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Die beiden Dianen

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XVII.
Ein Angeber

An dem Tag, wo wir ihn wiederfinden, war Des Avenelles ganz und gar furchtsam und durchaus nicht mutig.

Nachdem er sich vor Démocharès und Braguelonne bis auf den Boden verbeugt hatte, sagte er:

»Ich stehe ohne Zweifel vor dem Herrn Polizeilieutenant?«

»Und vor dem Herrn Großinquisitor des Glaubens,« fügte Braguelonne auf Mouchy deutend bei.

»Oh! Jesus!« rief der arme Des Avenelles, wo möglich noch mehr erbleichend. »Meine gnädigsten Herren, Ihr erblickt in mir einen großen Verbrecher, ja einen zu großen Verbrecher. Darf ich auf Gnade hoffen? Ich weiß es nicht. Kann ein aufrichtiges Geständnis einen Fehler vermindern? An Eurer Milde ist es, zu antworten.«

Braguelonne sah sogleich, mit was für einem Menschen er es zu thun hatte.

»Gestehen genügt nicht,« erwiderte er mit hartem Tone, »man muß wieder gut machen.«

»Oh! wenn ich es kann, werde ich es thun, gnädigster Herr,« stammelte Des Avenelles.

»Ja,« fuhr der Polizeilieutenant fort, »doch, um es zu thun, müßtet Ihr uns einen wesentlichen Dienst zu leisten, eine kostbare Kunde zu geben haben.«

»Ich werde bemüht sein, Euch eine solche zu geben.«

»Das wird schwierig sein, denn wir wissen Alles,« bemerkte Braguelonne mit nachlässigem Tone.

»Wie, Ihr wißt . . .«

»Alles, und ich sage Euch zum Voraus, daß bei der Klemme, in die Ihr Euch gesteckt habt, Eure verspätete Reue kaum mehr Euren Kopf retten kann.«

»Meinen Kopf! o Himmel! mein Kopf ist in Gefahr? doch da ich gekommen bin . . .«

»Ja spät,« entgegnete der unbeugsame Braguelonne. »Ihr könnt uns nicht mehr nützlich sein; und wir wissen zum Voraus, was Ihr uns zu entdecken hab.«

»Vielleicht!« sagte Des Avenelles. »Entschuldigt meine Frage: was wißt Ihr?«

»Vor Allem, daß Ihr einer von den verdammten Ketzern seid,« sprach dazwischentretend Démocharès mit einer Donnerstimme.

»Ach! ach! das ist nur zu wahr!« erwiderte Des Avenelles. »Ja, ich bin ein Reformierter. Warum? ich weiß es nicht. Aber ich werde abschwören, gnädigster Herr, wenn Ihr mir das Leben schenkt. Die Predigt hat zu viel Gefahren . . . ich kehre zur Messe zurück.«

»Das ist noch nicht Alles,« fuhr Démocharès fort, »Ihr beherbergt in Eurem Hause Hugenotten.«

»Man konnte nicht einen Einzigen bei einer von den Nachsuchungen entdecken,« entgegnete rasch der Advocat.

»Ja,« sagte Herr von Braguelonne, »Ihr habt ohne Zweifel in Eurem Hause einen geheimen Ausgang, einen verborgenen Gang, eine unbekannte Verbindung mit Außen. Doch dieser Tage reißen wir Euer Haus bis auf den letzten Stein nieder, und da muß sich wohl Euer Geheimnis offenbaren.«

»Ich werde es Euch selbst offenbaren,« sagte der Advocat, »denn ich gestehe zu, ich habe zuweilen Religionsgenossen bei mir empfangen und beherbergt. Sie bezahlen gutes Kostgeld und die Prozesse tragen so wenig ein! Man muß doch leben! Aber das soll nicht mehr vorkommen, und wenn ich abschwöre, so wird es denke ich, keinem Hugenotten mehr einfallen, an meine Thüre zu klopfen.«

»Ihr habt Euch oft das Wort in der Versammlung der Protestanten genommen,« fuhr Démocharès fort.

»Ich bin Advocat,« erwiderte Des Avenelles. »Doch ich habe stets für die gemäßigten Entschließungen gesprochen. Ihr müßt das wissen, da Ihr Alles wißt . . .«

Hier wagte es Des Avenelles, seine Augen zu den zwei unheilvollen Personen aufzuschlagen, und er fuhr dann fort:

»Doch verzeiht! mir scheint, Ihr wißt nicht Alles; denn Ihr sprecht nur von mir und schweigt über die allgemeinen Angelegenheiten der Partei, welche doch im Ganzen viel wichtiger sind . . . Ich sehe also mit Vergnügen, daß Ihr viele Dinge noch nicht wißt.«

»Ihr täuscht Euch, und wir werden Euch das Gegentheil beweisen,« erwiderte der Polizeilieutenant.

Démocharès bedeutete ihm durch ein Zeichen, er möge auf seiner Hut sein.

»Ich verstehe Euch, Herr Großinquisitor,« sagte Braguelonne. »Doch es ist keine Unvorsichtigkeit von mir, wenn ich diesem Herrn unser Spiel zeige, denn der Herr wird lange nicht mehr von hier wegkommen.«

»Wie! ich werde lange nicht mehr von hier wegkommen?« rief Des Avenelles voll Schrecken.

»Nein, gewiß nicht,« erwiderte Braguelonne ganz ruhig. »Bildet Ihr Euch etwa ein, Ihr könntet unter dem Vorwand, uns Offenbarungen zu machen, ganz bequem hierher gehen und sehen, wie weit wir sind, und Euch von dem, was wir wissen, versichern, um das Ganze sodann Euren Genossen zu berichten? So geht es nicht, mein lieber Herr, und Ihr seid von diesem Augenblick an unser Gefangener.«

»Gefangener!« wiederholte Des Avenelles, Anfangs sehr eschrocken.

Dann aber, nach kurzer Ueberlegung, faßte er seinen Entschluß. Unser Mann besaß, wie man sich, erinnert, im höchsten Grade den Muth der Feigheit.

»Nun! das ist mir im Gegentheil lieber,« rief er. »Ich bin mehr als bei mir in Sicherheit mitten unter allen diesen Complotten. Und da Ihr mich behaltet, Herr Polizeilieutenant, so werdet Ihr kein Bedenken mehr tragen, mir gefälligst einige von meinen ehrfurchtsvollen Fragen zu beantworten. Meiner Ansicht nach seid Ihr nicht ganz so vollständig unterrichtet, als Ihr zu sein glaubt, und ich werde Gelegenheit finden, Euch durch eine nützliche Entdeckung meine Treue und Redlichkeit zu beweisen.«

»Hm! ich zweifle daran,« versetzte Herr von Braguelonne.

»Was wißt Ihr vor Allem von unseren letzten Versammlungen, Monseigneur?« fragte der Advocat.

»Sprecht Ihr von der in Nantes?« sagte der Polizeilieutenant.

»Aie! Ihr wißt das? Nun, ja, ich meine die in Nantes. Was ist dort vorgefallen?«

»Spielt Ihr auf die Verschwörung an, die man dort gebildet hat?« sagte Herr von Braguelonne.

»Ah! ja, und ich sehe, daß ich Euch hierüber nicht viel werde mitzutheilen haben,« erwiderte Des Avenelles. »Was beabsichtigt diese Verschwörung? . . .«

»Den König in Blois aufzuheben, mit Gewalt die Prinzen an die Stellen der Herren von Guise zu setzen, die Stände zusammenzuberufen u.s.w. Dies Alles ist eine alte Geschichte, mein lieber Herr Des Avenelles, und datiert schon vom 5. Februar.«

»Und die Verschworenen glauben sich ihres Geheimnisses so sicher!« rief der Advocat. »Sie sind verloren, und ich auch . . . denn ohne Zweifel kennt Ihr die Häupter des Complottes?«

»Die verborgenen und die offenbaren Häupter. Die verborgenen Häupter sind der Prinz von Condé und der Admiral. Die offenbaren Häupter sind la Renaudie Castelnau, Mazères . . . Doch die Aufzählung wäre zu lang. Seht, hier ist die Liste ihrer Namen und die der Provinzen, welche sie aufwiegeln sollen.«

»Barmherzigkeit! wie geschickt ist die Polizei und welche Narren sind die Verschwörer!« rief Des Avenelles. »Werde ich Euch denn kein Wörtchen mitzutheilen haben? Der Prinz von Condé und la Renaudie, Ihr wißt, wo sie sind?«

»Mit einander in Paris«

»Das ist furchtbar, und ich habe nur meine Seele Gott zu empfehlen; doch ich bitte, noch ein Wort: wo sind sie in Paris?«

Herr von Braguelonne antwortete nicht sogleich, aber er schien mit seinem klaren, durchdringenden Blick die Seele und die Augen von Des Avenelles ergründen zu wollen.

Kaum athmend, wiederholte dieser seine Frage:

»Wißt Ihr, wo in Paris der Prinz von Condé und la Renaudie sind, gnädiger Herr?«

»Wir werden sie ohne Mühe finden,« antwortete Herr von Braguelonne.

»Aber Ihr habt sie noch nicht gefunden!« rief Des Avenelles entrückt. »Ah! Gott sei gelobt! ich kann noch meine Begnadigung verdienen. Ich weiß, wo sie sind, Monseigneur!«

Das Auge von Démocharès funkelte, doch der Polizeilieutenant verbarg seine Freude.

»Wo sind sie denn?« sagte er mit dem aller gleichgültigsten Tone.

»Bei mir, meine Herren, bei mir!« antwortete stolz der Advocat.

»Ich wußte es,« sprach ganz ruhig Herr von Braguelonne.

»Was! wie! Ihr wußtet das auch?« rief Des Avenelles erbleichend.

»Allerdings! . . . doch ich wollte Euch auf die Probe stellen, ich wollte sehen, ob Ihr glaubwürdig wäret. Es ist gut! ich bin mit Euch zufrieden. Euer Fall war wenigstens sehr ernst, Ihr habt so großen Verbrechern Zuflucht gegeben!«

»Ihr habt Euch ebenso strafbar gemacht als sie,« sprach Démocharès mit wichtiger Miene.

»Oh! redet nicht so, Monseigneur,« erwiderte Des Avenelles. »Ich vermuthete wohl, welchen Gefahren ich ausgesetzt war. Seitdem ich die schrecklichen Pläne meiner zwei Gäste kenne, lebe ich auch nicht mehr. Doch ich kenne sie erst seit drei Tagen; erst seit drei Tagen, das schwöre ich Euch. Ihr müßt wissen, daß ich nicht bei der Versammlung in Nantes war. Als der Prinz von Condé und la Renaudie am Anfang dieser Woche bei mir ankamen, glaubte ich wohl Hugenotten bei mir aufzunehmen, aber nicht Verschwörer. Ich habe einen Abscheu vor den Verschwörern und den Verschwörungen. Sie sagten mir Anfangs nichts, und das verarge ich ihnen. Es ist sehr schlimm, so ohne daß er etwas weiß, einen armen Menschen, der ihnen immer nur Dienste geleistet hat, der Gefahr auszusetzen. Doch diese hohen Personen machen es nie anders.«

»Wie?« versetzte Herr von Braguelonne, der sich als eine sehr hohe Person betrachtete.

»Ich spreche von den hohen Personen der Reformation,« sagte eiligst der Advocat. »Anfangs verbargen sie mir also Alles; doch sie flüsterten den ganzen Tag zusammen; sie schrieben den Tag und die Nacht, sie empfingen jede Minute Besuch. Ich lauerte, ich horchte, kurz ich errieth den Anfang, so daß sie genöthigt waren, mir das Ende zu gestehen, ihre Versammlung in Nantes, ihre große Verschwörung, Alles endlich, was Ihr schon wißt, und was sie so gut verborgen glauben; doch seit dieser Enthüllung schlafe ich, esse ich, lebe ich nicht mehr. So oft Jemand bei mir eintritt, und Gott weiß, wie oft dies geschieht! bilde ich mir ein, man komme, um mich zu holen und vor den Richter zu schleppen. In den mir spärlich zugemessenen Augenblicken eines fieberhaften Schlafes, träume ich in der Nacht nur von Tribunalen, Schaffoten und Henkern. Und ich erwache in kaltem Schweiß gebadet, um die Gefahren, denen ich preisgegeben bin, zu berechnen, vorherzusehen, zu ermessen.«

 

»Die Gefahren, denen Ihr preisgegeben seid?« sagte Herr von Braguelonne. »Zuerst das Gefängniß . . .«

»Sodann die Folter,« sprach Démocharès.

»Ferner das Hängen,« fügte der Polizeilieutenant bei.

»Vielleicht der Scheiterhaufen,« fuhr der Großinquisitor fort.

»Ja sogar, je nach den Umständen, das Rad,« sprach Herr von Braguelonne, um durch einen Haupteffect zu endigen.

»Eingekerkert! gefoltert! Gehenkt! verbrannt! gerädert!« rief bei jedem Wort Meister Des Avenelles, als ob er jede dieser Strafen, die man ihm aufzählte, ausgestanden hätte.

»Was Teufels! Ihr seid Advocat, Ihr kennt das Gesetz,« sprach Herr von Braguelonne.

»Ich kenne es nur zu gut,« rief Des Avenelles. »Nach einem dreitägigen Todeskampf konnte ich es auch nicht mehr länger aushalten; ich fühlte wohl, ein solches Geheimniß wäre eine zu schwere Bürde für meine Verantwortlichkeit, und ich kam, um sie in Eure Hände niederzulegen, Herr Polizeilieutenant.«

»Das war das Sicherste,« sagte Herr von Braguelonne, »und obgleich uns Eure Angabe nicht viel nützt, wie Ihr seht, werden wir doch auf Euren guten Willen Rücksicht nehmen.«

Er besprach sich einige Minuten leise mit Mouchy, der ihn, nicht ohne eine gewisse Mühe, zu einem gewissen Entschluß zu bringen schien.

»Vor Allem,« sagte flehend Des Avenelles, »vor Allem bitte ich Euch, habt die Gnade, meinen Abfall gegen meine ehemaligen . . . Genossen nicht zu verrathen, denn leider könnten diejenigen, welche den Präsidenten Minard ermordet haben, auch mir einen schlimmen Streich spielen.«

»Wir werden das Geheimniß bewahren,« erwiderte der Polizeilieutenant.

»Doch Ihr wollt mich in jedem Fall als Gefangenen zurückbehalten?« fragte Des Avenelles mit demüthiger und ängstlicher Miene.

»Nein, Ihr könnt auf der Stelle frei nach Hause zurückkehren,« antwortete Braguelonne.

»Wahrhaftig?« rief der Advocat. »Ihr werdet also meine Gäste festnehmen lassen, wie ich sehe?«

»Ebensowenig. Sie werden frei bleiben wie Ihr.«

»Wie so?« fragte Des Avenelles ganz erstaunt.

»Hört mich und prägt Euch meine Worte wohl ein,« sprach Herr von Braguelonne mit gewichtigem Tone. »Ihr kehrt ohne Verzug nach Hause zurück, es könnte sonst eine zu lange Abwesenheit Verdacht erregen. Euren Gästen sagt Ihr nicht ein Wort von Euren Befürchtungen und Geheimnissen. Ihr handelt und laßt sie handeln, als ob Ihr heute nicht in dieses Cabinet gekommen wäret. Versteht Ihr mich wohl? Verhindert nichts und wundert Euch über nichts. Laßt nur machen.«

»Das ist leicht,« sagte Des Avenelles.

»Nur,« fügte Herr von Braguelonne bei, »nur, wenn wir irgend eine Auskunft nöthig haben, werden wir sie Euch geben lassen oder Euch hierherberufen, und Ihr werdet Euch beständig zu unserer Verfügung halten. Wird ein Einschreiten in Eurem Hause für nöthig erachtet, so habt Ihr Beistand zu leisten.«

»Da ich einmal angefangen habe, so werde ich auch endigen.« sprach Des Avenelles mit einem Seufzer.

»Es ist gut. Nur noch ein einziges Wort zum Schluß. Gehen die Dinge so, daß wir dadurch den Beweis erhalten, Ihr habet diesen sehr einfachen Instructionen gehorcht, so sollt Ihr begnadigt werden. Können wir aber vermuthen, daß Euch die geringste Indiscretion entschlüpft ist, so sollt Ihr zuerst und am Grausamsten bestraft werden.«

»Man läßt Euch, bei Unserer Lieben Frau! am kleinen Feuer rösten!« sprach Démocharès mit seinem tiefen, düsteren Ton.

»Doch! . . .« wollte der bebende Advocat sagen.

»Schon genug,« rief Braguelonne. »Ihr habt gehört. Erinnert Euch. Auf Wiedersehen.«

Er machte mit der Hand ein gebieterisches Zeichen. Der allzu kluge Advocat entfernte sich, zugleich erleichtert und bedrückt.

Nach seinem Abgang schwiegen der Polizeilieutenant und der Großinquisitor einen Augenblick.

»Ihr habt es gewollt, ich habe nachgegeben,« sagte der erstere endlich. Doch ich gestehe, daß mir Zweifel über diese Art des Verfahrens bleiben.«

»Nein, es ist so Alles gut!« erwiderte Démocharès, »diese Sache muß ihren Lauf haben, sage ich Euch, und zu diesem Ende war es das Wichtigste, keinen Verdacht bei den Verschworenen zu erregen. Sie sollen sich des Geheimnisses sicher glauben und handeln. Sie bilden sich ein, sie gehen in der Finsternis, und wir folgen allen ihren Bewegungen am hellen Tag. Das ist herrlich! eine solche Gelegenheit, durch einen großen Schlag die Ketzerei niederzuschmettern, dürfte sich in zwanzig Jahren nicht bieten. Und ich kenne hierüber die Ansichten Seiner Eminenz des Herrn Cardinals von Lothringen.«

»Besser als ich, das ist wahr,« sprach Herr von Braguelonne. »Was haben wir indessen noch zu thun?«

»Ihr,« antwortete Démocharès, »Ihr bleibt in Paris, Ihr überwacht durch Lignières und Des Avenelles Eure zwei Häupter der Verschwörung. Ich reise in einer Stunde nach Blois ab und setze die Herren von Guise in Kenntnis. Der Cardinal wird Anfangs ein wenig Angst haben, doch der Balafré ist bei ihm, um Ihn zu beruhigen und bei näherer Erwägung wird er entzückt sein. Es ist die Sache von diesen Beiden, in vierzehn Tagen geräuschlos um den König alle Kräfte, über die sie verfügen können, zu sammeln. Unsere Hugenotten sollen indessen keine Ahnung haben. Sie werden mit einander oder einer nach dem andern in die Falle kommen, die man ihnen gestellt hat, diese blinden Staare, und sie sind unser! wir haben sie! allgemeine Schlächterei!«

Der Großinquisitor ging mit langen Schritten im Zimmer auf und ab und rieb sich freudig die Hände.

»Gott wolle nur,« sagte Herr von Braguelonne, »daß nicht ein unvorhergesehener Umschlag diesen herrlichen Plan zu nichte macht.«

»Unmöglich!« rief Démocharès, »allgemeine Schlächterei! Wir haben sie! Laßt gefälligst Lignières zurückkommen, damit er uns die Nachrichten vollends mittheilt, die ich dem Cardinal von Lothringen melden werde; doch ich halte die Ketzerei schon für todt. Allgemeines Schlachten!«

XVIII.
König und Königin Kinder

Wenn wir im Geiste zwei Tage und vierzig Meilen überspringen, sind wir am 27. Februar in dem glänzenden Schloß Blois, wo der Hof für den Augenblick versammelt war.

Es hatte am vorhergehenden Tag ein großes Fest mit Lustbarkeiten aller Art im Schloß stattgefunden, ein Fest, angeordnet von Antoine von Baïf, dem Dichter, mit Kampfspielen, Balletten und Allegorien, so daß an diesem Morgen der junge König und seine kleine Königin, zu deren Unterhaltung man das Fest gegeben hatte, später als gewöhnlich und noch ein wenig müde von ihren Vergnügungen aufstanden.

Zum Glück war kein Empfang angekündigt, und sie konnten, um auszuruhen, nach Muße mit einander über die schönen Dinge Plaudern, die sie bewundert hatten.

»Ich,« sagte Maria Stuart, »ich habe die Belustigung äußerst schön und seltsam gefunden.«

»Ja,« erwiderte Franz II., »besonders die Ballette und die gespielten Scenen. Doch ich muß gestehen, die Sonette, die Madrigale kamen mir etwas gedehnt vor.«

»Wie!« rief Maria Stuart, »ich versichere Euch, sie waren sehr artig und geistreich.«

»Aber gestehe, mein Herzchen, fortwährend zu lobrednerisch. Siehst Du, es ist nicht belustigend, sich so ganze Stunden lang loben zu hören, und ich dachte mir gestern Abend, der gute Gott im Paradies müßte zuweilen Augenblicke der Ungeduld haben. Füge dem bei, daß diese Herren, besonders Baïf und Maisonfleur, in ihren Reden viele lateinische Worte einstreuen, die ich nicht immer verstehe.«

»Aber das sieht sehr gut aus,« entgegnete Maria. »Das ist eine Weise, die den gelehrten Mann und ausgesuchten Geschmack bezeichnet.«

»Ah! Du bist eine Gelehrte, Maria!« versetzte seufzend der junge König, »Du machst Verse und verstehst das Lateinische, bei dem ich nie recht anbeißen konnte.«

»Das Wissen ist das Loos und die Unterhaltung von uns Frauen, wie von Euch Männern und Fürsten die Thätigkeit und das Befehlen.«

»Gleichviel!« sagte Franz II., »ich möchte, namentlich um Dir in etwas gleichzukommem nur so unterrichtet sein, wie mein Bruder Karl.«

»Ah! was unsern Bruder Karl betrifft,« unterbrach ihn Maria, »habt ihr ihn gestern in seiner Rolle der Allegorie der durch die drei göttlichen Tugenden verbotenen Religion gesehen?«

»Ja,« sagte der König, »er machte einen von den Rittern, welche die Tugenden darstellten, die Nächstenliebe, glaube ich.«

»So ist es. Habt Ihr gesehen, Sire, mit welcher Wuth er der Ketzerei den Kopf abschlug?«

»Ja, wahrhaftig, als sie mitten unter die Flammen auf dem Schlangenleib vorrückte . . . Es ist wahr, Karl war außer sich.«

»Und sagt mir, mein süßer Sire,« sprach die Königin, »kam es Euch nicht vor, als gleiche dieser Kopf der Ketzerei irgend Jemand?«

»Wahrhaftig,« erwiderte Franz II., »ich glaubte Anfangs, ich täusche mich, aber er hatte sicherlich das Aussehen von Herrn von Coligny, nicht wahr?«

»Und alle diese Teufel, die ihn holten!«

»Und die Freude unseres Oheims des Cardinals!«

»Und das Lächeln meiner Mutter!«

»Es war beinahe furchtbar!« sprach die junge Königin. »Doch es ist nicht zu leugnen, Franz, sie war gestern wieder sehr schön, Eure Mutter, in ihrem Kleide von Goldstoff mit krausen Blumen und mit ihrem Schleier von lohrothem Crepe! ein herrlicher Anzug!«

»Ja, mein Herzchen, ich habe auch für Dich ein ähnliches Kleid in Konstantinopel durch Herrn von Grandchamp bestellt, und Du sollst einen Schleier von römischer Gaze, dem meiner Mutter ähnlich, haben.«

»Ich danke, mein artiger König, ich danke! Ich beneide gewiß nicht um ihr Loos unsere Schwester Elisabeth von Spanien, welche, wie man sagt, nie zweimal dasselbe Kleid anzieht. Doch ich möchte nicht gern, daß irgend eine Frau in Frankreich, und wäre es Eure Mutter, Euch besonders besser geputzt vorkäme als ich.«

»Ei! was ist Dir im Grunde daran gelegen?« sagte der König, »wirst Du nicht immer die Schönste sein?«

»Es hat gestern kaum so geschienen,« entgegnete Maria schmollend, »denn nach dem Fackeltanz, den ich ausführte, sagtet Ihr mir kein Wort: ich muß glauben, daß er Euch nicht gefallen hat.«

»Doch, doch!« rief Franz. »Aber, guter Gott! was hätte ich neben allen diesen Schöngeistern sagen sollen, die Dir in Prosa und in Versen den Hof machten. Dubellay behauptete, Du brauchest keine Fackel wie die anderen Damen, und es sei schon genug mit Deinen zwei Augen. Maisonfleur erschrak über die Gefahr der zwei lebendigen Lichter Deiner Augensterne, welche nicht erlöschen und den ganzen Saal entzünden könnten. Ronsard fügte bei, die zwei Gestirne Deiner Blicke müßten die Nacht in der Finsternis und den Tag im Sonnenschein erleuchten. Sollte ich nun nach dieser Poesie kommen und Dir ganz einfach sagen, ich habe Dich und Deinen Tanz reizend gefunden?«

»Und warum nicht?« erwiderte Maria, »dieses einfache Wort hätte mich mehr erfreut, als alle ihre Abgeschmacktheiten.«

»Wohl, ich sage Dir das Wort diesen Morgen, mein Liebchen, und zwar von ganzem Herzen; denn dieser Tanz ist vollkommen, und ließ mich beinahe die spanische Pavana und die Pazzemeni der Italiener vergessen, die Du so göttlich mit der armen Elisabeth getanzt hast. Was Du thust, ist immer besser gethan, als das, was die Andern thun. Du bist die Schönste der Schönen, und die hübschesten Frauen sehen neben Dir immer wie Kammerjungfern aus. Ja, in Deiner königlichen Tracht, wie in diesem einfachen Morgenkleide bist Du immer meine Königin und meine Liebe. Ich sehe nur Dich! ich liebe nur Dich!«

»Mein theures Herz!«

»Meine Angebetete!«

»Mein Leben!«

»Mein höchstes Gut! Siehe, hättest Du nur das Häubchen einer Bäuerin, ich würde Dich inniger lieben, als alle Königinnen der Erde.«

»Und ich,« sagte Maria, »wärest Du auch nur ein einfacher Page, so besäßest Du doch immerhin mein Herz.«

»O Gott! wie liebe ich es, meine Finger in diese so sanften, so blonden, so feinen Haare zu tauchen, sie zu vermengen, zu verwirren! Ich begreife es wohl, daß Dich Deine Damen oft bitten, diesen so runden und so weißen Hals, diese so anmuthigen und fleischigen Arme küssen zu dürfen. Erlaube es ihnen jedoch nicht mehr, Maria.«

»Und warum nicht?«

»Ich bin eifersüchtig.«

»Kind!« versetzte Maria mit einer anbetungswürdigen Kindergebärde.

»Ah! höre,« rief Franz voll Leidenschaft, »müßte ich auf meine Krone, oder auf Maria verzichten, meine Wahl wäre bald getroffen.«

»Welche Thorheit!« entgegnete die junge Königin.

»Kann man auf die Krone von Frankreich, die schönste von allen nach der des Himmels, verzichten?«

 

»Bei dem, was sie auf meiner Stirne thut! . . .« sagte Franz mit einem halb heiterem, halb schwermüthigen Lächeln.

»Wie!« rief Maria: »doch ich vergaß, daß wir ein Geschäft abzumachen haben, eine Angelegenheit von großem Belang, die uns mein Oheim von Lothringen zugeschickt hat.«

Oho!« rief der König, »das geschieht ihm nicht oft.«

»Er beauftragt uns, die Farben der Uniform unserer Schweizer-Garden zu bestimmen.«

»Das ist ein Zeichen des Vertrauens, das uns ehrt. Beginnen wir also die Berathung, Madame: was ist die Ansicht Eurer Majestät über diesen so schwierigen Gegenstand?«

»Oh! ich werde erst nach Euch sprechen, Sire.«

»Ich denke, die Form der Kleider soll dieselbe bleiben; ein weites Wamms mit weiten Aermeln, dreifarbig geschlitzt, nicht wahr?«

»Ja, Sire. Doch welche Farben sollen dies sein? Das ist die Frage.«

»Sie ist nicht leicht, doch Ihr unterstützt mich nicht, mein artiger Rath. Die erste Farbe? . . .«

»Das muß weiß sein,« sagte Maria, »die Farbe von Frankreich.«

»Dann wird die zweite die von Schottland sein, blau also,« sprach der König.

»Gut! Doch die dritte?«

»Wenn das gelb wäre?«

»Oh! nein, das ist die Farbe von Spanien. Eher grün.«

»Das ist die Farbe von Guise,« versetzte der König.

»Wäre das ein Grund zum Ausschluß?« fragte Maria.

»Nein! doch würden diese drei Farben harmonieren?«

»Ein Gedanke« rief Maria Stuart. »Nehmen wir Roth, die Farbe der Schweiz; das wird diese armen Leute ein wenig an ihr Vaterland erinnern.«

»Ein Gedanke so vortrefflich wie Dein Herz, Maria,« sprach der König. »Diese wichtige Angelegenheit ist somit glorreich beendigt. Uf! das hat ziemlich viel Mühe gekostet und die ereilten Dinge machen uns zum Glück weniger zu schaffen! Deine theuren Oheime, Maria. haben die Güte, für mich die ganze Last der Regierung zu übernehmen, das ist reizend! Sie schreiben und ich brauche nur zu unterzeichnen, zuweilen ohne zu lesen, so daß meine Krone auf meinem königlichen Stuhle hinreichend meine Stelle ersetzen würde, käme mich die Lust an . . . eine Reise zu machen.«

»Wißt Ihr nicht, Sire, daß meine Oheime nie etwas Anderes im Herzen tragen werden, als Euer Interesse und das von Frankreich?«

»Wie sollte ich das nicht wissen? Sie wiederholen es mir zu oft, als daß ich es vergessen könnte. Ah! es ist heute Sitzung des Rathes: wir werden den Herrn Cardinal von Lothringen mit seinen demüthigen Manieren und seinen übertriebenen Ehrfurchtsbezeigungen, die mich, ich muß es gestehen, nicht immer belustigen, kommen sehen, und ihn mit seiner sanften Stimme und bei jedem Worte sich verbeugend sagen hören: »Sire, der Antrag, den ich Eurer Majestät vorlege, hat nur die Ehre Eurer Krone im Blick. Eure Majestät kann nicht an dem Eifer zweifeln, der uns für den Ruhm ihrer Regierung und die Wohlfahrt ihres Volkes beseelt. Sire, der Glanz des Thrones und der Kirche ist der einzige Zweck u.s.w. u.s.w.«

»Wie gut Ihr ihn nachahmt!« rief Maria lachend und in die Hände klatschend.

Doch mit einem ernsteren Tone fügte sie bei:

»Ihr müßt indessen nachsichtig und großmüthig sein, Franz. Glaubt Ihr denn, Eure Mutter, Frau Catharina von Medicis, mache mir viel Vergnügen, wenn sie mir mit ihrem stolzen, ernsten, bleichen Gesicht endlose Reden über meinen Putz, meine Leute und meine Equipagen hält? Hört Ihr sie nicht von hier aus mit gekniffenem Mund zu mir sagen: »Meine Tochter, Ihr seid die Königin, ich bin heute nur die zweite Frau des Reiches; doch wenn ich an Eurem Platze wäre, würde ich verlangen, daß meine Frauen nie die Messe und ebenso wenig die Vesper und die Predigt versäumten. Wenn ich an Eurem Platze wäre, würde ich nicht blaßrothen Sammet tragen, weil dies eine zu wenig ernste Farbe ist. Wenn ich an Eurem Platze wäre, würde ich mein silber und taubenhalsfarbiges Kleid verändern lassen, weil es zu weit ausgeschnitten ist. Wenn ich an Eurem Platze wäre, würde ich nie selbst tanzen, sondern mich darauf beschränken, daß ich Andern beim Tanzen zuschaute Wenn ich an Eurem Platze wäre . . .«

»Oh!« rief der König, ein schallendes Gelächter aufschlagend, »wie ganz und gar ist das meine Mutter! Doch siehst Du, es ist nun einmal meine Mutter, und ich habe sie schon schwer genug dadurch beleidigt, daß ich ihr keinen Antheil an den Staatsangelegenheiten überlasse, welche Deine Oheime allein verwalten. Man muß ihr also etwas vergeben und mit Ehrerbietung ihr Schmähen aushalten. Ich meinerseits füge mich in die häßliche Vormundschaft des Cardinals von Lothringen einzig und allein, weil Du seine Nichte bist, hörst Du?«

»Ich danke, lieber Sire, ich danke für dieses Opfer,« sagte Maria, den König küssend.

»Doch in der That,« fuhr Franz fort, »es gibt Augenblicke, wo ich versucht bin, Alles bis auf den Titel eines Königs hinzugeben, wie ich schon die Gewalt hingegeben habe.«

»Oh! was sagt Ihr da?« rief Maria Stuart.

»Ich sage, was ich fühle, Maria. Ah! wenn ich nicht, um Dein Gemahl zu sein, König von Frankreich sein müßte . . . Bedenke doch! ich habe nur die Feinde und den Zwang des Königthums. Der Letzte von unsern Unterthanen ist freier als ich. Wenn ich nicht ganz ärgerlich geworden wäre, hätten wir jedes ein abgesondertes Zimmer! Warum? weil man behauptete, das sei Gebrauch bei den Königen und Königinnen von Frankreich.«

»Wie einfältig sind sie doch mit ihrem Gebrauch!« sagte Maria. »Nun! wir ändern den Gebrauch und führen einen neuen ein, der, Gott sei Dank! so viel werth ist, als der andere.

»Gewiß, Maria. Sage mir, weißt Du, was der geheime Wunsch ist, den ich seit langer Zeit hege?«

»Wahrlich, nein.«

»Der, zu entweichen, zu entfliehen, für einige Zeit die Sorgen des Throns, Paris, Blois, Frankreich sogar zu verlassen und wohin zu gehen? Ich weiß es, nicht, doch fern von hier, um ein wenig wie die andern Menschen nach Bequemlichkeit zu athmen. Maria, sage mir, ob eine Reise von sechs Monaten, von einem Jahr, Dir nicht Vergnügen machen würde?«

»Oh! ich wäre entzückt darüber, mein vielgeliebter Sire,« antwortete Maria, »für Euch besonders, dessen Gesundheit mich zuweilen beunruhigt, und der Ihr zu oft an dem ärgerlichen Kopfweh leidet. Die Luftveränderung, die Neuheit der Gegenstände, dies Alles würde Euch zerstreuen, würde Euch wohlthun. Oh! laßt uns reisen, laßt uns reisen! . . . Doch werden es der Cardinal und die Königin Mutter dulden?«

»Ei! im Ganzen bin ich der König, ich bin der Herr,« sprach Franz II. »Das Reich ist friedlich und ruhig, und da man meinen Willen nicht braucht, um es zu regieren, so wird man auch meiner Gegenwart entbehren können. Maria, wir brechen wie die Schwalben vor dem Eintritt des Winters auf. Sprich, wohin willst Du gehen? Wenn wir unsere schottischen Staaten besuchen würden?«

»Wie! über das Meer fahren!« rief Maria. »Wie! mein Herzchen, in diese für Eure zarte Brust so gefährlichen Nebel gehen? Nein, da sind mir unsere lachende Touraine und dieses heitere Schloß von Blois noch lieber. Doch warum sollten wir nicht nach Spanien gehen und unsere Schwester Elisabeth besuchen?«

»Die Luft Spaniens ist den Königen von Frankreich nicht zuträglich,« entgegnete Franz II.

»Italien also? dort ist immer schön Wetter, dort ist es immer warm. Blauer Himmel und blaues Meer! blühende Orangenbäume, Musik und Feste!«

»Angenommen, Italien!« rief der König heiter. »Wir werden die katholische Religion in ihrer Glorie, wir werden die schönen Kirchen und die heiligen Reliquien sehen.«

»Und die Gemälde von Raphael, und Sanct-Peter und den Vatican!«

»Wir bitten den Papst um seinen Segen und bringen viele Ablässe mit.«

»Das wird reizend sein,« rief die Königin, »und diesen Wunsch mit einander verwirklichen geliebt, liebend, das Azur in unseren Herzen und über unsern Häuptern haben . . .«

»Das Paradies!« rief Franz II. voll Begeisterung.

Während aber, durch die bezaubernde Hoffnung gewiegt, dies ausrief, öffnete sich ungestüm die Thüre, und der Cardinal von Lothringen trat, den Huissier, der nicht einmal Zeit hatte, ihn zu melden, zurückschiebend ganz bleich und ganz athemlos in das königliche Gemach.

Ruhig, aber ebenso ernst, folgte der Herzog von Guise seinem Bruder in einiger Entfernung, und man hörte schon seinen gewichtigen Tritt im Vorzimmer durch die offen gebliebene Thüre schallen.