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Der Pastor von Ashbourn

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Die Stunde des Abendessens war gekommen, der Tisch war gedeckt, Jenny kam mich zu holen.

Ich folgte ihr, indem ich mein Hochzeitsgedicht auf die Nacht verschob.

Aber Sie werden zugeben, mein lieber Petrus, wie sehr unglücklich es war, daß das so lange unbekannte Genie, das mich mit seinem Hauche gequält hatte, das satirische Genie war, grade das, welches der einfache Mann, den Gott gewählt hatte, um aus ihm seinen Diener des Friedens, der Eintracht und der Liebe zu machen, wie den Löwen der heiligen Schrift weit von sich weisen mußte.

X.
Wie Herr Smith und nicht ich es war, der das Hochzeitsgedicht machte

Sie werden begreifen, mein lieber Petrus, daß. wenn ich trotz des Läugnens Jennys darauf beharrte zu glauben, daß ihr irgend ein trauriges Ereigniß zugestoßen wäre, von dem sie mir nicht hatte sprechen wollen, – sie von ihrer Seite trotz meines Läugnens fortfuhr zu glauben, ich sei mit irgend etwas ausschließlich beschäftigt.

Die Sache war von ihrer Seite um so natürlicher, als ihre Traurigkeit bei meinem Anblicke verschwunden war, während dagegen meine Zerstreuung bei ihrem Anblicke zunahm.

– Wie! sagte ich mir, indem ich sie anblickte und sie anhörte, wie, unglücklicher Williams! diese Augen, dieser Mund, dieses Lächeln, diese Stimme, diese zärtlichen Worte, Alles das flößt Dir nicht einen zärtlichen, sanften und anmuthigen Gesang wie diesem liebenswürdigen Wesen ein. das von dem Herrn erwählt ist, um Deine Wonne zu sein! Mit dieser Vereinigung von Vollkommenheiten vor Deinen Augen bleibst Du, der Dichter keuscher Liebe, stumm und machtlos?. . . Unglücklicher Williams, die Muse, die in Dir lebt, muß nicht allein der Genius, sondern auch noch der Dämon der Satire sein! Ah! wenn Du Dich diesem Dämon hingeben könntest, wie Du Archilochos und seine Jamben, Aristophanes und seine Lustspiele, Juvenal und seine Satiren weit hinter Dir zurücklassen würdest! Welches Glück es für alle diese Dichter ist, daß Du. statt in einer freien, unabhängigen Stellung zu sein, Pastor des Dorfes Ashbourn bist! welches Glück es besonders für Herrn und Madame Stiff ist, die Du zuverlässig dazu gebracht hättest sich zu hängen, wie sich der unglückliche Lykambos und die unglückliche Neobulea hängten, um den Versen des Dichters von Paros bis in die Hölle zu entfliehen!

Es ist leicht zu glauben, daß solche Gedanken, die wie die Wellen eines aufgeregten Meeres aus meinem Kopfe nach meinem Herzen rollten, meinem Gesichte keine große Ruhe und meinen Geberden keine große Anmuthigkeit verliehen. Meine Züge entstellten sich im Gegentheile von Zeit zu Zeit, und während meine linke Hand sich zusammenballte, bewegte meine rechte Hand den Löffel oder die Gabel, wie sie es ebenso mit einer Feder oder mit einem Dolche gemacht hätte.

Am Ende des Abendessens mußte Jenny wahrhaft besorgt sein. Während des ganzen Mahles hatte ich kein einziges Wort ausgesprochen, sondern bald hatte ich dumpf gebrummt und bald hatte ich undeutliche Ausrufe ausgestoßen.

Als wir vom Tische aufstanden. wollte Jenny wie gewöhnlich meinen Arm nehmen, um mit mir in den Straßen und um die Hecken des Dorfes herum unsern gewohnten Spaziergang zu machen; aber ich fühlte die Zeit mir zwischen den Fingern entschlüpfen; ich hatte nur noch einige Stunden vor mir, und jede Minute dieser Stunden war kostbar.

Indem ich zu lächeln mich bemühte, sagte ich daher zu Jenny, daß sie sich nicht über meine Zerstreutheit beunruhigen möchte, daß ich zu arbeiten hätte und in mein Studierzimmer zurückkehrte.

Aber ich habe Ihnen von der Schwierigkeit der Arbeit gesprochen, mein lieber Petrus, die ich nach meinen Mahlzeiten empfand; da ich aus Zerstreuung viel gegessen hatte, so wurde diese Schwierigkeit noch viel größer als gewöhnlich. Ich hatte nur die Kraft, oben auf ein drittes Blatt Papier zu schreiben: »An Jenny! Hochzeitsgedicht aus Veranlassung Ihres Geburtstages,« und indem ich durch eine physische Erscheinung, die nicht selten ist, von der höchsten Aufregung zu der vollständigsten Schwache überging, die außerdem durch die Beschwerden und die Gemüthserschütterungen des Tages sehr gerechtfertigt war, ließ ich meinen Kopf auf den Schreibtisch sinken und schlief ein.

Mein Schlaf war Anfangs schwer, wie der eines Betrunkenen, denn wie ich gesagt, diese meinem ermüdeten Körper so nothwendige Ruhe war nicht Schlaf, sie war Hinfälligkeit. Wie lange diese Dunkelheit meiner Sinne, diese Nacht meiner Seele dauerte, vermöchte ich nicht zu sagen; aber endlich drang ein Schimmer in diese Finsterniß; ich fühlte mich wieder in dem phantastischen Leben des Traumes erwachen; die Idee, welche meine Gedanken den ganzen Tag über beschäftigt hatte, durch die geheimnißvollen Fäden des Verstandes mit meinem Schlafe verknüpft, schien mich wieder zu finden, nachdem sie mich verloren hatte, denn man gehört bei weitem mehr der Idee an, als die Idee uns angehört. Sie erschien wie ein lichtvoller und wachsender Punkt an dem Horizonte; sie hielt eine Fackel in der Hand, welche einen unermeßlichen Kreis um sie herum erleuchtete. Ihr Costüm war das der Muse, die ich den ganzen Tag über beschworen hatte, die mich den ganzen Tag über geflohen, und die gleich einer launischen Geliebten, nachdem sie sich von ihrem Anbeter entfernt, zu der Stunde zurückkehrt, wo dieser sie am wenigsten erwartet, und in dem Maße, als sie sich mir näherte, in dem Maße als ihr von der Fackel, die sie trug, erleuchtetes Gesicht sichtbarer wurde, erkannte ich voller Erstaunen, daß diese Muse Jenny wie eine Schwester glich. Sie schritt lächelnd heran, ich empfing.sie mit einem Lächeln; sie legte ihre rechte Hand auf meine Schulter, und indem sie mit ihrer Fackel daß weiße Blatt Papier erleuchtete, sagte sie zu mir: – Dichter, ich bin die Muse, die Du den ganzen Tag über vergebens beschworen hast; ich habe Mitleid mit Deiner Mühe gehabt, und ich bin zu Dir gekommen. Schreib, ich will dictiren.

Und ich sah, daß diese Ähnlichkeit, welche zwischen den Zügen der Muse und denen Jenny’s bestand, auch in ihrer Stimme vorhanden wäre.

Dann begann sie in der That mit jener sanften und ergreifenden Stimme, die jedes Mal, wo Jenny sprach, meinem Ohre eine Musik war, mir Strophen zu dictiren, die ich niederschrieb, indem ich der Erhabenheit ihres Gedankens und der Reinheit ihrer Form meinen Beifall zollte.

Bei dem letzten Worte der letzten Strophe war meine Begeisterung so groß, daß ich meine beiden Arme der Muse entgegenstreckte, welche, statt über diese Liebkosungen zu erschrecken, ihr Gesicht dem meinigen näherte, und ihre Lippen auf meine Stirn drückte.

Dieser Kuß enthielt eine solche Empfindung von Wirklichkeit, daß er mich erweckte.

Ich schlug die Augen auf.

Die Muse war Jenny selbst, die, besorgt, mich nicht mehr sprechen, mich bewegen, kurz leben zu hören, die Thür aufgemacht hatte, mich eingeschlafen gesehen, und mit ihrer Lampe in der Hand sich mir genähert hatte.

Jetzt, mein lieber Petrus, Sie, der Sie ein großer Magister der Philosophie sind, sagen Sie mir, welche geheimnißvolle Verbindung der entgegengesetztesten Dinge, das Wachen und der Schlaf, die Täuschung und die Wirklichkeit, hatte diese innige Verbindung geknüpft, die aus meinem Traume ein lebendiges Gedicht gemacht, dessen Entwickelung die Muse und Jenny, die Göttin und das Weib, in eine einzige verschmolz.

– O! Du bist es. Du bist es, meine Jenny, rief ich aus, sei willkommen im Schlafe wie im Wachen, im Traume wie in der Wirklichkeit!

Plötzlich erinnerte ich mich des Blattes, auf welches ich geschrieben hatte: »An Jenny! Hochzeitsgedicht auf Veranlassung ihres Geburtstages;« dann unter diesen Worten die Verse, welche die Muse mir dictirt hatte.

Das Blatt war verschwunden.

Alles war dermaßen in meinem Kopfe verworren, daß, da ich das Blatt nicht an dem Platze sah. wo es sein mußte, ich mich fragte, ob es jemals da gewesen wäre.

Indem ich meine Gedanken einen Augenblick lang auf diesen Gegenstand heftete, war ich zuvörderst genöthigt mir zu gestehen, daß die Verse, welche ich geschrieben zu haben glaubte, zu dem Traume gehörten, da die Wirklichkeit Jenny, und nicht die Muse war.

Nun war aber keine Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß Jenny mir selbst die Verse dictirt hätte, welche die Bestimmung hatten, ihr eine Ueberraschung zu bereiten.

Sobald diese Verse nicht bestanden hatten, so war der Glaube verringert, daß das Blatt bestände, auf welches ich mir eingebildet hatte sie zu schreiben; ich konnte das Blatt und seinen Titel geträumt haben, wie ich das Uebrige geträumt hatte. Die beiden ersten, nacheinander dazu vorbereiteten Blätter. um die Verse darauf zu schreiben, die ich zu machen gedachte, bestanden, da ich das eine davon in meiner rechten Tasche, und das andere in meiner linken Tasche hatte; aber, wenn ich das dritte nicht wieder fand, so war das ein Beweis, daß es niemals bestanden hätte.

Und es war ein großes Glück, daß es niemals bestanden hatte, weil sonst Jenny, die während meines Schlafes eingetreten war, dieses Blatt gesehen, seine Aufschrift gelesen, und dann keine Ueberraschung für sie mehr Statt gefunden haben würde, – denn ich gedachte immer noch, ihr diese Ueberraschung am folgenden Morgen zu machen. Die Verse, welche ich während meines Schlafes gemacht, waren meinem Geiste dermaßen gegenwärtig, daß ich am folgenden Tage kaum eine halbe Stunde nöthig haben würde, um sie auf das Papier niederzuschreiben. Nun aber wollte ich mit dem frühen Morgen aufstehen, und Jenny würde bei ihrem Erwachen ihr Hochzeitsgedicht erhalten.

Ich folgte ihr also, überzeugt, daß das Blatt, das ich vorbereitet zu haben glaubte, nur in meiner Einbildungskraft bestanden hätte.

Theure Jenny! sie ahnte nichts, wie es mir wenigstens schien, denn sie sagte mir kein Wort weder von meinen Zerstreutheiten des Tages, noch von den Befürchtungen, die sie einen Augenblick lang gehabt hatte, daß ich den Verstand verlieren möchte.

 

Am folgenden Morgen stand ich mit dem Grauen des Tages auf, aber, welche Vorsicht ich auch anwenden mochte, ich weckte Jenny. Ich umarmte meine Innig geliebte, ohne ihr zu sagen, daß der Kuß, den ich ihr gab, nicht ein alltäglicher Kuß, sondern auch noch ein Geburtstagskuß wäre; ich zog meinen Schlafrock an und ging hinunter.

In diesem Augenblicke schien es mir, als ob ich Geräusch im Eßzimmer hörte. Wer konnte dieses Geräusch machen? Die Tochter des Magisters hatte allein den Schlüssel zu dem Pfarrhause, aber es war kaum Tag, und sie kam niemals so frühzeitig. Ich ging daher auf den Zehen hinunter, indem ich nicht recht wußte, mit wem ich zu thun haben würde, und in dem Maße, als ich weiter kam, immer mehr überzeugt, daß sich Fremde in dem Hause befänden. Auf der letzten Stufe angelangt, blieb kein Zweifel mehr übrig: das Geräusch war ganz deutlich; ich schlich mich hinter die Glasthür, die von der Treppe in das Eßzimmer ging, und erblickte den Magister und seine Tochter damit beschäftigt, ein Klavier zwischen die beiden Fenster zu stellen.

Das war eine Ueberraschung, welche man Jenny bereitete.

Aber wer bereitete ihr diese Ueberraschung?

Ich weiß es nicht, welche sonderbare Idee mir durch den Kopf ging, daß es ein Geschenk von dem Haushofmeister wäre.

Dieser abgeschmackte Gedanke machte, daß ich rasch eintrat, ohne irgend eine Vorsicht zu treffen. In ihrer Arbeit unterbrochen, wandten der Magister und seine Tochter sich schnell um.

– Ah! ah! Sie sind es? sagte ich mit ziemlich strenger Miene zu ihnen.

– Still! Herr Bemrode, äußerte der Schulmeister, indem er den Finger auf seinen Mund legte; still doch!

– Was ist das? fragte ich. indem ich auf das Möbel deutete, mit dessen Aufstellung sie beschäftigt waren.

– Sie sehen es wohl, es ist ein Klavier.

– Ohne Zweifel, ich sehe wohl, daß es ein Klavier ist, aber was bedeutet dieses Klavier?

– Eine Ueberraschung . . . still! und der Magister legte den Finger wieder geheimnißvoller Weise auf seinen Mund, während seine Tochter lächelte.

– Aber für wen ist diese Ueberraschung?

– Ei, für Madame Bemrode.

– Für Madame Bemrode, es sei, aber Wer bereitet ihr diese Ueberraschung?

– Sie errathen es nicht?

– Nein, und Sie werden mit sogar einen Gefallen erzeigen, wenn Sie mich nicht länger errathen lassen, wer meiner Frau dieses Geschenk anbietet.

– Aber wer sollte es denn sein, Herr Bemrode, wenn es nicht ihr Vater wäre?

– Wie, rief ich aus, Herr Smith! . . Herr Smith ist es, der seiner Tochter das Klavier schenkt?

– Gestern Abend ist das Instrument aus der Stadt angekommen. Herr Smith hat es direct zu mir mit der Anempfehlung gesandt, es hier aufzustellen, während Sie noch schliefen, damit Madame Bemrode bei ihrem Erwachen es ganz aufgestellt, ganz offen, mit dieser Musik da auf seinem Pulte fände. . . weil es heute der Geburtstag der Madame Bemrode ist . . . still!. . .

– Ich weiß es wohl, äußerte ich, aber was ist es für eine Musik?

– Es ist die Musik einer Romanze, welche Herr Smith für seine Tochter gemacht.

– Wie, für seine Tochter! rief ich ein wenig verdrießlich aus; Herr Smith ist also Dichter?

– Dichter und Musiker, mit Ihrer Erlaubniß. Herr Bemrode,. . . Worte und Musik sind von ihm.

– O guter Vater! rief eine Stimme hinter mir.

Ich wandte mich um. Es war Jenny, die gleichfalls hinuntergegangen war, und, an der Thür angekommen, die die letzten von uns gesagten Worte gehört hatte.

– Ah! äußerte ich. Du bist es. . .

Hierauf sagte ich mit einer Regung, durch welche, ich gestehe es, mein lieber Petrus, ein wenig üble Laune durchblickte:

– Sieh hier, was Dir Dein Vater sendet, ein Klavier und eine Romanze! Der Magister fügte hinzu, daß die Worte und die Musik von ihm sind.

– Und auf welche Veranlassung sendet mir mein Vater das? fragte Jenny lächelnd, indem sie mir ihre Stirn zum Kusse reichte.

– Auf Veranlassung Deines Geburtstages, meine theure Jenny, antwortete ich gleichfalls lächelnd und jeden bösen Gedanken vergessend, denn es ist heute Dein Geburtstag, ich wußte es, obgleich ich Dir weder Klavier noch Musik, noch Romanze gebe. . .

– Du, mein lieber Williams, sagte Jenny mit einem liebenswürdigen Ausdrucke von Zärtlichkeit, Du giebst mir Deine Liebe, Du giebst mir das Glück. . . Was willst Du mir denn mehr geben, mein Gott! und was habe ich denn mehr von dem Herrn zu verlangen, als daß er geruht, mir alle die Güter zu erhalten, mit denen er mich überhäuft, und die ich nicht verdiene!

Und sie erhob ihre beiden schönen himmelblauen Augen und ihre beiden weißen und rosigen Arme gen Himmel, die ich glühend küßte, während sie leise ein Gebet verrichtete.

Dann, wie ein Kind, das begierig ist, das zu genießen, was man ihm so eben geschenkt hat, rief sie aus, indem sie vor Freude hüpfte:

– Ah! welches hübsche Klavier, und wie unendlich gütig mein Vater ist!. . . Sehen wir, ob das Klavier eben so gut, als schön, ist.

Und auf der Stelle eilten ihre Finger mit der Sicherheit, der Leichtigkeit und der Gewandtheit eines Künstlers über die Tasten des Instruments, und entlockten ihm einen glänzenden und harmonischen Accord.

Ich blieb auf das Höchste erstaunt. Kaum halte ich Herrn und Madame Smith von Jenny’s musikalischem Talente sprechen hören, und jetzt erkannte ich bei den ersten Noten eine vollendete Klavierspielerin.

– Aber, sagte ich zu ihr, theure Jenny, was das sonderbar ist! . . .

– Was denn? fragte sie, indem sie sich nach mir umwandte.

– Ohne Zweifel, als Du mir die Verse Gray’s hersagtest, hast Du mir bewiesen, daß Du Dichterin wärest; als Du mir diese reizende Ansicht des kleinen Hauses schenktest, hast Du mir bewiesen, daß Du Malerin wärest; und heute beweisest Du mir durch einen einzigen Accord, daß Du musikalisch bist! Aber sag mir doch, wie kommt es, daß Du Alles das warest, und daß ich nichts davon wußte? Waren es auch Ueberraschungen, welche Du mir bereiten wolltest?

– Höre mich an, sagte Jenny zu mir, Du erinnerst Dich jenes denkwürdigen Tages, an welchem meine Mutter eine Stadtdame aus mir gemacht hatte, statt mich zu lassen, wie ich war, das heißt, ein gutes Landmädchen?

– Ja. . . eines glücklichen Tages, von welchem sich die Tage meines Glückes zählen!

– Nun denn! Poesie. Malerei und Musik waren die verdeckten Batterien, welche jede um die Wette spielen sollten, um Herrn Williams Bemrode zu zwingen, sich auf Gnade oder Ungnade seinem Besieger, Mademoiselle Jenny Smith, zu überliefern. Aber bei dem Anfange des Kampfes hat Herr Williams Bemrode durch eine unerwartete List den ganzen Schlachtplan vereitelt, und ich fürchte sehr, daß vor Ablauf des Tages er der Siegreiche und Mademoiselle Smith die Besiegte war; eine glückliche Niederlage, auf die ich weit stolzer als auf einen Sieg bin, da ich meiner Demuth. meiner Schwäche Deine Liebe verdankt habe! Wozu nutzt es nun aber, lieber Williams, sobald Du mich so liebtest, wie ich war, daß ich anders zu sein suchte? Ich bin und werde immer nur Das sein, was Du willst, das ich bin. Ein Friedhof, auf den Du mich geführt hast, hat mich an die Verse Gray’s erinnert, und ich habe diese Verse hergesagt; ein Wunsch, den Du mir ausgedrückt hast, hat mir den Pinsel wieder in die Hand gegeben, und ich habe Dir die Landschaft gemalt, welche Du wünschtest; ein unerwartetes Geschenk meines Vaters hat die Tasten eines Klaviers unter meine Finger geführt, meine Finger sind natürlicher Weise auf die Tasten niedergesunken, und haben ihnen den Accord entlockt, den Du so eben gehört hast. . . Gefällt es Dir jetzt, mein lieber Williams, daß ich eine gute, recht einfache, recht unwissende Hausfrau bin? Ich vergesse die Verse, ich stelle den Farbenkasten wieder in seinen Schrank und schließe das Klavier, und es ist weder von Dichtkunst, noch von Malern, noch von Musik mehr die Rede. Willst Du das? sprich, und es wird auf der Stelle ausgeführt werden.

Ich drückte Jenny an meine Brust.

– O! nein nein, sagte ich zu ihr, bleib so, wie die Natur und die Erziehung Dich geschaffen haben, theure Jenny! Baum meiner Wonne, ich würde zuviel verlieren, wenn der Wind Dir ein Blatt raubte, oder wenn die Sonne Dir eine Blume verwelkte!. . . Und sehen wir jetzt die Musik und die Verse des Herrn Smith.

Ich gestehe Ihnen, mein lieber Petrus, daß ich diese Worte mit einem gewissen Spotte sagte. Ich war neugierig, Musik und Verse eines Dorfpastors zu hören, als ob ich selbst etwas anderes gewesen wäre, als ein einfacher und geringer Pastor.

Aber, wie ich Ihnen gesagt, jeder hat seine Lieblingssünde, und ich fürchte sehr, daß die meinige der Stolz ist.

XI.
Der Geburtstag

Der Arie ging ein Ritornell voraus; Jenny begann dieses Ritornell und führte es mit vollkommener Genauigkeit aus; wahrlich, sie war eine vortreffliche Klavierspielerin.

Hierauf kamen die Verse, und ihr Mund öffnete sich, um liebliche, harmonisehe und klare Töne hervorgehen zu lassen. Bei Jenny fand der Dichter dieselben Vortheile, als der Musiker; ebenso wie keine Note weggelassen war, war kein Wort verloren.

Zu meinem großen Erstaunen war die Musik, obgleich einfach, dennoch gelehrt, ein wenig nach Art der alten deutschen Musik. Was die Worte anbetrifft, so muß ich gestehen, mein lieber Petrus, daß sie reizend waren.

Es war eine Art von Fabel mit dem Titel: Der Baum und die Blume. Eine alte entlaubte Eiche ertheilte einer jungen, unter ihrem Laube gebornen Rose, die sie bis dahin gegen Sturm und Sonne geschützt hatte, ihren Rath, weil sie fühlte, daß sie bald unter der Axt jenes schrecklichen Holzhauers fallen würde, den man den Tod nennt, und deutete der armen verwaisten Blume an. wie sie würde beten müssen, wenn sie nicht mehr da wäre.

In dem Maße, als ich von dem ersten Verse zu dem zweiten, von dem zweiten zu dem dritten überging, senkte ich den Kopf, denn ich fühlte, wie natürlich sich Alles entwickelte. Diese drei Verse hatten dem guten Herrn Smith kaum eine Stunde Arbeit kosten müssen, während ich, der ich ein Kunstwerk hatte machen, das Antike mit dem Modernen, die Lyrik mit der Elegie vereinigen wollen, drei Tage lang gearbeitet und nichts zu Stande gebracht hatte.

Als Jenny geendigt hatte, als die letzte Silbe des Liedes mit der letzten Note des Ritornell verhallt war, wandte sich daher auch Jenny nach mir, um zu sehen, was aus mir geworden sei, da sie ohne Zweifel mein Schweigen nicht begriff.

Ich war sehr gedankenvoll geworden; ich hatte die Arme übereinander geschlagen und den Kopf gesenkt.

– Nun! mein Freund, fragte sie mich besorgt, was hast Du denn?

Ich schüttelte den Kopf wie Jemand, den man aus einem Traume erweckt.

– Was ich habe, meine theure Jenny, antwortete ich, ist, daß ich glaube, ich bin ein Dummkopf.

Jenny lächelte. – Du, mein Williams, sagte sie, Du, von dem mein Vater sagt, daß er so gelehrt sei?

– Wohlan! es sei; aber mit aller meiner Wissenschaft mache ich nur Albernheiten, Jenny . . . Dein Vater hat Dir ein Klavier geschenkt; wenn ich Dir auch eines hätte schenken wollen, so wäre es mir doch unmöglich gewesen.

– Mein Theurer, rief Jenny aus, was hast Du denn da?

– Laß mich aussprechen . . . Aber Dein Vater hat Dir eine Romanze gemacht. . . Musik und Worte. Ich bin nicht musikalisch; ich konnte also wieder die Musik nicht machen, die er componirt hat. Aber am Ende bin ich Dichter – satirischer Dichter, wie es unglücklicher Weise scheint – ich konnte Dir also Verse machen. Nun denn! ich habe allen meinen Muth zusammengenommen, ich habe es versucht. . .

– O! ich weiß es! sagte Jenny.

– Wie, Du weißt es? rief ich aus.

– Ohne Zweifel. . . Gestern Abend, oder vielmehr heute Nacht, als ich in Dein Zimmer eintrat und Dich vor Ermüdung eingeschlafen fand, hattest Du vor Dir auf Deinem Schreibtische ein Blatt Papier, auf welchem die Worte geschrieben standen: »An Jenny! Hochzeitsgedicht auf Veranlassung ihres Geburtstages«. . .

Ich stieß einen Seufzer aus.

– Ich hatte mich also nicht geirrt, flüsterte ich, und dieses Blatt Papier bestand wirklich! . . .

– Ja, wirklich und sehr glücklicher Weise, mein lieber Williams, denn dieses Blatt deutete mir an, daß ich die Ursache der Zerstreuung wäre, in der Du Dich den ganzen Tag über befunden hattest.

– O! ja, ja, rief ich aus, Du meine Jenny, und ein Wenig auch dieser elende Stiff! . . . O! wenn die Natur einen elegischen Dichter aus mir gemacht hätte, statt einen satirischen, o! Jenny, welches Hochzeitsgedicht Du heute Morgen bei Deinem Erwachen gefunden haben würdest!

– Habe ich es nicht in der That gefunden, mein geliebter Williams, sagte Jenny, und glaubst Du nicht, daß ich auf diesem weißen Blatte alle die Liebe lese, die Dein Herz darauf ausschütten, alle die Blumen, welche Dein Verstand darauf ausstreuen wollte?

 

Sie zog dies Blatt Papier aus ihrem Busen, das mich am Abend vorher so sehr beschäftigt hatte.

– Hier, sagte sie, siehst Du dieses Blatt . . .

Ich sah und erkannte es in der That.

– Für Jedermann ist dieses Blatt weiß und sagt nichts, fuhr sie fort, aber für mich ist es ganz beredtsam, voller Versprechungen, mit zärtlichen Betheurungen und süßen Danksagungen bedeckt . . . Siehst Du, dieses Blatt ist der in Blanco unterzeichnete Contract unseres Glückes; es ist mehr, als Deine Feder mir zu geben vermochte, an genommen, daß Deine Feder Alles das geschrieben hätte, was Dein Herz Deiner Einbildungskraft dictirte.

– Ach! Jenny! Jenny! rief ich ganz beschämt darüber aus, daß ich neben ihr so wenig werth war, von uns beiden bist Du der wahre Dichter, und ich bin überzeugt, daß, wenn Du wolltest, die Worte Deiner Feder eben so wenig fehlen würden, als die Deinen Lippen und Deinem Herzen nicht fehlen.

Und ich schloß sie in meine Arme und erhob die Augen gen Himmel, um ihm für das Geschenk zu danken, das er mir gemacht hatte.

– Ah! bravo! Bravo! Bemrode, sagte eine von der Thür kommende Stimme, so sehe ich es gern, daß man einen Geburtstag feiert!

Ich wandte mich rasch um.

Es war Herr Smith, der sich mit Tagesanbruch auf den Weg gemacht hatte, und der von seiner Frau begleitet ankam, um diesen schönen Tag mit uns zu feiern.

Jenny lächelte ohne sich umzuwenden; sie hatte die Stimme ihres Vaters erkannt.

Aber sobald ich meine Arme geöffnet, die ihren Leib umschlungen hielten, eilte sie auf ihn und auf ihre Mutter zu.

Diese war es, welche sie zuerst umarmte.

– Theure Mutter, sagte sie, danke dem Vater in meinem Namen für das schöne Geschenk, das er mir gemacht hat, und das ich bei meinem Erwachen gefunden habe.

Die gute Madame Smith, welche Alles das fühlte, was an Zartgefühl von Seiten ihrer Tochter darin lag, sie zum Dolmetscher ihrer Dankbarkeit bei ihrem Gatten zu machen, stammelte diesem letzteren einige Worte mit Augen voller Thränen.

– Theurer Vater, sagte Jenny nun auch, indem sie wie ein Kind ihre beiden Arme um den Hals des Greises schlang, welche schönen Verse, welche reizende Musik, Sie mir gesandt haben! und wenn Sie wüßten, wie gut ich Alles das an diesem herrlichen Klavier gesungen habe! – Kommen Sie her, und Sie werden sehen.

Und sie zog ihn bei der Hand zum Piano.

Hierauf setzte sie sich, und dieses Mal begann sie mit noch mehr Sicherheit, als sie es im Augenblick vorher gethan hatte, mit ihrer frischen und wie die eines Vogels lieblichen Stimme die Noten und die Worte.

Aber sie vermochte nicht zu endigen: bei dem dritten Verse erstickten sie das Schluchzen und die Thränen, die aus ihren Augen rollten; sie spielte endlich die Melodie, aber aus dem Gedächtnisse und mit zurückgeworfenem Kopfe, indem sie unter den reizendsten Thränen, die sie vielleicht in ihrem Leben vergossen hatte, flüsterte:

– Mein Vater! mein guter Vater!

– Ja, ja, meine Kleine, sagte dieser, Du hast geglaubt, Deinen alten Vater dadurch zu erwischen, daß Du thatest, als ob Du die Musik verachtetest; aber er, der sein Kind kennt, erräth Alles, und besonders das Herz seiner Tochter. . . er weiß, daß Du die Musik leidenschaftlich liebst; daß Du Dein altes Klavier nicht von mir verlangt hast, weil Du weißt, daß es ein alter Freund von mir ist, und eben nur wir uns mit einander verständigen können. Du hast Dir gesagt: Ein Klavier ist sehr theuer, meine armen Eltern haben Alles gethan, was sie vermochten, als sie mich verheiratheten; mein lieber Bemrode, dem sein Genie ohne Zweifel eines Tages ein Vermögen erwerben wird, ist ein noch unbekanntes Genie: ich will daher bei Bemrode scheinen, als ob ich die Musik nicht verstehe; ich will daher bei meinem guten alten Vater scheinen, als ob ich mich nicht um sie bekümmere. Und als dieser gute Vater zu seiner Tochter sagte: »Wie fängst Du es an, Jenny, um die Musik zu entbehren?« antwortest Du: »Lieber Vater, die Mutter sagt die Wahrheit, wenn sie sagt, daß die Poesie, die Malerei und die Musik, alles Das nicht die Sache einer verheiratheten Frau sei.« Ja, ja, das ist schön und gut, aber ich langweilte mich am Ende, meine Schülerin nicht mehr zu hören. . . Nun denn! ich habe sie gehört, und ich sehe, daß sie nichts vergessen hat. . . Umarmen Sie mich, Madame, – von nun an werden wir Musik bei dem Vater und bei dem Gatten haben.

Jenny ließ sich von ihrem Stichle zu den Füßen ihres Vaters gleiten, und umschlang die Knie des Greises, der sie rasch wieder aufhob und sie an sein Herz drückte.

O mein lieber Petrus! unsere irdische und materielle Liebe des Gatten für die Frau ist ohne Zweifel etwas sehr Süßes, und in Bezug auf die Natur ein Gefühl ganz nach dem Herzen Gottes; aber die kindliche Liebe, die natürliche Liebe, ah! das ist die wahre Liebe der Engel! und sie läßt die andere ebenso weit hinter sich, als jene schönen, unwandelbaren und von ihrem eignen Lichte erleuchteten Gestirne, die am Himmel glänzen, unseren armen kleinen Planeten hinter sich zurücklassen, der sich in einem Winkel dreht und bewegt, indem er kümmerlicher Weise das Licht von der Sonne erhält.

Aber ich vergesse, mein lieber Petrus, daß ich Ihnen da von einer doppelten Liebe spreche, von der Sie keinen Begriff haben können, da Sie Junggesell sind, und niemals eine andere Frau als die Philosophie, und eine andere Tochter, als die Wissenschaft gehabt haben.

Madame Smith führte Jenny fort.

Es giebt einen Moment, in welchem man die süßesten Gemüthsbewegungen unterbrechen muß; wenn sie weiter gingen, so würden sie bis zu dem Schmerze führen. Das kommt daher, mein lieber Petrus, weil die Freude und die Glückseligkeit nur etwas wie ein über die Oberfläche unseres Herzens ausgebreiteter Firniß sind. Forschen Sie weiter, und Sie werden bei jedem Menschen jene Quelle des Schmerzes finden, aus deren Tiefe beständig Thränen aufsteigen!

Dann hat eine Mutter ihrer Tochter immer so Vieles zu sagen, wenn ihre Tochter seit drei Monaten verheirathet ist!

Unglücklicher Weise, mein lieber Petrus, konnte Jenny ihr diese wichtige Neuigkeit noch nicht melden, von welcher junge Töchter ihren Müttern mit so vieler Freude erzählen, und ich fange in Wahrheit an zu fürchten, daß es mit einem Sprößling meines Geschlechtes wie mit allen den großen Werken sein möchte, deren Titel ich in einem Augenblicke der Begeisterung niedergeschrieben habe, die aber mit Ausnahme dieses Titels, dem Zeugnisse meiner guten Absicht, alle unausgeführt geblieben sind.

Dem wird geschehen, wie es Gott gefällt; einstweilen steht der Titel von diesem da, wie von dem andern geschrieben.

Wenn es eine Tochter ist, so wird sie Jenny Wilhelmine heißen; wenn es ein Knabe ist. so wird er John Williams heißen. Von welchem Geschlechte daher das Kind auch sein möge, unsere beiden im Kreuze auf seine Stirn geschriebenen Namen werden es beschützen.

Jedoch habe ich vielleicht Unrecht gehabt, im Voraus Namen für unsere armen Kinder zu suchen; vielleicht ist es das, was ihnen Unglück bringt. . .

Ich unterhielt mich sehr ruhig mit Herrn Smith, als plötzlich Jenny bleich, erschüttert, aufgeregt wieder eintrat.

– O mein guter, mein vortrefflicher Vater! rief sie aus.

Und sie umarmte ihn weinend, ohne mehr sagen zu können.

Madame Smith folgte Jenny, indem sie gleichfalls eine Thräne in ihrem Auge trocknete.

Ich glaubte Anfangs an wirkliches Unglück.

Ich stand auf.

– Mein Gott! fragte ich, was giebt es, und was hat sich zugetragen.

– Nichts, mein lieber Bemrode, durchaus nichts, sagte der Pastor, indem er halb die Achseln zuckte und seine Frau mit einer Miene des Vorwurfs anblickte, während Jenny fortfuhr zu flüstern: » Guter Vater! Theurer Vater!«

– Aber, indessen. . . fragte ich nochmals.