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Der Pastor von Ashbourn

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– Beruhigen Sie sich, hören Sie, was es giebt: Madame Smith hat Ihren Mund nicht halten können; Madame Smith hat geplaudert, und Jenny weint. . . Pfui, Schwätzerin! pfui!

– Aber am Ende, fragte ich, warum weint Jenny? Es ist wohl das Geringste, daß ich es weiß. . .

Madame Smith näherte sich.

– Nun denn! antwortete sie, Jenny weint, weil ich ihr Alles gesagt habe, das ist es!

– Aber, noch ein Mal, was haben Sie ihr gesagt?

– Albernheiten, die sie besser gethan hätte, für sich zu behalten, brummte Herr Smith.

– Albernheiten? . . . O guter Vater! rief Jenny aus. Sag’ Williams, sag’, meine Mutter, was der Vater für mich gethan hat.

– O! bei meiner Treue, ich will es Ihnen sagen, mein lieber Schwiegersohn, denn in dem Munde der Madame Smith würde diese Erzählung eben so lang sein, als die, welche Francesea von Rimini Dante machte, und während Madame Smith spräche, wäre ich gezwungen, zu weinen, um nicht gegen das Herkommen zu fehlen. Nun aber erkläre ich Ihnen, daß ich heute durchaus keine schwermüthige Laune habe. Hier ist also einfach und allein das, was sich zugetragen hat. Um mich nicht meines alten Klavieres zu berauben, sagt mir Jenny seit drei Monaten, daß sie sich nicht mehr um die Musik bekümmert, und ich sage seit drei Monaten meiner Frau, daß der Wein mir schlecht bekäme, so daß ich statt vier Gläser, die ich täglich trank, nur noch ein einziges trinke. Durch diese kleine Ersparung habe ich ungefähr hundert Schilling zurücklegen können, die ich als Abschlagszahlung auf das Klavier bezahlt habe, indem ich mich verpflichtete, den Rest monatlich mit dreißig Schilling zu bezahlen.

– Nun denn! Williams, sagte Jenny, findest Du daran keine Ursache, einige Thränen der Dankbarkeit zu vergießen?

– Zuverlässig, sagte der Vater. Deine Mutter hat Dir das hier erzählt, und Du weinst, und Deine Mutter weint, und wenn Du nur ein wenig darauf bestehst, so wird Williams auch weinen. . . Erzähle das vor der Thür, und die ganze Gemeinde wird weinen, und indem es immer weiter ansteckt, wird England, wird Schottland, wird Irland weinen, werden die drei Königreiche, Europa, die Erde und die Engel weinen!. . . Wahrlich. Alles das ist eine schöne Geschichte! – nun denn! meine Tochter, genug mit der Musik, der Poesie und den Thränen . . . und, da Du eine Hausfrau bist, so mach uns Frühstück.

Jenny trocknete ihre Thränen ab und umarmte ihren Vater.

Madame Smith rieb sich die Augen, und umarmte ihre Tochter.

Hieraus gingen alle Beide in die Küche hinunter, um sich mit dem Frühstück zu beschäftigen.

Und wir verließen, indem wir unsere Stöcke nahmen, das Haus, um im Angesichte der Schöpfung dem so gütigen und so erhabenen Schöpfer zu danken, der uns solche Familienfreuden bereitete.

– Ach, mein lieber Petrus, wenn ich bedenke, daß unsere armen Brüder, die katholischen Priester, weder eine Frau, noch Kinder haben; daß sie für das Glück wie für das Mißgeschick einsam und allein auf Erden stehen, so sage ich mir, daß sie, wenn sie ebenso viel als wir leiden können, es unmöglich ist, daß sie jemals ebenso glücklich sind!

Und dann ist das nicht Alles. Wie können sie die trauernde Wittwe, die in Thränen zerfließende Tochter trösten? Wie können sie. da sie niemals dieselben Schmerzen als die andern Menschen empfunden haben, jene Worte finden, die, aus dem Herzen hervorgegangen, zum Herzen gehen? – Mit geschlossenen Wunden, mein lieber Petrus, schließt man offene Wunden!

XII.
Wer Horizont verfinstert sich wieder

Am folgenden Tage, – einem Tage, den ein Römer als einen seiner glücklichen Tage mit Kreide bezeichnet hatte, – hatte ich beschlossen, nach der Stadt zu gehen, um den Gehalt meines ersten Vierteljahrs zu beziehen.

Ich war nicht ohne Besorgniß.

Zwei oder drei Tage nach dem Verfalle dieses Quartales hatte ich meinem Wirthe, dem Kupferschmiede, eine Vollmacht übersandt, um es in meinem Namen zu beziehen, wobei ich ihn bat, wenn er es bezogen hätte, davon acht Pfund Sterling auf die sechszehn zurückzubehalten, die ich ihm schuldig war, und die er mir geliehen hatte, um die Kosten meiner Verheirathung zu bestreiten, dann mir davon den Rest zu übersenden.

Aber der wackere Mann hatte mir geantwortet, daß der Herr Rector, als er zu ihm gegangen wäre, um von ihm die Bevollmächtigung zur Auszahlung zu erlangen, ihm hätte antworten lassen, daß er mich zu sprechen wünsche, und daß er mich demzufolge aufforderte, meinen Gehalt persönlich zu beziehen.

Ich hatte die Reise so lange verschoben, als ich es vermocht, indem ich nichts Gutes von dieser Zusammenkunft erwartete; endlich, als ich auf dem Boden unseres Geldbeutels den letzten Schilling leuchten sah, entschloß ich mich, mich auf den Weg zu begeben.

Indessen, Sie werden es zugeben, mein lieber Petrus, war diese Furcht, welche mir der Rector einflößte, mehr instinktmäßig als vernünftig. Der Rector war so gütig und so unparteiisch gegen mich gewesen, daß ich, wenn ich es genauer überlegte, nicht zu besorgen hatte, daß mir von dieser Seite irgend etwas Unangenehmes begegnen könnte.

Nur hatte er mich benachrichtigt, daß meine Pfarre einer Einschränkung fähig wäre, und daß sie von neunzig auf sechszig Pfund Sterling herabgesetzt werden könnte. Diese Anzeige war es, welche mir im Kopfe herumging und mich mit Unruhe erfüllte.

– Dreißig Pfund Herabsetzung! Begreifen Sie, mein lieber Petrus, den dritten Theil meines Gehaltes! Das war entsetzlich! Da ich diese Schmälerung nicht erdulden wollte, ohne mich dagegen zu sträuben, so hatte ich mich daher auch für den Fall, daß bei unserer Zusammenkunft die Rede davon sein sollte, darauf vorbereitet, ihm zu antworten und ihm so triftige Gründe für die Beibehaltung meiner neunzig Pfund anzugeben, daß, wenn er nicht einige persönliche Gründe der Feindschaft gegen mich hätte, – was ich nach dem directen Schutze, mit dem er mich beehrt hatte, vernünftiger Weise nicht annehmen konnte, – der Rector sich nothwendig in meine Gründe ergeben müßte.

Einer von denen, auf welche ich am meisten rechnete, war meine Verheirathung. Ich kannte die Theilnahme, welche einem guten Herzen immer das Schauspiel einer jungen Ehe einflößt. Eine ganz natürliche Logik brachte mich auf den Gedanken, dem Rector meine Junge Frau zu zeigen, wie sie Mutter würde; die Vermehrung unserer Familie war noch keine Thatsache, aber sie war eine Wahrscheinlichkeit. Ich bereitete mich vor, dem Rector zu beweisen, daß ebenso sehr, als der Pastor eines Dorfes weit davon entfernt sein muß, seiner Gemeinde das Beispiel des Luxus zu geben, es eben so unschicklich ist, ihr den Anblick seiner Armuth zu bieten. In dem ersten Falle ist es ein Aergerniß, welches empört; in dem zweiten Falle ist es ein Schauspiel, welches betrübt. – Ich hatte für diese feierliche Veranlassung, auf welche ich mich seit länger als vierzehn Tagen vorbereitete, aus den alten und modernen Schriftstellern eine Reihe von Grundsätzen geschöpft, die geeignet waren, zu beweisen, daß eine goldene Mittelmäßigkeit, wie Horaz sagt, oder ein rechtschaffener Wohlstand, wie Fenelon sagt, die günstigste Lage ist, um ein mit guten Grundsätzen genährtes Herz auf dem Wege des Heiles zu erhalten; außerdem hatte ich eine Menge von Thatsachen gesammelt, die ihm entschieden beweisen mußten, daß dieselben Gefahren für das Verderben einer Seele in dem Mangel des Nothwendigen, als in dem Vorhandensein des Ueberflusses obwalten. Alles das reiflich überlegt, vernünftig durchdacht, mußte beredtsam gesagt werden. Ich hatte sogar vor dem Spiegel in Jenny’s Zimmer, dem einzigen des Hauses, meine Rede studirt, indem ich sie mit der schicklichsten Stellung und den für die Lage am meisten angemessenen Geberden begleitete. Auf der ganzen Reise, welche ich in der Carriole von dem Pächter des Schlosses zurücklegte, hatte ich meine Anrede halb laut wiederholt, was den guten Mann anfangs ein wenig beschäftigt hatte; aber nach einem Augenblicke der Ueberlegung hatte er laut, und wie als ob er auf seinen eigenen Gedanken antwortete, gesagt:

– Ah! gut, er studirt eine Sonntagspredigt.

Hierauf hatte er sein Pferd wieder angepeitscht, ohne sich weiter um mich zu bekümmern, so daß ich bei meiner Ankunft in Nottingham wie der Kämpfer des Alterthums mit Oel und Sand eingerieben und bereit war, den Kampfplatz zu betreten.

Unglücklicher Weise, mein lieber Petrus, habe ich immer bemerkt, und Sie müssen es wie ich bemerkt haben, daß die vorbereiteten Reden oder Predigten mir selten gelingen.

Zuvörderst, statt mich, wie das letzte Mal, wo ich bei ihm erschienen war, auf der Stelle einführen zu lassen, ließ mich der Rector eine Stunde in seinem Vorzimmer warten, wonach ich in sein Arbeitszimmer geführt wurde.

Er saß in demselben Sessel, vor demselben Schreibtische, mit derselben gebieterischen Haltung. Mein Geld befand sich ganz gezählt auf der Ecke seines Tisches; ein unterbrochener Brief erwartete seinen Schluß.

Sehr übelgelaunt über den Mangel an Rücksichten, über den ich mich beklagen zu müssen glaubte, hatte ich eine würdige Miene angenommen, und ich gedachte ihm durch einige ernste und bittere Worte zu verstehen zu geben, in welchem Grade ich über seinen Empfang verletzt wäre; er aber wartete nicht ab, daß ich den Mund aufthat, und indem er mich zuerst angriff, sagte er mir:

– Herr Bemrode, ich habe Sie benachrichtigt, daß Ihre Pfarre eine Einschränkung erleiden könnte; aber Sie haben darauf bestanden gerade diese da zu wollen, ohne Zweifel, weil Sie Liebschaften in der Nachbarschaft hatten . . . Die Voraussage, die ich Ihnen gemacht hatte, ist eingetroffen. Ihre Pfarre ist von neunzig Pfund Sterling auf sechszig herabgesetzt. Hier sind fünfzehn Pfund, das heißt das erste Quartal Ihres Gehaltes. . . Gehen Sie!

Und indem er mir bei diesen Worten mit dem Finger das Geld andeutete, das mir bestimmt war, ergriff er seine Feder wieder und setzte seinen Brief fort.

 

Ich vermag Ihnen nicht zu sagen, mein lieber Petrus, wie schmerzlich die Regung war, die ich empfand, als ich diese Worte hörte und zwar von einer solchen Geberde begleitet. Ich war durch die schrecklichste Schüchternheit erstickt, die mich in den Lagen niederbeugt, in denen ich im Gegentheile meinen ganzen Muth nöthig hatte. Zwei Male versuchte ich, das Wort zu nehmen; zwei Male erstarb die Sprache auf meinen Lippen!

Kalter Schweiß bedeckte meine Stirn. Eine Art von Röcheln, welches aus meiner Kehle drang, ließ den Rector den Kopf erheben.

– Nun denn! sagte er, Sie sind noch da? Haben Sie mich nicht verstanden?

– Doch, Herr Rector, stammelte ich.

– Was warten Sie dann noch?. . . Nehmen Sie Ihr Geld und gehen Sie.

Ich nahm meinen ganzen Muth zusammen.

– Verzeihung! Herr Rector, sagte ich zu ihm, aber ich wollte Ihnen bemerklich machen. . .

– He?

Ich unterbrach mich einen Augenblick lang.

– Aber so sprechen Sie doch! rief er ungeduldig aus; ich muß Ihnen sagen, daß ich Ihren Bemerkungen wenig Zeit zu schenken habe.

– Ich wollte Ihnen bemerklich machen, begann ich wieder bestürzter als zuvor über den Ton, mit welchem mich dieser Mann anredete, daß sechszig Pfund Sterling ein sehr geringer Gehalt ist…

Er unterbrach mich.

– Wie! sehr gering? sagte er; aber Sie sind närrisch, mein lieber Herr Bemrode; ich würde Vicare so viel als ich wollte für fünfundzwanzig Pfund jährlich finden.

– Aber, Herr Rector, ich habe eine Frau genommen.

– Geht mich das etwas an?. . . Sie hätten sich nicht verheirathen müssen, mein Lieber!

– Indessen, mein Herr. . . beharrte ich zu sagen.

– O! äußerte nun der Rector, indem er aufstand und sich mit seinen beiden Fäusten auf den Tisch stützte, werden Sie mich lange mit Ihrer Unzufriedenheit langweilen, Herr Bemrode?

Ich kam immer mehr außer Fassung.

– Ich habe gehofft, Herr Rector. . . . ich hatte sogar darauf gerechnet. . .

– Mein lieber Herr Bemrode, Sie können das machen wie Sie wollen, sagte der Rector; wenn Sie Ihre Pfarre mit sechzig Pfund Sterling Gehalt nicht wollen, so sagen Sie es, und Sie werden nicht lange von ihr belästigt sein, und ich auch nicht.

Ich fühlte, daß meine Angelegenheiten eine schlimme Wendung nahmen.

– Herr Rector, sagte ich zu ihm. man muß mich bei Ihnen verläumdet haben. . .

– Bei mir? unterbrach er mich, man hat Sie verläumdet?. . . Aber ich bitte Sie, wer der Teufel hat Zeit genug zu verlieren, um sich mit Herrn Bemrode zu beschäftigen, und ihn bei mir zu verläumden?. . . Ah! mein lieber Herr, ich versichere Sie, Sie machen sich zu hohe Begriffe von Ihrer Wichtigkeit.

Ich stieß einen Seufzer aus und erhob die Augen gen Himmel.

– Also, – kehren Sie nach Ashbourn zurück, sagte er, und in drei Monaten kehren Sie von allen diesen Eitelkeiten geheilt zurück. Wir werden dann sehen, ob Ihre Pfarre beibehalten oder eingezogen werden muß.

– Beibehalten oder eingezogen, Herr Rector! Es wäre die Rede davon, die Pfarre von Ashbourn einzuziehen?

– Warum nicht, wenn sie unnöthig wäre? Einstweilen fordere ich Sie zum zweiten Male auf, Herr Bemrode, Ihr Geld zu nehmen und mich meinen Brief beendigen zu lassen.

Der Ton, in welchem diese Worte ausgesprochen waren, ließ keine Einrede zu.

Ich stammelte einige Worte, um mich seinem Wohlwollen zu empfehlen, nahm meine fünfzehn Pfund Sterling und entfernte mich niedergeschlagen.

Sobald ich auf der Straße war, drehte ich mich mehrere Male um mich selbst, wie Jemand, der einen Keulenschlag auf den Kopf erhalten hat; hierauf, in der Meinung, daß es in einer so schrecklichen Lage nur meinen ehemaligen Wirth, den Kupferschmied, gäbe, der mir einen guten Rath ertheilen könnte, schlug ich den Weg nach seinem Hause ein.

Ich hatte nur eine Befürchtung, nämlich die, daß er, wie das zuweilen der Fall war. auf Geschäftsgängen in der Umgegend der Stadt abwesend sein möchte; als ich aber um die Ecke seiner Straße kam, wurde ich beruhigt, denn ich erblickte ihn auf der Schwelle seiner Thür, indem er mit übereinander geschlagenen Armen zu erwarten schien, daß ihm sein Glücksstern irgend einen Kunden zuführe.

Ich muß sagen, daß er, obgleich in seiner Erwartung in Bezug auf den Verkauf seiner Waare getäuscht, mich besser empfing, als er zuverlässig Jemand empfangen hätte, der gekommen wäre, um ihm die Hälfte seines Ladens abzukaufen.

Ich hatte nicht nöthig, ihm den Zustand zu erklären, in welchem sich mein Geist befand; er sah ihn wohl an der Bestürzung meines Gesichts.

– Nun, fragte er mich, was giebt es wieder, lieber Herr Bemrode? Ich hielt Sie für glücklich, dort in Ihrer Pfarre von Ashbourn gehörig eingesetzt, und demzufolge vor jedem neuen Unglück geschützt.

– Ach! mein lieber Wirth, sagte ich zu ihm, ist der Mensch jemals vor den Schlägen des Schicksals geschützt? Es begegnet mir das, was Polykrates, dem Tyrannen von’ Samos, begegnet ist, er war zu glücklich; die Götter konnten sein Glück nicht ertragen, das ihn einem Gotte gleich machte; er wurde durch Verrath gefangen genommen und von seinem Feinde Orestes, Cambyses’ Statthalter, ans Kreuz geschlagen. Bei einem weit bescheideneren Glücke als das seinige, aber nach einem nicht weniger großen Glücke, habe ich meinen Orestes gefunden, der mich gleichfalls an das Kreuz schlagen will.

– O! äußerte der Kupferschmied, erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, lieber Herr Bemrode, daß es mir unmöglich scheint, daß man gegen Sie die Grausamkeit so weit treibt, eine Todesstrafe wiederherzustellen, die ich seit langer Zeit für abgeschafft hielt.

– Mein lieber Wirth, was ich Ihnen so eben sagte, darf nicht buchstäblich genommen werden. Ich habe in meiner Erzählung bildlich verfahren, was eine der Formen der Redekunst ist . . . Wenn ich sage, daß man mich an’s Kreuz schlagen will, so ist das moralisch zu nehmen, und mein Orestes ist Niemand anders, als der Herr Rector, der meinen Gehalt mit einem Male um ein Drittel verringert und der sogar davon spricht, meine Pfarre einzuziehen.

– Ah! ich begreife, sagte mein Wirth.

– Sie begreifen? fragte ich.

– Bei Gott!

– Sie sind sehr glücklich, mein lieber Wirth, – ich begreife nicht.

– Wie! Sie begreifen nicht, daß der Herr Rector wüthend gegen Sie ist. und daß er Ihnen alles Leid zufügen wird, was er Ihnen irgend zufügen kann?

– Warum das?

– Ei, weil Sie ihn betrogen haben.

– Ich? rief ich aus. Wissen Sie. mein lieber Wirth, daß Williams Bemrode, wenigstens wissentlich, niemals Jemand betrogen hat.

– Prrrr! . . . da setzen Sie sich auf’s hohe Pferd und sprengen davon, ohne mich aussprechen zu lassen! . . . Sie haben ihn darin betrogen, daß er Sie für einen Schwachkopf gehalten hat, und daß Sie ein Mann von Verstand sind; darin, daß er Sie für einen Dummkopf angesehen hat, und Sie ihm gezeigt haben, daß Sie ein Gelehrter sind.

– Ich, ein Schwachkopf? ich. ein Dummkopf? äußerte ich sehr verletzt durch diese ein wenig derbe Offenherzigkeit. Entschuldigen Sie mich, mein lieber Wirth, aber ich glaube, daß Sie . . .

– Ich sage Ihnen nicht, daß Sie es sind, ich sage Ihnen, daß man Sie dafür gehalten hat! . . . Welcher Mann, mein Gott! – Sagen Sie, muß man Ihnen denn Alles haarklein auseinandersetzen?

– Ich gestehe Ihnen, daß mir das Vergnügen machen würde.

Gut! erinnern Sie sich jener unglückseligen Predigt, welche Sie in dem Dorfe Ashbourn gehalten haben? . . . der ersten? . . .

Ich erröthete.

– Ja, gewiß, sagte ich zu ihm, ja, ich erinnere mich ihrer. . . aber warum diese Erinnerung wieder erwecken? Ich möchte Ihnen wie Aeneas zu Dido sagen:

Infandum, regina, jubes, renovare dolorem!

– Herr Bemrode, ich weiß nicht, wer Aeneas ist, ich weiß nicht, wer Dido ist . . . hatte Aeneas eine schlechte Predigt gehalten, und erinnerte ihn Dido an diese Predigt? In diesem Falle ist die Lage dieselbe, denn ich erinnere Sie an eine Predigt, die Sie gehalten haben, und die, wie Sie selbst gestanden, kein Meisterstück der Beredtsamkeit war . . .

– Ja, aber seitdem, mein lieber Wirth, erwiederte ich voller Stolz, glaubte ich diese Niederlage unter Siegen begraben, und die Cypressen mit Lorbeern bedeckt zu haben.

– Das ist es gerade! . . . diese Siege, diese Lorbeern sind es, welche der Rector Ihnen nicht verzeihen kann, der auf die Niederlage und auf die Cypressen gerechnet hatte!

– Sie hatten mir bereits etwas darüber geäußert, mein lieber Wirth; aber indem Sie mir diesen Haß andeuteten, haben Sie vernachlässigt, mir die Ursache desselben anzugeben.

– Doch, aber Sie haben sie vergessen. Der Herr Rector hat einen Neffen; dieser Neffe hat ein junges Mädchen geheirathet, für welche der Herr Rector eine große Theilnahme . . . eine väterliche Theilnahme hegt, verstehen Sie? . . . Der Herr Rector ist ein Heuchler, der den Schein des strengsittlichen Mannes bewahren will, indem er den Nutzen des lasterhaften Menschen genießt. Nun aber ist hier die Berechnung, die er sich gestellt hat: »Herr Bemrode ist der Sohn eines unter der protestantischen Geistlichkeit ehrenvoll bekannten Pastors; er hat Rechte auf eine Pfarrstelle, aber da er kein Talent hat . . .«

– Mein lieber Wirth! . . .

– Nach Ihrer Predigt konnte er es glauben; er glaubte es sogar . . . Glücklicher Weise irrte er sich! – Er sagte sich also: »Da er kein Talent hat, so will ich einen Wettstreit über die Pfarre eröffnen; mein Neffe wird sein einziger Mitbewerber sein; da es nun aber keinem Zweifel unterworfen ist, daß die Predigt meines Neffen besser als die seinige sein wird, so wird die Gemeinde meinen Neffen verlangen, den ich ihr auf Verlangen bewilligen werde, und auf diese Weise wird man sagen: »Welcher unparteiische Mann der Herr Rector ist! Bei ihm findet keine Protection statt; für ihn giebt es keine Familie; er kann nach seinem Gefallen über Pfründen verfügen, aber er bewilligt sie allein dem Talente. Sein Neffe hatte mehr Talent, als Herr Bemrode, und die Pfarre von Ashbourn ist ihm bewilligt worden; wenn er weniger gehabt, so hätte Herr Bemrode die Pfarre von Ashbourn erhalten . . .« Unglücklicher Weise für ihn, und vielleicht unglücklicher Weise für Sie, ist Alles gegen seine Voraussetzungen ausgefallen; Sie haben die schöne Predigt gehalten . . . eine so schöne, daß der Neffe sich nicht einmal in einen Wettstreit mit Ihnen eingelassen hat!

Ich lächelte voller Zufriedenheit und verneigte mich.

Mein Wirth fuhr fort:

– Die Gemeinde hat Sie verlangt; Sie haben die Pfarrstelle erlangt, so daß der Herr Rector, der seinen Neffen und sein Mündel untergebracht glaubte, Mündel und Neffen sich wieder auf den Hals hat fallen sehen. Daher rührt sein. Zorn!

– lnde irae! Ja, ich begreife. . . Aber dann, mein lieber Wirth, ist es noch weit bedenklicher, als ich es glaubte.

– So bedenklich, Herr Bemrode, daß ich Sie auffordere, ernstlich an Ihre Lage zu denken.

– Wie das, an meine Lage zu denken?

– Ja . . . Hat er sich darauf beschränkt, Ihnen einen Abzug anzuzeigen?

– Er ist so weit gegangen, mir zu sagen, mein lieber Wirth, daß meine Pfarrstelle eingezogen werden könnte.

– Sie sehen wohl . . . ich sage also nicht zu viel, wenn ich Ihnen sage, an Ihre Lage zu denken.

– Aber auf welche Weise muß ich daran denken?

– Ah! wenn Sie Bekannte, Protectionen haben, so setzen Sie dieselben in Bewegung.

– Damit sie sich bei dem Herrn Rector um die Beibehaltung meiner Pfarrstelle bewerben, nicht wahr?

– Damit sie trachten, Ihnen eine andere zu verschaffen.

– Eine andere?

– Betrachten Sie von diesem Augenblicke an Ihre Pfarrstelle als eingezogen, mein lieber Herr Bemrode.

– Aber dann bin ich ein verlorener, zu Grunde gerichteter Mensch; ich kenne Niemand.

– Niemand?

– Mein Gott, nein!

– Sie haben nicht einen Freund?

– Ach! ich habe Sie, mein lieber Wirth, Sie, den ich zuweilen verkenne, aber zu dem ich immer wieder zurückkehre.

– Ja, aber ich bin ein armer Handwerker ohne Einfluß. Ohne Ansehen . . . Wenn ich nur der Kupferschmied des Bischofs wäre!

– Unglücklicher Weise sind Sie es nicht! . . .

– Nun denn, besinnen Sie sich genau, suchen Sie unter Ihren Jugendfreunden . . . Das sind die besten.

– Ich habe wohl einen Freund, einen Freund, der einige Jahre älter als ich ist; aber . . .

– Aber was?

– Er ist ein einfacher Professor der Philosophie an der Universität Cambridge, Petrus Barlow? . . .

Sie sehen, ich dachte an Sie, mein Freund!

– Nun?

– Nun, ich bin überzeugt, daß er Alles für mich thun würde, was er vermöchte . . .

– Der gute Wille ist schon viel.

 

– Aber ich zweifle, daß er durch sich selbst etwas vermag; vertieft in die Wissenschaft, wie er es ist, hat er alle Verbindungen der Welt vernachlässigt. O.’ wenn ich eine Empfehlung an Aristoteles, an Plato. an Sokrates nöthig hätte, so würde er mir sie geben!

– Bitten Sie ihn immerhin darum.

– Diese Leute da, mein Freund, sind schon vor zweitausendfünfhundert Jahren gestorben.

– Dann ist es etwas Anderes … Sie haben Lebendige nöthig!

– Petrus Barlow lebt nur mit den Todten.

– Aber am Ende hat er eine Familie?

– Er hat einen Bruder, der Kaufmann ist, einen der reichsten und der angesehensten Banquiers von Liverpool.

– Das ist Ihre Sache. Ein großer Herr, möge er nun dem Adel oder der Kirche angehören, scheint zuweilen die Empfehlung eines Banquiers zu verachten; er wirft sie bei Seite, indem er vor der Welt die Achseln zuckt. Aber sobald er allein ist. rafft er sie wieder aus, merkt sie sich sorgfältig und übergiebt sie seinem Secretär oder seinem Haushofmeister, indem er sagt: »Hier, erinnern Sie mich bei Gelegenheit an diese Empfehlung, es ist die eines armen Teufels von Millionär, für den ich etwas thun möchte.«

– Wissen Sie, mein lieber Wirth, sagte ich zu ihm, indem ich ihn anblickte, wissen Sie, daß Sie ein sehr gründlicher Mann sind?

– Ich?

Er lächelte.

– Ich bin ganz einfach ein armseliger Kupferschmied, der zuweilen nachgedacht hat, während er sein Kupfer hämmerte und seine Kessel verzinnte, und was ich Ihnen da sage, ist das Ergebniß meiner Betrachtungen.

– Geben Sie mir eine Feder, Tinte und Papier.

– Gehen Sie in meine Schreibstube, Sie werden Alles das finden.

– Ich will Ihren Rath auf der Stelle befolgen . . .

– Sie sind sehr gütig!

– Und an meinen Freund Petrus Barlow schreiben.

– Sie haben Recht; wenn das Ihrer Lage nichts hilft, so wird es ihr nichts schaden; nur . . .

– Nur?

– Je weiter die Pfarrstelle, die er Ihnen verschaffen könnte, von der von Ashbourn entfernt wäre, desto besser wäre es. Sie haben mit einem schlauen Fuchse zu thun; setzen Sie sich aus dem Bereiche seiner Kralle!

Ich machte ein Zeichen mit dem Kopfe, daß ich die ganze Wichtigkeit der Anempfehlung verstände, und ging in die Schreibstube meines Wirthes. des Kupferschmieds.

Dort, mein lieber Petrus, schrieb ich Ihnen jenen Brief, der unsere unterbrochene, aber nicht gebrochene Verbindung wieder anknüpfte, und auf den Sie antworteten, indem Sie mir Ihre Freundschaft versicherten, indem Sie mir sagten, daß Sie meine Bitte Ihrem Bruder Übermacht hätten und mich baten, Ihnen in aller Aufrichtigkeit mein Leben, meine Gemüthsbewegungen, meine Hoffnungen und meine Schmerzen zu erzählen, da Sie sich mit der Beschauung der Lebendigen beschäftigten, wie die Aerzte die Beschauung der Todten vornehmen.

Sie sind sehr glücklich, mein Freund; Ihre große Arbeit ist im Zuge, meine Geschichte wird nur eine sehr geringe, sehr unbekannte Episode derselben sein, während ich noch daran bin, meinen Gegenstand zu suchen.

Ach! ich fürchte sehr, daß das Mißgeschick, welches anfängt, sich gegen mich zu entfesseln, mir alle Muße gewährt, dieses Buch – wenn ich den Plan dazu finde – zu schreiben, so lang und so schwierig es auch sein möge!

Denn, mein lieber Petrus, indem ich Ihnen meinen Auftritt mit dem Rector erzählte, habe ich Ihnen nur einen Theil meines Unglücks erzählt; der andere – vielleicht der schrecklichste – erwartete mich bei der Rückkehr.

Polykrates hatte nur einen Orestes, und ich habe deren zwei!

Urtheilen Sie, da ein einziger hingereicht hat, um den König von Samos an’s Kreuz zu schlagen, mit welchem Schicksale ich, der geringe Dorfpastor, bedroht bin!

Ich bitte Sie daher inständigst, mein lieber Freund, wenn Sie an den ehrenwerthen Herrn Samuel Barlow, Ihren Bruder, schreiben, ihm meine Ehrfurcht zu bezeigen und ihm zu sagen, daß ich mich seinem gütigen Andenken empfehle.