Tasuta

Der Pastor von Ashbourn

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

In diesem Augenblicke erdröhnte ein schrecklicher Donnerschlag, und die Blitze verwandelten den Himmel in ein Feuermeer.

Der Arzt, welcher an dem Fenster stand, wich erschreckt zurück, ich aber verbarg meinen Kopf in den Betttüchern Elisabeth’s. Sie sagte mit derselben Stimme, mit der sie bereits gesprochen hatte, wie der Prophet:

– Herr, ich habe Dich in Mitte des Donners und der Stürme vorüberkommen sehen; ich habe Deine Macht erkannt und preise Deinen heiligen Namen.

Der Arzt schüttelte den Kopf.

Ich gestehe, daß ich in meinem Schmerze einen gewissen Stolz empfand, dieses Erstaunen der Wissenschaft dem Glauben gegenüber zu sehen. Wie erhaben der Glaube und wie klein die Wissenschaft im Angesichte des Todes war!

Das Gewitter sing an sich zu verziehen und mein Kind wieder zur Besinnung zu kommen. So lange der Trank gewirkt, hatte es geschienen, daß sie nicht nöthig hätte, Athem zu holen um zu leben. Als sie die Augen wieder aufschlug, war ihr erstes Wort:

– Luft! Luft!. . . Warum giebt man mir keine Luft, wenn ich sie verlange?

Ich machte das Fenster auf.

Ach! es war nicht die Luft, welche dem armen Kinde fehlte: sie meinte ihre beklommene Brust, welche keine Luft mehr einzuathmen vermochte.

Der Abend kam herbei; ich konnte mich nicht enthalten einen Blick auf das Feld zu werfen. Der Ostwind verjagte am Himmel die letzten Wolken des Gewitters und von der Erde die letzten Dünste, des Regens. Die ganze Natur schien bereit, der Ruhe zu genießen, welche den Krämpfen der Elemente folgt. Als ich diese allgemeine Ruhe, dieses allgemeine Wohlsein sah, wandte ich mich nach Elisabeth um, indem ich mir nicht denken konnte, daß sie nicht auch daran Theil nähme und in der That auch sie schien weit ruhiger. Das war diese Ruhe des Abends, die sie prophezeiht hatte. Der Arzt näherte sich ihr und suchte den Puls, aber fand ihn nicht mehr.

– Alles wird in Erfüllung gehen, wie sie gesagt hat, flüsterte er.

Und er setzte sich voll Erwartung an das Bett.

Die Dunkelheit sing an, vom Himmel herabzusteigen. Je finsterer es in dem Zimmer wurde, desto mehr erweiterten sich die Augen der armen Kranken; Alles, was an Lebensgeist in ihrem Körper übrig blieb, spiegelte sich in ihrem Blicke. Dieser Blick schien das über ihrem Haupte ausgebreitete Gewölbe zu durchdringen und die Sterne zu zählen, welche allmählig am Himmel sichtbar wurden. Ich wollte eine Lampe anzünden, aber Elisabeth, die meine Absicht errieth, hielt mich davon ab.

O! nein, sagte sie, bleib. . . es thut mir so wohl so zu sterben!

Und sie hielt mich bei der Hand zurück.

– Aber ich. mein Kind, rief ich aus, sehe Dich in dieser Dunkelheit nicht!

– Der Mond wird kommen; er ist das wahre Licht der Sterbenden, er ist die Sonne der Verschiedenen. . . Komm, Mond, komm!. . . flüsterte sie.

Und, wie als ob er ihrem Worte gehorcht hätte, begann der Mond über dem Gebirge zu erscheinen.

Nun erheiterte ein freundliches Lächeln das bleiche Gesicht der Sterbenden; sie schien den nächtlichen Schein einzuathmen und zu sich zu rufen; er erleuchtete anfangs den untern Theil ihres Bettes, erhob sich allmählig und gelangte bis zu ihrem Gesicht. Von diesem Augenblicke an versank sie in eine Art von Verzückung.

– Ach! sagte sie, ich sehe über die Sterne hinaus. Da öffnet sich der Himmel, da sind die Engel, da ist Gott!

Dies Alles wurde mit einem solchen Glauben, mit einer so innigen Ueberzeugung gesagt, daß mein Blick sich von ihr abwandte und dem ihrigen folgte; ich glaubte, daß auch ich den offenen Himmel, die Herrlichkeit der Engel und die höchste Allmacht sehen würde. Aber wenn sie Alles das sah, so geschah es mit den Augen der Seele und nicht mit denen des Körpers.

Es schlug elf auf dem Kirchthurme. Eine Nachtigall in den Rosensträuchen, welche das Grab meines Gatten bedeckten, begann zu singen.

– Hörst Du? hörst Du? flüsterte die Sterbende, da ist der Vogel. . . O! wie sanft seine Stimme ist! wie schön er singt!

Niemals hatte ich in der That einen so lieblichen Gesang, eine so wundervolle Stimme gehört. Man hätte sagen können, es sei ein vom Himmel dieser Seele entgegengesendeter Bote, dieser Seele, die bereit war, davon zu ziehen, und deren letzten Seufzer der Vogel erwartete, um sie auf seinen Flügeln davon zu tragen.

Wenn etwas eine Mutter über den Verlust ihres Kindes trösten könnte, so wäre es diese allgemeine Mitwirkung göttlicher Dinge gewesen, welche Theil an dem Ende eines irdischen Geschöpfes nahmen, das in dem geringsten Stande der Gesellschaft wie das Veilchen unter einem Grasbüschel verborgen war.

Warum sollte in der That, da es vor dem Herrn weder Große noch Kleine giebt, es nicht dieselben Vorbedeutungen für den Tod meines Kindes geben, als für den eines Cäsar?

Das Gewitter war also gekommen, das Wetter hatte sich aufgeklärt, der Wind hatte die Wolken des Himmels und die Dünste der Erde verjagt, die Finsterniß war herbeigekommen, die Sterne hatten geglänzt, der Mond hatte die Erde erleuchtet, der Vogel hatte seinen Gesang angefangen, damit die Prophezeihung ganz in Erfüllung ginge; es blieb nur noch das Schlagen der Glocke, das Schweigen des Vogels und der Eintritt des Todes übrig. . . Und ich, die Mutter, erwartete diesen Moment, der mit demselben Schlage das Leben meines Kindes und mein Herz brechen sollte. Ich erwartete ihn, ohne ihn durch meine Thränen. meine Klagen, meine Gebete um eine Secunde verschieben zu können. Wohl war ich da, bedeckte mein Kind mit meinem Körper, und beschützte es mit meiner Liebe, aber es war vergebens; denn der Tod mußte eintreten, sein Arm mich von ihr reißen, und sie im Herzen treffen, und Nichts, weder im Himmel noch auf Erden, vermochte zu verhindern, daß dieser Augenblick herbeikäme. Ich rechnete nicht wie ehedem nach Monaten; wie vor einer Woche nach Tagen; wie am Morgen nach Stunden; wie vor einer Stunde nach Minuten. Ach! ach! ach! ich rechnete nur nach Secunden! Alles, was ich dem Himmel anbot, zuerst um sie zu heilen, nachher, damit sie noch zehn Jahre, dann fünf Jahre, dann ein Jahr, dann acht Tage, dann einen Tag am Leben bliebe, hätte ich jetzt dafür hingegeben, daß sie noch eine Stunde lebte. O! eine Stunde ist eine Ewigkeit, wenn der erste Schlag der Mitternachtstunde schlägt und der letzte uns Alles, Alles rauben soll, was wir auf der Welt lieben!

Der Vogel hörte auf zu singen. Ich fühlte, daß die Sterbende meine Hand drückte.

– Mutter, sagte sie, nähere Dich mir. . . die Stunde ist da. . .

Dann sagte sie leise:

– Komm, kleiner Vogel. Beschützer meiner Seele! komm!

Und sei es nun Zufall, der kleine Vogel eilte in der That auf ihren Ruf herbei, wir sahen ihn plötzlich sich auf eine Fensterstange setzen.

Der Arzt betrachtete Alles voller Erstaunen, fast mit Erschrecken. Ich wartete verzweifelt. – Es entstand eine kurze Pause zwischen den letzten Tönen des Vogels und den ersten Schwingungen der die Mitternacht schlagenden Glocke – die Zeit, welche der Vogel darauf verwandte von dem Rosenstocke auf die Fensterstange zu fliegen. Ich hörte jenes Knarren, welches dem Klange des Hammers vorhergeht; dann ertönte der erste Schlag der Mitternachtsstunde. Elisabeth erhob sich langsam auf ihrem Bette. Ich faßte sie langsam um den Leib. Würde der Tod nicht schnell genug kommen, mußte sie ihm so zu sagen auch noch entgegengehen? Aber vergebens klammerte ich mich an sie an, um sie wieder auf das Kopfkissen zu legen, dieser kaum von einem Hauche beseelte Schatten war stärker als ich. Die Glocke schlug elf Male, und bei jedem Male machte sie mit starren Augen und ausgestreckten Armen eine Bewegung vorwärts. Zwischen dem elften und dem zwölften Schlage sagte sie mit rascher Stimme:

– Leb wohl, meine Mutter!. . . Hier bin ich, mein Gott! . . .

Der letzte Schlag erklang und ich fühlte diesen Körper mit gestreckten Muskeln in meinen Armen erschlaffen. Der Schall der Glocke verhallte. Der Vogel stieß einen leisen Schrei aus und flog davon. Mein Kind sank wieder liegend auf ihr Bett zurück. Ein leichter, warmer und liebkosender Hauch zog über mein Gesicht. Das war ihr letzter Seufzer! —

Ich stieß einen lauten Schrei aus. indem ich mit krampfhaftem Gesicht, halb offenem Munde und starren Blicke meine Hände rang.

Der Arzt legte ihr die Hand aus das Herz.

– Muth, arme Mutter! sagte er, Deine Tochter ist gestorben!

– Unmöglich! rief ich aus, unmöglich! Sie hat die Augen offen, sie blickt mich an…

Der Arzt berührte mit der Spitze des Fingers eines der Augenlider und schloß es. Ich drückte meine Lippen auf das andere und sank in Ohnmacht.

Einen Augenblick lang war ich sehr glücklich; ich glaubte, daß auch ich sterben würde. O! warum rief der Arzt mich in’s Leben zurück? Auf dem Punkte, wo ich mich befand, war es so leicht, mich in den Tod gleiten zu lassen!

Als ich wieder zu mir kam, erzählte mir der Arzt, daß er die Brust der Todten entblößt hätte, um zu sehen, ob ihre Prophezeihung bis an das Ende in Erfüllung ginge. Wirklich hatte er, wie von dem letzten Schlage des Herzens hervorgetrieben, aus dem Stiche der Brust nicht mehr einen Tropfen Blut, sondern einen wahren Tropfen reinen, klaren, durchsichtigen Wassers, wie einen Thautropfen oder die Thräne einer Jungfrau hervorquellen sehen!

VIII.
Was eine Frau leiden kann. Manuscript der Selbstmörderin. (Fortsetzung,)

Mit Tagesanbruche hatte mich der Arzt verlassen, und ich war mit der Leiche meines theuren Kindes allein geblieben. Ein Trost blieb mir wenigstens übrig, und ich schöpfte ihn aus meinem eigenen Elende: nämlich, da man wußte, daß ich bis zum Verhungern arm war, so würde keine Hand sich anbieten, sie in das Leichentuch zu hüllen.

Gleich wie ich bei ihrer Geburt ihr die erste Pflege gewidmet hatte, würde ich bei ihrem Tode ihr die letzten Dienste erzeigen können. Zwar war sie todt, aber ich war noch nicht von ihr getrennt; der Tod war so sanft gewesen, daß nicht einmal die feinsten Linien ihres Gesichts durch ihn entstellt worden waren. Was verhinderte mich denn zu glauben, daß sie schlieft, und ihr Erwachen bis zu dem Augenblicke zu erwarten, wo ich mich durchaus von ihr trennen müßte? Glücklicherweise war dieser Augenblick noch fern, denn das Begräbniß fand gewöhnlich erst sechs und dreißig bis vierzig Stunden nach dem Tode statt und ich konnte einen ganzen Tag bei der geliebten Leiche bleiben. Plötzlich fielen meine Augen, indem ich den Kopf erhob, auf den Friedhof, und es schien mir, als ob zwei Männer damit beschäftigt wären, ein Grab zu graben. Ein Grab, für wen? Wer war denn am vorigen Tage gestorben? Ich stand auf. ging an das Fenster und sah dieses Grab neben dem Grabe meines Gatten, auf derselben Stelle graben, die uns vorbehalten war; es war also nicht daran zu zweifeln, dieses Grab war für mein Kind. Aber warum denn schon heute ein Grab für eine Leiche graben, die erst morgen begraben werden sollte? Ich machte das Fenster auf und das Geräusch, welches dadurch verursacht wurde, zog die Aufmerksamkeit der beiden Todtengräber auf sich, welche mich grüßten.

 

– Was macht Ihr denn da? rief ich ihnen zu.

– Sie sehen es wohl, antwortete der eine von ihnen, indem er sich auf seinen Spaten stützte: wir graben ein Grab.

– Ein Grab?

– Ohne Zweifel.

– Und für wen?

– Für Ihre Tochter, die heute Nacht gestorben ist.

– Wer hat Euch denn den Befehl gegeben, dieses Grab zu graben?

– Der Herr Pastor.

Der Pastor! in was mischte sich dieser Mann? Würde ich etwa, wenn eines seiner verfluchten Kinder oder sogar alle beide gestorben wären, hingehen, um vor der Stunde, zu welcher sie begraben werden sollten, den Befehl zu geben, ihr Grab zu graben? Dahinter steckt ein Geheimniß. Dieses Geheimniß drohte mir. Ich machte das Fenster zu und kehrte rasch an das Bett meiner Tochter zurück.

Fünf Minuten nachher klopfte man an die Thür. Ich antwortete nicht; ich drückte nur die arme Leiche in meine Arme und wartete. Man klopfte ein zweites, dann ein drittes Mal, und ich antwortete eben so wenig, aber bei dem dritten Male ging die Thür auf. Es war der Tischler, der einen Sarg brachte, aber auf der Thürschwelle stehen blieb und einzutreten zögerte. Ohne Zweifel sah ich entsetzlich aus, wie ich mein Kind in meinen Armen hielt und mit verworrenen Haaren einen funkelnden Blick auf diesen Mann warf.

– Was wollen Sie? rief ich ihm zu, und was führt Sie her?

– Was mich herführt? Ich bringe diesen Sarg.

– Für wen?

– Ist etwa Ihre Tochter nicht heute Nacht gestorben?

– Aber, wer hat diesen Sarg bei Ihnen bestellt?

– Der Herr Pastor.

Nochmals der Pastor!

Während ich darüber nachdachte, welcher Grund den Pastor veranlassen könnte, sich mit diesem Leichenbegängnisse zu beschäftigen, stellte der Tischler den Sarg mitten in das Zimmer und ging hinaus, .indem er die Thür offen ließ. Dieser Sarg gehörte zu denen, welche man für die ärmsten unter den Armen macht; er war von Tannenholz und schlecht zusammengefügt. O! meine theure, liebe Elisabeth, wie schlecht Dein so zarter Körper darin liegen wird! Ich drückte meinen Kopf auf ihre erkaltete Brust und brach in Schluchzen aus.

Aber bald glaubte ich durch mein Schluchzen eine Stimme zu hören, die mich anredete, und erhob den Kopf. Eine alte Frau stand unter der Thür. in der ich diejenige erkannte welche in der Gemeinde bei den Todten wachte.

– Der Herr sei mit Ihnen, meine gute Dame! sagte sie zu mir.

– Gut! gut! was wollen Sie?. . . Sie wissen, daß ich arm bin und daß ich Ihnen kein Almosen geben kann.

– Ich komme nicht, um Almosen von Ihnen zu verlangen, meine gute Dame, ich komme, um Ihr Kind in den Sarg zu legen.

– Mein Kind in den Sarg legen, Sie?

– Ja, man hat mich dafür bezahlt, und wenn man Geld angenommen hat, so muß man auch die Arbeit thun.

– Aber, wer hat Sie denn bezahlt?

– Der Herr Pastor.

Der Pastor! immer der Pastor!

– Aber, worein mischt sich denn dieser Mann? rief ich aus.

– Ah! sehen Sie, sagte sie, weil Sie bei ihm wohnen. . .

– O! ja, zu meinem Unglück, ich weiß es!

– Nun! er fürchtet. . .

– Fürchtet, für wen?

– Für seine Frau und für seine Kinder.

– Vor was fürchtet er sich?

– Vor der Ansteckung.

– Vor der Ansteckung?

– Ja, Sie wissen wohl, daß Mademoiselle Elisabeth an einer ansteckenden Krankheit gestorben ist, so daß der Pastor durch den Rath hat beschließen lassen, sie auf der Stelle zu begraben und nachher Alles zu verbrennen, was ihr gedient hat.

– Meine Tochter auf, der Stelle begraben! Alles verbrennen, was ihr gedient hat! Was sagen Sie da?

– Es ist eine Thatsache. Der Beweis, daß die Krankheit ansteckend war, ist. daß die Kuh, welche Ihrer Tochter die Milch lieferte, gestorben, und daß die andere krank ist. Man muß daher eilen, Ihr Kind zu begraben, damit die Krankheit sich in dem Dorfe nicht verbreite.

Ich senkte die Augen auf diesen Körper, von dem man geglaubt hätte, er sei durch den göttlichen Hauch beschützt, so sehr hatte er die Schönheit des Todes erlangt, seitdem er die des Lebens verloren hatte.

– O! mein Gott! mein Gott! rief ich aus, die Menschen werden mich also bis an das Ende verfolgen?

– Und dann, fuhr die Alte fort, hat dieser würdige Herr Drummond. den Gott erhalte! – das war der Name des Pastors, – Eile, seine Frau und seine Kinder zurückkommen zu lassen.

– Wo sind sie denn?

– Ich weiß es nicht; vielleicht in Milfort oder in Pembroke, wohin er sie aus Furcht vor der Ansteckung gesandt hat. Die arme Madame Drummond liebt ihre Kinder so sehr, daß sie sterben würde, wenn sie einen ihrer Zwillinge verlöre!

– Sie wird nicht sterben, da ich nicht gestorben bin, antwortete ich. Es ist gut; gehen Sie!

– Aber ich bin gekommen, um das Kind in den Sarg zu legen . . .

– Sie sind gekommen, um das Kind in den Sarg zu legen, und man hat Ihnen gesagt, daß sie an einer ansteckenden Krankheit gestorben wäre?

– Ohne Zweifel.

– Sie haben also keine Furcht vor der Ansteckung?

– Doch, ich fürchte mich davor.

– Warum setzen Sie sich dann der Gefahr aus?

– Weil es mein Geschäft ist, meine gute Dame.

– Ein schlechtes Geschäft, das Sie solchen Gefahren aussetzt? sagte ich spöttisch.

– Das ist nicht zu ändern, antwortete mir die Alte voll Ergebung, man muß wohl leben!

Und sie näherte sich dem Bette meines Kindes.

Aber ich stellte mich zwischen sie und die Leiche.

– Ich danke Ihnen, arme Frau, sagte ich zu ihr. für die Mühe, die Sie sieh für meine Tochter geben wollen, so gut bezahlt Sie auch sein mögen; aber Niemand als ich wird meine geliebte Tochter berühren.

– Aber der Herr Pastor hat mich bezahlt.

– Sie können ihm sagen, daß Sie Ihr trauriges Werk vollzogen haben, und das Geld behalten, welches er Ihnen gegeben hat.

– Damit bin ich zufrieden . . . Ihre Dienerin, meine gute Dame.

– Adieu!

Die Alte entfernte sich.

Es war der Pastor, der das Grab graben ließ, es war der Pastor, der den Sarg bestellt hatte, es war der Pastor, der die Leichenfrau gesandt hatte, es war der Pastor, der das Begräbniß beschleunigte, und Alles nur aus Furcht für seine Frau und seine Kinder. Ich verwunderte mich auch, daß diese boshaften Zwillinge meine Tochter so ruhig hatten sterben lassen. Was ich am klarsten einsah, war, daß ich meine Tochter einen Tag früher verlassen müßte, als ich glaubte. Ich hätte wohl versucht zu kämpfen, um die theure Leiche vier und zwanzig Stunden länger zu behalten, aber ich würde das ganze Dorf gegen mich gehabt haben. Ich begab mich daher an ihre Todten-Toilette. Ich kämmte ihre schönen langen Haare und breitete sie zur Rechten und Linken der Leiche aus. Sie gingen weit tiefer als auf die Kniee hinab. Ich kreuzte ihre Arme auf ihrer Brust, wählte aus dem Schranke das feinste der Betttücher, die uns übrig blieben und fing die Einhüllung bei den Füßen an, um ihr geliebtes Antlitz so lange als möglich zu sehen. Bei dem Antlitz unterbrach ich mich. Ich wollte mich des Anblickes dieser Engelsmienen erst im letzten Augenblicke berauben. Dann hatte ich auch noch Anderes zu thun. Ich nahm das Kopfkissen, das ihr seit ihrer Kindheit diente, und breitete es im Sarge aus. Zum mindesten würde ihr Kopf sanft ruhen. Hierauf hob ich sie in meinen Armen auf und legte sie in ihr letztes Bett. Mein Gott und Herr! warum ist dieses letzte Bett so schmal, daß nicht Raum für zwei dann ist? In diesem Augenblicke trat der Küster ein.

– Sie wissen, daß das Begräbniß um elf Uhr ist? sagte er.

– Ich weiß nichts, antwortete ich, aber thun Sie. was Sie wollen.

Er entfernte sich, aber mit ihm war noch eine andere Person eingetreten. Es war der Tischler.

– Was wollen Sie wieder? fragte ich ihn.

– Ich komme, um den Sarg zuzunageln, sagte er.

– Hat es denn solche Eile?

– In einer Viertelstunde wird man die Leiche in die Kirche bringen müssen.

– Dann thun Sie es.

Ich küßte die eisigen Lippen meines Kindes und fuhr fort das Tuch zuzunähen. Zu den Augen gelangt, küßte ich sie ein letztes Mal und endigte das traurige Werk. Der Schleier der Ewigkeit war über ihr Gesicht ausgebreitet. Ich legte mich auf Ihr Bett, auf den Platz, den sie eingenommen hatte, so zu sagen in die Form, die ihr Körper darin eingedrückt hatte.

– O Ansteckung! Ansteckung! rief ich aus, da Du so schrecklich, so grausam, so unbarmherzig bist, warum nimmst Du mich denn nicht und bettest mich neben mein Kind?

Der erste Schlag des Hammers erschallte, ich stieß einen schneidenden Schrei aus und stürzte aus dem Bette.

– O! aus Erbarmen, aus Erbarmen, mein Freund! flehte ich. warten Sie noch eine Secunde! warten Sie! . . .

Er hatte das Mitleiden zu warten. Ich kniete nieder, küßte nochmals, aber dieses Mal durch das Leichentuch, die Augen und die Lippen meines Kindes; hierauf ging ich mit zurückgeworfenem Kopfe, gerungenen Händen, um wieder den Platz auf dem Bette einzunehmen, den ich verlassen hatte.

– Fahren Sie jetzt fort, sagte ich zu dem Manne. Und die Hammerschläge erschallten mit einer gewissen Regelmäßigkeit. – Nein, nein, nein, die heilige Maria hat nicht mehr gelitten, als sie den Schall des Hammers hörte, der ihren Sohn an das Kreuz nagelte. – Vergebens drückte ich die Hände auf meine Ohren, um mir den Kopf zu sprengen, ich hörte jeden Schlag, und bei jedem Schlage schien es mir, als ob der Nagel in mein Herz dränge. Das Geräusch hörte auf. Ich wandte mich um: die Leichenarbeit war beendigt, der Mann trocknete sich die Stirn mit seinem Aermel ab. Es war übrigens Zeit. Die Glocke der Kirche sing an zu läuten und zwei Träger traten ein.

– Wo ist sie? fragten sie.

Der Tischler zeigte ihnen den Sarg. Ich wollte das Wegtragen meines Kindes um eine Minute verlängern.

– Warum ist der Pastor nicht gekommen? fragte ich.

– Er erwartet die Leiche in der Kirche, antworteten die Träger.

Und sie bemächtigten sich des Sarges, dm sie auf ihre Schultern hoben.

– Ah! gut! das ist eine, die nicht schwer ist, sagten sie, man hat nicht alle Tage so leichte Arbeit.

Dann gingen sie die Treppe hinunter und ich folgte ihnen.