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Der Pastor von Ashbourn

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VI.
Wie ich anfange, wirklich Bekanntschaft mit Jenny zu machen

Unsere Tage der Einrichtung wurden Tage des Glückes, das keine Wolke trübte.

Ich fing damit an, Jenny dieses merkwürdige Fenster zu zeigen, an welchem ich so viele traurige und vergnügte Stunden zugebracht hatte; dann gab ich ihr das Fernrohr meines Großvaters in die Hand, damit sie die Wahrheit meiner Erzählung selbst beurtheile.

Sie hielt das Fernrohr an ihr Auge, betrachtete aufmerksam , und indem sie es mir mit einer Rührung reichte, die mir nicht entging, sagte sie:

– Sieh!

Und sie blieb die Hand aus meine Schulter gelehnt. Ich hielt gleichfalls das Fernrohr an mein Auge, und erkannte in dem Halbdunkel des kleinen Zimmers Madame Smith, die an dem Fuße des Bettes ihrer Tochter kniete.

– Arme Mutter, begann Jenny wieder, wir vergessen sie, während sie für uns betet.

Und sie wiederholte schwermüthig den Text meiner Predigt: »Und der Herr sagte zu Rahel: Du sollst Deinen Vater und Deine Mutter verlassen, um Deinem Gatten zu folgen.«

Zwei dicke Thränen perlten in der Ecke ihrer Augen und flossen über ihre Wangen; aber da es Thränen des Glückes waren, so hütete ich mich wohl, sie aufzuhalten.

In der That, wie hinter einer Wolke die Sonne noch leuchtet, so fuhr hinter diesen beiden Thränen ihr Lächeln fort zu glänzen.

Ich ließ dem süßen Strahle der Freude die Zeit, seine ganze Macht wieder anzunehmen, und indem ich sie an mich zog, sagte ich zu ihr:

– O! wie sehr wünschte ich, daß Du zeichnen könntest. meine schöne Jenny, um die Ansicht, ich möchte fast sagen das von Dir gemachte Portrait dieses kleinen Hauses zu haben! . . . habe ich Deine Mutter nicht sagen hören, daß Du ehedem gezeichnet hättest?

Jenny lächelte.

– Ja, sagte sie, ehedem . . . ein wenig. . . aber jetzt, wo ich nur daran denke, eine gute Hausfrau zu sein, habe ich Alles das vergessen. Um Dir einen Gefallen zu thun, mein geliebter Williams, werde ich mich indessen wieder daran machen.

Und indem sie die Gelegenheit ergriff, dankte sie mir für meine Rosenguirlanden, meine Tauben und meinen Altar des Hymen.

– Wenn Du willst, meine gute Jenny, sagte ich zu ihr, so wirst Du Dich in unseren Mußestunden, angenommen, daß das Glück uns deren übrig läßt, wieder an das Zeichnen machen, und ich werde Dir Rath ertheilen. Unsere heilige protestantische Religion ist nicht dermaßen streng, daß sie die gute Hausfrau nur zur Besorgung der Küche und den Arbeiten der Nadel verdammt.

– Ich werde Alles thun was Du willst, sagte Jenny lächelnd.

Es lag in ihrem, übrigens immer reizenden Lächeln ein leichter Ausdruck, ich will nicht sagen von Lustigkeit, ich will nicht sagen von Zärtlichkeit, der mich überraschte: es war etwas Gutes, Sanftes. Liebevolles, das die Mitte zwischen diesen beiden Gefühlen hielt.

Ich blickte sie mit einem gewissen Erstaunen an, so viel Unerklärliches fand ich in diesem Lächeln.

– Nun denn! fragte sie mich, was giebt es?

– Nichts, antwortete ich. – Komm, meine Jenny, ich muß Dich jetzt den übrigen Theil unserer Herrschaft sehen lassen.

Wir gingen die Treppe hinab, in ihrem engen Raume aneinander gedrückt; aber für zwei Wesen, die sich lieben, ist Alles Freude.

– Wir werden diese Treppe oft mit einander hinauf und hinunter gehen, theure Jenny, sagte ich zu ihr, indem ich auf der letzten Stufe stehen blieb und ihr Lächeln erwiederte.

Sie antwortete nicht, aber sie lehnte sich ans meine Schulter, und wir erreichten den Hof.

Fidel sprang um uns herum, aber auf dem Hofe erblickte er eine Hundehütte.

Bei diesem Anblicke schüttelte er den Kopf, nieste und stellte sich jämmerlich hinter uns, was bewies, wie wenig der in Rede stehende Gegenstand seine Blicke erfreute.

Armer Fidel! er hatte auf eine Freiheit ohne Halsband und ohne Kette gerechnet, und ich versprach sie ihm im Stillen.

– Sieh, sagte ich zu meiner Jenny, es wird hier Raum für Deine Tauben, Deine Hühner und Deine Enten geben; ich sage für die Deinigen und nicht für andere, denn sie kennen ihre süße Herrin, und sie müssen fern von ihr sehr unglücklich sein. Was mich anbetrifft, so möchte ich, da ich Alles liebe, was Dich liebt, sie bereits hier eingezogen sehen.

– Du bist unendlich gut, mein lieber Williams, sagte Jenny. In zwei bis drei Tagen werden wir sie holen.

– Und, nicht wahr? Du wirst zu gleicher Zeit Deiner Mutter sagen, daß Gott, der ihr Gebet in der Gegenwart erhört hat, es wahrscheinlich auch in der Zukunft erhören wird.

– Ich werde ihr sagen, daß ich sehr glücklich bin.

Wir traten in den Garten, indem wir um das Haus herum gingen; ich zeigte ihr die drei Trauerweiden und den Teich, in welchen sie die Spitzen ihrer Zweige tauchten. Was die Nachtigall anbetrifft, so war sie stumm, aber nicht unsichtbar geworden, denn wir fanden sie in einem Hagedorngebüsche, in welchem das Weibchen drei graue, rothgefleckte Eier ausbrütete.

Aber sie kannten mich nicht, wie das Schwarzköpfchen Jenny kannte, so daß das Männchen und das Weibchen bei unserem Anblick davon flogen und sich besorgt auf einen Mandelbaum setzten.

Wir entfernten uns rasch: die Eier hätten, wenn sie kalt geworden wären, die Brut mißlingen lassen können. Indem wir uns entfernten, verloren wir sie indessen nicht aus den Augen, und wir sahen sie bald ihre Hagedornhecke wieder erreichen und unter dem Laube derselben verschwinden.

Die Geschichte der guten Madame Snart und ihrer wieder gen Himmel aufgestiegenen drei Engel hatte Jenny tief gerührt. Der Anblick der Weiden hatte diese ganze traurige Erzählung in ihrem Herzen wieder belebt, und indem sie sich weit sanfter wieder auf meinen Arm stützte, sagte sie:

– Haben wir nicht Beide einen Besuch zu machen, mein Freund?

– Wem, Jenny? fragte ich.

– Einer guten Frau, welche Du geliebt hast, weil Du sie kanntest, und die ich liebe, ohne sie zu kennen.

– Du willst sagen der, die ich meine Mutter nannte, nicht wahr?

– Ja.

– Komm, meine Jenny, Du vergißt Niemand . . . Komm.

Und wir schlugen den Weg nach dem Friedhofe ein.

Wir hatten durch das ganze Dorf zu gehen; wider die Gewohnheit befand sich der Friedhof nicht neben der Kirche.

Ich ging mit meiner Jenny am Arme stolz durch die Straßen; alle Männer waren bei den Feldarbeiten; die Kinder und Frauen blieben allein. In dem Maße, als ich weiter kam, kehrten die auf den Straßen, durch welche wir gingen, spielenden Kinder in die Häuser zurück, indem sie riefen:

– Es ist der Herr Pastor Bemrode und seine Frau!

Und die Mütter eilten auf die Schwelle der Thüren herbei, indem sie ihre Töchter bei der Hand hielten und mir freundschaftlich einen guten Tag wünschten, den sie zwischen mir und Jenny theilten.

Ich antwortete mit der Hand, und Jenny lächelte.

Wir kamen an dem Thore des Friedhofes an; als Pastor hatte ich das traurige Vorrecht, einen Schlüssel zu diesem Garten der Todten zu besitzen, aber in meiner Zerstreuung hatte ich ihn vergessen.

Ich schickte ein Kind fort, ihn aus dem Pfarrhause zu holen.

Während dieser Zeit blieben Jenny und ich an das Gitter gelehnt.

Nach Verlauf eines Augenblickes bedeckte sich das Gesicht des lieblichen Wesens mit einem Schleier der Schwermuth und ihre Augen wurden feucht.

– Meine Jenny ist ein wahres Engelherz, sagte ich zu ihr: sie kann nichts von den menschlichen Schmerzen sehen, ohne daß ihre Güte sich in Trauer hüllt.

– O! antwortete sie mir, Deine Güte macht mich besser, als ich es bin, mein Williams!

– Und dennoch macht Dich der Anblick dieses Friedhofes traurig!

– Ja und nein . . . Ein Friedhof ist der irdische Schmerz, aber er ist die göttliche Hoffnung. Dann hat der Friedhof eines Dorfes einen ganz eigenthümlichen Anblick. Bei meiner letzten Reise nach der Stadt habe ich den von Chesterfield gesehen, und er hat nicht denselben Eindruck auf mich hervorgebracht, den ich vor diesem hier empfinde . . . Man könnte sagen, daß Thomas Gray für diesen hier seine herrliche Elegie gedichtet hätte. . . Du kennst sie, nicht wahr, mein Williams?

Ich gestand mit einer gewissen Scham, daß mir nicht allein die Elegie unbekannt wäre, sondern daß ich auch sogar nicht einmal den Dichter kenne.

– O! dabei giebt es nichts zu verwundern, sagte Jenny; Thomas Gray ist ein Freund meines Vaters, er ist mit ihm in Eton erzogen worden; erst voriges Jahr hat er einen ganz kleinen Band Gedichte drucken lassen, den er meinem Vater gesandt hat, und in diesem Bande befindet sich das Gedicht, von dem ich Dir gesprochen habe.

– Und welchen Titel hat dieses Gedicht?

– Elegie, auf einem Dorfkirchhofe geschrieben.

– Ohne Zweifel weiß sie meine Jenny auswendig?

– Ja. sagte Jenny erröthend.

– Sag sie mir, antwortete ich ihr; von Dir hergesagt, können die schönsten Verse nur gewinnen.

– Schmeichler! sagte sie.

Als sie anfing, kehrte das Kind mit dem Schlüssel zurück. Ich schloß das Thor auf, und wir traten ein.

Nur gingen wir, statt Arm in Arm zu gehen, frommer und ehrbietiger Weise nebeneinander.

Man könnte sagen, daß allein die Mahnung an den Tod hinreicht, um die am innigsten mit einander verbundenen Herzen zu trennen. Wahr ist es, daß wenn er die Herzen trennt, er die Seelen wieder vereinigt.

Jenny erkannte nach der Beschreibung, die ich ihr von ihm gemacht, auf den ersten Blick das Grab des ehemaligen Pastors, der Wittwe und ihrer drei Töchter.

Sie näherte sich diesem kleinen Winkel der Erde, der eine ganze verschwundene Familie enthielt, ohne daß sie eine andere Spur als die zurückließ, welche in dem Herzen eines Fremden blieb, und indem sie den Strauß nahm, den sie in dem Garten gepflückt und dem sie Zweige von den drei Weiden hinzugefügt hatte, streute sie dieselben auf die vier Gräber.

 

Hierauf kniete sie nieder und begann zu beten.

Und ich blieb an einen Baum gelehnt stehen und betete gleichfalls für die, welche betete.

VII.
Wie ich immer mehr Bekanntschaft mit Jenny machte

Während der acht Tage, welche dem meiner Einrichtung folgten, hatte ich mich mit den, wegen des wichtigen Ereignisses, das sich in meinem Leben zugetragen hatte, ein wenig vernachlässigten Pflichten meines Amtes zu beschäftigen; aber meine guten Pfarrkinder sahen mich so glücklich, daß sie mir leicht verziehen.

Jenny machte mehrere Gänge nach Wirksworth, um unserer Uebereinkunft gemäß die Genossen des väterlichen Hauses fortzuschaffen, welche ihr in das eheliche Haus folgen sollten.

Als sie einen dieser kleinen Ausflüge ausführte, begegnete sie auf dem Wege dem Herrn Haushofmeister Stiff, der Arbeitern seine Befehle ertheilte; der Herr Haushofmeister hatte die Güte sie zu erkennen, und erzeigte ihr die Artigkeit sie einen Theil des Weges zu begleiten.

Er hatte uns sehr dringend eingeladen, berichtete mir Jenny, einen zweiten Besuch auf dem Schlosse zu machen, aber dieses Mal, um den ganzen Tag über auf dem Schlosse zu bleiben. Nach dem, was er behauptete, hörte Madame Stiff nicht auf, von ihrer lieben Freundin, Mademoiselle Smith zu sprechen, die sie in ihrem einfachen Kleide hübsch und anmuthig fände, wie es nur möglich wäre.

Er hätte auch das größte Verlangen, nähere Bekanntschaft mit einem so ausgezeichneten Manne, wie ich, zu machen. Woraus hervorginge, daß, wenn wir ihn nicht auf dem Schlosse besuchten, er uns für seine Frau und für sich um die Erlaubniß bäte, uns in dem Pfarrhause zu besuchen.

Jenny, die eben so wenig als ich selbst Herrn Stiff und seine Frau leiden mochte, hatte höflich geantwortet, denn sie sah wohl ein, von welcher Wichtigkeit es für uns wäre, uns nicht mit so mächtigen Nachbarn zu entzweien; Jenny hatte geantwortet, daß die seit einem Monate vernachlässigten Pflichten meines Amtes mir viel Zeit wegnähmen, was sie verhinderte, in meinem Namen zu versprechen, diesen zweiten Besuch zu machen; was die Absicht anbelangte, welche Herr Stiff hätte, einen Besuch mit seiner Frau im Pfarrhause zu machen, so würde derselbe mit all der Dankbarkeit angenommen werden, die eine so große Gunst verdiente.

Dann hatte man von Regen und schönem Wetter gesprochen, von der Ernte, die dieses Jahr sehr schön sein würde, von dem unermeßlichen Vermögen des Herrn Grafen, und von dem großen Einflusse, den Herr Stiff auf diesen vornehmen Herrn hätte.

Und so sprechend, war man an der Thür des Herrn Smith angekommen, wo der Herr Haushofmeister Abschied genommen hatte.

Der neunte Tag nach unserer Einrichtung in dem Pfarrhause von Ashbourn war mein Geburtstag.

An diesem Tage, dem 19ten Juli, trat ich mein sechsundzwanzigstes Jahr an.

Ach! seit dem Tode meiner armen Eltern hatte sich eben Niemand mehr dieses Geburtstages erinnert!

Ich selbst hatte ihn fast vergessen.

Was Jenny anbelangt, so mußte sie ihn nicht kennen; mein Alter war ein einziges Mal in ihrer Gegenwart erwähnt worden, an dem Tage, an welchem ich ihr Gatte geworden war, und es wäre ein Wunder gewesen, wenn sie sich seiner erinnert hätte.

Am Tage vorher hatte sie mich indessen mehrere Male auf eine sonderbare Weise angelächelt, als ich sie über die Einkäufe an Lebensmitteln befragte, die sie machte; am Morgen hatte sie mich indessen weit zärtlicher als gewöhnlich umarmt; in dem Augenblicke, wo ich in das ehemalige Schlafzimmer der Madame Snart hinuntergegangen war, das mein Zimmer der Arbeit und der Betrachtungen geworden, hatte es mir indessen geschienen, als ob sie mir folgte.

Bei dem Eintritte in dieses Zimmer sah ich Anfangs weder etwas Neues, noch Außergewöhnliches darin; sobald ich aber einmal vor meinem Schreibtische saß, erhob ich den Kopf, und stieß einen Ausruf der Ueberraschung aus.

Ich befand mich einem reizenden Gouachebilde gegenüber, welches das grüne, rothe und weiße kleine Haus vorstellte; das Fenster dieses Hauses stand offen, und an diesem Fenster Jenny mit ihrem Distelfinken auf der Schulter.

Ich stand auf, ich neigte mich zu dem Gouachebilde, gegenüber betrachte Anfangs das Ganze mit meinem Herzen, dann alle einzelnen Umstände mit meinem Verstande – und nach der Prüfung befand sich mein Verstand eben so befriedigt, als mein Herz.

Es war entworfen, und ich möchte fast sagen ausgeführt wie ein Miéris.

Das kleine Gesicht mit der Aehnlichkeit Jenny’s, halb im Schatten ihres großen Strohhutes, halb in einem schönen Sonnenlichte, war von bewunderungswürdiger Feinheit. – Die Mauer des Hauses und ihre ganze Bekleidung von Epheu, Lilas und Pappeln war von einer Festigkeit des Tones, welche einen geübten Pinsel andeutete.

Meine Ueberraschung war so groß, daß ich mich nicht enthalten konnte, sie laut auszudrücken.

– O! mein Gott! rief ich aus, wer hat denn dieses reizende Bild gemacht?

In diesem Augenblicke fühlte ich zwei Arme, die meinen Hals umschlangen, und einen warmen Hauch, der mir das Gesicht liebkoste.

Dann hörte ich die schmeichelnde Stimme Jenny’s an meinem Ohre flüstern:

– Hast Du nicht, mein geliebter Williams, in meiner Gegenwart den Wunsch ausgedrückt, eine Ansicht von dem armen kleinen Hause mit dem Fenster zu haben, an welchem Du mich zum ersten Male erblickt hattest?

– Ja. ohne Zweifel, antwortete ich.

– Nun denn! sind Sie nicht mein Herr? habe ich Ihnen nicht Gehorsam gelobt?. . . Ihre Befehle sind von Ihrer gehorsamen Dienerin ausgeführt worden, mein gnädiger Herr!

Und Jenny machte eine reizende Verbeugung voller Anmuth und zugleich Koketterie.

– Ja, sagte ich, aber der Maler? der Maler? . . .

– O! der Maler ist nicht sehr schwer zu finden gewesen, sagte Jenny lächelnd zu mir, denn Sie sind so gütig gewesen, ihm selbst Ihren Wunsch auszusprechen.

– Wie! rief ich aus, der Maler . . . der Verfertiger dieses köstlichen Gouachebildes . . . bist Du?

Jenny machte mir, immer lächelnd, eine zweite Verbeugung gleich der ersten.

– Also dieses wundervolle Talent, von dem Du mir niemals ein Wort gesagt hattest. . .

– Vergeßlicher! ich habe Dir an dem Tage unseres Einzuges davon gesprochen.

– Ja, aber wie ein Schüler davon spricht, der nach einer Vorschrift zeichnet, und nicht wie ein Künstler davon spricht, der entwirft und als Meister ausführt.

Plötzlich erinnerte ich mich des ihr gemachten Anerbietens, ihre Studien zu leiten.

– Und ich, rief ich aus . . . O! meine gute Jenny, jetzt verstehe ich das Lächeln, mit welchem Du meinen Antrag aufgenommen hast.

– Williams!

– Und diese Fresken, die ich mit so viel Stolz in dem Zimmer meiner Gattin gemalt habe . . . Einen Pinsel, eine Bürste, damit ich alles das verwische!

Jenny hielt mich zurück, als ich auf die Thür zueilte.

– Nein, mein Freund, sagte sie zu mir. Du wirst nichts auslöschen . . . Diese Fresken sind das Monument Deiner Liebe zu mir, und bevor ich hinuntergegangen, habe ich mich vor dem Altare auf die Knie geworfen, indem ich Gott dankte, so geliebt zu sein, und die beiden weißen Tauben, das Symbol unserer Liebe, küßte.

Ich stieß einen halb traurigen, halb freudigen Seufzer aus.

Die traurige Seite richtete sich an meinen Stolz, mein lieber Petrus; ich fange an zu glauben, daß der Stolz der Dämon ist, der von seinem Gebieter Satan den Auftrag erhalten hat, mich in das Verderben zu stürzen.

Ich bildete mir ein, Alles zu wissen, und jetzt wußte Jenny, daß es einen Dichter gab, der Thomas Gray hieß, und der eine herrliche Elegie gedichtet hat.

Ich bildete mir ein, das Malen zu verstehen, und jetzt gab mir ein bescheidenes und zurückgezogenes kleines Landmädchen ganz einfacher, ganz natürlicher Weise eine Lection in der Malerei und in der Demuth.

O Stolz! Stolz! wann werde ich mich denn von Dir lossagen!? . . .

Glücklicher Weise hatte ich nicht die Zeit, mich zu weit in diese Betrachtungen zu vertiefen, die nicht unterlassen hätten, beunruhigend für mein Wohl zu sein. Man klopfte an die Thür. Jenny eilte herbei, und bevor ich nur drei Schritte gethan hatte, machte sie ihrem Vater und ihrer Mutter auf.

Der gute Pastor Smith kam mit seiner Frau, meinen Geburtstag zu feiern.

Das war der Besuch, den Jenny erwartete; die am vorigen Tage eingekauften Vorräthe waren für diesen, im Familienkreise zugebrachten Tag.

O mein lieber Petrus! es gab an diesem Tage einen Augenblick, an welchem ich mich der schönen Geschichte erinnerte, die Herodot über den Tyrannen Polykrates erzählt, der über sein Glück erschreckt, seinen Ring in das Meer warf.

Was vermag ich gleichfalls in das Meer zu werfen, um das zukünftige Unglück zu beschwören, und damit das Verhängniß mir mein gegenwärtiges Glück verzeiht? . . .

Ein Fisch brachte Polykrates seinen Ring zurück, und damit das Unglück seinem Glücke gleich käme, wurde er einige Monate später durch Verrath von Orestes, Cambyses Statthalter, gefangen genommen, der ihn auf ein Kreuz nageln ließ.

Mein Gott! jeder Mensch hat seinen Orestes und sein Kreuz! Wer ist mein noch unbekannter Orestes, und auf welchem Schmerzenskreuze gedenkst Du mich auszustrecken, um mich mein Glück büßen zu lassen?

Drei Monate nach meinem Geburtstage kam der meiner Jenny; sie trat in ihr zwanzigstes Jahr ein, und während dieser drei Monate suchte ich irgend ein Geschenk, das ich ihr an diesem Tage machen könnte; aber meine gewöhnlich so fruchtbare Einbildungskraft ließ mich bei diesem wichtigen Umstande im Stiche. In der That, meine arme Jenny erklärte sich so glücklich, daß sie nicht einen Wunsch aussprach. Da nun aber Jenny keinen Wunsch aussprach, so befand ich mich in der Unmöglichkeit zu errathen, was ihr angenehm sein könnte. Nach reiflicher Ueberlegung meinte ich, daß das, was Jenny am meisten Vergnügen machen würde, ein schönes Hochzeitsgedicht wäre, in welchem ich unser gemeinsames Glück feierte. Ich hatte zuerst die Idee, es in lateinischer Sprache zu dichten, damit es das Verdienst der überwundenen Schwierigkeit hätte; aber ich bedachte, daß ich genöthigt sein würde, es in’s Englische zu übersetzen, und daß es natürlicher Weise sehr bei der Uebersetzung verlieren würde. Ich entschloß mich daher, ganz einfach die alltägliche Sprache, die Sprache Shakspeare’s, Milton’s und Pope’s anzuwenden.

Das mußte nun, besonders für Jemand, der wie ich fünf Jahre lang von einem Heldengedichte, und drei Jahre von einem Trauerspiele geträumt hatte,, so leicht werden, daß ich meinte, es würde immer noch Zeit sein, mich an’s Werk zu machen.

Dem zu Folge beschäftigte ich mich erst drei Tage vor dem wichtigen Tage ernstlich mit meinem Hochzeitsgedichte.

Ich wollte zuerst alle berühmten Hochzeiten des Alterthums durchgehen, von der der Thetis und des Peleus an; aber es war in Wahrheit unmöglich, unsere bescheidene Hochzeit mit diesen göttlichen Hochzeiten zu vergleichen, welche den trojanischen Krieg und alle die Ereignisse herbeigeführt hatten, die von diesem Kriege ausgegangen waren, wie der Mord Agamemnons, Ulysses Reisen, die Gründung Roms, u. s. w.

Ich gab daher die Hochzeiten der Thetis und des Peleus auf, um zu denen des Pirithous und der Hippodamia zu gelangen; aber diese da waren wieder die Ursache einer so schrecklichen Katastrophe gewesen, daß, wäre es auch nur wegen der schlimmen Vorbedeutung, ich beschloß, irgend einen anderen Text zu suchen. In der That, kein Centaur hatte versucht, mir meine Hippodamia zu entführen, die Schüsseln der Tafel hatten ganz unversehrt ihren gewöhnlichen Platz in dem Schranke der Madame Smith wieder eingenommen und nicht allein kein Feuerbrand war erloschen, indem er in dem Schlunde irgend eines Entführers brannte, sondern es war auch noch wegen der Wärme der Jahreszeit kaum Feuer angezündet worden.

Ich war daher gezwungen, die Hochzeiten des Pirithous und der Hippodamia bei Seite zu lassen, wie ich es mit denen der Thetis und des Peleus gemacht hatte.

Es gab noch du Hochzeiten des Perikles und der Aspasia, welche nach der Aussage Plutarchs die ganze Stadt Athen drei Tage lang in Bewegung setzten, so neugierig waren die Athenienser, dieses geistreiche und unbeständige Volk, den Besiege! Cimon’s den Gatten der Buhlerin Milet’s werden zu sehen; aber obgleich ich mich in Bezug auf Kenntnisse des Attieisnuis und des Geschmackes im Nothfalle mit dem Onkel des Alcibiades vergleichen konnte; obgleich ich, wenn die Veranlassung sich dazu bot, oder die Gelegenheit dazu gegeben war, eben so gut als er den Parthenon aufgeführt und meinen Namen meinem Jahrhunderte vermacht hätte, so konnte ich doch in keiner Beziehung, ausgenommen in der der Schönheit, meine Frau mit der Aspasia vergleichen. Es waltete ein zu großer Unterschied, – ein Unterschied, der Gott sei Dank ganz zu ihrem Vortheile ausfiel! – in der Art und Weise, mit der sie erzogen worden war, mit der ob, mit welcher Aspasia gelebt hatte.

 

Ich mußte daher aus die Hochzeiten des Perikles und der Aspasia verzichten, wie ich auf die des Pirithous und der Hippodamia, und auf die der Thetis und des Peleus verzichtet hatte.

Aber die Arbeit, welche meinen Kopf, mein Gedächtniß und meine Gelehrsamkeit in Anspruch genommen, um alle diese berühmten Hochzeiten die Musterung passiren zu lassen, hatte mir zwei ganze Tage weggenommen; ich entschloß mich daher erst am Anfange des dritten, und als ich nur noch vier und zwanzig Stunden vor mir hatte, etwas weniger Verwickeltes zu machen, ein einfaches Lied des Herzens, einen ungekünstelten Dank für die unveränderliche Zärtlichkeit, von der mir meine theure Jenny seit drei Monaten den Beweis geliefert hatte.

Unglücklicher Weise erinnerte mich gerade in dem Augenblicke, wo ich, nachdem ich den Plan zu diesem kleinen Gedichte gehörig entworfen hatte, aus dem ich wegen seiner Geringfügigkeit selbst ein Meisterstück zu machen gedachte, wo ich, zuvörderst durch den Gegenstand selbst, und dann durch zwei Stunden der Betrachtung begeistert, endlich die Feder ergriffen und oben auf ein schönes Blatt weißes Papier geschrieben hatte: »An Jenny!« der zu mir eingeführte Magister daran, daß ich eine Trauung zu feiern hätte.

Ich wußte aus eigener Erfahrung zu gut, wie groß die Ungeduld eines Bräutigams wäre, um diesen warten zu lassen. Ich stand daher schnell auf und eilte nach der Kirche, indem ich mir vornahm, mein Hochzeitsgedicht gleich nach meiner Rückkehr wieder vorzunehmen.

Ich fertigte in der That so schnell als möglich, und ohne Zweifel zu ihrer großen Zufriedenheit, meine beiden Brautleute ab, und während, dem protestantischen Gebrauche gemäß, die jungen Leute und die jungen Mädchen des Dorfes sie an der Thüre erwarteten, um Blumen auf ihren Weg zu streuen, wurde ich von dem Dämon der Dichtkunst gepeinigt, der seinen ersten Vers vor meinem Ohr murmelte, und schickte mich an. nach Haus zurückzukehren.

Aber als ich hinausgehen wollte, hielt mich der Magister zurück.

– Herr Bemrode, sagte der wackere Mann zu mir, es scheint mir, daß Sie etwas vergessen . . .

– Was, mein Freund? fragte ich ihn.

– Daß der alte Blum gestorben, und daß sein Begräbniß für Mittag festgesetzt ist.

– Ah! es ist meiner Treue wahr, rief ich aus; ich bin gestern benachrichtigt worden, und ich selbst habe diese Stunde bestimmt.

– Da es nun aber halb zwölf ist, fuhr der Magister fort, so glaube ich nicht, daß es sehr der Mühe werth ist. nach Haus zurückzukehren . . . In einer halben Stunde wird die Leiche in der Kirche sein.

– Sie haben Recht, mein Freund, sagte ich zu ihm; gehen Sie, Madame Bemrode von dem zu benachrichtigen, was sich ereignet, und sagen Sie ihr, daß ich bei meiner Rückkehr von dem Friedhofe essen würde.

– In der That. sagte der Magister, der in seinem Geiste einer Berechnung zu folgen schien, das Begräbniß wird zuverlässig um ein Uhr beendigt sein, und von ein Uhr bis um zwei werden Sie alle Zeit haben, zu Mittag zu essen . . . Ich werde Madame Bemrode benachrichtigen.

Und der wackere Mann verließ die Kirche.

– Zuverlässig werde ich die Zeit haben, von ein Uhr bis um zwei zu Mittag zu essen, sagte ich, indem ich ihn sich entfernen sah; dann werde ich mich um zwei Uhr an mein Hochzeitsgedicht machen, und das ist, besonders für mich, etwas so leichtes, daß es heute Abend gemacht sein wird . . . Was hält mich außerdem ab, einstweilen zu arbeiten? Ich habe eine halbe Stunde, und ich fühle mich Gott sei Dank begeistert.

Dadurch. daß ich meine Gedanken beständig auf denselben Gegenstand richtete, war ich wirklich zu jenem fieberhaften Zustande gelangt, den wir Dichter mit dem Namen Begeisterung beehren, als der Magister ganz athemlos zurückkehrte.

– O! Herr Pastor, sagte er. Madame Bemrode bittet Sie, so schnell als möglich zu kommen. . . Es hält eine schöne Kutsche vor der Thür des Pfarrhauses, und zwei Livréebedienten sitzen auf dem Bocke derselben.

– Aber, fragte ich, wer sind die Personen, welche diese Kutsche hergeführt hat?

– Ich vermöchte nicht es Ihnen zu sagen, Herr Bemrode; aber Sie werden es erfahren, wenn Sie der Einladung der Madame Bemrode folgen, denn die Personen, welche der Wagen hergeführt hat, sind bei Ihnen, und erwarten Sie, wie es scheint.

Ich beeilte mich die Kirche zu verlassen und erblickte in der That eine Kutsche vor der Thür des Pfarrhauses.

Auf den ersten Blick erkannte ich den Wagen und die Livree. – Die Livree war die des Grafen von Alton, und der Wagen der, in welchem wir Herrn und Madame Stiff begegnet waren.

Ich gestehe, daß meine wenige Sympathie für den Herrn Haushofmeister und die Frau Haushofmeisterin mir zuerst den Gedanken eingaben, in die Kirche zurückzukehren, und dort das Begräbniß, einen hinreichenden Vorwand für meine Abwesenheit, abzuwarten; aber das Dringende, womit mich Jenny hatte rufen lassen, beunruhigte mich, und nachdem ich einen Augenblick lang die Gefahr bedacht hatte, meine beiden vornehmen Besucher zu verletzen, setzte ich meinen Weg nach dem Hause fort.