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Der Pastor von Ashbourn

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Ferner kamen nach dem 31. Mai alle Girondisten herbei, welche die Guillotine nicht hatte erreichen können, – unglückliche Geächtete, welche, während die aristokratische Auswanderung überall offene Thore fand, im Gegentheile durch die Verleumdung sich fortwährend von hinderlichen Schranken umgeben sahen, – um an den gastfreundlichen Thoren von Holland-House zu schellen.

Das kam daher, weil seit zwanzig Jahren Holland-House der Zusammenkunftsort aller Leiter der Wigh-Partei war, an deren Spitze der berühmte Fox stand. Dort versammelte sich in einer prachtvollen Galerie von hundertundfünfzig Fuß Länge Alles, was zum Zwecke allgemeiner Freiheit Frieden, oder mehr als Frieden, Eintracht zwischen Frankreich und England wollte; dort versuchte man wieder zu vereinigen, was Pitt mit der unversöhnlichen Erbitterung seines Hasses trennte. Und wer waren diese Friedensstifter, denen die Anstrengung den Muth raubte? Der Herzog von Bedfort, Lord Lansdowne, Lord Brougham. Whit-Bread, Elliot, Wyndham, und nach ihnen, – mit ein wenig mehr Glück unter dem Neffen das unter dem Onkel angefangene Werk fortsetzend, – James Mackintosh, Tierney, Lord Grey, Lord John Russell, Lord Palmerston, Lord Goderich und die Lords Melbourne, Grenville, Clanricarde. Aukland, was im Jahre 1805 oder 1806 Georg III. und den Prinz-Regenten, der seitdem Georg IV. wurde, nicht abhielt, ein Fest in Holland-House anzunehmen, dessen Andenken in dem Saale, in welchem es gegeben wurde, durch die Marmorbüsten des Vaters und des Sohnes erhalten ist.

Denn Holland-House ist außerdem ein wahres Museum Statuen und Gemälde auf den Treppen, in den Galerien, in den Zimmern, überall.

Lady Holland ließ mich die Statuen und die Gemälde sehen, dann führte sie mich zu einem kleinen Gouache-Bilde.

– Ei! rief ich aus, Robespierre!

Sie wandte das Portrait um.

Hinter dieses Portrait hatte Fox mit eigner Hand geschrieben:

»Unbedeutend! grausam! feig!«

Ich führe Fox Meinung an, ohne sie zu erörtern; – übrigens ist sie so ziemlich die Michelet’s.

Dreißig Stunden nehmen sehr wenig Raum in dem Leben ein; wie viele dreißig Stunden verschwinden nach einander und sind schnell vergessen! Woher kommt es denn, daß ich die dreißig Stunden, die ich in Holland-House zubrachte und von denen keine einzige, selbst keine unter denen der Nacht, aus meinem Gedächtnisse entschwunden ist, mit der größten Umständlichkeit schildern könnte? Das kömmt daher, weil ich in dem Bette liegend, in welchem Byron geschlafen hatte, die Memoiren desselben las,, welche, so verstümmelt sie auch durch die Empfindlichkeit Thomas Moore’s sein mögen, doch so interessant geblieben sind.

Dieses Lesen hatte meinen Gedanken an die Abreise ein wenig geändert, nicht, daß ich meinen hohen Wirthen noch länger zur Last fallen wollte, als ich gesagt hatte, sondern ich war entschlossen, eine Wallfahrt nach dem Grabe des Verfassers des Don Juan und des Childe Harold zu machen.

Ich benachrichtigte am folgenden Morgen Lord Holland hiervon, der dem Beschlusse seinen Beifall zollte und mich aufforderte, da ich dort bereits drei Viertel des Weges zurückgelegt hätte, gleich bis nach Liverpool zu gehen.

Ich habe ein wenig von der Natur der Papierdrachen: sie haben Mühe sich zu erheben, aber sobald dies einmal geschehen ist, steigen sie so lange, als man ihnen die Schnur losläßt. Ich hatte mich erhoben, man ließ mir die Schnur los: Gott allein wußte, wo ich anhalten würde.

Von Newstead-Abbey war ich im Stande nach Liverpool zu gehen; von Liverpool nach Irland, und von Irland, meiner Treue! vielleicht wie Barentz nach Spitzbergen, oder wie Biard nach dem Nord-Cap!

Da ich aber nach London nur in der Absicht gekommen war, dem Leichenbegängnisse Ludwig Philipp’s beizuwohnen, hatte ich keine hinreichende Summe mitgenommen, um die Reise um die Welt zu machen, und Lord Holland, der mich zum Reisen ermuthigte, wollte so gefällig sein, mir einen Creditbrief an die Herren James Barlow und Compagnie, Banquiers in Liverpool, zu geben.

Am Abend verließ ich Holland-House, wobei es mir vorkam, als ob ich sehr kalt in meinen Danksagungen gegen meine edlen Gäste sei. und ich reiste nach Nottingham ab, indem ich mir vornahm, ihnen bei der ersten Veranlassung besser zu danken.

Diese Gelegenheit bot sich erst nach Verlauf von zwei und einem halben Jahre: es ist die Schuld der Gelegenheit und nicht die meines Herzens.

II.
Newstead-Abbey

Am selben Abend kehrte ich in Nottingham in dem Wirthtshause zum Gekrönten Hirsch ein.

Bei meiner Ankunft erkundigte ich mich nach den Beförderungsmitteln, um am folgenden Morgen nach Newstead-Abbey zu reisen. Der Besitzer des Gekrönten Hirsches antwortete mir, daß er gegen eine Guinee für den ganzen folgenden Tag einen Wagen zu meiner Verfügung stellen würde. Es wurde ausgemacht, daß, wenn es mir behagte, meine Reise nach Liverpool fortzusetzen, es mir frei stände, mich durch seinen Wagen entweder nach Cheadle oder nach Leck, oder nach welcher Station der Eisenbahn es mir beliebte, fahren zu lassen, vorausgesetzt, daß ich dem Kutscher die Guinee bezahlte. Ich machte es jedoch besser, ich bezahlte meinen Wirth selbst und ließ meine Rechte durch einen Empfangschein bestätigen.

Ich hatte einen vollständigen Byron bei mir. Außerdem ist Byron einer der beiden Dichter, die ich auswendig weiß. Der andere ist mein theurer Victor Hugo.

Ich erinnere mich, daß Herr Buloz, erster Redacteur der Revue des Deux-Mondes, bei der Rückkehr von seiner ersten Reise nach England in seiner Bewunderung für unsere Nachbarn jenseits des Canals zu mir sagte:

– Sie haben keinen Begriff von dem Luxus dieser Leute. Stellen sie sich vor, mein Lieber, daß Sie mit englischen Pferden Extrapost fahren!

Meiner Treue! ich stand auf dem Punkte, ebenso verwundert als Herr Buloz zu sein, als ich sah. mit welcher Schnelligkeit mich die beiden Pferde meines Wirthes fuhren. Wir legten in weniger als drei Viertel Stunden die Strecke zurück, welche Nottingham von dem alten Schlosse Byron’s trennt, – und das durch eine herrliche Gegend mit belaubten Wäldern und fetten Wiesen, in deren riesenhaftem Grase jene ungeheuren Ochsen mit kurzen Beinen verschwinden. von denen man von der Straße aus nur den rothgelben Kopf und die schwarzen Hörner erblickt.

Niemand ist empfänglicher als ich für die Gemüthsbewegungen der Erinnerungen. Byron hat durch sein Genie so viel Einfluß auf mein Talent gehabt, daß es eine wahre Wallfahrt war, die ich vollzog. Als ich aus der Ferne die spitzigen Dächer von Newstead-Abbey erblickte, ließ ich daher den Wagen halten, und ging demüthig zu Fuß nach dem alten Schlosse.

Mit siebenunddreißig Jahren, wie Raphael gestorben, hat Byron nicht weniger Einfluß auf die Literatur seiner Zeit, als Raphael auf die Malerei seines Jahrhunderts gehabt.

»Ohne den Befehl des Himmels fällt kein Sperling«, sagt Hamlet:

»There is a special providence in the fail of a sparrow.«

Wir sind der Meinung Shakspeare’s; nur sagen wir, daß, wenn kein Sperling ohne den Befehl des Himmels stirbt, ebensowenig ein Mensch ohne einen Befehl des Himmels geboren wird.

Der Mensch hat in seinem Stolze lange geglaubt, daß die Ideen ihm angehörten und daß er sie in Ausführung brächte. Wir glauben in unserer Demuth im Gegentheile, daß der Mensch nur ein Werkzeug im Dienste der Ideen ist.

Jeder von uns erscheint der Reihe nach an dem bestimmten Tage und zu der bezeichneten Stunde; Jeder, Bauer, Springer, Läufer, Thurm, Königin oder König, nimmt seinen Platz auf diesem unermeßlichen Schachbrette ein, das man die Welt nennt; Jeder bewegt sich, handelt, verfährt unter der unsichtbaren Hand nicht des Verhängnisses, sondern der Vorsehung. – und die ewige Partie des guten Princips gegen das böse, des Lichtes gegen die Finsterniß, der Freiheit gegen die Unterdrückung, dauert bereits sechstausend Jahre!

Glücklich und auserwählt sind die, welche sich für das gute Princip gegen das böse, für das Licht gegen die Finsterniß, für die Freiheit gegen die Unterdrückung bestreben! Ihre Seele ruht in dem Schooße des Herrn, und ihr Name lebt in dem Andenken der Völker.

Der, dessen Grab ich besuchen wollte, war einer derselben gewesen.

Dieser Mann war der Sohn des Capitain Byron und der Miß Gordon von Gigth, der einzigen Tochter von Georges Gordon, Esquire von Gigth, welcher von der Prinzessin Jane, Tochter Jakob’s II. von Schottland, abstammte. Der Dichter-Prophet hatte also das Blut der Stuarts in den Adern.

Miß Gordon war von Adel und reich, aber der Capitain Byron war nur von Adel, von fast ebenso altem als sie, denn sein Adel ging bis zu den Kreuzzügen hinauf, und dieser historische Adel hatte seine Zweige über die meisten Schlachtfelder von Frankreich und von England zerstreut.

Folgendes sagt der Dichter selbst von seinen väterlichen Ahnen in seinem Abschiede, den er zur Zeit seiner ersten Reise nach Griechenland an das Schloß seiner Väter richtet, dieses Schloß, das wir sogleich betreten werden, und dessen Beschreibung wir dem Dichter selbst entlehnen. Hören wir, was er dabei von denen sagt, die es bewohnt haben:

 
O Newstead, die Winde durchheulen die Mauern,
In Trümmern versinkst du, mein väterlich Hau«,
Die Nesseln und Disteln verdrängten mit Schauern
Im Garten der Rosen sonst blühenden Strauß.
 
 
Von den eh’rnen Baronen, die kühn ihre Knappen
In’s heilige Land aus Europa geführt,
Blieb trauriger Rest nur in Schild und in Wappen,
Die rasselnd ein Hauch nur des Windes noch rührt.
 
 
Du schürst, greiser Robert, nicht fürder zu Stürmen
Durch Harfengeflüster im Busen die Gluth.
John Horestan schlummert bei Askalon’s Thürmen,
Wo kraftlos im Tode sein Barde noch ruht.
 
 
Paul und Hubert auch fielen in Lressy’s Thalen,
Für England und Eduard ein rüstiger Hort,
Die Thräne der Heimath, die Schrift der Annalen
Bezeugt, wie gekämpft, wie gefallen ihr dort.
 
 
Bei Marston mit Ruprecht, Verräthern entgegen,
Da färbten vier Brüder das blutige Feld,
Sie zückten für’s Land und den Herrscher den Degen,
Treu jeder dem König und jeder als Held.
 
 
Es scheidet der Enkel vom Sitze der Ahnen,
Der Lebwohl euch Schatten der Helden noch heut,
Daheim oder ferne wird immer ihn mahnen
Der Ruhm eurer Thaten zum Muthe wie heut.
 
 
Ob Thränen beim Scheiden den Blick ihm, verdunkeln,
Natur, doch nicht Schrecken erregt sein Gefühl,
Der Ruhm seiner Ahnen wird leuchtend ihm funkeln,
Und schweift er auch fern und im bunten Gewühl.
 
 
Der Ruhm, das Gedächtniß bleibt ewig ihm Heuer,
Er gelobt, daß nie er der Mahnungen taub:
Sein Leben und Sterben sei würdig stets euer.
Und stirbt er, so mische mit euch sich der Staub.
 

Nun, alle diese Vorfahren, auf welche der Dichter so stolz ist, verhinderten nicht, daß die Unglücksprophezeihungen, welche sagten, daß der Capitain Byron ihr Vermögen bald verschlungen haben würde, das Herz der armen Miß Gordon von Gigth mit Verzweiflung erfüllten.

 

Ein schottischer Reimschmied ging sogar so weit, folgende Ballade darüber zu verfassen, die wir in ihrer ganzen rohen Treuherzigkeit wiederzugeben versuchen wollen:

Miß Gordon von Gigth, wo geht man hin, wo geht man hin so muthig und so stolz? Sie wollen Byron heirathen: Sie werden nicht die letzte sein. Er wird das Erbe Ihrer Mutter wie ein Vielfraß verzehren. Das ist kein Grund, so muthig und so stolz vorüber zu gehen.

Dieser junge Mann ist ein Schlucker, der uns von England zukommt; wenn Schottland seinen Namen kennt, so kennt es seinen Vater nicht. Außerdem unterhält er, wie man sagt, alle Dirnen von der Welt. Das ist kein Grund, so muthig und so stolz vorüber zu gehen.

Mit Flinte und Schießpulver und auf der Heide bellenden Hunden, mit Flöte, Horn und Gesang werden, meine schöne Erbin, Ihre Güter einen Tanz beginnen, der in dem Flusse endigen wird. Das ist kein Grund 2c.

In der That, die Jugend des Capitain Byron war, vollkommen anstößig gewesen. Spieler und Trinker, hatte er nur einen Augenblick lang Spiel und Trunk eingestellt, um die Frau des Lord Camarthen zu entführen, die er heirathete, sobald dieser die Scheidung erlangt hatte, und welche starb, indem sie eine Tochter hinterließ, – Miß Augusta Byron, Halbschwester des Dichters, wie man in England sagt, – welche den Oberst Leigh heirathete.

Nun begannen die unglückseligen Prophezeihungen in Erfüllung zu gehen, welche man der armen Erbin von Gigth gemacht hatte. – Nach der in Bath gefeierten Verheirathung begaben sich die neuen Gatten auf ihr Gut in Schottland; aber die Gläubiger, diese unbarmherzigen Spürhunde, streckten gleich den Schakals, von denen der Dichter spricht, ihre Nase auf die Spur des Capitain Byron und seiner Frau, ließen ihnen nicht einmal den Genuß der Flitterwochen und verfolgten sie bis nach Gigth. Das baare Geld der Mistreß Byron, – und sie konnte an baarem Gelde dreitausend Pfund Sterling, ungefähr sechsundsiebenzigtausend Franken haben, – deckte die ersten Verpflichtungen; dann wurden zwei Actien der Bank von Aberdeen für den Preis von sechshundert Pfund Sterling jede verkauft; dann wurde das Privilegium von zwei Salmenfischereien auf dem Dee gegen vierhundertundachtzig Pfund Sterling verpfändet; dann die Wälder der Herrschaft abgehauen und für fünfzehnhundert Pfund überliefert; endlich wurden achttausend Pfund auf die Herrschaft von Gigth aufgenommen.

Auf diese Weise belief sich die Veräußerung des Geldes in weniger als einem Jahre auf ungefähr hundertdreiundfünfzigtausend Franken.

Aber dieses Opfer war weit davon entfernt, hinzureichen, und im Jahre 1787 verließen die beiden Gatten die Herrschaft Gigth, um nicht mehr dahin zurückzukehren. Einen Monat nachher war sie für die Summe von siebenzehntausend achthundertundfünfzig Pfund Sterling, ungefähr vierhundertsechsundvierzigtausend zweihundertfünfzig Franken verkauft. Diese neue Summe wurde gleichfalls zur Bezahlung der Schulden des Capitains Byron verwandt.

Die Erbin von Gigth sah sich nun auf das einfache Einkommen von hundertundfünfzig Pfund Sterling, das heißt auf dreitausend siebenhundertundfünfzig Franken beschränkt.

So war die Prophezeihung der Ballade in Erfüllung gegangen!

Kurze Zeit vor dem Verkaufe der Herrschaft Gigth ereignete sich ein sonderbarer Fall; alle zahmen und wilden Tauben, welche die Felder und die Wälder der Herrschaft Gigth bevölkerten, so wie alle Reiher, welche seit undenklichen Zeiten die Wälder und die Schilfe bewohnten, die einen großen, Hagberry-Pot benannten, Weiher begrenzten, verließen die Herrschaft Gigth, um sich auf den in geringer Entfernung von Gigth belegenen Gebieten des Lords Haddo niederzulassen.

Als er diese Nachricht erfuhr, lächelte Lord Haddo, und indem er sich dann nach dem Mann umwandte, der sie ihm meldete, sagte er:

– Man hüte sich, ihnen irgend ein Leid zuzufügen; das ist ein Zeichen, daß die Güter ihnen bald folgen weiden.

Und in der That, drei Monate nach dieser Auswanderung der zahmen und der wilden Tauben, wie auch der Reiher von der Herrschaft Gigth, kaufte Lord Haddo diese für den Preis, den wir weiter oben angeführt haben.

Um dieser Art von Pfändung ihres Vermögens nicht beizuwohnen, hatten die beiden Gatten anfangs Schottland verlassen und waren nach Frankreich gekommen; aber zu arm, um das Reiseleben zu führen, kehrten sie gegen das Ende des Jahres 1787 nach England zurück und mietheten sich bescheiden und eng in einem Hause von Holles-Street ein.

In diesem armen Hause wurde Georges Gordon Byron am 22. Januar 1788 geboren.

Aber da die Gläubiger sich nicht für befriedigt hielten, und nachdem sie allmälig die Güter, die Fischereien, die Holzschläge und das baare Geld der Frau erhalten hatten, auch noch die Freiheit des Gatten haben wollten, so verließ der Capitain Byron seine Frau und seinen Sohn, und zog sich, gezwungen England zu verlassen, nach Valenciennes zurück, wo er während einiger Jahre von einer kleinen Pension lebte, die ihm sein Bruder aussetzte, und arm und unbekannt starb.

Ich habe in Valenciennes vergebens in der Stadt irgend eine Erinnerung an das Leben des Capitains Byron, auf dem Friedhofe irgend eine Spur seines Todes gesucht.

Er war indessen ein Byron wie sein Sohn; sie hatten dieselben Ahnen. Doch war der eine nur einer der ersten Edelleute von England, der andere war einer der ersten Dichter der Welt!

III.
Newstead-Abbey

Dieser Bruder, welcher dem Capitain Byron eine Pension aussetzte, dieser Lord Byron, der späterhin seinem Neffen seinen Titel als Lord, seinen Sitz in dem Oberhause und seine Herrschaft Newstead-Abbey vermachen sollte, war gleichfalls eine sonderbare Person, welche den bösen Zungen viel Stoff lieferte.

Zuvörderst hatte er im Jahre 1765 in einem Duell, oder vielmehr in einer Zänkerei seinen Verwandten und Nachbar, Herrn Chaworth, getödtet. Gezwungen, wegen dieses Mordes vor dem Oberhause zu erscheinen, war er freigesprochen worden; aber durch dieses Ereigniß trübsinnig geworden, hatte er sich auf seine Herrschaft Newstead-Abbey zurückgezogen, wohin ihm die öffentliche Neugierde gefolgt war und wo der böse Wille der Provinzbewohner über ihn alle Arten von Gerüchten verbreitete, von denen die einen unsinniger als die anderen waren, die aber nicht unterließen, ihn mit einem abergläubischen Schrecken zu umgeben. Unter Anderem behauptete man, daß seine Frau sehr unglücklich sei und von ihm mißhandelt würde, und man ging so weit, zu versichern, daß er sie eines Tages in einem Anfalle heftigen Zornes in den See von Newstead-Abbey geworfen hätte und daß sie bei dieser Veranlassung ihr Leben nur einem Büschel Schilf verdankt hätte, an das sie sich geklammert. An einem andern Tage hätte er, wie man versicherte, aus seinem Fenster auf seinen Kutscher, der es gewagt hatte, ungehorsam gegen seine Befehle zu sein, geschossen und ihn getödtet; nun hätte er die Leiche in den Wagen gelegt, seine Frau gezwungen, zu dem Todten einzusteigen, und nachdem er sich selbst auf den Bock gesetzt, hätte er den Wagen nach einem abgelegenen Orte des Parkes gefahren, wo er eine Gruft gegraben und den Gemordeten beerdigt hätte.

Das Wahre an alle dem ist, daß Lady Byron, entweder aus langer Weile über die Einsamkeit oder aus Schrecken vor den Ueberspanntheiten ihres edlen Gatten, eines Morgens Newstead-Abbey verließ und sich nach Nottingham zurückzog. Wie man wohl begreifen wird, war diese Entfernung das Signal und der Text zu neuen, eben so abgeschmackten Geschichten als die früheren, und die Landleute gingen so weit, zu versichern, daß jeden Sonnabend in dem Parke ein Sabbath gehalten würde, und zwei Statuen von Satyrs, welche den Lieblingsgarten des alten Lords schmückten, sich des Nachts belebten und seine Gefährten bei den teuflischen Gelagen würden, denen er sich hingab.

Diese Gerüchte beschränkten seine Gesellschaft auf den alten Murray. seinen Diener, der nachher der seines Neffen wurde, und auf eine Art von Gesellschafterin, welcher die vertrauliche Stellung, die man sie bei ihrem Herrn einzunehmen beargwöhnte, in der ganzen Nachbarschaft den Namen Lady Betty zugezogen hatte. Zu allen diesen fabelhaften Geschichten fügte man noch das Gerücht hinzu, welches im Umlauf war, daß der alte Lord immer nur bewaffnet ausginge, und die Erzählung eines seiner Nachbarn, welcher als er eines Tages ausnahmsweise in Newstead-Abbey zum Mittagessen eingeladen gewesen war, versicherte, daß ein paar geladene Pistolen wie ein gewöhnliches Zubehör der Tafel zur Rechten seines Wirthes gelegt waren.

Wie war aber diese Abtei ein Schloß geworden?

Es war gegen Ende des Jahres 1540 und unter der Regierung Heinrich’s VIII., der in seiner Eigenschaft als Oberhaupt unter Christus die Auflösung der Klöster ausgesprochen hatte, als durch königliches Geschenk die Kirche und das Priorat von Newstead mit dem, was dazu gehörte, einst zu Ehren der heiligen Jungfrau gestiftet und der Mutter Unseres Herrn durch Heinrich II. gewidmet, aus den Händen seiner Mönche, die Stiftsherren des Ordens des heiligen Augustin’s waren, in die eines Vorfahren Lord Byron’s überging.

Diese Stiftsherren waren, wie man sehen wird, bis zu dem Tage, wo Heinrich VIII. sie aus ihrer Abtei verjagte, um sie Sir John Byron zu schenken, nicht allein in ihrem geistlichen, sondern auch in ihren weltlichen Interessen von dem königlichen Schutze sehr begünstigt gewesen; denn eines Tages, während Lord Byron, der fünfte des Namens, Newstead bewohnte, fand man in diesem berühmten See, der eine so vielfältige Rolle in der Geschichte der Familie spielt, einen großen Adler von Bronze, der ohne Zweifel von den Mönchen in dem Augenblicke hineingeworfen worden war, wo sie die Abtei verließen. Der Eigenthümer von Newstead stellte den Adler in eine Art von Cabinet für Sehenswürdigkeiten, dessen Hauptzierde er wurde. Darin blieb er bis zu dem Augenblicke, wo der alte Lord Byron, der Onkel des Dichters, im Jahre 1776 einen Verkauf seiner Mobilien anstellte. Dieser Adler und drei zu derselben Zeit als er und in demselben See gefundene Armleuchter von Bronze wurden von einem Goldschmied von Nottingham gekauft, der bei dem Reinigen desselben eine Feder entdeckte, mittelst welcher seine Brust sich öffnete. Diese enthielt eine große Anzahl alter Papiere, die sich auf die Rechte und’ Privilegien des Klosters bezogen, und unter anderen eine Urkunde, die eine vollständige Vergebung aller Verbrechen, – es folgte das Verzeichnis – enthielt, welche die Mönche vor dem vorhergehenden 18. December hatten begehen können.

Unter der Zahl der Gäste, welche unter dem alten Byron das Schloß bewohnten, befand sich eine unzählbare Colonie von Grillen, die, von seiner Hand ernährt, bei seiner Stimme herbeieilten, und wenn der Abend angebrochen, ein so betäubendes Getöse machten, daß die ganze Wunderlichkeit des alten Schloßherrn dazu gehörte, um einen solchen Teufelslärm zu dulden. – Aber, wie sonderbar, gleich an dem Todestage des alten Herrn verließen alle diese Thiere, Gäste und Wächter des Herdes, das Schloß ihres Beschützers in solcher Masse, daß es den Leuten, die durch das Ereigniß angezogen hin und her gingen, unmöglich war, über den Vorplatz zu gehen, ohne sie dutzendweise zu zertreten.

Wie weit war der junge Byron, als sich dieser Todesfall ereignete, der aus der armen Waise, wo nicht in Bezug auf Vermögen, doch wenigstens durch die Stellung einen der größten Herren Englands machte?

Die Jugend Byron’s bot nichts Besonderes. Wenn der berühmte Dichter nur als eine Zahl mehr in dem Staumbaume der Byrons gezählt hätte, wenn er in dem Alter seines Vaters oder seines Onkels gestorben wäre, so wäre es Niemandem eingefallen. Anekdoten aus seiner Kindheit zu sammeln. Aber er starb jung, er starb in dem Augenblicke, wo Europa die Augen auf ihn geheftet hatte. Man ging die – bald als Ströme, bald als Wasserfälle, – so selten ruhig und klar verflossenen Tage wieder hinauf, und beschäftigte sich mit jedem dieser kindischen Umstände, die man in der Jugend eines Caesar oder eines Birgit, eines Bonaparte oder eines Byron sucht.

 

In Folge eines Unfalles, der sich in dem Augenblicke seiner Geburt zutrug, hatte sich der Fuß Byron’s verdreht; vier Männer unter den ausgezeichnetsten des Jahrhunderts sollten mit diesem Gebrechen bezeichnet sein, Herr von Talleyrand, der Marschall Soult, Walter Scott und Byron.

Als der Knabe anfing zu gehen, hinkte er sehr stark, was für ihn nicht allein eine Quelle physischer Schmerzen war, – denn man versuchte mehrere Male und durch sehr schmerzliche Operationen ihm den Fuß wieder einrichten zu lassen. – sondern auch moralischer Leiden; sein Stolz, – und der Stolz Byron’s war von seiner Kindheit an groß, – litt ungeheuer wegen dieser physischen Untergeordnetheit, zu welcher die Natur ihn verdammt hatte. Eines Tages holte eine Amme, die ein kleines Kind säugte, auf dem Spaziergange den kleinen Byron und seine Erzieherin Mac Gray ein, und da der zukünftige Dichter Manfred’s und Kain’s hinkend um die beiden Frauen herum lief, so sagte die Amme:

– Welch hübscher Knabe dieser kleine Byron ist, und welches Unglück, daß er einen solchen. . .

– Sprechen Sie davon nicht, rief der Knabe aus, indem er sich mitten in seinen Spielen unterbrach, gerade auf sie zuging und sie mit seiner Peitsche schlug.

Der Kaltsinn, der fast immer zwischen Mistreß Byron und ihrem Sohne herrschte, hatte wahrscheinlich eine ähnliche Ursache. – Eines Tages, als der Knabe sie bös machte, rief sie aus:

– Willst Du aufhören, garstiger kleiner Hinkender.

Bei dieser Anrede verließ das Kind fast rasend vor Zorn und Beschämung das Zimmer, und da alle von dem Dichter empfangenen Eindrücke sich irgend eines Tages in seinen Dichtungen wiederspiegelten, – so dichtete Byron, ohne Zweifel zum Andenken an diesen Auftritt, den Umgestalteten Mißgestaltenen, in welchem sich ein ähnlicher Auftritt befindet, wie er sich zwischen Mistreß Byron und ihm zugetragen hatte.

Bertha

Hinaus, pack Dich, Buckliger!

Arnold

Ich bin so geboren, meine Mutter.

Bertha

Hinaus! krummer Rücken, – Alp, – Mißgeburt! Ich habe sechs andere Kinder und Du bist nicht ihr Bruder.

Arnold

Wenn ich nicht ihr Bruder bin, was bin ich denn sonst? O! ich möchte niemals das Licht gesehen haben!

Bertha

Ich wollte es auch, aber da Du es siehst, so arbeite wenigstens, Dein Rücken kann eine Last tragen, so schwer sie auch sein möge: er ist hoch, wenn er nicht breit ist.

Arnold

Ja, ich glaube, daß mein Rücken alle Lasten tragen kann; aber wird mein Herz ohne Schwäche die Verlassenheit tragen können, in welcher, meine Mutter, Deine Geringschätzung mich läßt? Denn ich liebe Dich! oder ich liebte Dich wenigstens ehedem: Niemand, ausgenommen Du, kann in der ganzen Natur mich, das traurige und arme Geschöpf, lieben. Bin ich denn verdammt, ohne Liebe zu leben? Du hast mir die Brust gereicht, Du hast mir das Leben gegeben, nimm mir nicht mehr, als Du mir gegeben hast.

Bertha

Ja, mit der Milch meiner Brust wurdest Du ernährt, denn Du wurdest als der älteste geboren, – aber damals wußte ich nicht, daß andere Söhne kommen würden, die nicht Deine Gestalt hätten. Geh, Holz zu sammeln, geh!

Arnold

Ich gehorche, meine Mutter. Aber ich bitte Dich inständigst, sprich mit mir sanft wie mit Deinen anderen Söhnen, wenn ich zurückkehren werde. Sie sind schön, ich weiß es, Du mußt stolz auf sie sein, und besonders neben ihnen scheine ich noch weit häßlicher; aber dennoch haben wir dieselbe Milch getrunken.

Bertha

Gewisse Wesen sind geschaffen, damit sie Gott vereinigt, aber Du bist nicht unter diesen Wesen geboren. Das Stachelschwein kommt des Nachts, an der jungen Kuh zu saugen, wird diese denn darum seine Mutter? Pack Dich, niemals werden meine Söhne Deine Brüder werden; wenn Du mir das Leben verdankst, so ist es nur aus Zufall: die Henne brütet zuweilen Schlangen unter ihren Eiern aus. Pack Dich von hinnen, Bastard!

Wir haben vergessen zu sagen, daß einige Zeit nach der Geburt des jungen Byron, da die armselige Wohnung in der Holles-Street noch zu verschwenderisch war, Mistreß Byron London verlassen hatte und nach Aberdeen gezogen war. einer an der Mündung des sich in die Nordsee ergießenden Dee gelegenen Stadt Schottlands.

Dort trat der Knabe im Alter von fünf Jahren in eine Erziehungsanstalt oder vielmehr in eine Schule für fünf Schilling vierteljährlich ein, was ohngefähr dreißig Sous monatlich ausmacht. Dieser Umstand rührte mich unendlich: es hatte also unter meinen Lehrern in der Literatur noch wohlfeiler gemachte Erziehungen gegeben, als die meinige’. Diejenigen, welche meine Memoiren gelesen haben, wissen, daß meine Erziehung monatlich drei Franken gekostet hat.

Nach Verlauf von einem Jahre, das heißt, nachdem sie fünf und zwanzig Schilling ausgegeben, hatte Mistreß Byron den Einfall, sich mit eigenen Augen von den Fortschritten zu überzeugen, die ihr Sohn im Lesen und Schreiben gemacht hatte, dem einzigen, was man in der Schule von Aberdeen lernte. Wir können nicht genau sagen, wie weit der Knabe im Lesen gekommen war, aber in Betreff des Schreibens haben wir einen Brief von ihm vor Augen, der uns erlaubt, das Maß der Unzufriedenheit seiner Mutter zu beurtheilen. Diese Unzufriedenheit war so groß, daß sie sich durch ein Paar kräftige Ohrfeigen zu erkennen gab, die der arme Schüler erhielt. Man sieht, daß wenn Byron Laster hatte, sie nicht zu denen gehören, welche sich an den Ruf eines verzogenen Kindes knüpfen.

Als Mistreß Byron die beiden Ohrfeigen gegeben, nahm sie den Schüler auf der Stelle bei der Hand und führte ihn zu einem anderen Lehrer. Der neue Lehrer war ein kleiner, sehr frommer Mann Namens Roß und seinem Stande nach ein Geistlicher. Der Knabe faßte eine gewisse Zuneigung zu ihm und machte unter ihm ebenso rasche Fortschritte, als sie bis dahin langsam gewesen waren. Außerdem hatte dieser bei dem Knaben eine Leidenschaft entdeckt, die er geschickt benutzte, – nämlich die für die Geschichte. Der junge Byron war aber in der ersten Geschichte, die man ihm in die Hände gegeben hatte, nämlich die römische, oft durch die Erzählung der von Aulus Posthumius den empörtern Latinern im Jahre Roms 496 gelieferten Schlacht am Regillus überrascht gewesen. Dieser Eindruck war so tief, daß Byron, als er sich zwanzig Jahre später auf den Höhen von Tuseulum befand, mit den Augen diesen kleinen See Regillus suchte, einen lichtvollen Punkt in der unermeßlichen Strecke der Ebene um Rom, – und daß sich seine Augen bei der Erinnerung an seinen alten und würdigen Lehrer mit Thränen der Dankbarkeit erfüllten. Dieser wackere Herr Roß mit seinen sanften Manieren und gütigem Charakter war eine der theuersten Erinnerungen aus der Kindheit des Dichters, der als Mann gern und immer mit dem größten Lobe von ihm sprach.

Der würdige Herr Roß wurde zum Unglück für Byron zum Prediger einer Kirche in Schottland ernannt und entsagte der Leitung seiner Schule, in welcher er durch einen ernsten und schweigsamen jungen Mann Namens Paterson ersetzt wurde, welcher, als Sohn des Schuhmachers Byron’s, trotz seiner niedrigen Herkunft eine alte Bekanntschaft des Knaben war. was übrigens bei den Schotten, wenn sie Presbyterianer sind, etwas sehr Gewöhnliches ist. Dieser junge Mann war sehr unterrichtet. Byron fing mit ihm das Lateinische an, und vervollkommnete in dieser Zeit seine Handschrift, wie er selbst sagt, durch die Vorschriften des Herrn Duncan von Aberdeen. Gütiger Gott! wie war die Handschrift Byron’s, bevor sie durch die Vorschriften des Herrn Duncan verbessert wurde!