nach diesem so guten, so sanften Wagen Jenny zu Fuße führen? Wie Jenny nach diesem vergoldeten Salon, diesem Boudoir von Seide, diesem Schlafzimmer von Atlas in dieses kleine Zimmer mit Möbeln von Rohr und mit Vorhängen von Kattun eintreten lassen? Es gab also nur meine, für Jenny ausgeführten Fresko-Malereien, die ihm einen Werth in ihren Augen verleihen konnten! Aber ich war kein großer Maler, und diese Fresken konnten nicht ermangeln, um Vieles im Vergleiche mit den Thür-Gemälden und den Pfeilertischen zu erbleichen, welche die Wohnung des Herrn Haushofmeisters schmückten.

Am Tage vorher, in dem Augenblicke, wo ich aufbrach, um meine Jenny abzuholen und sie in die Kirche zu führen, hatte ich mit so vieler Freude meinen schönen Schrank von Nußbaumholz mit feinpolirten Thüren betrachtet; meinen mit einem blauen Teppich bedeckten Tisch von Birnbaumholz mit seinen beiden Schubladen zum Verschließen; endlich den großen Spiegel, der sich dem Fenster gegenüber befand, und der, wenn das Fenster offen stand, mir den geliebten Horizont wiederholte, dessen Beschauung mich so glücklich gemacht hatte, so daß ich durch diesen Spiegel, – der eine künstliche Landschaft durch die Wiederspiegelung einer wahren Landschaft vorstellte, – zugleich den Traum und die Wirklichkeit meines Glückes hatte! O! am Tage vorher hatte ich Alles das mit gar vieler Freude und vielleicht mit gar vielem Stolz betrachtet, und jetzt setzte Gott durch den Vergleich meinen Stolz herab und mäßigte meine Freude!

Konnte ich es jetzt wagen, meiner Jenny das Wenige anzubieten, was ich besaß, wenn ein Herr Stiff, ein Haushofmeister, ein niedriger und ungebildeter Mensch ohne Erziehung seiner Frau Kanapees von Seide, Schränke von Rosenholz und Tische von Boule anbot?. . .

Bis zu dem Augenblicke, wo wir diesem unglückseligen Wagen begegnet waren, war mein Herz so zufrieden, so froh, so köstlich durch den Gedanken eingewiegt gewesen, meine Gattin in ihr kleines Paradies einzuführen und ihr zu sagen, indem ich sie in dasselbe einführte:

– Meine liebe Freundin, hier ist Dein Zimmer!

Aber dieser verwünschte Mann hatte mir Alles geraubt, selbst meine Worte der Einführung bis auf eine kleine Aenderung. Hatte er nicht bei seinem Eintritte in seine Wohnung gerade dieselben Worte gesagt, die ich bei meinem Eintritte in die meinige zu sagen gedachte: »Madame Stiff, hier ist Ihr Zimmer!«

Freilich lag nach meiner Meinung ein großer Unterschied zwischen den Worten: Madame Stiff und meine liebe Freundin, aber ach! würde Jenny, welche das Boudoir so prachtvoll gefunden, Jenny, die so üppiger Weise die weiche Elasticität des Sophas der Madame Stiff gewürdigt hatte, meiner Meinung sein, wenn sie ihre wassergrünen Wände sehen und besonders, wenn sie sich auf ihr mit weißem Barchent überzogenes Kanapee von Rohr setzen würde?

O! verwünscht! hundert Mal verwünscht dieser Haushofmeister, der uns die Thür geöffnet hatte, durch welche das Auge meiner Jenny in jene unbekannte Welt geblickt, die ich ihr nicht anbieten konnte, ich, der ich ihr wie der Dichter gesagt hätte: »Geliebte meines Herzens, betrachte nicht so verliebter Weise diesen Stern! Leider bin ich nicht im Stande, ihn Dir zu geben!. . .«

Daran war ich mit meinen schmerzlichen Betrachtungen, und ich hatte ein Schweigen beobachtet, dessen Traurigkeit sich noch durch das Schweigen Jenny’s vermehrt hatte, als, indem wir durch einen reizenden kleinen Wald gingen, der uns von allen Blicken absonderte, Jenny, nachdem sie sich versichert hatte, daß uns kein neugieriges Auge sehen könnte, stehen blieb, indem sie zwei dicke Thränen vergoß, und ihre Arme um meinen Hals schlingend ausrief:

– O mein Freund! nicht wahr. Du wirst mich niemals Madame Bemrode nennen? . . .

Ich stieß einen Freudenschrei aus, so richtig antwortete der Gedanke Jenny’s auf meinen Gedanken, so sehr hatte ihr Herz mein Herz errathen.

O! niemals! niemals! rief ich aus.

Und indem ich sie an meine Brust drückte, vergaß ich auf der Stelle den Wagen, das Kanapee von Atlas, den vergoldeten Salon, die Thürstücke von Watteau, wie als ob Alles das ein böser Traum wäre, den ich gehabt hätte, und der niemals wiederkehren sollte. . .

Und, meine Jenny an meinem Arme, ihren blonden und züchtigen Kopf an meine Schulter gelehnt, kamen wir nach einer Viertelstunde des Weges an der Schwelle unseres gesegneten Hauses an.

Fidel, der bescheiden vor dem äußeren Thore des Schlosses geblieben war, weil er einsah, daß es ihm nicht erlaubt wäre, in eine so glänzende Wohnung einzutreten, begann ungeduldig an der Thür des kleinen Pfarrhauses zu kratzen, welche eine geringe Magd, die Tochter des Schulmeisters, ihm aufzumachen sich beeilte.

Eine glückliche Vorbedeutung! er trat zuerst vor Freude bellend ein.

Wir folgten ihm.

Ich führte Jenny in das Eßzimmer, dann in das Zimmer der Madame Snart, ein durch den mütterlichen Schmerz geheiligtes Zimmer; hierauf in das Hochzeitszimmer.

Das war die große Prüfung.

– Theurer Engel meines Herzens! rief ich ans, ich werde Dir nicht wie der Haushofmeister zu Madame Stiff sagen: »Madame Bemrode, hier ist Ihr Zimmer;« ich sage Dir: »Meine innig Geliebte, hier ist unser Zimmer, ich hoffe, daß wir es durch die Gnade Gottes bis ans Ende unserer Tage mit einander bewohnen werden!«

Und um Jenny das Kanapee des Haushofmeisters gänzlich vergessen zu lassen, setzte ich mich zuerst auf unser Kanapee von Rohr, und zog sie auf meinen Schooß.

O! in diesem Augenblicke, sage ich Ihnen, mein lieber Petrus, im Namen Jenny’s wie in dem meinigen, wären uns die kahlen Wände einer Hütte oder die vergoldeten Wände eines Palastes gleicher Weise gleichgültig gewesen. . . Was liegt an dem Glücke der Könige dem, der die Glückseligkeit der Engel schmeckt!?. . .