Tasuta

Die beiden Dianen

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

VI.
Gabriel bei der Arbeit

»Wer wagt es, mich zu unterbrechen,« fragte Gaspard von Coligny, die Stirne faltend.

»Ich!« antwortete vorschreitend ein Mann in der Tracht eines Bauern aus der Gegend von Saint-Quentin.

»Ein Bauer!« versetzte der Admiral.

»Nein, kein Bauer,« erwiderte der Unbekannte, »sondern der Vicomte d’Ermès, Kapitän bei den Leibwachen des Königs, der im Namen Seiner Majestät hier erscheint.«

»Im Namen des Königs!« rief die erstaunte Menge.

»Im Namen des Königs,« erwiderte Gabriel, »und Ihr seht, daß er seine braven Bürger von Saint-Quentin nicht verläßt und stets an sie denkt. Ich bin vor drei Stunden als Bauer verkleidet hier angekommen, und während dieser drei Stunden habe ich Euere Mauern besichtigt und Eure Berathung mit angehört. Doch laßt Euch sagen, das, was ich gehört, steht durchaus nicht im Einklang mit dem, was ich gesehen. Was bedeutet diese weiberartige Entmuthigung, die sich wie ein panischer Schrecken der festesten Geister bemächtigt? Woher kommt es, daß Ihr so plötzlich jede Hoffnung verliert und Euch einer chimärischen Furcht hingebt. Wie! Ihr wißt nichts Anderes, als Euch gegen den Willen des Herrn Admirals zu empören oder den Kopf als fügsame Opfer zu beugen? Erhebt bei Gott die Stirne, doch nicht gegen Eure Führer, sondern gegen den Feind, und wenn es Euch unmöglich ist, zu siegen, so macht, daß Eure Niederlage glorreicher sei als ein Triumph. Ich komme von den Wällen und sage Euch, daß Ihr Euch noch vierzehn Tage halten könnt, und der König fordert von Euch nur eine Woche, um Frankreich zu retten. Auf Alles, was Ihr in diesem Saale gehört habt, will ich mit zwei Worten antworten; ich will für die Uebel ein Mittel und für die Zweifel eine Hoffnung bezeichnen.«

Die Officiere und Notabeln drängten sich um Gabriel, schon ergriffen von dem Uebergewicht dieses mächtigen, sympathetischen Willens.

»Hört! hört!« riefen sie.

Mitten unter dem Stillschweigen der Theilnahme fuhr Gabriel fort:

»Ihr zuerst, Herr Lauxford der Ingenieur, was sagtet Ihr? Vier schwache Punkte der Wälle könnten dem Feinde die Thore öffnen? Sehen wir mit einander. Die Gegend des Foubourg d’Ile ist am meisten bedroht; die Spanier sind Herren der Abtei und unterhalten von dort ein so wohlgenährtes Feuer, daß unsere Arbeiter es nicht mehr wagen, sich daselbst zu zeigen. Erlaubt mir, Herr Lauxford, Euch ein sehr einfaches und ganz vortreffliches Mitte! zu nennen, sie zu behüten, ein Mittel, das ich in diesem Jahre von den Belagerten in Civitella habe anwenden sehen. Um unsere Arbeiter vor den spanischen Batterien zu beschützen, genügt es, quer über das Boulevard alte Schiffe voll von Säcken mit Erde über einander zu setzen. Die Kugeln verlieren sich in dieser weichen Erde und hinter dieser Schutzwehr sind unsere Arbeiter eben so sehr in Sicherheit, als wenn sie außer dem Bereiche der Kanonen wären. Im Flecken Remicourt untergraben die Feinde, geschützt durch eine Blendung, ruhig die Mauer, sagtet Ihr? Ich habe wirklich diese Sache bewahrheitet gefunden. Doch dort, Herr Ingenieur, müßt Ihr eine Gegenmine anbringen und nicht bei der Porte Saint-Jean, wo der dicke Thurm Eure Gegenmine nicht nur nutzlos, sondern gefährlich macht. Ruft Eure Minirer vom Osten nach dem Süden, Herr Lauxford, und Ihr werdet Euch gut dabei befinden. Doch die Porte Saint-Jean, doch das Boulevard Saint-Martin werden ohne Vertheidigung bleiben, fragt Ihr? Fünfzig Mann auf dem ersten Punkt, fünfzig auf dem zweiten genügen. Herr von Rambouillet hat es uns so eben selbst gesagt. Doch, fügte er bei, diese hundert Mann fehlen uns. Nun! ich bringe sie Euch.«

Ein Gemurmel des Erstaunens und der Freude kreiste in der Versammlung.

»Ja,« sprach Gabriel mit einem noch festeren Tone, als er die Geister durch sein Wort ein wenig wiederbelebt sah, »ich habe drei Meilen von hier den Baron von Vaulpergues mit seiner Compagnie von dreihundert Lanzen wieder zusammengebracht. Wir verständigten uns. Ich versprach, durch alle Gefahren des feindlichen Lagers hieherzugehen und mich über die günstigen Orte zu versichern, wo er mit seiner Truppe in die Stadt gelangen könnte. Ich bin gekommen, wie Ihr seht, mein Plan ist gemacht, und ich kehre zu Vaulpergues zurück. Wir theilen seine Compagnie in drei Corps. Ich übernehme selbst das Commando von einer der Abtheilungen, und in der nächsten Nacht, einer mondlosen Nacht, wenden wir uns, jeder seinerseits, gegen eine zum Voraus bezeichnete Schlupfpforte. Wir haben Unglück, wenn nur eine von unsern drei Truppen dem Feinde entgeht; in jedem Fall wird eine entgehen, hundert entschlossene Mann werden in den Platz geworfen, und an Proviant fehlt es nicht. Die hundert Mann werden, wie ich sagte, an der Porte Saint-Jean und auf dem Boulevard Saint-Martin aufgestellt, und sprecht nun, Herr Lauxford, Herr von Rambouillet, welcher Punkt der Mauern dem Feind noch einen leichten Durchgang wird gewähren können?«

Ein allgemeiner Zuruf empfing diese guten Worte, welche so mächtig die Hoffnung in allen diesen entmuthigten Herzen belebten.

»Oh!« rief Jean Peuquoy, »oh! nun können wir kämpfen, nun können wir siegen.«

»Kämpfen, ja; siegen, ich wage es nicht, dies zu hoffen,« erwiderte Gabriel voll Würde, »ich will Euch die Lage nicht besser machen, als sie ist, ich wollte nur, daß man sie Euch nicht schlimmer mache. Ich wollte Euch Allen, und Euch zuerst, Meister Jean Peuquoy, der Ihr so muthige, aber so traurige Worte gesprochen, ich wollte Euch einmal beweisen, daß Euch der König nicht verlassen, und dann, daß Eure Lage glorreich und Euer Widerstand nützlich sein könne. Ihr sagtet: »Opfern wir uns!« Ihr habt auch gesagt: »Kämpfen wir!« Das ist ein großer Schritt. Ja, es ist möglich, es ist wahrscheinlich daß die sechzigtausend Mann, welche Eure Festungswerke belagern, sich derselben bemächtigen werden. Doch hütet Euch vor Allem, zu glauben, der edle Kampf, den Ihr ausgehalten haben werdet, gebe Euch grausameren Repressalien preis. Emanuel Philibert ist ein tapferer Soldat, der den Muth liebt und ehrt und Eure Tugend nicht bestrafen wird. Sodann bedenkt, daß Ihr, wenn Ihr Euch noch zehn bis zwölf Tage halten könnt, vielleicht Eure Stadt verloren, aber sicherlich Euer Vaterland gerettet habt. Ein großer und erhabener Erfolg! Die Städte wie die Menschen haben ihre Adelsbriefe, und die Heldenthaten, die sie vollbringen, sind ihre Titel und ihre Ahnen. Eure Enkel, Ihr Bewohner von Saint-Quentin, werden eines Tags stolz auf ihre Väter sein. Man kann Eure Mauern zerstören, doch wer wird im Stande sein, das erhabene Andenken an diese Belagerung zu zerstören? . . . Muth also, Ihr edlen Schildwachen des Reiches. Rettet den König, rettet das Vaterland. Die Stirne gesenkt, schient Ihr so eben entschlossen, als ergebene Opfer zu sterben. Erhebt nun das Haupt sterbt Ihr, so sterbt Ihr als freiwillige Helden, und Euer Andenken wird nicht untergehen. Ihr seht also, daß Ihr mit mir rufen könnt: »Es lebe Frankreich! es lebe Saint-Quentin!«

»Es lebe Frankreich! es lebe Saint-Quentin! es lebe der König!« riefen hundert Stimmen voll Begeisterung.

»Und nun nach den Wällen und zur Arbeit!« sprach Gabriel, »und feuert durch Euer Beispiel Eure Mitbürger an, die auf Euch warten. Morgen, das schwöre ich Euch, werden hundert Arme mehr bei dem Werke der Rettung und des Ruhmes Euch unterstützen.«

»Nach den Wällen!« rief die Menge.

Und sie stürzte hinaus, ganz außer sich vor Freude, Hoffnung und Stolz, und riß durch ihre Erzählungen und ihre Begeisterung diejenigen mit sich fort, welche den unerwarteten Befreier nicht gehört hatten, den Gott und der König der erschöpften Stadt zuschickten.

Gaspard von Coligny der würdige und edle Führer, hatte Gabriel mit einem Stillschweigen des Erstaunens und der Bewunderung angehört. Als sich die ganze Versammlung mit einem Triumphgeschrei zerstreute, stieg er von dem Sitze herab, den er einnahm, ging auf den jungen Mann zu, drückte ihm die Hand und sprach:

»Ich danke, mein Herr, Ihr habt Saint-Quentin und mich vor der Schande, vielleicht Frankreich und den König vor dem Untergang gerettet.«

»Ach! ich habe noch nichts gethan, Herr Admiral,« erwiderte Gabriel, »ich muß nun zu Vaulpergues zurückkehren, und Gott allein kann machen, daß ich hinauskomme, wie ich hereingekommen bin, und daß ich die hundert Mann meinem Versprechen gemäß in den Platz führe.«

VII.
Worin Martin-Guerre nicht geschickt ist

Gabriel von Montgommery unterhielt sich noch über eine Stunde mit dem Admiral. Coligny war erstaunt über die Fertigkeit, die Kühnheit und die Kenntnisse dieses jungen Mannes, der ihm von Strategie sprach wie ein Obergeneral, von Vertheidigungswerken wie ein Ingenieur, und vom moralischen Einfluß wie ein Greis. Gabriel bewunderte seinerseits den edlen und schönen Charakter von Gaspard, und die Güte, die Redlichkeit des Gewissens, die aus ihm den reinsten und loyalsten Edelmann seiner Zeit machten. Der Neffe glich allerdings nur sehr wenig dem Oheim! Diese zwei Männer, der Eine mit schon ergrauenden Haaren, der Andere mit völlig schwarzen Locken begriffen und schätzten einander nach Verlauf einer Stunde, als ob sie sich schon seit zwanzig Jahren gekannt hätten.

Nachdem sie sich über die Maßregeln verständigt hatten, welche zu nehmen waren, um den Einzug der Companie von Vaulpergues zu begünstigen, nahm Gabriel von dem Admiral Abschied, wobei er voll Sicherheit: »Auf Wiedersehen!« zu ihm sprach. Er ließ sich zuvor noch die Losungsworte und die erforderlichen Signale nennen.

Wie sein Herr als Bauer verkleidet, erwartete ihn Martin-Guerre unten an der Treppe des Rathhauses.

»Ah! Ihr seid da, gnädiger Herr?« rief der brave Stallmeister. »Ich bin sehr froh, Euch endlich wiederzusehen, da ich seit einer Stunde alle Vorübergehende vom Vicomte d’Ermès mit Gott weiß welchen Lobeserhebungen und Ausrufungen sprechen hörte. Ihr habt die ganze Stadt umgekehrt. Welchen Talisman habt Ihr denn mitgebracht, gnädiger Herr, um so den Geist einer ganzen Bevölkerung zu verändern.«

 

»Das Wort eines entschiedenen Mannes, Martin, und nichts Anderes, doch es genügt nicht, zu sprechen, es muß jetzt gehandelt werden.«

»Handeln wir, gnädiger Herr, das Handeln geht mir sogar besser, als das Sprechen; wir werden, wie ich sehe, unter der Nase der feindlichen Wachen nach dem Felde zu spazieren gehen. Vorwärts, gnädiger Herr, ich bin bereit.«

»Nicht so hastig, Martin,« entgegnete Gabriel, »es ist noch zu hell, und ich erwarte den Abendnebel, um von hier wegzugehen, das ist mit dem Admiral verabredet. Wir haben beinahe drei Stunden vor uns. Ueberdies habe ich während dieser Zeit noch etwas zu thun,« fügte er mit einer gewissen Verlegenheit bei, »ja, eine wichtige Fürsorge zu treffen, einige Erkundigungen in der Stadt einzuziehen.«

»Ich verstehe,« sagte Martin-Guerre, »abermals über die Kräfte der Garnison nicht wahr? oder über die schwachen Seiten der Festungswerke? Welch ein unermüdlicher Eifer!«

»Du verstehst gar nichts, mein armer Martin,« erwiderte Gabriel lächelnd, »nein, ich weiß Alles, was ich in Beziehung auf die Wälle und Truppen wissen wollte, und es ist . . . ein mehr persönlicher Gegenstand, was mich in diesem Augenblick beschäftigt.«

»Sprecht, gnädiger Herr, und wenn ich Euch zu etwas dienlich sein kann . . .«

»Ja, Martin, ich Weiß, Du bist ein treuer Diener und ein ergebener Freund; ich habe auch keine Geheimnisse für Dich, als diejenigen, welche nicht mir gehören. Wenn Du also nicht weißt, was ich mit Unruhe und Liebe nach Erfüllung meiner Pflichten in dieser Stadt suche, Martin, so ist dies ganz einfach der Fall, weil Du es vergessen hast.«

»Oh! verzeiht, gnädiger Herr, ich bin nun auf der Spur« rief Martin. »Nicht wahr, es handelt sich um eine Benedictinerin?«

»Ganz richtig, Martin. Was ist aus ihr in dieser bewegten Stadt geworden? Ich habe es nicht gewagt, den Admiral zu fragen, aus Furcht, ich könnte mich durch meine Unruhe verraten. Hätte er mir wohl auch zu antworten gewußt? Diana wird ohne Zweifel bei ihrem Eintritt in das Kloster den Namen verändert haben?«

»Ja,« erwiderte Martin, »denn ich habe mir sagen lassen, daß derjenige, welchen sie führt, und der mir reizend vorkommt, etwas heidnisch sei, wegen Frau von Poitiers, denke ich . . . Schwester Diana! das paßt gerade zusammen, wie ich und mein anderes Ich, wenn es betrunken ist.«

»Was ist nun zu thun?« sprach Gabriel. »Das Beste wäre vielleicht, wenn wir uns nach dem Kloster der Benedictinerinnen im Allgemeinen erkundigen würden.«

»Ja,« versetzte Martin-Guerre, »und dann werden wir vom Allgemeinen auf das Besondere übergehen, wie mein alter Pfarrer sagte, der im Verdacht stand, er wäre ein Lutheraner. Nun, gnädiger Herr, für diese Erkundigungen, wie für alle Dinge, bin ich zu Euren Befehlen.«

»Wir müssen jeder seinerseits auf Erkundigung ausgehen, Martin, auf diese Art haben wir zwei Chancen für eine. Sei geschickt und behutsam, und suche vor Allem nicht zu trinken, Du Völler, wir bedürfen unserer ganzen Kaltblütigkeit.«

»Oh! der gnädige Herr weiß, daß ich seit Paris meine alte Nüchternheit wiedererlangt habe und nur lauteres Wasser trinke. Es ist mir seitdem nicht einmal begegnet, daß ich doppelt gesehen habe.«

»Das gefällt mir! . . . In zwei Stunden komme auf diesen Platz.«

»Ich werde hier sein, gnädiger Herr.«

Und sie trennten sich.

Zwei Stunden nachher trafen sie sich wieder, wie sie es verabredet hatten. Gabriel war strahlend, Martin-Guerre aber ziemlich verlegen. Alles, was Martin-Guerre erfahren, war, daß die Benedictinerinnen mit den anderen Frauen der Stadt die Sorge und die Ehre, die Verwundeten zu verbinden und zu pflegen, hatten theilen wollen; daß sie jeden Tag in den Ambulanzen zerstreut waren, und nur am Abend, umgeben von der Ehrfurcht und der Bewunderung der Soldaten, in das Kloster zurückkehrten.

Gabriel wußte zum Glück mehr. Als ihn der erste der beste Vorübergehende von Allem unterrichtet hatte, was Martin-Guerre wußte, fragte Gabriel nach dem Namen der Superiorin des Klosters. Dies war, wie man sich erinnert, die Mutter Monica, die Freundin von Diana von Castro. Gabriel erkundigte sich sodann nach dem Ort, wo er die heilige Frau finden würde.

»Am gefahrvollsten Orte,« antwortete man ihm.

Gabriel ging nach dem Faubourg d’Ile und fand in der That die Superiorin. Sie wußte schon durch das öffentliche Gerücht, wer der Vicomte d’Ermès war, was er auf dem Rathhause gesagt hatte und weshalb er nach Saint-Quentin gekommen: sie empfing ihn als den Abgesandten des Königs und als den Retter der Stadt.

»Ihr werdet Euch also nicht wundern, meine Mutter,« sprach Gabriel zu ihr, »wenn ich, im Namen des Königs hier erscheinend, mich bei Euch nach der Tochter Seiner Majestät, nach Frau Diana von Castro erkundige. Ich habe sie vergebens unter den Nonnen gesucht, denen ich auf meinem Wege begegnete. Sie ist doch hoffentlich nicht krank?«

»Nein, Herr Vicomte,« antwortete die Superiorin, »doch ich habe sie aufgefordert, heute im Kloster zu bleiben und ein wenig auszuruhen; denn Niemand ist ihr an Muth und Aufopferung gleich gekommen. Sie war überall gegenwärtig und stets bereit, und übte mit einem freudigen Eifer ihre erhabene Wohlthätigkeit, was die Tapferkeit von uns friedlichen Nonnen ist. Ah! es ist die würdige Tochter aus dem Blute Frankreichs. Und dennoch wollte sie ihren Titel und Rang nicht bekannt werden lassen, und sie wird Euch sogar Dank wissen, Herr Vicomte, wenn Ihr dieses ruhmwürdige Incognito achtet. Gleichviel, verbarg sie ihren Adel, so zeigte sie ihre Herzensgüte, und alle Leidende kennen dieses Engelsantlitz, das wie eine himmlische Hoffnung durch ihre Schmerzen zieht. Sie hat sich nach dem Namen unseres Ordens Schwester Benedicta genannt, doch unsere Verwundetem welche das Lateinische nicht verstehen, nennen sie ganz einfach die Schwester Bénie.«5

»Das ist die Frau Herzogin wohl werth!« rief Gabriel, dessen Augenlider sanfte Thränen befeuchteten. »Ich kann sie also morgen sehen, Mutter? . . . wenn ich nämlich zurückkomme!«

»Ihr werdet zurück kommen, mein Bruder,« erwiderte die Superiorin, »und da, wo Ihr am meisten Seufzer und Schmerzgeschrei hört, findet Ihr die Schwester Bénie.«

Hiernach kam Gabriel zu Martin-Guerre zurück, das Herz voll Muth, und nun, wie die Superiorin, sicher, daß er unversehrt aus der furchtbaren Gefahr der Nacht hervorgehen würde.

VIII.
Worin Martin-Guerre ungeschickt ist

Gabriel hatte ziemlich genau Erkundigung über die Umgegend von Saint-Quentin eingezogen, um sich vor jedem Verirren zu schützen. Durch den Einbruch der Nacht begünstigt, ging er mit Martin-Guerre durch die am wenigsten bekannte Schlupfpforte aus der Stadt. Beide in lange braune Mantel gehüllt, schlüpften sie wie Schatten in die Gräben, und von da durch die Bresche in das Feld.

Doch sie waren der größten Gefahr noch nicht überhoben. Feindliche Abtheilungen durchstreiften die Umgegend bei Tag und bei Nacht. Verschiedene Lager waren um die Stadt her aufgeschlagen, und jedes Zusammentreffen konnte für unsere Bauern-Soldaten unglücklich sein. Das geringste Mißgeschick dem sie sich aussetzen mußten, war, die beabsichtigte Expedition um einen Tag zu verzögern, das heißt vielleicht auf immer unnütz zu machen.

Als sie nach einer halben Stunde auf einen Kreuzweg kamen, wo die Straße eine Gabel bildete, hielt Gabriel an und schien nachzudenken. Martin-Guerre hielt auch an, aber er dachte nicht nach. Er überließ gewöhnlich diese Sorge seinem Herrn. Martin-Guerre war ein braver und treuer Stallmeister, doch er wollte und konnte nichts Anderes sein als die Hand, Gabriel war der Kopf.

Nachdem er einen Augenblick nachgedacht, sagte Gabriel:

»Martin, wir haben hier zwei Wege vor uns, welche beide nach dem Walde von Angimont führen, wo uns der Baron von Vaulpergues erwartet. Wenn wir beisammen bleiben, können wir mit einander gefangen werden. Getrennt verdoppeln wir unsere Chancen des Gelingens, wie beim Aufsuchen von Frau von Castro. Schlagen wir jeder einen von den zwei Wegen ein. Du nimmst diesen, es ist der längere, aber der sicherere, wie der Herr Admiral glaubt. Du wirst jedoch zu den Zelten der Wallonen kommen, wo Herr von Montmorency gefangen sein muß. Du umgehst sie, wie in der vergangenen Nacht. Festigkeit und Unerschrockenheit! Begegnest Du einer Truppe, so gibst Du Dich für einen verspäteten Bauern aus, der den um Saint-Quentin gelagerten Spaniern Lebensmittel gebracht bat. Ahme so gut Du kannst das picardische Patois nach, was bei Fremden nicht schwer ist. Gehe vor Allem mehr auf der Seite der Unverschämtheit, als auf der der Verlegenheit. Du mußt Dir ein Ansehen geben, als wärest Du Deiner Sache ganz sicher. Wenn Du stockst, bist Du verloren.«

»Oh! seid unbesorgt, gnädiger Herr,« sagte Martin-Guerre mit einer klugen Miene. »Man ist nicht so einfältig, als man, aussieht, und ich werde schon hübsch mit ihnen umzuspringen wissen.«

»Gut gesprochen, Martin. Ich meines Theils gehe dorthin; es ist der kürzere, aber der gefährliche Weg, denn er führt unmittelbar nach Paris und wird deshalb schärfer als die andern bewacht. Ich werde, wie ich befürchte, auf mehr als ein feindliches Detachement stoßen und mehr als einmal in die Gräben zu tauchen oder mich in den Gebüschen zu verbergen haben. Dann ist es am Ende wohl möglich, daß ich gar nicht an meinem Ziel anlange. Gleichviel, Martin, man warte nur eine halbe Stunde auf mich. Bin ich nach dieser Frist nicht. bei Euch eingetroffen, so breche Herr von Vaulpergues ohne längeren Verzug auf. Dies wird gegen Mitternacht geschehen und die Gefahr wird minder groß sein, als diesen Abend. Empfiehl ihm nichtsdestoweniger in meinem Namen die größte Vorsicht, Martin. Du weißt, was zu thun ist: seine Compagnie in drei Corps theilen und sich der Stadt auf drei entgegengesetzten Punkten so heimlich, als möglich nähern. Man darf nicht zu sehr hoffen, daß es allen drei Abtheilungen gelingt. Doch der Verlust von einer gereicht der andern vielleicht zur Rettung. Es ist einige Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß wir uns nicht wiedersehen, mein braver Martin, aber man darf nur an das Wohl des Vaterlandes denken. Deine Hand, und Gott beschütze Dich!«

»Oh! ich bete zu ihm nur für Euch, gnädiger Herr. Rettet er Euch, so mag er mit mir machen, was er will, denn ich bin nur dazu gut, daß ich Euch liebe und Euch diene . . . oh! und ich hoffe auch, daß diesen verdammten Spaniern einen guten Streich spiele.«

»Ich sehe Dich gern in dieser Verfassung. Vorwärts! viel Glück und vor Allem Sicherheit!«

»Viel Glück, gnädiger Herr, und Klugheit.«

Der Herr und der Stallmeister trennten sich abermals. Anfangs ging für Martin Alles gut, und obgleich es ihm kaum möglich war, sich von der Straße zu entfernen, vermied er doch ziemlich geschickt einige verdächtige Kriegsleute vor denen ihn die schwarze Nacht verbarg. Aber er näherte sich dem Lager der Wallonen, und die Schildwachen verdoppelten sich.

An der Ecke von zwei Wegen fand sich Martin-Guerre plötzlich zwischen zwei Truppen, wovon die eine zu Fuß, die andere zu Roß, und ein wohlausgesprochenes: »Wer da?« bewies dem armen Martin, daß man ihn bemerkt hatte.

»Vorwärts,« sagte er zu sich selbst. »Der Augenblick ist gekommen. um die Unverschämtheit zu zeigen, die mir mein Herr empfohlen hat.«

Und von einer leuchtenden, providentiellen Idee erfaßt, fing er an, aus vollem Halse das Lied von der Belagerung von Metz zu fingen.

 
»Es kamen hergezogen
Die deutschen Kriegerwogen,
Um Metz die Stadt zu stürmen
Und Leich’ auf Leich’ zu thürmen.«
 

»Heda! wer da?« rief eine Stimme mit fast unverständlichem Jargon.«

»Ein Bauer von Angimont,« antwortete Martin-Guerre in einem beinahe nicht minder dunklen Jargon.

Und er setzte seinen Weg und sein Lied mit wechselnder Eile und Begeisterung fort.

»Holla! willst Du wohl schweigen und stehen bleiben, Unglücksbauer, mit Deinem verfluchten Lied?« rief die rauhe Stimme.

Martin-Guerre bedachte, daß die Ueberlästigen, die ihn anriefen, zehn gegen einen waren, daß sie ihn mit Hilfe ihrer Pferde immerhin leicht erreichen würden, und daß seine Flucht den schlimmsten Eindruck machen müßte. Er blieb also stehen. Im Ganzen war er nicht ärgerlich darüber, daß er eine Gelegenheit fand, seine Gewandtheit und Kaltblütigkeit zu entwickeln. Sein Herr, der zuweilen an ihm zu zweifeln schien, würde nun keinen Grund mehr hierzu haben, wenn er sich geschickt aus seiner so schwierigen Lage herauszuziehen wüßte.

 

»Beim heiligen Quentin dem Märtyrer!« sagte er gegen die Gruppe vorschreitend, »es ist etwas Schönes, was Ihr da macht, daß Ihr einen armen verspäteten Bauern verhindert, nach Angimont zu seiner Frau und seinen Kindern zurückzukehren. Sprecht, was wollt Ihr?«

Was er sagte, sollte picardisch gesprochen sein, wurde aber auvergisch mit einem provencalen Accent gesprochen.

Der Mann, welcher gerufen hatte, beabsichtigte auch, französisch zu antworten, doch er antwortete wallonisch mit einem deutschen Accent.

»Was wir wollen? Dich fragen und visitieren, Nachtvogel, der Du wohl unter Deinem Bauernkittel einen Spion verbergen könntest.«

»Fragt mich, visitiert mich,« erwiderte Martin-Guerre mit einem schallenden, unwahrscheinlichen Gelächter.

»Das geschieht im Lager wohin Du uns folgen wirst.«

»Im Lager! das ist gut. Ich will mit dem Anführer sprechen. Ah! Ihr Verhaftet einen unglücklichen Bauern der von Saint-Quentin kommt, wohin er Euren Kameraden dort Lebensmittel gebracht hat. Gott verdamme mich, wenn ich wieder anfange! Ich lasse Eure ganze Armee nach Belieben vor Hunger krepieren. Ich wollte nach Angimont gehen, um andern Proviant zu holen; doch da Ihr mich auf der Straße festhaltet, guten Abend! Ah! Ihr kennt mich nicht, und ich werde Euch Euer Benehmen wieder vergelten. Mich für einen Spion halten! Ich werde mich beim Anführer beklagen! Vorwärts in’s Lager!«

»Alle Teufel! welche Sprache!« entgegnete derjenige, welcher die Abtheilung befehligte. »Der Anführer, Freund, bin ich, und mit mir habt Ihr es zu thun, wenn wir klar sehen werden. Glaubt Ihr, man werde wegen eines Burschen Eurer Art die Generale aufwecken?«

»Ja, zu den Generalen will ich geführt werden!« rief Martin-Guerre mit großer Zungenfertigkeit. Ich habe den Generalen und Marschällen etwas zu sagen. Ich habe ihnen zu sagen, daß man nicht so ohne: »Aufgepaßt!« zu rufen einen Menschen verhaftet, der Euch und Eure Leute nährt. Ich habe nichts Böses gethan. Ich bin ein ehrlicher Einwohner von Angimont. Ich werde eine Entschädigung für meine Mühe verlangen, und Ihr sollt für die Eurige gehenkt werden.«

»Kamerad, er sieht aus, als ob er seiner Sache sicher wäre!« sagte zum Reiter einer von seinen Leuten.

»Ja,« erwiderte der Andere, »und ich würde ihn auch freilassen, wenn ich nicht in Augenblicken diese Haltung und diese Stimme zu erkennen glaubte. Vorwärts, Marsch! Im Lager wird sich Alles aufklären.«

Zu größerer Sicherheit zwischen zwei Reiter gestellt, hörte Martin-Guerre unter Weges nicht auf, zu fluchen und zu schwören. Als er in das Zelt eintrat, in das man ihn zuerst führte, fluchte und schwor er immer noch.

»So behandelt Ihr Eure Verbündeten, Ihr Leute! Ah! das ist gut, man wird Euch Hafer für Eure Thiere und Mehl für Euch liefern! Ich verlasse Euch. Sobald Ihr mich erkannt und freigegeben habt, kehre ich nach Angimont zurück und gehe nicht mehr von dort weg. Oder ich gehe vielmehr weg, und zwar schon morgen um bei dem gnädigsten Herrn Emanuel Philibert persönlich Klage zu führen. Er wird mir keine solche Schmach anthun.«

In diesem Augenblick hielt der Fähnrich der Reiter Martin-Guerre eine Fackel vor das Gesicht« . . . Er wich vor Erstaunen und Schrecken drei Schritte zurück.

»Beim Teufel»rief er, »ich täuschte mich nicht.

Er ist es, der Elende! Erkennt Ihr ihn jetzt nicht, Ihr Leute?«

»Oh! ja, oh! ja,« wiederholten einer nach dem andern die Reiter, welche ebenfalls Martin-Guerre mit einer Neugierde anschauten, die sich alsbald in Entrüstung verwandelte.

»Ah! Ihr erkennt mich endlich?« versetzte der arme Bauer, der ernstlich unruhig zu werden anfing. »Ihr wißt, wer ich bin? Martin Cornouiller von Angimont. Ihr werdet mich freilassen, das ist in der That kein Unglück.«

»Dich freilassen, Strauchdieb, Galgenvogel, Unzüchter!« rief der Fähnrich, die Augen entflammt und die Fäuste geballt.

»Ah! was packt Euch denn, Freund?« sagte Martin. »Ich bin vielleicht zu dieser Stunde nicht mehr Martin Cornouiller?«

»Nein, Du bist nicht Martin Cornouiller,« entgegnete der Fähnrich, »und um Dich zu entlarven und Lügen zu strafen, sind hier zehn Männer, die Dich kennen. Meine Freunde, nennt diesen Betrüger ihm selbst, um ihn der Lüge und des Betrags zu überweisen.«

»Es ist Arnauld du Thill! es ist der elende Arnauld du Thill!« wiederholten zehn Stimmen mit furchtbarer Einhelligkeit.

»Arnauld du Thill! was ist das?« fragte Martin erbleichend.

»Ja, verleugne Dich selbst, Heilloser!« rief der Fähnrich. »Doch hier sind zum Glück zehn Zeugen, welche Dir widersprechen. Wirst Du die Frechheit haben, in ihrer Gegenwart zu behaupten, ich habe Dich nicht in der Schlacht von Saint-Laurent im Gefolge des Connétable zum Gefangenen gemacht?«

»Nein, nein,« stammelte Martin, der den Kopf verlor, »ich bin Martin Cornouiller.«

»Du bist Martin Cornouiller?« versetzte der Fähnerich mit einem Lachen der Verachtung. »Du bist nicht der feige Arnauld du Thill, der mir Lösegeld versprach, den ich mit Rücksicht behandelt, der dann in der letzten Nacht die Flucht ergriff, und mir außer dem wenigen Geld, das ich besaß, meine viel geliebte Gudule, die hübsche Marketenderin stahl? Verruchter, was hast Du mit Gudule gemacht?«

»Was ich mit Gudule gemacht habe?« erwiderte Martin niedergeschlagen. »Ei! weiß ich es, ich Elender der ich bin? Ah! Ihr erkennt mich also insgesamt? Ihr seid also gewiß, daß Ihr Euch nicht täuscht? Ihr könnt Alle schwören, daß ich Arnauld du Thill heiße, daß mich dieser brave Mann in der Schlacht bei Saint-Laurent gefangen genommen, und daß ich ihm verrätherischer Weise seine Gudule entführt habe? Ihr könnt es beschwören?«

»Ja! ja! ja!« riefen die zehn Stimmen.

»Nun, darüber wundere ich mich nicht,« sprach mit kläglichem Tone Martin, der, wie man sich erinnern wird, ziemlich faselte, wenn man diesen Gegenstand seines doppelten Daseins berührte. »Nein, wahrhaftig, ich wundere mich nicht. Ich hätte bis morgen behauptet, ich heiße Martin Cornouiller. Doch Ihr kennt mich als Arnauld du Thill, ich war gestern hier, ich sage nicht nein; ich widersetze mich nicht mehr, ich füge mich. Sobald sich die Sache so verhält, sind mir Hände und Füße gebunden. Ich hatte das nicht vorhergesehen. Mein Gott! es ist schon so lange, daß meine Alibi aufgehört hatten! Vorwärts! gut, macht mit mir, was Ihr wollt, führt mich fort, sperrt mich ein, knebelt mich! Was Ihr mir von Gudule sagt, überzeugt mich vollends, daß Ihr Euch nicht täuscht. Ja, ich erkenne mich! nur bin ich sehr froh, daß ich erfahren, ich heiße Arnauld du Thill.«

Der arme Martin-Guerre gestand nun Alles, was man wollte, ließ sich mit Beleidigungen und Drohungen überhäufen, und bot Alles Gott dar, als Sühnung für neue Missethaten, deren man ihn beschuldigte. Da er nicht sagen konnte, was aus Gudule geworden war, so überlud man ihn mit Banden und ließ ihn alle Arten schlimmer Behandlung ausstehen, doch ohne seine engelische Geduld zu ermüden. Er beklagte nur, daß er nicht Zeit gehabt hatte, seine Sendung bei dem Baron von Vaulpergues zu erfüllen. Doch wer konnte vermuthen, es würden sich neue verbrecherische Handlungen gegen ihn kehren und seine schönen Pläne der Geschicklichkeit und Geistesgegenwart zu nichte machen?

»Es tröstet mich wenigstens,« sagte er zu sich selbst in dem feuchten Winkel, wo man ihn auf den Boden geworfen hatte, »es tröstet mich, daß vielleicht Arnauld du Thill triumphierend in Saint-Quentin mit der Abtheilung von Vaulpergues einzieht. Doch nein, nein, das ist abermals eine Chimäre, und das, was ich von dem Burschen kenne, läßt mich eher annehmen, daß das Ungeheuer in irgend einer Schenke auf der Straße nach Paris sitzt und mit der hübschen Gudule liebkost. Ach! ach! ich glaube, ich besäße mehr Herz bei der Buße, wenn ich ein wenig Bewußtsein der Sünde hätte.«

5Die Gesegnete.