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Der Pastor von Ashbourn

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Der zukünftige Dichter blieb von dem Jahre 1793 bis 1798 in dieser Schule. Der Eindruck, den er unter seinen jungen Kameraden zurückließ, war der eines lustigen, lebhaften Schülers mit feurigem Herzen, voll Muth und Munterkeit, aber zu gleicher Zeit freundschaftlich und ein guter Kamerad, – good fellow – wie die Engländer sagen; – übrigens verwegen, unerschrocken und immer eher bereit einen Schlag zu geben, als ihn einzustecken; endlich war er rachsüchtig wie ein Bullenbeißer, und, wenn er sein Wort gegeben hatte, so hielt er es gewissenhaft.

Eines Tages kehrte er ganz außer Athem, halb zornig, halb vergnügt, nach Haus zurück.

– Was giebt es denn? fragte der Diener.

– Nichts, antwortete Byron, als daß ich eine Schuld bezahlt, indem ich den, gegen den ich sie eingegangen, tüchtig durchgeblaut habe.

– Und warum haben Sie das gethan? fragte der Diener.

– Ich habe es gethan, antwortete der Knabe, indem er den Kopf wieder erhob, weil ich ein Byron bin, und meinen Wahlspruch nicht Lügen strafen will: Trust Byron! (Verlaß dich auf Byron!)

Als ob er von dieser Zeit an seinem Gebrechen gewissermaßen hätte Trotz bieten wollen, bemühte er sich, in allen Kinderspielen geschickt zu werden, ebenso, wie er späterhin es sich zur Aufgabe machte, in allen Leibesübungen des Mannes zu glänzen; er wurde daher, trotz seines lahmen Fußes, einer der gewandtesten Ballspieler der Schule, wo Niemand eben so geschickt den Ball schlug oder zurücksandte; freilich war er bei Weitem weniger eifrig bei der Arbeit, als beim Spiele, indem er sich nur auf die Studien legte, die ihm gefielen, rasche Fortschritte in diesen machte, aber in den anderen auf eine Weise zurückblieb, welche ihm zur großen Verzweiflung seiner Lehrer keine Scham verursachte. Obgleich er in diesem Falle seine Stelle hinter den übrigen Schülern einnahm, die besser als er gearbeitet hatten, so müssen wir, um gerecht zu sein, sagen, daß er zuweilen auch, wenn es sich um Geschichte und Uebersetzung handelte, den ersten Rang einnahm. Dann sagte sein Lehrer, welcher das von Byron in diesem Punkte angenommene System des Auf- und Absteigens kannte, gewöhnlich zu ihm:

– Sehen wir ein wenig, Meister Georges, wie viel Zeit Sie darauf verwenden werden, wieder hinabzusteigen.

Die großen Erholungen des jungen Schülers bestanden zu jener Zeit darin, mit seiner Mutter in Fetterano, auf dem Gute seines Pathen, des Obersten Duff, zu verweilen, den Byron eben so sehr liebte, als er späterhin seinen Vormund, Lord Carlisle. verabscheute. Was ihn besonders zu dem Obersten zog, war ein alter, lustiger Kellermeister. Namens Ernst Fildler, der späterhin in seinen Erinnerungen für ihn das lebendige Bild des lustigen Todtengräbers Hamlet’s war.

Byron wurde gegen den Frühling des Jahres l796 von einem Scharlachfieber befallen, welches ihn sehr schwächte, ohne ihn jedoch einer wirklichen Gefahr auszusetzen. Mistreß Byron beschloß nun, ihn die Luft wechseln zu lassen, und reiste mit ihm nach Balater ab, einer kleinen, ungefähr vierzig Meilen weit von Aberdeen an der Dee gelegenen Stadt, welche wie Spaa, Baden oder Aix. der Zusammenkunftsort reicher Reisenden ist, die Gesundheit oder Zerstreuung suchen. – Der Zauber des Genies ist so groß, daß späterhin die geringe Meierei, welche der Dichter bewohnte, ein Wallfahrts-Ort wurde, und daß man dort, mit einem Geländer umgeben, das Bett zeigt, in welchem der zukünftige Dichter des Childe-Harold schlief.

Dieser Ausflug in die Gebirge brachte übrigens auf die Einbildungskraft des jungen Dichters einen tiefen Eindruck hervor, und der finstere Loch-Na-Garr blieb in seinen Gedanken riesenhaft stehen, wie er es in der Landschaft ist. Was ist der Loch-Na- Garr? Der Dichter wird es uns selbst sagen:

Loch-Na-Garr

»Lachin y Gair, oder wie man es in der persischen Sprache ausspricht, Loch-Na-Garr, überragt die schottischen Berge bei Invercauld. Einer unserer modernen Reisenden führt Loch-Na-Garr als den höchsten Berg Englands und Schottlands an. Wie dem auch sein möge, er ist zuverlässig einer der pittoreskesten und erhabensten unserer caledonischen Alpen. Sein Aussehen ist traurig, aber sein mit ewigem Schnee gekrönter Gipfel strahlt von hellem Glanze. Ich kam an dem Loch-Na-Garr in den ersten Jahren meines Lebens vorüber, und die Erinnerung an diese Zeit flößte mir folgende Verse ein:

 
Fort, lachende Fluren und rosige Hecken!
Dort wiege der Liebling der Wollust sich ein;
Mich laßt auf die Felsen, die Flocken bedecken,
Da sie ja der Freiheit und Liebe sich weihn!
Caledonia’s Felsen, euch lieb’ ich vor allen.
Und bringt euren Kuppen der Sturm auch Gefahr,
Mag der Katarakt schäumen, statt rieselnd zu wallen,
Doch lieb’ ich das düstere Thal Loch-Na-Garr,
 
 
Wie sah es mich oft als wandernden Knaben,
Als Mantel mein Plaid, auf dem Kopfe den Hut,
Der Häuptlinge denkend, die lange begraben,
Durchirrt’ ich die Tannen mit fröhlichem Muth.
Zur Heimath erst kehrt’ ich mit scheidendem Tage,
Wenn der helle Polarstern schon leuchtete klar,
Und dachte so mancher erbaulichen Sage,
Erzählt von den Siedlern des Thals Loch-Na-Garr.
 
 
Ihr Schatten der Todten, ich hört’ eure Stimmen
Des Nachts im beflügelten Hauche der Luft!
Es jauchzen die Seelen der Helden und klimmen
Das Hochland entlang über Hügel und Schlucht.
Rund um Loch-Na-Garr, wo sich Nebel entfalten,
Der Winter sich bauet den eisgen Altar,
Da umringeln Gewölke der Väter Gestalten,
Sie wohnen im Sturme des Thals Loch-Na-Garr.
 
 
Unglückliche Helden! hat nicht euch wie Warnen
Vor Unheil die Stimme der Geister getönt,
Mußt in Cullodens Kampfe der Tod euch umgarnen,
Wo Sieg euern Fall nicht mit Jubel gekrönt?
Doch sankt ihr ja glücklich zum Todesschlaf nieder,
Ihr ruht mit dem Clan in der Schlucht von Brömar,
Es hallet der Pibroch des Pfeifers Ton wieder,
Und eure Gefechte das Thal Loch-Na-Garr.
 
 
Viel Jahre vergingen, seit ich dich verlassen,
Und nach Jahren erst werd’ ich dich wieder erschaun,
Wenn dich auch nicht Rasen und Blumen umfassen,
Bist du mir doch theurer als Albion’s Au’n.
Nur zahme, nur häusliche Lust kannst du zollen,
O England, dem Herzen, da« Felsen hold war.
Wie schön sind die Klippen, die wunderbar grollen,
So wild majestätisch im Thal Loch-Na-Garr.
 

IV.
Newstead-Abbey

Eines der Vorrechte des Genies ist, die geringsten Dinge zu heiligen. Eine Feder, ein Kleidungsstück, eine Waffe. die einem gestorbenen Dichter gedient haben; eine Landschaft, ein See, ein Berg, die er mit seinem erloschenen Auge betrachtet hat, werden auf der Stelle für die, welche ihn überleben, und die vorher kaum an ihn gedacht haben, eben so viele Gegenstände der Verehrung, eben so viele Quellen des Nachdenkens! Der Dichter begreift das instinktmäßig, wenn er, ohne zu wissen warum, und oft ohne daß ihn Jemand darüber fragt, die ersten Tage seiner Kindheit erzählt; wenn e r so zu sagen über die Welt, welche bei seinem Stolze lächelt, den dickbelaubten Baum seiner Erinnerungen schüttelt, von welchem, so bald er gestorben ist, die Gleichgültigsten, plötzlich erwacht, die zerstreuten Blätter und die dahinschwindenden Ueberreste sammeln werden. In der That, dem ist so, so lange der Mensch sich bewegt, so lange sein Blick den Himmel wiederspiegelt, so lange sein Mund die von seinem Verstände gebildeten Worte wiedergiebt, ist er inmitten der Menge nichts Anderes, als eine der Einheiten dieser Menge, und seine Stimme verliert sich in dem großen Concerte von Stimmen, die beständig zu Gott aufsteigen, eine Mischung von Gebeten oder von Verwünschungen, von alltäglichen Widerwärtigkeiten oder erhabenen Aufopferungen; aber wenn seine Stimme erlischt, wenn sein Auge sich schließt, wenn plötzlich Leben und Bewegung in ihm aufhören, – dann erst bemerkt man, daß eine harmonische Note in dem allgemeinen Concerte fehlt, daß ein helles Licht erloschen, daß eine große Lücke entstanden ist! Das kommt daher, weil man die Männer von Genie erst mißt, wenn sie in das Grab gelegt sind, und die Steifheit der Leiche ihnen allein die riesenhafte Größe verleiht, mit welcher sie den Augen der Nachwelt erscheinen. Wir wollen daher auf die unbedeutenden Umstände der ersten Jahre des Dichters zurückkommen, die wir wie verwelkte Blumen auf der Straße gesammelt haben, die er durchwandert hat.

Während seines Aufenthalts in den Highlands nahm der junge Byron, wir wollen nicht sagen die Gewohnheit, sondern die Sucht an, herumzustreifen. Nach Aberdeen zurückgekehrt, begegnete es ihm während der Ferientage oft, daß er sich aus der mütterlichen Wohnung schlich, um Spaziergänge zu machen, die, wenn sie sich verlängerten, seine Mutter und die gute Mac-Gray, seine Erzieherin, mit Recht beunruhigten. Zwei Male kostete ihm in der That seine Unvorsichtigkeit beinahe das Leben: das erste Mal in einer Torfstecherei, in welcher er beinahe versunken wäre und wo man ihm erst gerade in dem Augenblicke zu Hilfe kam, als er, bis an die Achselhöhlen eingesunken, im Begriffe stand, gänzlich zu verschwinden; das zweite Mal verwickelte sich bei einem Besuche des Wasserfalles des Dee sein lahmer Fuß in einem Büschel Heidekraut: er fiel und fing an nach dem Abgrunde des steilen Abhanges zu rollen, als der Bediente, der ihn begleitete, und mit dem Mistreß Byron ihren Hausstand vermehrte, seitdem sie ihre Großmutter beerbt hatte, ihn gerade zur rechten Zeit aufhielt, um ihm das Leben zu retten.

Gegen dieselbe Zeit rollte Chateaubriand, der neunzehn Jahre älter war als Byron, gleichfalls auf dem Abhang des Niagara hinab, aber, weniger glücklich, brach er sich die Schulter, indem er von einer Höhe von zwanzig bis fünfundzwanzig Fuß herabfiel.

Byron hatte sein achtes Jahr noch nicht zurückgelegt, als er den ersten Anfall eines Gefühles empfand, welches man acht Jahre später Liebe nennt, das aber in dem Alter Byron’s noch keinen Namen hat. Der Gegenstand dieses Gefühles war ein kleines Mädchen Namens Marie Duff. Man kennt über diese kindliche und dennoch so tief in dem Herzen des Dichters eingewurzelte Leidenschaft keine anderen Umstände als die, welche er uns selbst in seinem im Jahre 1813, das heißt siebzehn Jahre nach der Bekanntschaft, welche Byron mit diesem kleinen Mädchen gemacht hatte, geschriebenen Tagebuche hinterlassen hat.

 

Hier folgt, was er darüber sagt:

»Ich habe diese letzten Tage lange und ernstlich an Marie Duff gedacht: es ist in Wahrheit seltsam, daß ich diesem kleinen Mädchen in einem Alter des Lebens so sehr ergeben und zugethan gewesen bin, in welchem man weder Liebe empfinden, noch selbst die Bedeutung dieses Wortes begreifen kann. Und doch war es wirklich Liebe! Oft neckte mich meine Mutter mit dieser kindischen Liebe, und sieben oder acht Jahre nachher, das heißt als ich sechzehn oder siebenzehn Jahr alt sein konnte, sagte meine Mutter eines Tages zu mir:

– Apropos, Byron, ich habe einen Brief von Edinburgh erhalten.

– Von wem? fragte ich.

– Von Miß Albereromby.

– Nun! welche Neuigkeit?

– Eine wichtige: Ihre alte Liebe, Marie Duff, hat einen Herrn C. geheirathet.

Was war meine Antwort bei dieser Nachricht? das wäre schwer zu sagen, denn es ist mir unmöglich zu erklären, was sich in diesem Augenblicke in meinem Innern zutrug. Ich fiel in Krämpfe, und diese waren so heftig, daß sie meine Mutter in dem Grade beunruhigten, daß sie es in der Folge vermied, jemals wieder von Miß Duff mit mir zu sprechen. Aber sie erzählte die Begebenheit mehr als einmal ihren Bekannten.

Jetzt frage ich mich, welches Gefühl diese Art von Liebe, im Alter von acht Jahren empfunden, sein konnte? Ich hatte Marie indessen seit dem Augenblick nicht wiedergesehen, wo sie in Folge eines Falles ihrer Mutter in Aberdeen zu ihrer Großmutter nach Banff gegangen war. Wir waren ohngefähr von demselben Alter, das heißt, daß wir zwei zusammen kaum fünfzehn Jahre zählten. Ich habe zuverlässig wenigstens fünfzig Male seit dieser Zeit geliebt, und dennoch erinnere ich mich unserer Gespräche, unserer Schmeicheleien , ihrer Züge, meiner Aufregung, und besonders der Art, mit welcher ich die Kammerjungfer meiner Mutter quälte, um sie zu bestimmen, in meinem Namen an Marie zu schreiben. Sie entschloß sich endlich dazu, und ich wurde ein wenig ruhiger. Das arme Mädchen hielt mich für verrückt, und da ich noch nicht sehr gut schreiben konnte, so wurde sie mein Secretair. Ich erinnere mich mit derselben Treue unsrer Spaziergänge und des Glückes, das ich empfand, neben Marie in dem Kinderzimmer sitzen zu dürfen, während ihre kleinere Schwester mit der Puppe spielte, und wir uns nach unserer Art ernst den Hof machten. . .

Seit Kurzem, – ich weiß nicht wie das gekommen und aus welcher Ursache dieses Resultat hervorgegangen ist, – seit Kurzem ist in mir das Andenken an sie zurückgekehrt, das Andenken, nicht die Leidenschaft, und zwar mit eben so viel Kraft als jemals. Oft frage ich mich, ob sie jener Zeit dasselbe Andenken widmet, als ich, und ob sie sich des Mitleidens erinnert, das sie für ihre kleine Schwester Helene empfand, welche das Unglück hatte, keinen Geliebten zu haben. In jedem Falle ist ihr Bild mit ihren kastanienbraunen Haaren und ihren freundlichen hellbraunen Augen in meinem Gedächtnisse liebenswürdig geblieben; ich sehe Alles bis auf ihr Costüm wieder, und dennoch würde ich gänzlich unglücklich sein, sie wieder zu sehen: jetzt würde die Wirklichkeit, so schön sie auch sein möchte, das Andenken an die köstliche Peri zerstören oder wenigstens trüben, die damals in ihr bestand, und die nach mehr als sechzehn Jahren, da ich jetzt fünf und zwanzig Jahr und drei Monate alt bin, in meinem Innern noch fortlebt…

Byron zweifelt, daß es Liebe war, was er für die kleine Marie Duff empfand; – warum nicht? warum sollte Gott nicht demjenigen frühzeitigere Empfindungen geben, den er aus der Menge gezogen hat, um aus ihm einen jener Erwählten des Schmerzes zu machen, die man Männer von Genie nennt? Canova erinnerte sich, mit fünf Jahren verliebt gewesen zu sein. Alsieri mit acht, und Dante war erst neun Jahre alt, als er auf dem Maifeste die weiße Beatrix sah, welche die Muse der Göttlichen Komödie werden sollte. Haben ferner die, welche bestimmt sind, jung zu sterben, nicht einen Anspruch auf das Vorrecht, früher als Andere zu lieben, da sie früher als Andere sterben sollen?

Indessen verflossen Tage, Monate, Jahre; die einzige Aussicht auf Vermögen und gesellschaftliche Stellung, welche für Byron bestand, war die Erbschaft seines Onkels; aber der alte Lord Byron hatte einen Enkel, und der Besitzer von Newstead-Abbey und sein Platz in dem Oberhause gehörten von Rechtswegen diesem jungen Manne. Plötzlich erfuhr man gegen Ende des Jahres 1794, daß dieser in Corsica gestorben sei: es befand sich also kein Hinderniß mehr zwischen dem kleinen Georges und der Pairswürde. Weder Mistreß Byron, noch Byron kannten ihren Vetter, demzufolge trübte nichts die Freude, welche sie bei dieser Veränderung, die in ihrer Stellung vor sich gegangen war, empfanden; denn obgleich kaum sieben Jahre alt, begriff der zukünftige Baron von Newstead dennoch, daß der Erbe Lord Byron’s bereits etwas ganz anders wäre, als der Sohn des Capitain Byron. Ein im Alter von neun Jahren von ihm ausgesprochenes Wort beweist auf eine charakteristische Weise, was wir behaupten. Während des Winters des Jahres 1797 las Mistreß Byron eines Tages in einer Zeitung eine in dem Hause der Gemeinen gehaltene Rede. Ein bei dieser mit lauter Stimme gehaltenen Vorlesung anwesender Freund wandte sich nun nach dem Knaben um, und sagte zu ihm:

– So werden wir in einiger Zeit die Freude haben, auch Ihre Reden in dem Hause zu lesen.

– Ja, antwortete der Knabe; aber wenn Sie jemals eine Rede von mir lesen, so wird dieselbe in dem Hause der Pairs gehalten sein.

Ein Jahr nachher, das heißt im Jahre 1798, starb der alte Lord Byron und der junge Georges war Baron von Newstead und Pair von England.

– Meine Mutter, sagte Byron, indem er zu ihr herbeieilte, blicken Sie mich wohl an.

– Und warum das?

– Weil ich wissen möchte, ob, seitdem ich Baron und Lord bin, irgend eine Veränderung in mir vorgegangen ist; in diesem Falle möchte ich Sie bitten, sie Mir anzudeuten, denn ich sehe keine.

Und doch empfand der Knabe von zehn Jahren, der diese Philosophie affectirte, innerlich eine heftige Gemüthsbewegung; denn als am folgenden Tage bei dem Verlesen in der Schule sein Name zum ersten Mal mit dem Domine voraus ausgesprochen wurde, blieb er, statt wie gewöhnlich Adsum, zu antworten, einen Augenblick lang stumm und brach zuletzt in Thränen aus.

Uebrigens hinterließ dieser alte Onkel Georges Byron sein Vermögen und seinen Titel mit Widerwillen; er hatte ihn nur ein oder zwei Mal gesehen, indem er keinen Umgang mit seiner Mutter unterhielt, und statt ihn seinen Neffen zu nennen, bezeichnete er ihn jedes mal, wenn er von ihm sprach, durch die Worte:

– Der kleine Knabe, der in Aberdeen wohnt.

Der alte Baron wurde wenig bedauert. Wir haben die seltsamen Gerüchte angeführt, die über ihn im Umlauf waren. Eine alte Wahrsagerin sagte, daß, wenn ein mit Haidekraut beladenes Schiff durch den Wald von Sherwood gehen würde, die Herrschaft Newstead von der älteren Linie auf die jüngere Linie der Byrons überginge. Das glich sehr der Macbeth über den Wald von Birnam gemachten Prophezeiung. Die eine ging so ziemlich aus dieselbe Weise in Erfüllung als die andere; der alte Lord hatte eine kleine Fregatte bestellt, um auf seinem See spazieren zu fahren; als die Fregatte fertig war, brachte man, statt sie vom Stapel laufen zu lassen, Räder daran an, spannte Pferde vor und brachte sie nach ihrer Bestimmung. Auf dem Wege befand sich der Wald von Sherwood, durch welchen die Heerstraße ging. Die Sonderbarkeit des Schauspieles zog die Landleute herbei; plötzlich erinnerte sich Einer von ihnen der Prophezeihung der Wahrsagerin, und nachdem er laut seine Kameraden darauf aufmerksam gemacht hatte, begannen Alle um die Wette Haidekraut abzuschneiden und in dem Schiffe aufzuhäufen, um schnell ihres Gutsherrn entledigt zu sein. Ein Jahr nach diesem wunderlichen Ereignisse starb der alte Lord und die Herrschaft Newstead ging von der älteren Linie auf die jüngere über. So ging die Prophezeihung in Erfüllung, welche sagte, daß Newstead-Abbey den Herrn wechseln würde, wenn ein mit Haidekraut beladenes Schiff durch den Wald von Sherwood führe.

Uebrigens verließ der Knabe Schottland nicht ohne großes Bedauern.

Er war so jung dorthin gekommen, daß er sich für einen wahren Schotten hielt. Sein ganzes Leben lang bewahrte er das Andenken an das Land, in welchem er erzogen worden war, und sein ganzes Leben lang war es eine große Freude für ihn, einen Bürger von Aberdeen oder einen einfachen Reisenden anzutreffen, der diese Stadt besucht hatte.

Wenn Byron dieses Andenken an Aberdeen und an seine Bewohner bewahrt hatte, so waren diese dem Gedächtnisse des verstorbenen Dichters nicht weniger treu. Sie zeigten mit Stolz die verschiedenen Häuser, welche der Dichter in seiner Kindheit bewohnt hatte. Ein Brief seines Vaters, des Capitains Byron, wurde im Jahre 1826 für fünf Louisd’or verkauft, und eine der Personen, welche Byron in seiner Jugend vertraulich besuchte, hat als eine Reliquie eine Untertasse von Porzellan aufbewahrt, aus welcher er in einem Anfall von Zorn ein Stück mit seinen Zähnen gebissen hatte. So erhebt, reinigt und heiligt das Genie Alles, was es berührt hat.

Gegen den Herbst des Jahres 1798 verließen Mistreß Byron, der junge Georges und die alte Mac-Gray, seine Erzieherin, Aberdeen, um sich nach dem ihr Eigentum und der Ort ihrer Residenz gewordenen alten Schlosse Newstead-Abbey zu begeben. Zuvor aber stellte Mistreß Byron mit Ausnahme der Wäsche und des Silbergeschirres eine öffentliche Versteigerung aller ihrer Habseligkeiten an, welche vierundsiebenzig Pfund Sterling, siebenzehn Schilling und sieben Pence eintrug.

Die Reise von Aberdeen nach Newstead-Abbey wurde eine neue Quelle der Erinnerungen für den Knaben. In einem der letzten Briefe, die er vor seinem Tode schrieb, erinnerte er sich dieser Reise, und unter anderen Landschaften des berühmten Sees Loch Leven, an welchem er vorüberkam.

An dem Schlagbaume von Newstead angekommen, that Mistreß Byron, als ob sie nicht wüßte, wo sie wäre und wem die Herrschaft angehörte; die Person, an welche sie diese Frage richtete, war die Frau, welche mit der Erhebung des Weggeldes an diesem Schlagbaume beauftragt war. Die Frau ist gestorben, aber, der Schlagbaum besteht immer noch; dort hatte ich gehalten und war ausgestiegen.

– Diese Herrschaft, antwortete die gute Frau, war die des alten Lord Byron, der seit einigen Monaten gestorben ist.

– Und wer ist der Erbe des alten Lords? fragte Mistreß Byron.

– Man versichert, antwortete die Frau, daß es ein kleiner Knabe von neun bis zehn Jahren ist, der in Aberdeen wohnt.

Vielleicht hätte die hochmüthige Mutter ihre Fragen noch weiter getrieben, aber die gute Mae-Gray vermochte es nicht länger auszuhalten.

– Ei, sagte sie, indem sie Byron zeigte, hier ist dieser kleine Knabe, den Gott segnen möge!