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Der Pastor von Ashbourn

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

XIII.
Der Herr Haushofmeister

Es war fünf Uhr Abends. Mein Wirth, der Kupferschmied, wollte mich zum Abendessen zurückbehalten; aber ich machte ihm bemerklich, daß es nicht weniger als zwölf Meilen von Nottingham nach Ashbourn wären; daß ich, da ich keine Gelegenheit hätte, zu Fuß dahin zurückkehren müßte; daß. was das anbetrifft, bis zum folgenden Morgen zu bleiben, mich nichts auf der Welt dazu bestimmen würde. Jenny die Unruhe einer fern von ihr zugebrachten Nacht zu verursachen.

Darauf zahlte ich ihm acht Pfund Sterling aus, was die Hälfte der Summe war, die er mir so gefälliger Weise zur Zeit meiner Verheiratung geliehen hatte, und brach auf, indem ich den wackern Mann segnete, der mir die Augen geöffnet hatte, und mein böses Verhängniß verwünschte, das mich in der Tiefe meines blauen Firmamentes einen so stürmischen Himmel für die Zukunft sehen ließ.

Meine Reise war traurig. Es ist unglaublich, wie die Natur uns entweder durch die goldige Wolke unserer Einbildungskraft oder durch den Trauerschleier unseres Herzens erscheint.

Freilich war der ganze Tag finster gewesen. In unserem England, dessen Himmel eben so viel Wogen über unsern Häuptern dahintreibt, als der Ocean um uns herum rollt, giebt es Sommertage, welche durch die Lüfte ziehende Boten des Winters oder des Herbstes scheinen. Gegen sieben Uhr hatte sich indessen das Firmament aufgeklärt, und der Horizont im Westen allein war wie die Berge Tyrols mit aufgehäuften Wolken beladen geblieben, und inmitten dieser Berge, deren blaue Gipfel sie mit einem Saume von Purpur und Gold schmückte, war die Sonne, nicht wie ein Eroberer, der zur Ruhe geht, um am folgenden Morgen weit glänzender wieder zu erscheinen, sondern wie ein Besiegter untergegangen, welcher fällt, um sich zum ewigen Schlafe niederzulegen.

Im Osten spaltete sich im Gegentheile von Zeit zu Zeit der Himmel, um einen nächtlichen und schweigenden Blitz durchzulassen, und bei jedem Male hätte man sagen können, es sei das Auge eines schlafenden Riesen, das, indem es sich wieder öffnete, einen Blick und einen flüchtigen Schein auf die Welt würfe.

Wie in dem schönen Gedichte von Thomas Gray, das Jenny mir hergesagt hatte, war die Dämmerung mit Schwermuth erfüllt durch das Läuten der Glöckchen der Heerden, welche der Hirt nach dem Stalle führt, und durch den noch weit schwermütigeren Klang der Glocke der Kirchen, dem Schooße der unermeßlichen menschlichen Heerde, welche das Gebet zu Gott führt.

Diese ganze Natur, welche ich auf meinen früheren Reisen so lebendig und so heiter gesehen hatte, schien mir betrübt und schmachtend.

Und warum das?

Mein lieber Petrus, bewundern Sie den Einfluß, des auf das physische und moralische Leben die Abwesenheit oder die Gegenwart einiger runden Stücke gelben und glänzenden Metalles haben kann!

Ich hatte geglaubt, von meiner Reise nach Nottingham mehr als vierzehn Guineen zurückzubringen; – ich brachte nur sieben zurück!

Der Mangel einer so armseligen Summe verursachte diesen dunkeln Himmel und diesen schwermüthigen Horizont.

Indessen, ich irre mich. Nein, es war nicht ganz das, was den Himmel der Gegenwart finster und den sichtbaren Horizont schwermüthig machte; – er war der Schatten des unsichtbaren Horizontes, es war das Gespenst der unbekannten Zukunft.

Ein drohendes Gespenst! ein Horizont voller Stürme!

Ich gelangte endlich an die ersten Häuser von Ashbourn; es war beinahe zehn Uhr Abends. Der Mond, der seit einer Stunde langsam am Himmel aufging, machte die Nacht durchsichtig und ließ inmitten dieser Nacht unter seinem bleichen Lichte die weißen Mauern dieser ersten Häuser wachsen.

Man hätte sagen können, es sei ein Heer von Gespenstern, das mir entgegen kam.

Ich weiß nicht, ob es Ahnungen giebt, mein lieber Petrus, aber so viel weiß ich, daß ich diese ganze Reise nicht allein von einer Schwermuth, von der ich Ihnen die Ursache gesagt habe, sondern auch noch von einem unbestimmten Schrecken befallen zurücklegte, dessen Gegenstand mir durchaus unbekannt war.

Es schien mir, als ob ich, indem ich eine schlimme Nachricht zurückbrächte, bei meiner Ankunft eine noch weit schlimmere erfahren würde.

Endlich erblickte ich das Pfarrhaus.

Seitdem ich das Dorf betreten, hatte ich mir mit dem Gedanken geschmeichelt, daß ich aus der Ferne Jenny, mich halb besorgt, halb lächelnd erwartend, auf der Schwelle sehen würde.

Ich sagte mir: »Wenn Jenny mich erwartet, wenn ich Jenny aus der Ferne sehe, so werden alle schlimmen Vorbedeutungen beschworen und es wird der Beweis sein, daß meine Befürchtungen Thorheiten und die Voraussichten meines Wirthes Träumereien wären.«

Ihnen, dem Philosophen, Ihnen, dem Freigeiste, sind solche Albernheiten niemals eingefallen, nicht wahr?

Nun, Sie haben keinen Begriff, mein lieber Petrus, welchen großen Einfluß solche Ideen in gewissen Geistesstimmungen ans eine Einbildungskraft wie die meinige haben.

Ich hatte bis an der Ecke des Platzes gehofft, Jenny auf der Sehwelle zu sehen; ich hatte sie mit den Augen der Seele gesehen; ich hatte ihr im Voraus zugelächelt; ich hatte leise mit meiner sanftesten Stimme die Worte gemurmelt, die ich ihr zu sagen gedachte . . .

Es befand sich Niemand auf der Schwelle; mein Herz wurde beklommen.

Ich näherte mich ganz schaudernd.

Da ich nicht wußte, um wie viel Uhr ich nach Hause zurückkehren würde, so hatte ich den Schlüssel mitgenommen, um Jenny nicht zu sehr zu bemühen, wenn ich zu einer späten Stunde der Nacht ankommen sollte.

Ich suchte in meiner Tasche und ich fand meinen Schlüssel darin. Meine nervöse Aufregung war so groß, daß ich ihn mit derselben Kraft drückte, wie ich es mit dem Stiele eines Messers oder eines Dolches gemacht hätte.

Ich hatte Mühe, das Schloß zu finden; meine Hand zitterte.

Der Schlüssel drehte sich; die Thür ging auf.

Ich hatte eine solche Eile, bis zu Jenny zu gelangen, daß ich sie nicht einmal wieder hinter mir verschloß.

Ich schritt tappend auf der Hausflur voran; es schien mir, als ob ich laut in meinem Arbeitszimmer, dem ehemaligen Schlafzimmer der Wittwe, sprechen hörte.

Ich fand die Thür des Eßzimmers; ich drückte sie. sie gab nach.

Nun wurde das Geräusch weit merklicher, das ich zu hören geglaubt hatte. Ich ging durch das Eßzimmer, indem ich an Tische und Stühle stieß, ohne daß dieses Gepolter die unterbrach, welche in dem benachbarten Zimmer sprachen.

Ich gelangte an die Thür; sie war nur angelehnt; durch die Spalte drang ein Lichtstrahl und verbreitete sich das Geräusch.

Ich sah und horchte.

Jenny stand mit übereinander geschlagenen Armen, gerunzelter Stirn, geringschätzender Lippe; sie hatte einen Ausdruck von Verachtung und von Zorn, den ich nicht allein niemals auf ihrem lieblichen Gesichte gesehen, sondern dessen ich sie nicht einmal für fähig gehalten hätte.

Sie war schön und erhaben wie die Statue der Empörung.

Vor ihr. auf den Knieen, lag ein wenig zurückgeworfen der Haushofmeister, Herr Stiff; er hatte die Haltung eines Mannes, der fürchtet, das Gesicht Jemandes, der hofft.

In dem Augenblicke, wo mein Auge sich in die Spalte legte, streckte Jenny einen ihrer Arme mit der Geberde einer Königin nach der Thür aus und sagte:

– Stehen Sie auf, mein Herr, und entfernen Sie sich!

– Aber indessen, schöne Jenny! . . . stammelte der Haushofmeister.

– Ich sage Ihnen sich zu entfernen! wiederholte Jenny. Herr Stiff schien einen großen Entschluß zu fassen.

– Sie sagen mir, mich zu entfernen? meine Schöne. . . Sie sagen es auf eine sehr würdige Weise, ich läugne es nicht; aber wir haben solche Hoheiten da auf dem Theater gesehen, und da Eure Majestät keine Garden hat, um mich vor die Thür zu werfen, so werde ich gehen, wenn es mir gefällt.

– Mein Herr, sagte Jenny, Sie betragen sich nicht wie ein Mann. . . Sie haben die Livree getragen, mein Herr: Sie betragen sich wie ein Lakai!

Herr Stiff stieß ein Gebrüll des Zornes ans. und streckte seine beiden Arme vor um Jenny zu ergreifen.

Aber sie that einen Schritt zurück, und seine beiden Arme ergriffen nur die Luft.

Nun stand er wieder auf und that einen Schritt auf sie zu, indem er zwischen seinen zusammengepreßten Zähnen wiederholte:

– Ein Lakai!. . . ah! ein Lakai!. . . Wenn Sie dieses Wort nicht durch Ihre zärtlichsten Liebkosungen auslöschen, Madame, so wird es Ihnen und Ihrem Gatten theuer zu stehen kommen.

Auf einen lächerlichen Ausdruck von Liebe war in dem Blicke, auf dem Gesichte, in dem Ganzen der Züge des Haushofmeisters ein solcher Ausdruck von Haß gefolgt, daß Jenny auf die Thür zustürzen wollte.

Aber er hielt sie auf dem Wege zurück.

Und indem er sie in gewisser Art zu seiner Verfügung hielt, sagte er zu ihr:

– Madame, es ist zehn Uhr Abends; Ihr Haus liegt einsam; Herr Bemrode übernachtet in Nottingham, wenn Sie auch um Hilfe riefen, es würde Sie Niemand hören, es würde Niemand kommen. Es ist daher besser, durch Ihre Unterwerfung die Beleidigung wieder gut zu machen, die Sie mir zugefügt haben. . . Noch ein Mal, Madame, ich bitte. . . Eine neue Weigerung, und ich nehme

Jenny blickte um sich, wie um ein Mittel der Flucht oder der Vertheidigung zu suchen; er folgte ihr mit dem Auge, und sagte mit seinem teuflischen Lachen:

– O! suchen Sie. . . es ist Niemand hier, es ist Nichts hier.

– Es giebt Gott, mein Herr! sagte Jenny, indem sie selbst zu dem höchsten Grade der Ueberspannung gelangte und nach dem Himmel mit der Geberde einer Prophetin deutete. Nein, es ist wahr, es befindet sich Niemand hier, um mich zu vertheidigen; es befindet sich Niemand hier um mir beizustehen. . . man kann mich nicht hören, wenn ich rufe; man kann nicht kommen, wenn Sie mich angreifen. . . Und dennoch sage ich Ihnen, Elender! sage ich Ihnen mit einer Verachtung für Sie und meinem Vertrauen zu dem Herrn, ich bin hier, schwach, ohne Waffen und ohne Stütze; ich erwarte Sie . . . und wenn Sie einen Schritt thun, wenn Sie die Hand an mich legen, so wird mir eine Hilfe kommen. . . welche? ich weiß es nicht, woher? es ist mir unbekannt; aber, ich wiederhole es Ihnen, sie wird kommen! Versuchen Sie!. . .

 

Der Haushofmeister blieb einen Augenblick lang bestürzt und zögernd stehen; dann, wie beschämt vor der Drohung einer Frau zurückzuweichen, stürzte er auf Jenny zu.

Aber zu gleicher Zeit machte ich die Thür auf, und indem ich ihm die Hand auf die Schulter legte, sagte ich zu ihm:

– Nehmen Sie sich in Acht, Herr Stiff, ich bin da! Jenny stieß einen Freudenschrei aus.

– O! ich sagte es Dir wohl. Elender! daß Gott das Auge auf Dich gerichtet hatte!

^ Ah! ah! äußerte Herr Stiff mit den Zähnen knirrschend, Sie sind es, Herr Bemrode?

– Ja, mein Herr, ich bin es, sagte ich zu ihm, und obgleich von sanftem Charakter, obgleich Diener eines Gottes des Friedens, erkläre ich Ihnen, daß der Mensch, welcher, nachdem er, meiner Frau eine solche Beleidigung zugefügt hat, fünf Minuten länger unter meinem Dache bliebe, Lebensgefahr laufen würde.

Ich war sehr bleich; ich drohte mit schneidender Stimme; meine Finger, die ich ihm auf seine Schulter gelegt hatte, zogen sich krampfhaft zusammen und drangen ihm wie eine Geierkralle in das Fleisch.

Er begriff, daß ein Wort mehr, – wenn dieses Wort eine Prahlerei oder eine Beleidigung wäre, – er verloren sei!

Er schämte sich indessen so sehr, sich auf diese Weise zurückzuziehen , daß er auf die Gefahr hin, was auch daraus entstehen könnte, zu beißen versuchte, indem er sich zurückzog.

– Gut! sagte er, ich hätte es mir denken müssen: die Frau, indem sie that, als ob sie allein sei; der Gatte versteckt. . . ein hinterlistiger Ueberfall in gehöriger Form! – Wie viel kostet das, Herr Bemrode? Wenn die Summe unsere Mittel nicht übersteigt, so läßt sich die Sache beilegen.

Ich hörte nicht einmal mehr das Uebrige der Worte, welche in erstickten Tönen endigten.

Ich hatte ihn mit meinen beiden Händen bei der Gurgel gepackt, und erstickte ihn.

– Mein Freund! mein Freund! rief Jenny aus, indem sie auf mich zustürzte, was thust Du!. . . Du, ein Pastor!. . .

– Es ist wahr, antwortete ich; aber Du wirst zugeben, daß das. was sich hier zugetragen hat, etwas ist, um die Engel weinen zu lassen, wie Shakspeare sagt. – Nein, Herr Stiff, begann ich wieder, indem ich ihn losließ, nein, meine Frau hat nicht gethan, als ob sie allein wäre; nein, ich war nicht versteckt; nein, es war kein arglistiger Hinterhalt; nein, Sie haben dafür keine Summe zu bezahlen, weil es keine Summe giebt, welche die Beleidigung wieder gut zu machen vermöchte, die Sie uns zugefügt haben. . . Diese Beleidigungen da lassen sich nicht zurückkaufen; man verzeiht sie. Gehen Sie. und bereuen Sie, vielleicht wird man Ihnen dann verzeihen. . .

Und ich raffte seinen Hut auf, der auf dem Boden lag, und reichte ihm denselben.

– Gehen Sie, sagte ich zu ihm. und nehmen Sie sich in Acht in der Art, mit der Sie von diesem Vorfalle sprechen werden; – was mich anbetrifft, so verspreche ich Ihnen zu schweigen; – was man davon erfahren wird, angenommen, daß man etwas davon erfährt, wird also von Ihnen herrühren. . . Gehen Sie, Herr Stiff, gehen Sie!

Er zögerte einen Augenblick lang wie Jemand, der das Mittel sucht, seine Beute zu vernichten; als er aber Jenny würdig und ruhig, und mich fest und drohend sah, sagte er:

– O! wir werden binnen Kurzem sehen, wie Alles das endigen wird!

Indem er hierauf seinen Hut mir aus meiner Hand riß, stürzte er in das Eßzimmer, stieß sich an die Stühle und an den Tisch, und erreichte die Hausthür, die er mit einem Lärm und einer Heftigkeit zuschlug, die seinen Zorn bezeugten.

– O mein Freund! rief Jenny aus, indem sie sich in meine Arme warf, welcher schändliche Mensch! und welches Glück ist es, daß Du gekommen bist!. . .

XIV.
Orestes der Erste

Das was ich gesehen und gehört hatte, entband Jenny von jeder Erklärung; Sie werden indessen begreifen, mein lieber Petrus, daß nach einem solchen Auftritte sich die Wie und die Warum mit mehr Schnelligkeit als Ordnung folgten.

Es war schon lange her, daß der Herr Haushofmeister seine Augen auf meine Frau geworfen hatte. An demselben Tage, an welchem er uns begegnet war und uns fast mit Gewalt auf das Schloß geführt, hatte er ihr unter tausend Ungebührlichkeiten, die er ihr aufgetischt, einige Complimente über ihre Schönheit gemacht; sie hatte diese Complimente für abgedroschene Redensarten gehalten, und nicht mehr Wichtigkeit darauf gelegt, als solche Albernheiten gewöhnlich verdienen.

Aber jedes Mal. wo der Haushofmeister Jenny wieder gesehen, hatte er versucht, einen Schritt weiter zu thun. An dem Tage, an welchem er gekommen war, um uns mit seiner Frau einen Besuch abzustatten, hatte er den Augenblick benutzt, wo Jenny, die Madame Stiff folgte, vor ihm in mein Arbeitszimmer eintrat, um ihr den Arm zu drücken, und ihr zu sagen, daß er sie liebe.

Daher rührte die Bewegung, welche Jenny gemacht, und die ich bemerkt hatte, aber um die ich mich nicht weiter bekümmerte.

Als er endlich durch den Pächter des Schlosses erfahren, daß ich mit ihm nach Nottingham führe, und er ihn ohne mich hatte zurückkehren sehen, hatte er daraus geschlossen, daß meine Angelegenheiten mich wahrscheinlich bis zum folgenden Morgen in der Stadt zurückhielten, und beschlossen, meine Abwesenheit zu benutzen, um einen starken Versuch zu machen.

Sie errathen den Anfang des Auftrittes durch das, was Sie von dem Ende wissen; er hatte zuerst seine Liebe angeboten, nachher Geld, dann hatte er endlich Gewalt versuchen wollen.

Ich war gerade in dem Augenblicke angekommen, wo meine tapfere Jenny diese Beleidigung durch Beleidigung und Verachtung zurückwies.

Alles das war mißlich und drohend. Er war wie der Tartuffe des französischen Stückes abgetreten, indem er meldete, daß man wieder von ihm werde sprechen hören. – Unglücklicher Weise brachte ich von Nottingham keine sehr guten Nachrichten mit, um Jenny über das zu beruhigen, was sich in Ashbourn zugetragen hatte.

Wie sie mir Alles gesagt hatte, sagte auch ich ihr Alles.

Jenny hörte meine Erzählung mit wundervoller Ergebung an.

– Mein Freund, sagte sie, als Gott uns mit einander vereinigte, hat er uns für das Glück wie für das Mißgeschick vereinigt; wir haben das Eine mit einander genossen, wir werden das Andere mit einander ertragen. Und dann, siehst Du, so wie Du in dem äußersten Augenblicke mir zu Hilfe gekommen bist, so wird Gott uns auch in dem äußersten Augenblicke eine Stütze senden. Haben wir den Glauben, der Herr wird das Uebrige thun!

Da ich kein Mittel hatte, gegen einen einzigen meiner Feinde zu kämpfen, um wie viel weniger also gegen die beiden, so war ich natürlich genöthigt, mich in den Rath Jenny’s zu ergeben; aber ich gestehe, daß ich mit weniger Vertrauen und Ergebung als sie den Schlag erwartete, von dem ich bedroht war.

Wir beschlossen, dem Vater und der Mutter nichts zu sagen; sie ahneten nichts; sie kannten den Haß des Rectors gegen mich, die Liebe des Haushofmeisters für Jenny nicht; wozu nutzte es, sie zu quälen?

Was das anbetrifft, uns, wenn es Noth thäte, mit Geld zu unterstützen, so wußten wir, daß das unmöglich war. Wenn der gute und theuere Herr Smith Haares Geld gehabt hätte, so hatte er einen zu großen Abscheu gegen Schulden, als daß er sie in Bezug auf das Klavier Jenny’s gemacht haben würde.

Wir zählten unsere sieben Pfund Sterling auf einem Tische auf. Im Nothfalle konnte man drei Monate lang damit leben; aber um zu diesem Wunder der Sparsamkeit zu gelangen, durfte man keinen Schilling von dieser armseligen Summe abziehen.

Von Zeit zu Zeit fiel mir indessen etwas wieder ein, was ich weder Herrn Smith, noch seiner Frau, noch Jenny gesagt hatte: nämlich meine Schuld oder vielmehr diese Schuld meines Vaters, die ich zu der meinigen gemacht und mich verpflichtet hatte, sie vierteljährlich mit einer Guinee abzutragen.

Der Schuldschein war es besonders, den ich unterzeichnet hatte, und demzufolge in Ermangelung zweier pünktlich bezahlter Termine das Ganze auf der Stelle verfallen war.

Wie die Guinee, mit der ich im Rückstande war, von den sieben Guineen nehmen, die uns übrig blieben?

Wie besonders Jenny gestehen, daß, wenn ich, bereits mit einer Guinee gegen meine Gläubiger im Rückstande, in sieben Wochen nicht eine zweite Guinee bezahlte, eine ganze Summe von fünfzig Pfund Sterling verfallen war?

Aber auf dieser Seite hatte ich eine Hoffnung, nämlich daß Herr Rham, das war der Name des Handelsmannes von Nottingham, – uns Zeit bewilligen würde, da er von meinem Vater und von mir immer pünktlich bezahlt worden war.

Zeit! das war Alles, was ich nöthig hatte. Meine Pfarre ließ mir viel Muße übrig; die Liebe Jenny’s machte mir aus dieser Muße die süßeste Ruhe; ich konnte mich an das große Werk machen, welches anzufangen mich bis dahin so viele Umstände verhindert hatten.

Da das am Ende das Vernünftigste war, so beschloß ich, mich so bald als möglich an das Werk zu machen.

Nur wollte ich nicht auf das Alte zurückkommen,, das. was ich aufgegeben hatte, sollte aufgegeben bleiben. Außerdem waren gar viele Veränderungen in meinem Kopfe vor sich gegangen, gar viele neue Horizonte hatten sich vor meiner Einbildungskraft eröffnet; mit meiner ersten Kenntniß des Menschen hatte sich die Kenntniß der Welt vereinigt, welche ich in vier Monaten des wirklichen Lebens geschöpft hatte.

Ich wußte jetzt, welches das Werk war, das meinen Zeitgenossen gefallen konnte; es war weder ein Heldengedicht, auf dessen Anfertigung ich zehn Jahre verwenden würde, noch ein Trauerspiel, von dem ich nicht wissen würde, wo ich es aufführen lassen sollte, noch eine Abhandlung vergleichender Philosophie, die ich genöthigt sein würde, auf meine Kosten herauszugeben. Nein: es war ein moralischer Roman, wie die von Lesage, von Richardson oder des Abbé Prévost; ein Gil Blas, eine Paméla, ein Cleveland, das ist es, was die Gesellschaft in Bewegung setzen würde, das ist es, was ich mit meiner Kenntniß des Menschen zum großen Beifalle meiner Zeitgenossen ausführen würde.

Was würde mich außerdem verhindern, ein wenig von diesem satyrischen Witze in dieses Buch auszuschütten, der so mächtig bei mir war, daß er nur überzutreten verlangte? Was würde mich abhalten, einen Heuchler wie den Rector, einen gemeinen und feigen Glückspilz wie den Haushofmeister zu schaffen und zu schildern? Das war gewiß vor Gott und vor den Menschen eine schöne Sendung, im Angesichte der Gesellschaft zugleich die Wollust und die Heuchelei zu züchtigen; Gott hatte mir ohne Zweifel eine Kanzel gegeben, um gegen die Laster zu eifern; aber welches war der Horizont, in welchem mein Donner grollte? Welches war der Kreis, in welchem mein Blitz treffen konnte? Der Kreis und der Horizont eines kleinen Dorfes!

Nun aber war es mit meinem Romane nicht mehr dasselbe; ich ließ den Kreis sich erweitern, in dem ich eingeschlossen war; ich zerriß den Horizont, der mich beschränkte: ein Roman sprach in London, in England, in Schottland, in Irland, in den drei Reichen; der Abbé Prévost übersetzte ihn, wie er es mit Clarisse Harlowe und mit Grandisson gemacht hatte. Dann würde mein Ruf, wie er über die Tweed, wie er über den Kanal Saint-Georges gegangen, über den Pas de Calais gehen. Ein Mal in Frankreich bekannt, war ich der ganzen Welt bekannt: Frankreich ist der Herd des Lichtes, der seinen Glanz über ganz Europa verbreitet; dann kamen mir die Achtung und das Vermögen von allen Seiten zu; dann trotzte ich allen Rectoren und allen Haushofmeistern der Welt; dann erhob ich Jenny auf den vergoldeten Schild meiner Reichthümer und meines Ruhmes. Ich machte Jenny zur Königin der Welt! . . .

Ach! mein lieber Petrus, welche schöne Fabel hat der große Philosoph gemacht, den man La Fontaine nennt, die den Titel führt: Perrette oder der Milchtopf!

Mein Freund, der Gegenstand meines Romanes war beschlossen, der Plan dazu war entworfen, der Titel davon war geschrieben; ich hielt die Feder in der Hand, um die ersten Zeilen desselben zu schreiben; die Begeisterung war da, sie stand neben mir, die Arme und die Augen gen Himmel erhoben, als plötzlich Jenny wieder nach Hause kam; – sie hatte unsere kleinen Einkäufe gemacht, die sie immer selbst besorgte; – ich wandte mich um, als ich sie die Thür meines Arbeitzimmers aufmachen hörte; ich sah sie bleich und mit Thränen in den Augen . . . Ich legte meine Feder weg, denn Jenny vor Allem! Ich beunruhigte mich, ich erkundigte mich, und ich erfuhr, daß in Ashbourn das Gerücht im Umlaufe wäre, daß meine Pfarre in ein einfaches Vicariat verwandelt worden sei, und daß ein Vicar abgesandt werden würde, um mich zu ersetzen!

 

Das war der von meinem Wirthe, dem Kupferschmiede, prophezeite Schlag.

Niemals, mein lieber Petrus, niemals fiel Jemand von erhabeneren Höhen in einen tieferen Abgrund hinab!

Wenn dieses Gerücht begründet, wenn ich abgesetzt war, wenn dieser Vicar ankam, so war ich verloren!’

Herrn und Madame Smith um Gastfreundschaft für mich und für Jenny zu bitten, bei ihnen ein allgemeines Elend aus unserem Elende zu machen, ich, meine Frau, das Kind, das Gott uns vielleicht schenken würde, zur Last unserer guten und theuren Eltern zu sein. . .

– Niemals! lieber würde ich sterben.

Sie werden begreifen, mein lieber Petrus, daß mit einer solchen Unruhe im Kopfe, nach einem solchen Stoße im Herzen, nicht mehr die Rede davon war, mich an meinen Roman zu machen. Die Ereignisse meines eigenen Lebens nahmen ein zu schmerzliches Interesse an, um meinen Witz und meine Einbildungskraft sich aus fremde und erdichtete Interessen ergießen zu lassen.

Das Dringendste, Sie werden es selbst zugeben, nicht wahr? war an den Herrn Rector zu schreiben; war zu wissen, woran ich mich über ein solches Ereigniß zu halten hätte; war nicht mit einem solchen, über meinem Haupte aufgehängten Schwerte des Damokles zu leben.

Und dabei drohte dieses Schwert des Damokles, das dem Schmeichler Dionysius des Tyrannen drohte, ihm nur allein, und drohte ihm nur wahrend der Dauer der Mahlzeit.

Aber dieses über meinem Haupte aufgehängte Schwert bedrohte zu gleicher Zeit Jenny; was dieses Schwert bedrohte, war nicht allein die Gegenwart, sondern auch noch die Zukunft.

Ich schrieb daher auf der Stelle folgenden Brief an den Herrn Rector:

»Mein Herr,

»Ich schreibe Ihnen diesen Brief in der ganzen Bangigkeit meiner Seele, auf Veranlassung eines Gerüchtes, das sich, wie es scheint, seit zwei bis drei Tagen in dem Dorfe verbreitet.

»Ich weiß nicht, ob dieses Gerücht einigen Grund hat, oder ob es nur auf der Unterhaltung beruht, die ich mit Ew. Ehrwürden während unserer letzten Zusammenkunft gehabt habe, eine Unterhaltung, welche, ich gestehe es Ihnen, große Befürchtungen für meine Zukunft in mir hat entstehen lassen.

»Ein solcher Entschluß von Seiten Ew. Ehrwürden gegen mich wird zuverlässig seinen Grund in einem böswilligen Berichte haben, der ihr gegen mich gemacht worden ist: aber ich bin bereit, diesen Bericht – welchen Punkt meines Lebens er auch berühren möge, – offen zu bekämpfen. Einen Kampf zwischen mir und der Verleumdung zu beginnen. Herr Rector, heißt mir einen Sieg sichern.

»Seit vier und einem halben Monate, – leider hat mein Mißgeschick mir die Laufbahn nicht sehr lang gemacht! – seit vier und einem halben Monate habe ich voller Eifer und Treue das Amt verwaltet, das ich Ihrem hohen Schutze verdankte; ich habe in reiner und christlicher Weise das Wort Gottes gelehrt; ich habe die Betrübten zu trösten gesucht; ich habe meinen Geldbeutel mit den Armen getheilt; wenn mein Geldbeutel leer war, mein Brod; wenn das Brod mir gefehlt hat – und das ist mir mehr als ein Mal begegnet, mein Wort. Keine Klage hat sich gegen mich erhoben, ich bürge dafür, denn die erste Klage würde von meinem Gewissen ausgegangen sein, und wenn ich mein Gewissen noch so sehr befrage, es beschuldigt mich nicht. Ew. Ehrwürden hat meinen Gehalt um ein Drittel herabgesetzt, um dreißig Pfund Sterling, eine ungeheuere Summe für mich; ich habe gebeten, aber ich habe nicht gemurrt; ich habe Ihre Entscheidung Ihrem großmüthigen Herzen unterworfen, und ich habe mich voller Vertrauen zu der Unparteilichkeit, und wenn es sein müßte, zu dem Erbarmen Ew. Ehrwürden entfernt.

»Zum zweiten Male übergebe ich. wie das erste, mit meiner gerechten und rechtschaffenen Bitte den Händen Ew. Ehrwürden mein Leben, das meiner Frau und vielleicht das meines Kindes.

»Ich habe die Ehre. u. s. w.«

Was den letzten Theil, oder vielmehr was das Ende der letzten Phrase meines Briefes anbetrifft, so war sie gänzlich hypothetisch; nichts zeigte mir mit Gewißheit an, daß Jenny Mutter werden sollte. Sie werden daher auch bemerken, mein lieber Petrus, daß ich vielleicht geschrieben hatte, da ich nicht ein Mal für unser gemeinsames Wohl eine Lüge wagen wollte.

Als dieser Brief geschrieben und auf die Post gegeben, wartete ich die Antwort voller Bangigkeit ab.

Es war an einem Sonnabend, wo mein Brief abgesandt worden war. Ich hatte keine Predigt für den folgenden Tag; die Ereignisse, welche mich, trafen, lieferten mir einen Text: ich predigte über die Freuden der Armuth.

Eine Predigt, wenn sie in der Aufrichtigkeit des Herzens gehalten ist, hat das Gute, mein lieber Petrus, daß, wenn sie nicht auf die Zuhörer wirkt, sie wenigstens auf den Prediger wirkt.

Ich vermöchte Ihnen nicht zu sagen, ob ein einziges meiner Pfarrkinder überzeugt war, daß es besser wäre arm zu sein als reich; aber als ich die Kanzel verließ, war ich darein ergeben, das mir von der Hand meines Feindes kommende Mißgeschick mit derselben Geduld und derselben Demuth anzunehmen, als wenn es mich im Namen des Herrn träfe.

Und diese Geduld und diese Demuth waren mir nicht unnöthig; denn am Montag erhielt ich einen Brief des Herrn Rectors, in welchem er mir sagte, daß meine Pfarre in der That in ein Vicariat verwandelt wäre, daß ich demzufolge meine Stelle nur bis zu dem Ende des zweiten Quartals, das heißt bis zu dem 15. October behalten würde.

Außerdem, und um den wohlwollenden Schein noch zu erhalten, meldete er mir die Uebersendung der Vorauszahlung der fünfzehn Pfund Sterling meines zweiten Quartals; aber er benachrichtigte mich, daß mittelst dieser fünfzehn Pfund Sterling alle unsere Rechnungen abgeschlossen wären, damit ich nichts Anderes von ihm zu hoffen hätte.

Der Vicar. der mich ersetzen sollte, würde im Laufe dieses zweiten Quartals in Ashbourn ankommen, und die fünfzehn Pfund Sterling wären mir nicht allein übersandt, um mir beizustehen zu warten, sondern auch noch, damit ich ihm meine Pfarre gleich nach seiner Ankunft übergeben könnte.

Der Rector forderte mich auf, außerhalb seines Sprengels eine andere Stelle zu suchen, auf welche mich mein erlangter Beifall und meine Talente nach seiner Ueberzeugung. wie er sagte, nicht lange warten lassen würden.

Am folgenden Tage erhielt ich die fünfzehn Pfund Sterling.

Ich war in den Gedanken an unser Mißgeschick vertieft, als Jenny eintrat.

Zum ersten Male erhob ich bei dem Geräusche ihrer Schritte und dem Rauschen ihres Kleides den Kopf nicht.

Nur, da ich wußte, daß sie es war, die neben mir stand, zeigte ich ihr die fünfzehn Pfund in meiner offenen Hand und legte sie in die ihrige.

Jenny wartete noch einige Secunden, um zu wissen, ob ich sie anblicken oder anreden würde; aber als sie sah, daß ich regungslos und stumm blieb, holte sie eine Bibel, die sie mir als die Quelle alles Trostes brachte.

Ich verstand sie und erhob die Augen; ich sah sie ruhig und voller Ergebung vor mir stehen, indem sie mir das Beispiel des Muthes gab.

Ich streckte beide Arme aus und drückte sie an mein Herz, indem ich flüsterte:

– Jenny, theure Jenny!

Hierauf schlug ich die Bibel auf den Zufall hin auf.

Meine Augen richteten sich auf den Anfang der Seite; es war der erste Vers des 43. Kapitels des Propheten Iesaias.

Ich las:

»Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöset; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.«

Nun erhob ich die beiden Arme gen Himmel und rief aus:

– Wenn ich der Deinige bin, o Herr! dann habe ich nichts mehr weder für mich noch für sie zu fürchten!