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Der Pastor von Ashbourn

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

VIII.
Wie das Hochzeitsgedicht unterbrochen wurde

Es waren in der Thai Herr und Madame Stiff, welche, da sie sahen, daß wir nicht zu ihnen gingen, sich entschlossen hatten, nicht stolzer als Mahomet in Bezug auf den Berg zu sein, und die zu uns kamen.

Welcher der beiden Gatten hatte den Einfall zu diesem Besuche gehabt? Ich weiß es nicht. Aber soviel weiß ich, daß der Eine, wie die Andere, sich vorgenommen hatten, uns ihn so unangenehm als möglich zu machen.

Zuvörderst waren Herr und Madame Stiff, die nun auch unser Haus betrachteten, in dem Augenblicke, wo ich eintrat, gerade an dem Schlafzimmer.

– O! mein Gott! meine Liebe, sagte Madame Stiff zu Jenny, welchen Einfall haben Sie gehabt, Ihr Zimmer so auszuschmücken, statt die Wände mit irgend einem Stoffe oder ganz einfach mit einer Papier-Tapete zu bedecken. Sie haben diese Fresken von einem Dorfmaler malen lassen?

Ich trat vor. und da das Kompliment nicht sehr angenehm für mich gewesen war, so sagte ich zu ihr:

– Nein, Madame, wir haben dazu nicht einmal einen Dorfmaler gesucht, ich habe sie gemalt.

Ah! in der That, sagte Madame Stiff ohne außer Fassung zu kommen, das war noch weit ökonomischer.

Jenny war zu mir gekommen und hatte meine Hand ergriffen, die sie zärtlich drückte, während ihre Augen mir alles das zu sagen suchten, was sie litt.

Was Herrn Stiff anbelangt, so summte er ein kleines Lied, indem er mit der Spitze seines Stöckchens die Ueberzüge der Möbeln aufhob.

Meine Ankunft schien keinen anderen Eindruck auf ihn zu machen.

– Ei! ei! äußerte er, guten Tag, mein lieber Pastor . . . Sagen Sie mir, um sich zu kasteien, haben Sie Strohstühle und Kanapee’s von Rohr?. . . Den Henker! wie unbequem man darauf sitzen muß!. . . Sagen Sie doch, Madame Stiff, Sie, die Sie sich beklagen, daß Ihre Möbel hart sind, ah! gut! ich werde Sie acht Tage lang in der Schule der Mademoiselle Smith leben lassen!

Die Albernheit, meine Frau immer Mademoiselle Smith zu nennen, war mir bereits aufgefallen, dieses Mal beschloß ich, eine solche Ungebührlichkeit nicht vorübergehen zu lassen, ohne sie zu rächen.

– Darf ich es wagen, antwortete ich, dem Herrn Haushofmeister bemerklich zu machen, daß Mademoiselle Smith seit länger als drei Monaten Madame Bemrode geworden ist?…

– Madame Bemrode! . . . Ah! Madame Bemrode!. . . Sie nennen sich also Herr Bemrode, mein lieber Pastor?. . . Welchen sonderbaren Namen Sie da gewählt haben!

Ich stand im Begriff zu antworten, seine Frau schnitt mir das Wort ab.

– Aber, meine liebe Kleine, sagte sie, wo lassen Sie denn Ihre Dienerschaft sich aufhalten? Ich habe noch keinen einzigen angetroffen, seitdem ich bei Ihnen bin. und ich habe sogar zu bemerken geglaubt, daß Sie mir selbst die Thür aufgemacht haben.. .

– Madame, sagte Jenny mit wundervoller Würde, wir sind einfache Leute. Ich bin die Tochter eines Pastors und mein Gatte ist Pastor; es ist wahrscheinlich, daß das Einkommen der beiden Pfarrstellen, die meines Gatten und die meines Vaters, mit einander nicht soviel eintragen würden, um die beiden auf Ihrem Wagen sitzenden Bedienten zu bezahlen.

– Ah! was das anbetrifft, so ist es wahr, sagte Herr Stiff; bedenken Sie doch, liebe Freundin, daß der Kutscher fünfzig Pfund Sterling Lohn, nebst Kost und Kleidung hat, und daß der andere Schelm, der neben ihm sitzt, fünfunddreißig hat, um durchaus nichts zu thun . . . Sie sehen wohl, daß das, was Mademoiselle Smith sagt, in der That vollkommen richtig ist, und daß. wenn man die fünfzig Pfund des Einen mit den fünfunddreißig des Andern zusammenlegt, und dazu ihre Nahrung und ihre Kleidung hinzufügt, der Ertrag der beiden Pfarrstellen nicht dazu ausreichen würde . . . Dieser Faulenzer von Kutscher, der niemals absteigt, verbraucht und beschmutzt für sich allein jährlich für mehr als fünfzehn Pfund Sterling an seidenen Strümpfen!

– Sie sehen wohl, mein Herr, sagte Jenny lächelnd, daß ich Grund habe keinen Bedienten zu halten.

– Sie thun also Alles selbst, mein armes Kind? sagte Madame Stiff.

– Ein junges Mädchen aus dem Dorfe hilft mir, Madame; ein liebenswürdiges Kind voller gutem Willen und Gefälligkeit. . . die Tochter des Magisters.

– Ah! ja. . . Sie besorgt die Küche? sagte Madame Stiff. indem sie anfing die Treppe hinunter zu gehen.

– Nein, Madame, begann Jenny wieder, diese Arbeit ist die meinige. Ich habe den Geschmack meines Gatten studirt, ich kenne die Gerichte, die er gern ißt, und indem ich sie zubereite, bin ich glücklich mir zu sagen: »Mein lieber Williams wird mit Vergnügen essen.« – Das Uebrige der Haushaltung geht Betsy an.

– Und das verdirbt Ihnen nicht die Hände?

– Nicht doch, Madame, antwortete Jenny.

Jenny hatte wundervolle Hände, ich ergriff die Gelegenheit, diese Schönheit geltend zu machen; außerdem hatte ich bemerkt, daß die Hände der Madame Stiff plump und ein wenig gemein waren.

– Meine liebe Jenny, da die Frau Haushofmeisterin, – ich betonte das Wort, und bemerkte in der That, daß das Wort Mademoiselle Rogers erröthen ließ, – da die Frau Haushofmeisterin an dem zu zweifeln scheint, was Du sagst, so zeig ihr doch Deine Hände.

– Wozu? fragte Madame Stiff.

– Ei, um Ihnen zu beweisen, Madame, antwortete ich artiger Weise, daß man die Küche besorgen kann, ohne verdorbene Hände zu haben . . . Zeig Deine Hände, Jenny, zeig sie, Du thust mir einen Gefallen.

– Nun denn! da Du es willst, sagte sie.

Und sie streckte ihre beiden weißen, fleischigen, seinen und kleinen Hände, mit perlmutterfarbigen und rosigen Nägeln aus.

–– Es ist bei Gott wahr! rief der Haushofmeister aus, Hände einer Herzogin! . . . Mademoiselle Smith, ich mache Ihnen mein Compliment.

– Aber Sie ziehen Handschuhe an, um die Küche zu besorgen, meine liebe Kleine? fragte die Haushofmeisterin.

Indem sie hierauf auf etwas anderes überging. sagte sie:

Ah! ah! das ist hier das Eßzimmer? . . . Es ist sehr schlecht erleuchtet . . . Wahrlich, ich kenne nichts Traurigeres auf der Welt, als in einem dunkeln Zimmer zu essen! Freilich kann man die Läden zumachen und Kerzen anzünden. – Aber ich sehe bei Ihnen keinen Salon . . .

– Er wäre uns gänzlich unnöthig, Madame, sagte Jenny mit ihrer Engelssanftmuth; seit den verflossenen

drei Monaten, wo wir hier wohnen, ist Ihr Besuch, – für den wir sehr dankbar sind, Madame, – der einzige, den wir die Ehre gehabt haben zu empfangen . . . und wir werden vielleicht von Neuem drei Monate zubringen ohne einen andern zu erhalten.

– O! nicht doch, nicht doch! rief Herr Stiff aus, rechnen Sie darauf nicht! Ich empfinde ein zu großes Vergnügen an Ihrer Zufriedenheit und der des Herrn . . . Gut! da habe ich den Namen Ihres Gatten vergessen . . . Be . . . Be . . . Bi . . .

– Bemrode, Herr Haushofmeister, sagte ich.

– Ah! ja, Bemrode . . . Ich sage nochmals, der Name ist sonderbar.

– Aber, sagte Madame Stiff. Herr Bemrode hat wohl einen Ort, ein Kabinet, einen Winkel, wo er die schönen Predigten vorbereitet und verfaßt, welche die Bewunderung aller unserer Landleute erregen!?

– Ja, Madame, antwortete ich, ich habe einen Ort. . . und, wenn Sie ihn zu sehen wünschen, wie Sie den übrigen Theil des Hauses gesehen haben . . .

– Zuverlässig, vorausgesetzt, daß es nicht zu hoch ist . . . Ihre Treppe ist mit ihren abscheulichen Stufen ohne Teppich so steil !

– Beruhigen Sie sich, Madame, sagte ich zu ihr, der Weg, der Ihnen zurückzulegen übrig bleibt, wird Sie nicht ermüden.

Ich machte die Thür des ehemaligen Schlafzimmers der Witwe auf.

– Hier, sagte ich zu der Haushofmeisterin.

Sie trat zuerst ein, dann Jenny, dann Herr Stiff.

Während dieser Bewegung, und da ich mich verwunderte, daß Herr Stiff meine Frau zuerst hatte eintreten lassen, wandten sich meine Augen nach der Seite der Thür, und es schien mir, daß Herr Stiff Jenny leise einige Worte sagte, welche sie erröthen ließen.

Aber meine Aufmerksamkeit wurde auf der Stelle durch Madame Stiff abgelenkt, welche, indem sie sich meinem Schreibtische näherte, die Augen auf das für das Hochzeitsgedicht vorbereitete Blatt Papier warf.

– »An Jenny!« las sie; – denn, Sie werden sich dessen erinnern, mein lieber Petrus, der Titel war geschrieben —; an Jenny! was ist das?

– Nichts, Madame, nichts, rief ich aus, indem ich rasch das Blatt Papier ergriff, es zwischen meinen Fingern zusammenballte und in meine Tasche steckte.

Nachdem sie meiner Bewegung mit dem Blicke gefolgt war, erhob Madame Stiff den Kopf, und ihre Augen richteten sich auf das Gouache-Bild Jenny’s.

– Ah! ah! sagte sie, das ist eine hübsche Zeichnung.

– Das ist ein großes Glück, sagte ich in meinem Innern, daß sich hier etwas befindet, was ihrer Aufmerksamkeit würdig ist!

– Diese Zeichnung gefällt Ihnen, Madame, antwortete ich laut.

– Ja, äußerte sie. Kommen Sie doch zu sehen, Herr Stiff.

– Mit Vergnügen, Madame, sagte der Haushofmeister, aber Sie wissen, daß ich mich auf alle diese Narrenspossen nicht verstehe. . . Wie mir scheint, stellt das ein Haus mit einem jungen Frauenzimmer am Fenster vor?

Madame Stiff zuckte die Achseln, ohne sich darum zu bekümmern, ob ihr Gatte die geringschätzende Bewegung, welche ihr entschlüpfte, sähe oder nicht sähe.

– Und von wem ist diese Zeichnung? fragte sie.

– Von meiner Frau, Madame, sie stellt das Haus ihres Vaters und das Fenster vor, an welchem ich sie zum ersten Male erblickte.

– Ei! sagte die Frau Haushofmeisterin, wie kommt es, liebe Kleine, daß Sie, da Sie ein solches Talent besitzen, nicht Nutzen daraus ziehen, um sich in Ihrer Haushaltung zu helfen?

– Madame, antwortete Jenny, mein Vater hat mir alles das, was ich von der Malerei verstehe, als eine Zerstreuung, und nicht als ein Hilfsmittel gelehrt. Wenn uns indessen das Unglück erreichen sollte, so würde ich sehen, ob es mir nicht möglich wäre, woran ich zweifle, Nutzen aus meinem schwachen Talente zu ziehen.

 

Ich war wüthend. Seit meiner Ankunft hatten dieser Mann und diese Frau nur den Mund aufgethan, um uns unangenehme Dinge zu sagen.

Gerade in diesem Augenblicke kam man mir zu melden, daß die Leiche meines Verstorbenen in der Kirche angekommen wäre.

Zugleich erinnerte mich das dumpfe und langsame Läuten der Glocke daran, daß man mich erwartete.

Es wurde mir schwer das Haus zu verlassen, und meine Frau den Quälereien dieser beiden bösen Geister preiszugeben, so daß ich mir in meinem Innern sagte: Ich kann nicht helfen! möge der Vater Blum warten.

Und ich blieb da wie jene durstigen Wanderer, die in eine saure Frucht beißen, die, durch ihre Säure selbst reizend, sie antreibt, sie bis auf den letzten Bissen zu verzehren.

Madame Stiff hörte das Läuten der Glocke.

– Ah! ah! sagte sie, ist irgend Jemand in Ihrer Gemeinde gestorben?

– Ja, Madame, antwortete ich.

– Und Sie besorgen das Begräbniß?

– Ja, Madame.

– Gehen wir! Herr Stiff, wir dürfen Herrn Bemrode nicht abhalten, an seine Geschäfte zu gehen.

– Sie haben Recht, Madame, antwortete ich, um so mehr, als meine Geschäfte, die Geschäfte Gottes sind.

– O! Verzeihung, Verzeihung, sagte Herr Stiff, der die Nachricht von meiner Entfernung mit Freuden erhalten zu haben schien, es bleibt mir noch der Garten zu sehen übrig, und ich erlasse das der Mademoiselle Smith nicht.

– Wohlan! lassen Sie sich den Garten zeigen, mein lieber Herr, sagte Madame Stiff; ich bin ermüdet, und da ich hier einen ziemlich guten Sessel sehe, so werde ich mich ausruhen.

Und bei diesen Worten streckte sie sich in der Thal in einem Lehnsessel aus.

– Gehen Sie, fuhr sie fort, gehen Sie, und wenn Sie einige schöne Blumen finden, so machen Sie mir einen Strauß daraus; seitdem wir Chesterfield verlassen haben, bin ich ihrer entwöhnt.

– Wahr ist es, sagte Herr Stiff, daß wir aus dem Schlosse einen Gärtner haben, den wir mit fünfzig Pfund jährlich bezahlen, und daß der Schelm, einzig und allein mit seinem Kohl und seinen Rüben beschäftigt, niemals daran denken würde, Ihnen eine Rose zu bringen … Aber lassen Sie mich daran denken, Madame; jeden Morgen werden Sie bei Ihrem Aufstehen einen Strauß in Ihrem Boudoir finden, und das erste Mal, wo der Schelm ermangeln wird einen abzugeben, jage ich ihn fort! – Gehen wir, gehen wir! fuhr Herr Stiff fort, indem er meiner Frau galanter Weise den Arm bot, kommen Sie, mich Ihre wahre Herrschaft sehen zu lassen.

Jenny warf einen fragenden Blick auf mich.

– Liebe Freundin, sagte ich zu ihr, gieb Herrn Stiff Deinen Arm, und da mir einige Augenblicke übrig bleiben, so werde ich die Ehre haben, Euch auf Eurem Gange zu begleiten.

– O! Herr Bemrode. sagte Madame Stiff. das ist nicht artig! Sie sehen, daß ich allein bleibe, und Sie verlassen mich. . .

In diesem Augenblicke, und wie um mir eine Antwort zu ersparen, welche in der Geistesstimmung, in der ich mich befand, zuverlässig wenig artig für Madame Stiff gewesen wäre, ging die Thür auf, und der kleine Sohn eines Landmannes, der mir bei dem Gottesdienste half, trat mit den Worten ein:

– Herr Pastor, ich komme, Ihnen im Auftrage des Herrn Magisters zu melden, daß der Vater Blum sich langweilt.

– Wer ist der Vater Blum? fragte die Haushofmeisterin.

– Es ist der Gestorbene, Madame, antwortete der kleine Knabe.

Madame Stiff brach in ein Gelächter aus.

– Sie sehen wohl, Madame, sagte ich zu ihr, daß ich mit dem besten Willen von der Welt Sie verlassen muß. Ich muß, wie Sie sagten, an meine Geschäfte gehen.

– Gehen Sie, mein lieber Herr, gehen Sie! sagte Madame Stiff.

Indem sie hierauf den kleinen Knaben zu sich rief, begann sie wieder:

Nimm, mein Freund, hier ist eine halbe Krone für den hübschen Witz, den Du gemacht hast. . . Wäre es auch nur für diesen Witz da, so würde ich es nicht bedauern, gekommen zu sein.

Und sie gab dem entzückten Knaben ein kleines Goldstück.

Ich nahm mit Wuth im Herzen Abschied von Herrn und Madame Stiff, indem ich Madame Stiff in dem Lehnsessel liegend und Herrn Stiff meine Frau am Arme nach dem Garten fortziehend verließ.

– O! bei meiner Seele, rief ich aus, indem ich von meinem kleinen Knaben gefolgt, der vor Freude hüpfte und seine halbe Krone küßte, wieder den Weg nach der Kirche einschlug, das sind alberne und boshafte Leute!

IX.
Wie trotz meinem guten Willen, das Hochzeitsgedicht nicht für den folgenden Tag gemacht werden konnte

Ich war in der That, nicht von dem Gestorbenen, aber von seiner ganzen Familie, voller Ungeduld in der Kirche erwartet.

Zufolge der gewöhnlichen Einfachheit unseres protestantischen Ritus verrichtete ich die Todtengebete über dem Sarge; die Glocke läutete ihre letzten Trauertöne, und wir verließen die Kirche, um den Verschiedenen auf das Feld der Ruhe zu begleiten.

Als ich vor der Thür des Pfarrhauses vorüber kam, sah ich mit Vergnügen, daß Herr und Madame Stiff, bereit in den Wagen zu steigen, von meiner Frau Abschied nahmen.

Die Frau Haushofmeisterin machte mir mit ihrem Fächer ein Zeichen des Abschiedes, das sie mit einem seltsamen Lächeln begleitete.

Was Herrn Stiff anbelangt, so grüßte er Niemand, nicht einmal diese Majestät des Todes, die an ihm vorüberkam, und welche die Stirn der Lebendigen entblößt und ihre Knie beugt, so hoch sie auch stehen mögen.

An der Ecke des Platzes wandte ich den Kopf, und sah den Wagen, der sich in Bewegung setzte, indem er den Weg nach dem Schlosse einschlug.

Mein Herz erheiterte sich wieder, und indem ich immerhin den Trauerzug führte, kehrte ich in Gedanken zu meiner armen Jenny zurück.

Welcher Engel an Sanftmuth und Ergebung! mit welcher Kraft und mit welcher Geduld sie alle Demüthigungen dieser Emporkömmlinge ertrug!

Herr Stiff! aber was war denn Herr Stiff gewesen? Ein elender, durch die Gunst seines Herrn, dem er schimpfliche Dienste erwiesen hatte, zu der Stelle als Haushofmeister erhobener Bediente.

Mademoiselle Rogers! aber was war sie denn, bevor sie Madame Stiff wurde, was nach meiner Meinung eben nicht Großes war? Die Tochter eines Kaufmannes, der im Auslande gestorben war, weil er seine Verbindlichkeiten in seiner Heimath nicht hatte erfüllen können, eine von ihrer Mutter verzogene Tochter, die. wie man sagte, mehr als einmal die Freiheit mißbrauchte, welche ihr die alte Frau ließ.

Und das sind die Leute, welche Jenny und mich verachteten, die, wo sie in ihrem Schlosse bleiben konnten, wie wir in unserem Pfarrhause blieben, sich in unser Leben mischten, in unser, fern von ihnen, so ruhiges, so glückliches, so klares Leben, um es zu stören und zu betrüben!

Das waren die wenig christlichen Gedanken, die meinen Kopf erregten, als der Magister mich benachrichtigte, daß meine Geberden nicht die eines Pastors wären, der einen Todten nach seiner letzten Wohnung führt, sondern die von dem Anführer eines Aufstandes, der an der Spitze einer Zusammenrottung von Empörern marschirt.

Es scheint, mein lieber Petrus, daß meine Aufregung sich im Aeußeren durch dermaßen übertriebene Bewegungen der Arme und Rollen der Augen verrieth. daß sie mir den guten Rath des Magisters zugezogen hatte.

Die Warnung trug ihre Früchte, ich beruhigte mich. Außerdem hatten sich diese Leute entfernt, und ich hoffte, sie niemals wieder zu sehen. Ich ging daher meine schöne, meine gute, meine theure Jenny wieder aufzufinden, deren Geburtstag ich am folgenden Tage feiern sollte.

Das erinnerte mich an das Hochzeitsgedicht, das ich ihr zu Ehren machen wollte; und bei meiner Rückkehr von dem Friedhofe würde ich Gott sei Dank wohl die Zeit dazu haben.

Ich fühlte in meiner Tasche das zusammengeballte Blatt Papier, auf welchem Madame Stiff die Worte gelesen hatte: »An Jenny!« und dieses leise Rauschen des Papieres unter meinen Fingern reizte mir gräßlich die Nerven, indem es mich an den Besuch unsrer verhaßten Nachbarn erinnerte.

O mein lieber Petrus! glücklicher Weise rechnet Gott, der den Grund sieht, nicht die That an! Aber ich muß Ihnen sagen, daß niemals Jemand schlechter begraben wurde, als der arme Blum.

Ich hoffe, daß seine Seele, mir verziehen haben wird, indem sie die Martern meines Herzens sah.

Endlich, als die Gebete beendigt und das Grab wieder zugeworfen war, beeilte ich mich, von einem unermeßlichen Bedürfnisse angetrieben, Jenny wieder zu sehen und sie an mein Herz zu drücken, nach Haus zurückzukehren, als der Magister, der meine Eile mich zu entfernen sah, mir nacheilte.

Bei dem Geräusche seiner Schritte wandte ich mich.

– Nun, was giebt es noch. Magister? fragte ich ihn.

– Was es giebt? erwiederte er ein wenig verblüfft über den Ausdruck meiner Stimme, daß der Herr Pastor mir heute so zerstreut scheint, daß ich ihn an die Taufe des kleinen Peters erinnern möchte.

Ich schlug mich vor die Stirn. Es war wahr!

Ich hatte für denselben Tag eine Verheirathung, ein Begräbniß und eine Taufe.

– O! was den kleinen Peters anbetrifft, rief ich aus. so kann er einen Augenblick warten. Ich bin überzeugt, daß er gefrühstückt hat, und eher zwei Male, als eins, während ich, – ich ging vor den Kirchthurm und warf einen Blick darauf, – während ich ein Viertel auf drei Uhr noch nüchtern bin.

Der Grund schien dem Magister dermaßen triftig, daß er zum Zeichen der Zustimmung den Kopf verneigte und gleich mir wiederholte:

– Wahr ist es, daß der kleine Schelm warten kann. Nach dieser Versicherung schlug ich weit ruhiger den Weg nach dem Pfarrhause ein.

Ich fand dort Jenny. Auf den ersten Blick glaubte ich zu bemerken, daß eine Wolke von Traurigkeit ihr hübsches Gesicht verschleierte, aber als sie mich erblickte, verschwand diese Wolke, und sie kam mir mit offenen Armen entgegen.

Ich drückte sie an mein Herz. Es schien mir, als ob ich, ohne es zu sehen, an einem großen Unglücke vorüber gekommen wäre. Welches? Ich wußte es nicht; aber die Atmosphäre war mit jenem Fluidum erfüllt, welches traurige Ahnungen erregt.

Ich blickte um mich, wie als ob ich plötzlich den Schmerz im Trauergewande in einer Ecke sitzen sähe.

Glücklicher Weise war das Haus mit Ausnahme Jenny’s leer, bald, ich muß es gestehen, bevölkerte ihr. obgleich Anfangs ein wenig schmerzliches Lächeln es wieder; ihre Stimme schien das eingeschlafene Gefolge unserer süßen Träume und unserer zärtlichen Erinnerungen wieder zu erwecken. Ich athmete wieder freier und lächelte gleichfalls.

Wir setzten uns zu Tische. – O! wie köstlich mir dieses von den schönen Händen Jenny’s, diesen Händen, welche die der Madame Stiff hatten erröthen lassen, zubereitete Mahl schien! Wie dieses Zinn, das die Frau Haushofmeisterin im Vorbeigehen verächtlich angeblickt hatte, vor alle diesem, auf den Schenktischen in dem Speisesaale des Schlosses aufgehäuften Silbergeschirre den Vorzug zu verdienen schien!

Ich hatte die Taufe vergessen, wie ich das Begräbniß vergessen hatte, als der Magister kam mir zu sagen, der kleine Peters schreie dermaßen, daß es dringend nothwendig wäre, mit ihm ein Ende zu machen.

Es war augenscheinlich, daß je eher ich gehen würde, desto früher ich zurückgekehrt sein müßte. Ich machte daher keine Schwierigkeit. Ich umarmte Jenny; ich versprach ihr, in einigen Minuten wieder bei ihr zu sein, und eilte nach der Kirche.

Ein ziemlich kalter Empfang erwartete mich dort. Es war das zweite Mal an demselben Tage, daß ich mich verspätet hatte: die, denen Gott die Zeit mit karger Hand zugemessen hat, sehen es nicht gern, daß man sie dieselbe verlieren läßt.

Von meinen Widerwärtigkeiten unterrichtet, hätten meine Pfarrkinder mir zuverlässig verziehen, wenn sie jeden Falles dieselben hätten begreifen können.

Die Ceremonie der Taufe ging vor sich. Ich war freilich nicht ohne Zerstreuung, aber diese Zerstreuung wandte sich unmerklich auf einen andern Gegenstand. Diese vergnügte Mutter, dieser vor Freude strahlende Vater, diese beiden Zeugen, die mir ein Kind brachten, um es zum Christen zu machen, führten natürlicher Weise meine Gedanken zu weit lieblichem Bildern und weit lachenderen Gegenständen zurück. Ich sagte mir. daß wahrscheinlich eine Stunde kommen würde, in welcher Jenny und ich, mit unserem Kinde in den Armen, den guten Herrn Smith besuchten, um ihn zu bitten, für seinen Enkel das zu thun, was ich soeben für den jungen Peters gethan hatte.

Dieses Kind, von dem übrigens noch nicht die Rede war, möchte es nun ein Knabe oder ein Mädchen sein, würde in jedem Falle willkommen und besonders sehr geliebt sein.

 

Alle diese Gedanken machten, daß ich die Taufgebete mit einer Salbung hersagte, welche alle Anwesenden rührte. In dem Augenblicke, wo ich das Kreuz auf die Stirn des Kindes machte, das ich dem Herrn empfahl, erhob ich die Augen gen Himmel, und fühlte zwei Thränen in meinen Wimpern perlen.

– O Herr! Herr! flüsterte ich, wann wird an mir die Reihe sein, um Dir für diese neue Gunst zu danken, um die ich Dich von Grunde des Herzens bitte, mir ein Kind zu bewilligen, das so wie ich und nach mir Deinen heiligen Namen preiset? . . .

Und wie, als ob sie meinen Gedanken verstanden hätten, antworteten die Anwesenden: Amen!

Die Ceremonie war beendigt. Ich war endlich frei, und kehrte in dem Augenblicke nach dem Pfarrhause zurück, wo es vier Uhr Nachmittag schlug.

Ich fand dort Jenny wieder, und auf ihrem Gesichte denselben Schleier von Traurigkeit, den ich zwei Stunden vorher bereits bemerkt hatte. Glücklicher Weise verschwand dieser Schleier bei meinem Anblicke wie das erste Mal.

Ich war indessen besorgt genug, um sie zu befragen; aber bei den ersten Worten, die ich zu ihr sagte, lächelte sie, schlang ihre Arme um meinen Hals, sagte mir, daß ich ein Geisterseher wäre, und daß sie nicht wüßte, von welcher Traurigkeit ich sprechen wolle.

Die Ueberzeugung, daß sich irgend etwas Außerordentliches in dem Geiste oder in dem Herzen Jenny’s zutrüge, führte indessen meine Gedanken auf die Stiffs und auf ihren Besuch zurück, so daß, als ich in mein Studierzimmer trat, um mich wieder an mein Hochzeitsgedicht zu machen, ich mit diesen unglückseligen Personen, und nicht mit der wichtigen Arbeit beschäftigt war, die mir auszuführen übrig blieb.

Der Anblick des Ortes trug um so mehr dazu bei. meine Gedanken auf diesen einzigen Punkt zu heften, als der Lehnsessel neben mir stand, auf dem Madame Stiff sich ausgestreckt hatte, zu meiner Rechten sich die Gartenthür befand, durch welche Jenny und Herr Stiff hinausgegangen waren, und zu meiner Linken die Thür des Eßzimmers, durch welche ich selbst, wüthend, sie bei einander zu lassen, hinausgegangen war; eine Wuth, welche diese unbegreifliche Traurigkeit zu begründen schien, in welcher ich Jenny wiederfand.

Freilich hatte ich, wenn ich den Kopf erhob, die reizende Zeichnung vor Augen, welche das gesegnete kleine Haus, und an dem Fenster dieses Hauses meine geliebte Frau vorstellte; aber war diese Zeichnung, obgleich sie Jenny ein Compliment zuzog, nicht auch zu gleicher Zeit der Grund zu einer unangenehmen Aeußerung gewesen?

In meinem Innern und um mich herum sprach daher Alles von Haß, bis auf die Dinge, die von Liebe sprachen.

Da ich am Ende jene Beharrlichkeit des Willens hatte, die Sie an mir kennen, mein lieber Petrus, so beschloß ich, alle meine Zerstreuung zu überwinden, und mich ernstlich an mein Hochzeitsgedicht zu machen. – Es war beinahe sechs Uhr Abends, in einer Stunde würde Jenny mich zum Abendessen rufen; ich hatte immer bemerkt, daß mir nach meinen Mahlzeiten die Arbeit schwer und mühselig wurde. Ich sagte mir, daß es nicht genug wäre, den Himmel anzublicken, um dort Begeisterung zu suchen, und meine Stirn mit meiner linken Hand zu drücken, während die Rechte nur das flüchtige Versmaß aufzufassen suchte; ich ergriff die Feder wieder, und schrieb auf ein schönes weißes Blatt: »An Jenny!« Ich begann einen wahren Kampf mit der Muse.

Aber dieses Mal, wie immer, schien die Muse, die ein Weib ist, und die ihr höheres Wesen vielleicht noch launiger macht, als die anderen Frauen, über alle meine Bemühungen zu spotten. Statt mir lächelnd, mit der Liebe in den Augen und einem Rosenkranze auf der Stirn zu erscheinen, so wie es der Eingeberin sanfter, zarter und harmonischer Lieber geziemt, kurz so, wie sie Horaz erschien, als er Lydia besang. Tibullus, als er Delia besang und Propertius, als er Cinthia besang, sie erschien mir in einem rothen Gewande, mit strenger Stirn, mit einer Peitsche in der Hand, so wie sie Persius und Juvenal erschien. Vergebens sagte ich ihr in der am meisten poetischen Sprache, die ich zu finden vermochte: »Du bist es nicht, Muse Eumenide, welche ich verlange, sondern Deine Schwester, die blonde Erato. Ich habe die Tugenden eines jungen Mädchens, einer jungen Gattin zu besingen, die. wie ich wenigstens hoffe, bald eine junge Mutter werden wird; ich bedarf der weißen Schwanenfeder. nicht des ehernen Griffels, den Du mir reichst!« Die Muse ging nicht davon ab, ihre Stirn verfinsterte sich immer mehr; ihr Purpurgewand wurde schwarz, und ihre gewaltig in ihrer Hand geschwungene Peitsche zischte wie die der Erinnyen! O! wenn ich den Gegenstand hätte ändern wollen, wenn ich, statt eine liebliche und zärtliche Elegie zu machen, mich von dem Arme, der mich antrieb, hätte leiten lassen und mich in das Feld der Satire werfen wollen, Dornen, Disteln und Nesseln pflücken, statt Kornblumen, Immergrün und Lilien zu flechten; wenn ich statt die Tugenden Jenny’s zu besingen, mit beißenderen Spöttereien als die Regnier’s, Boileau’s und Pope’s, diesen gemeinen, Haushofmeister gewordenen Bedienten, dieses leichtsinnige, eine hochmüthige Gattin und geringschätzende Freundin gewordene Mädchen hätte verfolgen wollen, o! es scheint, daß mir dann die Worte, die Halbverse. sogar die Reime mit einem solchen Ueberflusse sich geboten haben würden, daß ich nur darunter zu wählen hätte! Für einfache, reimlose Verse, welche ich von der sanften Muse verlangte, waren es gereimte Verse mit verdoppelten Reimen, welche mir die schreckliche Muse bot. Einen Augenblick lang stand ich aus dem Punkte, mich von dem Hauche fortreißen zu lassen, der mich antrieb; einen Augenblick lang fing ich an zu glauben, daß ich mich bis dahin über mein Genie geirrt hätte, und daß mein wahrer Beruf der des satirischen Dichters wäre. Diese Peitsche, die sich in der Hand meiner mich begeisternden Muse befand, schien ganz natürlicher Weise in die meinige überzugehen; ihre Riemen verwandelten sich in giftige Schlangen; sie pfiff in meinen Händen, und ich hörte vergnügt und triumphirend das schmerzliche Geschrei des Haushofmeisters und seiner Frau: »Ah! ah! Du bittest um Gnade? Nein! es ist noch nicht genug! Noch mehr! noch mehr! noch mehr!. . .« Und ich machte die Geberde Jemandes, der schlägt, und meine Stimme stieg zu einer solchen Höhe, daß Jenny erschreckt eintrat, ohne daß ich sie sah, sich mir näherte, ohne daß ich sie gehört hatte, und meinen erhobenen, drohenden, siegreichen, und zum zehnten Male zuschlagenden Arm zurückhielt.

– Was hast Du denn, mein Freund, fragte sie mich, und auf wen schlägst Du so?

Und ihr Auge suchte vergebens den unsichtbaren Gegenstand meines Zornes.

Es bedurfte nichts Geringeren, als ihrer lieblichen Erscheinung. um diese Tochter der Nacht und des Acheron zu verjagen, die mich verfolgte. Bei Jenny’s Berührung, bei ihrem Anblicke, bei ihrer lieblichen Stimme, verschwand daher auch die Eumenide wie ein Schatten.

Anfangs meinte ich, daß, wenn Gott mir das satirische Genie gegeben hätte, – worin ich übrigens durchaus keinen Zweifel mehr setzte, – daß es nicht die Sache eines christlichen Pastors, das heißt eines Mannes, der damit beauftragt ist, Frieden und Eintracht zu predigen, wäre, sich solchen Eingebungen zu überlassen.

Nachher bedachte ich, daß, wenn ich mich ein Mal, aus Zufall und unter vielleicht verzeihlichen Umständen zu dieser Eingebung fortreißen ließe, ich eine Satire, und kein Hochzeitsgedicht machen würde. Nun aber bedurfte ich unter den Umständen, in welchen ich mich befand, eines Hochzeitsgedichtes und nicht einer Satire.

Endlich erinnerte ich mich der beiden, auf das auf meinem Schreibtische liegende Blatt Papier geschriebenen Worte: »An Jenny!« und ich sah ein. daß wenn Jenny sie läse, sie keiner großen Geistesanstrengung bedürfte, um zu errathen. daß ich mich damit beschäftigte, ihren Geburtstag zu feiern. Dann aber hätte keine Ueberraschung mehr stattfinden können, sobald sie das verstanden hätte.

Ich näherte mich daher geschickter Weise meinem Schreibtische, und während ich sie mit dem rechten Arme umschlungen und an meine Brust gedrückt hielt, bemächtigte ich mich mit der linken Hand des weißen Blattes, das ich allmählich zusammenrollte und wie das erste in meine Tasche steckte.