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Die Dame von Monsoreau

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Achtzehntes Kapitel
Wie der Herr Kanzler von Morvilliers Verschwörungen zu behandeln pflegte

An demselben Tage stellte Herr von Monsoreau, gemäß seinem gegen den Herzog von Anjou geäußerten Wunsche, seine Frau bei der Königin Mutter und bei der Königin vor.

Heinrich hatte sich sorgenvoll wie immer, von Herrn von Morvilliers benachrichtigt, dass am andern Tage ein großer Rat gehalten werden sollte, niedergelegt.

Heinrich stellte nicht einmal Fragen an den Kanzler; es war spät; Seine Majestät hatte Lust, zu schlafen. Man wählte die bequemste Stunde, um weder die Ruhe, noch den Schlaf des Königs zu stören.

Dieser würdige Beamte kannte vollkommen seinen Herrn und wusste, dass der König, im Gegensatze zu Philipp von Macedonien, entschlummert oder nüchtern, nicht mit der gehörigen Klarheit die Mitteilungen, die er ihm zu machen hatte, anhören würde.

Er wusste auch, dass Heinrich, bei dem Schlaflosigkeiten sehr häufig vorkamen, – es ist die Apanage des Mannes, der über dem Schlummer Anderer wachen soll, selbst nicht zu schlafen, – mitten in der Nacht an die verlangte Audienz denken und sie mit einer nach der Wichtigkeit des Umstandes gestachelten Neugierde erteilen würde.

Alles ging, wie es Herr von Morvilliers vorhergesehen hatte.

Nach einem ersten Schlummer von drei bis vier Stunden erwachte Heinrich. Das Verlangen des Kanzlers kam ihm in den Kopf, er setzte sich auf sein Bett, fing an zu denken, schob sich sodann müde, allein zu denken, über seine Matratze herab, zog seine seidenen Unterhosen an, schlüpfte in seine Pantoffeln und wandelte, ohne etwas an seiner Nachttoilette zu ändern, die ihn einem Gespenst ähnlich machte, bei dem Scheine seiner Lampe, welche, seitdem der Hauch des Ewigen mit Saint-Luc nach Anjou übergegangen war, nicht mehr erlosch, nach dem Zimmer von Chicot, demselben, in welchem die Hochzeit von Fräulein von Brissac so glücklich gefeiert worden war

Der Gascogner lag in tiefem Schlaf und schnarchte wie eine Esse.

Heinrich zog ihn dreimal am Arme, ohne dass es ihm gelang, denselben zu wecken.

Beim dritten Male jedoch, als der König die Gebärde mit der Stimme begleitet und Chicot aus vollem Halse angeschrien hatte, öffnete der Gascogner ein Auge.

»Chicot!« wiederholte der König.

»Was gibt es denn?« fragte Chicot.

»Ei! mein Freund, wie kannst Du so schlafen, wenn Dein König wacht?«

»Ah, mein Gott!« rief Chicot, der sich stellte, als kenne er den König nicht, »ist Seine Majestät von einer Unverdaulichkeit befallen worden?«

»Chicot, mein Freund, ich bin es!«

»Wer, Du?«

»Ich, Heinrich.«

»Die Becassinen14 ersticken Dich offenbar. Ich habe es Dir doch vorhergesagt; Du hast zu viel davon gegessen und eben so auch zu viel von der Krebssuppe.«

»Nein,« versetzte Heinrich, »denn ich habe kaum davon gekostet.«

»Dann bist Du vergiftet.

»Alle Teufel! wie bleich siehst Du aus, Heinrich!«

»Das ist meine Leinwandmaske.«

»Du bist also nicht krank?«

»Nein.«

»Warum weckst Du mich dann auf?«

»Weil der Kummer mich verfolgt.«

»Du hast Kummer?«

»Viel.«

»Desto besser.«

»Wie, desto besser?«

»Ja, der Kummer macht nachdenkend, und Du wirst bedenken, dass man einen ehrlichen Menschen Morgens um zwei Uhr nur weckt, um ihm ein Geschenk zu machen. Was bringst Du mir? lass sehen.«

»Nichts, Chicot. Ich will mit Dir plaudern.«

»Das ist nicht genug.«

»Chicot, Herr von Morvilliers ist gestern Abend an den Hof gekommen.«

»Du empfängst schlechte Gesellschaft, Heinrich; was tat er hier?«

»Er bat mich um eine Audienz.«

»Ah! das ist ein Mensch, der zu leben weiß; nicht wie Du, der Du Morgens um zwei Uhr in der Leute Zimmer kommst, ohne: Aufgepasst! zu sagen.«

»Was kann er mir mitzuteilen haben, Chicot?»

»Wie, Unglücklicher,« rief der Gascogner, »um mich das zu fragen, weckst Du mich auf?«

»Chicot, mein Freund, Du weißt, dass Herr von Morvilliers meine Polizei besorgt.«

»Meiner Treue, nein, ich wusste es nicht.«

»Chicot, ich finde im Gegenteil, dass Herr von Morvilliers stets sehr gut unterrichtet ist.«

»Und wenn ich bedenke, dass ich schlafen könnte, statt solche Alfanzereien zu hören!«

»Du zweifelst an der Wachsamkeit des Kanzlers?»fragte Heinrich.

»Ja, bei Gott! ich zweifle daran und habe meine Gründe.«

»Welche?«

»Wird es Dir genügen, wenn ich Dir einen angebe?«

»Ja, sobald er gut ist.«

»Und Du lässt mich hernach in Ruhe?«

»Gewiß.«

»Wohl! eines Tags; nein, es war eines Abends.«

»Gleichviel.«

»Im Gegenteil, das ist sehr wichtig. Nun! eines Abends habe ich Dich in der Rue Froidmantel geschlagen; Du hattest Quélus und Schomberg bei Dir …«

»Du hast mich geschlagen?«

»Ja, geprügelt, alle drei geprügelt.«

»Aus welcher Veranlassung?«

»Ihr hattet meinen Pagen beleidigt … Ihr empfingt die Schläge, und Herr von Morvilliers sagte Euch nichts davon.«

»Wie!« rief Heinrich,

»Du warst es, Frevler? Du warst es, Ruchloser?«

»Ich selbst,« erwiderte Chicot, sich die Hände reibend, »nicht wahr, ich schlage gut, mein Sohn, wenn ich schlage?«

»Elender!«

»Du gestehst also, dass es wahr ist?«

»Ich werde Dich peitschen lassen, Chicot.«

»Es handelt sich nicht darum: ist es wahr, oder ist es nicht wahr? Das ist es, was ich Dich frage.«

»Du weißt wohl, dass es wahr ist, Unglücklicher.«

»Hast Du am andern Tage Herrn von Morvilliers kommen lassen?«

»Ja, Du warst selbst dabei, als er kam.«

»Hast Du ihm den ärgerlichen Unfall erzählt, der am Tage zuvor einem Dir befreundeten Edelmann begegnet war?«

»Ja.«

»Hast Du ihm befohlen, den Schuldigen aufzufinden?«

»Ja.«

»Hat er ihn aufgefunden?«

»Nein.«

»Wohl, so lege Dich schlafen, Heinrich, denn Du siehst, Deine Polizei ist schlecht beschaffen.«

Und er drehte sich gegen die Wand um, ohne mehr antworten zu wollen, und fing an mit dem Geräusch der schweren Artillerie zu schlafen, was dem König jede Hoffnung benahm, ihn diesem zweiten Schlafe zu entziehen.

Heinrich kehrte seufzend in sein Zimmer zurück und begann, in Ermangelung eines Menschen, mit dem er plaudern konnte, mit seinem Windhund Narciß das Unglück der Könige zu beweinen, dass sie die Wahrheit immer nur auf ihre Kosten erfahren.

Am andern Tage versammelte sich der Rat. Er wechselte nach den wechselnden Freundschaften des Königs. Diesmal bestand er aus Quélus, Maugiron, Épernon und Schomberg, welche alle vier seit mehr als sechs Monaten in Gunst standen.

Chicot saß am oberen Ende des Tisches, schnitt Schiffe aus Papier und reihte sie methodisch an einander an, um, wie er sagte, eine Flotte für Seine Allerchristlichste Majestät nach dem Muster der Seiner Allerkatholischsten Majestät zu machen.

Man meldete Herrn von Morvilliers.

Der Staatsmann hatte sein dunkelstes Costüme und seine düsterste Miene angenommen.

Stach einer tiefen Verbeugung, die ihm von Chicot zurückgegeben wurde, näherte er sich dem König und sagte:

»Ich bin vor dem Rate Eurer Majestät?«

»Ja, vor meinen besten Freunden. Sprecht.«

»Sire, das verleiht mir Sicherheit, und ich bedarf derselben. Es handelt sich darum, Eurer Majestät ein furchtbares Komplott anzuzeigen.«

»Ein Komplott? riefen alle Anwesende.

Chicot spitzte das Ohr und unterbrach die Verfertigung einer herrlichen Galeone mit zwei Köpfen, aus der er die Admiralsbarke machen wollte.

»Ein Komplott, ja, Majestät,« sprach Herr von Morvilliers, die Stimme mit jenem Geheimnisvollen Wesen dämpfend, das furchtbare Mitteilungen ahnen lässt.

»Oh! Oh!« rief der König. »Lasst hören, ist es ein spanisches Komplott?«

In diesem Augenblick trat der Herzog von Anjou, zum Rate berufen, in den Saal, dessen Türen sich sogleich wieder hinter ihm schlossen.

»Ihr hört, mein Bruder,« sagte Heinrich, nach den gewöhnlichen Zeremonien,

»Herr von Morvilliers zeigt uns ein Complott gegen die Sicherheit des Staates an.«

Der Herzog heftete langsam auf die anwesenden Edelleute den uns bekannten so scharfen und misstrauischen Blick.

»Ist es möglich?« murmelte er.

»Ach! ja, Monseigneur,« antwortete Herr von Morvilliers, »ein sehr bedrohliches Komplott.«

»Erzählt uns das,« sagte Chicot, seine vollendete Galeone in ein Kristallbecken setzend, das auf dem Tische stand.

»Ja,« stammelte der Herzog, »erzählt uns das, Herr Kanzler.«

»Ich höre,« sagte Heinrich.

Der Kanzler nahm seine verschleiertste Stimme, seine gebückteste Stellung und seinen besorgtesten Blick an, und sprach:

»Sire, seit langer Zeit bewache ich die geheimen Gänge einiger Unzufriedener.«

»Oh! oh!« rief Chicot… »einiger? Ihr seid sehr bescheiden, Herr von Morvilliers!«

»Es waren Menschen ohne einen bestimmten Lebensunterhalt,« fuhr der Kanzler fort, »Krämer, Handwerksleute, Schreiber, wohl auch Straßenjungen, Schüler und anderes Gelichter.«

»Das sind keine große Fürsten,« versetzte Chicot mit vollkommener Ruhe und ein neues Schiff anfangend.

Der Herzog von Anjou lächelte gezwungen.

»Ihr werdet sehen, Sire,« sagte der Kanzler, »ich wusste, dass die Unzufriedenen stets zwei Hauptgelegenheiten benutzten, den Krieg und die Religion …«

»Das ist sehr vernünftig,« sprach Heinrich. »Hernach?«

Der Kanzler fuhr, sehr glücklich über dieses Lob, fort:

»Ich hatte in der Armee Eurer Majestät ergebene Offiziere, die mich von Allem unterrichteten; in der Religion ist das schwieriger.

 

Dann schickte ich Leute in's Feld …«

»Immer sehr vernünftig,« sagte Chicot.

»Und endlich,« sprach Morvilliers, »endlich gelang es mir, durch meine Agenten einen Mann von dem Gerichtsbezirke von Paris zu bestimmen …«

»Was zu tun?« fragte der König.

»Die Prediger zu belauern, welche das Volk gegen Eure Majestät aufregen.«

»Oh! Oh!« dachte Chicot, »sollte mein Freund bekannt sein?«

»Diese Leute bekommen die Eingebung nicht von Gott, Sire, sondern von einer gegen die Krone sehr feindselig gestimmten Partei. Diese Partei habe ich studiert.«

»Sehr gut,« sagte der König.

»Sehr vernünftig,« sprach Chicot.

»Und ich kenne ihre Hoffnungen,« fügte triumphierend Morvilliers bei.

»Das ist herrlich!« rief Chicot.

Der König hieß den Gascogner durch ein Zeichen schweigen.

Der Herzog von Anjou verlor den Redner nicht ans dem Gesicht.

»Mehr als zwei Monate,« sprach der Kanzler, »unterhielt ich im Lohne Eurer Majestät Leute von großer Geschicklichkeit, von bewährtem Mute, und allerdings auch von einer unersättlichen Habgier, welche ich indessen im Vorteil des Königs zu benutzen suchte, denn während ich sie herrlich bezahlte, gewann ich immer noch. Ich erfuhr von ihnen, dass ich gegen das Opfer einer sehr starken Geldsumme die erste Versammlung der Verschwörer kennen lernen sollte.«

»Das ist gut,« rief Chicot, »bezahle mein König, bezahle!«

»Ah! darauf sollt es mir nicht ankommen,« erwiderte Heinrich, »sprecht … Kanzler, der Zweck dieses Komplottes, die Hoffnung dieser Verschwörer?«

»Sire, es handelt sich um nichts Geringeres, als um eine zweite Bartholomäusnacht.«

»Gegen wen?«

»Gegen die Hugenotten.«

Die Anwesenden schauten sich erstaunt an.

»Wie viel hat Euch das ungefähr gekostet?« fragte Chicot.

»Fünf und siebzig tausend Livres einerseits, hundert tausend andererseits.«

Chicot wandte sich gegen den König und rief:

»Für tausend Thaler sage ich Dir das Geheimnis von Herrn von Morvilliers, wenn Du willst.«

Dieser machte eine Gebärde des Erstaunens; das Gesicht des Herzogs von Anjou sah noch besser aus, als sich erwarten ließ.

»Sprich,« antwortete der König.

»Es ist die reine, einfache Ligue,« sagte Chicot, »die seit zehn Jahren begonnene Ligue. Herr von Morvilliers hat entdeckt, was jeder Pariser Bürger wie seinPater noster auswendig weiß.«

»Mein Herr …« unterbrach ihn der Kanzler.

»Ich sage die Wahrheit und werde es beweisen,« rief Chicot mit einem Advokatentone.

»So nennt mir den Ort der Versammlung der Liguisten.«

»Sehr gern, 1) der öffentliche Platz; 2) der öffentliche Platz; 3) die öffentlichen Plätze.«

»Herr Chicot spottet,« versetzte der Kanzler mit einer Grimasse, »und ihr Erkennungszeichen?«

»Sie sind gekleidet als Pariser und bewegen die Beine, wenn sie marschieren,« erwiderte Chicot mit ernster Miene.

Ein allgemeines Gelächter empfing diese Erklärung. Herr von Morvilliers glaubte, es gehöre zum guten Geschmack, dem Zuge nachzugeben, und lachte mit den Andern; doch wieder düster werdend, sprach er:

»Endlich hat mein Spion einer ihrer Sitzungen beigewohnt, und zwar an einem Orte, den Herr Chicot nicht kennt.«

Der Herzog von Anjou erbleichte.

»Wo dies?« fragte der König.

»In der Sainte-Geneviève Abtei.«

Chicot ließ ein papierenes Huhn fallen, das er in die Admiralsbarke einschiffte.

»In der Sainte-Geneviève-Abtei!« rief der König.

»Es ist unmöglich,« murmelte der Herzog.

«So ist es,« sagte Morvilliers, sehr zufrieden über die Wirkung, die er hervorbrachte, und mit einem gewissen Triumphe in der ganzen Versammlung umherschauend.

»Und was machten sie, Herr Kanzler? Was haben sie beschlossen?« fragte der König.

»Dass die Liguisten sich Führer ernennen sollten, dass jedes Mitglied sich zu bewaffnen hätte, dass jede Provinz von dem Hauptsitze der Verschwörung aus einen Abgesandten erhalten sollte, dass alle bei Seiner Majestät beliebten Hugenotten, dies sind ihre Ausdrücke …«

Der König lächelte.

»An einem bestimmten Tage niedergemetzelt werden müssten.«

»Ist das Alles?« fragte Heinrich.

»Teufel!« rief Chicot, »man sieht wohl, dass Du ein Katholik bist.«

»Ist das wirklich Alles?« sagte der Herzog.

»Nein, Monseigneur…

»Pst! ich glaube wohl, dass es nicht Alles ist. Wenn wir nur dieses für 175, 000 Livres hätten, so wäre der König bestohlen.«

»Sprecht, Kanzler,« sagte der König.

»Sie haben Häupter.«

Chicot sah, wie sich auf dem Herzen des Prinzen sein Wamms, von den Schlägen gehoben, bewegte.

»Halt! halt! halt!« rief er, »ein Komplott, das seine Häupter hat, … es ist erstaunlich! Wir müssen jedoch noch etwas für unsere 175, 000 Livres bekommen.«

»Diese Häupter … ihre Namen?« fragte der König, »wie heißen diese Häupter?«

»Zuerst ein Prediger, ein Fanatiker, dessen Namen ich um 10, 000 Livres erkauft habe.«

»Daran habt Ihr wohl getan!«

»Der Genovever-Bruder Gorenflot!«

»Armer Teufel!« rief Chicot mit wahrem Mitleid.

»Es stand geschrieben, dass ihm dieses Abenteuer nicht gelingen sollte!«

»Gorenflot!« sagte der König, diesen Namen aufschreibend, »gut, und hernach …«

»Hernach …« versetzte der Kanzler zögernd, »Sire, das ist Alles.«

Morvilliers ließ abermals auf der Versammlung einen forschenden, Geheimnisvollen Blick umherlaufen, der zu sagen schien:

»Wenn Eure Majestät allein wäre, so würde sie noch viel mehr erfahren.«

»Sprecht, Kanzler, ich habe nur Freunde hier… sprecht.«

»Oh! Sire, derjenige, dessen Namen ich zu nennen zögere, hat auch sehr mächtige Freunde.«

»In meiner Nähe?«

»Überall.«

»Sind sie mächtiger als ich?« rief Heinrich, bleich vor Zorn und Unruhe.

»Sire, ein Geheimnis sagt man nicht mit lauter Stimme.

Entschuldigt mich, ich bin ein Staatsmann.«

»Das ist richtig.«

»Das ist sehr vernünftig!« rief Chicot, »doch wir sind lauter Staatsmänner.«

»Mein Herr,« sprach der Herzog von Anjou, »wir werden dem König unsere untertänige Ehrfurcht bezeigen, wenn die Mitteilung nicht in unserer Gegenwart gemacht werden kann.«

Herr von Morvilliers zögerte. Chicot beobachtete die geringste Gebärde, befürchtend, es könnte dem Kanzler, so einfältig er auch zu sein schien, geglückt sein, etwas minder Gewöhnliches zu entdecken, als seine ersten Offenbarungen.

Der König machte dem Kanzler ein Zeichen, sich zu nähern, dem Herzog von Anjou, auf dem Platze zu bleiben, Chicot, zu schweigen, und den drei Günstlingen, ihre Aufmerksamkeit abzulenken.

Sogleich neigte sich Herr von Morvilliers an das Ohr Seiner Majestät; doch er hatte nicht die Hälfte der nach allen Regeln der Etiquette abgemessenen Bewegung gemacht, als ein ungeheures Geschrei im Hofe des Louvre erscholl. Der König erhob sich rasch, die Herren von Quélus und Épernon stürzten nach dem Fenster, Herr von Anjou fuhr mit der Hand nach dem Degen, als ob dieser ganze drohende Lärmen gegen ihn gerichtet wäre.

Sich auf den Füßen erhebend, sah Chicot zugleich in den Hof und in das Zimmer.

»Halt! Herr von Guise!« rief er zuerst, »Herr von Guise kommt in den Louvre.«

»Der Herzog von Guise?« stammelte der Herzog von Anjou.

»Nicht wahr, es ist seltsam … dass Herr von Guise sich in Paris befindet?« sprach langsam der König, der in dem verdutzten Blicke von Herrn von Morvilliers den Namen gelesen hatte, welchen ihm der letztere ins Ohr sagen wollte.

»Bezog sich die Mitteilung, die Ihr mir machen wolltet, auf meinen Vetter Guise?« fragte er mit leiser Stimme den Beamten.

»Ja, Sire, er führte den Vorsitz bei der Versammlung,« antwortete der Kanzler in demselben Tone.

»Und die Andern?«

»Ich kenne keine Andere.«

Heinrich befragte Chicot mit einem Blicke.

»Himmel und Erde!« rief der Gascogner, eine königliche Haltung annehmend: »lasst meinen Vetter von Guise eintreten.«

Und sich gegen Heinrich neigend, flüsterte er diesem zu:

»Das ist Einer, dessen Namen Du, wie ich glaube, so genau kennst, dass Du nicht nötig hast, ihn in Deine Schreibtafel einzutragen.«

Die Huissiers öffneten geräuschvoll die Türe.

»Einen Flügel, meine Herren,« sprach Heinrich, »einen einzigen! beide Flügel sind für den König.«

Der Herzog war weit genug in der Gallerie vorgeschritten, um diese Worte zu hören; doch dies änderte nichts an dem Lächeln, mit dem er vor dem König zu erscheinen entschlossen war.

Neunzehntes Kapitel
Was Herr von Guise im Louvre tat

Hinter Herrn von Guise kamen in großer Anzahl Offiziere, Höflinge, Edelleute, und hinter dieser glänzenden Escorte erschien das Volk, ein minder glänzendes, aber sicheres und furchtbares Geleite.

Nur waren die Edelleute in den Palast eingetreten und das Volk vor der Türe geblieben. Von den Reihen dieses Volkes ging das Geschrei hoch in dem Augenblick aus, wo der Herzog von Guise, den es aus dem Gesicht verloren hatte, bereits in die Gallerie drang.

Beim Anblicke dieser Armee, welche den Cortège des Pariser Helden bildete, so oft er in den Straßen erschien, hatten die Wachen die Waffen ergriffen und schleuderten, hinter ihrem braven Obersten aufgestellt, dem Volke drohende Blicke, dem Triumphator stumme Herausforderungen zu.

Guise hatte die Haltung dieser Soldaten bemerkt, welche Crillon befehligte; er richtete einen kleinen Gruß voll Freundlichkeit an den Obersten, der den Degen in der Faust vier Schritte vor seinen Leuten stand und steif und unempfindlich in seiner verächtlichen Unbeweglichkeit verharrte.

Diese Empörung eines Mannes und eines Regiments gegen seine so allgemein anerkannte Macht, fiel dem Herzog auf, seine Stirne wurde einen Augenblick sorgenvoll, doch je mehr er sich dem König näherte, desto mehr hellte sie sich wieder auf, so dass er lächelnd in das Cabinet von Heinrich III. trat.

»Ah! Ihr seid es, ein Vetter?« sprach der König, »was für einen Lärmen macht Ihr! Klingen nicht die Trompeten? Es kam mir vor, als hätte ich sie gehört.«

»Sire,« antwortete der Herzog, »die Trompeten klingen in Paris nur für den König, im Felde nur für den General, und ich bin zugleich zu sehr mit dem Hofe und mit dem Felde bekannt, um mich darin zu täuschen. Hier würden die Trompeten zu viel Geräusch für einen Untertan machen, und dort nicht genug für einen Prinzen.«

Heinrich biss sich auf die Lippen.

»Bei dem Tode Gottes!« sagte er nach einem Stillschweigen, das er dazu anwandte, den lothringischen Prinzen mit dem Auge zu verschlingen, »Ihr seid sehr strahlend, mein Vetter? Kommt Ihr erst heute von der Belagerung von La Charite an?«

»Erst heute, ja, Sire,« antwortete der Herzog mit einem leichten Erröten.

»Meiner Treue, Euer Besuch ist viel Ehre für uns, mein Vetter, viel Ehre, sehr viel Ehre.«

Heinrich III. wiederholte die Worte, wenn er zu viele Gedanken zu verbergen hatte, wie man die Reihen der Soldaten vor einer Batterie Kanonen verdichtet, welche erst in einem gewissen Augenblick demaskiert werden soll.

»Viel Ehre,« wiederholte Chicot, mit einer so genauen Nachahmung des Tones, dass man hätte glauben sollen, diese zwei Worte kämen auch noch vom König.

»Sire,« sprach der Herzog, »Eure Majestät spottet ohne Zweifel; wie könnte mein Besuch denjenigen ehren, von welchem alle Ehre kommt?«

»Ich meine damit, Herr von Guise,« versetzte Heinrich, »ich meine, dass jeder gute Katholik bei der Rückkehr aus dem Felde zuerst Gott in einem von seinen Tempeln zu besuchen pflege; der König kommt nach Gott. Ehret Gott, dienet dem König, Ihr wisst, das ist ein halb politisches, halb religiöses Axiom.«

Die Röte des Herzogs von Guise wurde diesmal deutlicher; der König, der dem Herzog scharf in das Gesicht sehend gesprochen hatte, gewahrte diese Röte, sein Blick ging, wie durch eine instinktartige Bewegung geleitet, vom Herzog von Guise auf den Herzog von Anjou über, und er sah mit Erstaunen, dass sein guter Bruder eben so bleich, als sein schöner Vetter rot war.

Diese innere Bewegung, welche sich auf eine so entgegengesetzte Weise auf das Äußere übertrug, fiel ihm auf. Er wandte seine Augen mit einem affektierten Wesen ab, nahm eine freundliche Miene an,… ein Sammet, unter welchem Niemand besser, als Heinrich III., seine königlichen Krallen zu verbergen wusste, und sprach:

»In jedem Fall, Herzog, kommt nichts meiner Freude darüber gleich, dass ich Euch allen schlimmen Wechselfällen des Krieges entgangen sehe, obgleich Ihr, wie man sagt, die Gefahr aus eine verwegene Weise suchtet. Doch die Gefahr kennt Euch, mein Vetter, und flieht Euch.«

 

Der Herzog verbeugte sich vor diesem Kompliment.

»Ich sage Euch auch, mein Vetter, strebt nicht so ehrgeizig nach Todesgefahren; für uns wäre dies in der Tat sehr hart, für Müßiggänger, wie wir sind, die wir schlafen, essen, jagen, und statt jeder Eroberung neue Moden, neue Gebete erfinden.

»Ja, Sire,« sprach der Herzog, sich, an die letzte, Worte haltend, »wir wissen, dass Ihr ein erleuchteter und frommer Fürst seid, und dass kein Vergnügen Euch den Ruhm Gottes und die Interessen der Kirche aus dem Gesicht verlieren zu lassen vermag. Deshalb sind wir mit so viel Vertrauen zu Eurer Majestät gekommen.«

»Sieh doch das Vertrauen Deines Vetters, Heinrich,« sagte Chicot, dem König die Edelleute bezeichnend, welche aus Achtung außerhalb des Zimmers standen, »er hat ein Drittel an der Türe Deines Kabinetts und die zwei andern Drittel an der des Louvre gelassen.«

»Mit Vertrauen,« wiederholte Heinrich, »kommt Ihr nicht immer mit Vertrauen zu mir, mein Vetter?«

»Sire, versteht mich wohl, das Vertrauen, von welchem ich spreche, bezieht sich auf den Vorschlag, den ich Euch zu machen gedenke.«

»Ah! Ah! Ihr wollt mir etwas vorschlagen, Vetter. Dann sprecht mit Vertrauen, wie Ihr sagt, mit vollem Vertrauen. Was habt Ihr mir vorzuschlagen?«

»Die Ausführung eines der schönsten Gedanken, welche die christliche Welt in Bewegung gesetzt haben, seitdem die Kreuzzüge unmöglich geworden sind.«

»Sprecht, Herzog.«

»Sire,« sprach der Herzog, doch diesmal die Stimme so erhebend, dass er im Vorzimmer gehört werden konnte, »Sire, es ist nicht nur ein leerer Titel, der des Allerchristlichsten Königs: er verpflichtet zu einem glühenden Eifer für die Verteidigung der Religion. Der älteste Sohn der Kirche, und dies ist Euer Titel, muss stets bereit sein, seine Mutter zu verteidigen.«

»Halt,« sagte Chicot, »mein Vetter predigt mit einem großen Raufdegen an der Seite und mit einer Pickelhaube auf dem Kopfe, das ist komisch! Es setzt mich nicht mehr in Erstaunen, dass die Mönche Krieg führen wollen. Heinrich, ich verlange von Dir ein Regiment für Gorenflot.«

Der Herzog stellte sich, als hörte er nicht. Heinrich kreuzte seine Beine über einander, setzte seinen Ellenbogen auf den Schoß und steckte sein Kinn in seine Hand.

»Ist die Kirche durch die Sarazenen bedroht, mein lieber Herzog?« fragte er. »Oder solltet Ihr zufällig nach dem Titel eines Königs von Jerusalem streben?«

»Sire,« erwiderte der Herzog, »wenn mir das Volk auf meinem Wege zuströmte und meinen Namen mit Segnungen überhäufte, so ehrte es mich mit diesem Empfange nur, um mich für meinen Eifer in Verteidigung des Glaubens zu belohnen. Ich habe bereits die Ehre gehabt, mit Eurer Majestät, ehe sie den Thron bestieg, von dem Plane eines Bündnisses zwischen allen wahren Katholiken zu sprechen.«

»Ja, ja,« sagte Chicot, »ich erinnere mich, bei Gott, Heinrich, die Ligue, durch die St. Bartholomäusnacht; die Ligue, mein König, bei meinem Worte, Du bist sehr vergeßlich, mein Sohn, dass Du Dich eines so siegreichen Gedankens nicht erinnerst.«

Der Herzog wandte sich bei dem Geräusche dieser Worte um und ließ auf den, welcher sie gesprochen, einen verächtlichen Blick fallen; er wusste nicht, welches Gewicht diese Worte, beladen durch die ganz frischen Offenbarungen von Herrn von Morvilliers, auf den Geist des Königs hatten.

Der Herzog von Anjou war von einer gewaltigen Bangigkeit ergriffen, und einen Finger auf den Mund legend, schaute er starr den Herzog von Guise an, der bleich und unbeweglich wie die Bildsäule der Bedachtsamkeit auf seiner Stelle stehen blieb.

Diesmal gewahrte der König das Zeichen des Einverständnisses nicht, das die Interessen der beiden Prinzen mit einander verband; Chicot aber näherte sich seinem Ohre unter dem Vorwand, in die Rubinkettchen seiner Toque eines von seinen zwei Hühnern zu stecken, und sagte ganz leise zu ihm:

»Sieh Deinen Bruder an, Heinrich.«

Das Auge von Heinrich richtete sich rasch empor; der Finger des Herzogs senkte sich beinahe eben so rasch; doch es war bereits zu spät. Heinrich hatte die Bewegung gesehen und die Ermahnung, welche sie ausdrückte, erraten.

»Sire,« fuhr der Herzog von Guise fort, dem die Handlung von Chicot nicht entgangen war, ohne dass er jedoch seine Worte hatte hören können, »die Katholiken haben in der Tat diese Verbindung die heilige Ligue genannt, und Ihr Hauptzweck ist, den Thron gegen die Hugennotten, ihre Todfeinde, zu befestigen.«

»Gut gesagt,« rief Chicot, »ich billigepedibus et nutu

»Doch es ist wenig, sich zu verbinden,« fuhr der Herzog fort, »es ist wenig, eine Masse zu bilden, Sire, so gedrängt sie auch sein mag. Man muss ihr eine Richtung geben, aber in einem Königreiche, wie Frankreich, versammeln sich mehrere Millionen Menschen nicht ohne das Gutheißen des Königs.«

»Mehrere Millionen Menschen!« rief Heinrich, der sich gar nicht bemühte, ein Erstaunen zu verbergen, das man mit Recht hätte als Furcht auslegen können.

»Mehrere Millionen Menschen,« wiederholte Chicot, »ein leichter Kern von Unzufriedenen, der, wenn er, wie ich gar nicht zweifle, von geschickten Händen gepflegt wird, schöne Früchte tragen muss.«

Diesmal schien die Geduld des Herzogs erschöpft; er presste seine Lippen verächtlich zusammen, drückte den Fuß, mit dem er nicht zu stampfen wagte, fest auf die Erde, und sprach nach kurzem Stillschweigen:

»Ich wundere mich, Sire, dass Eure Majestät es duldet, dass man mich so oft unterbricht, während ich die Ehre habe, von so wichtigen Gegenständen mit ihr zu reden.«

Bei dieser Kundgebung, deren Richtigkeit er zu fühlen schien, ließ Chicot wütende Augen im Kreise umherlaufen und rief, die kreischende Stimme des Huissier vom Parlament nachahmend:

»Stille doch, oder man wird es beim Teufel mit mir zu tun haben!«

»Mehrere Millionen Menschen!« versetzte der König, der nur mit Mühe diese Zahl verschlucken konnte, »das ist schmeichelhaft für die katholische Religion; doch wie viel gibt es denn, diesen mehreren Millionen Verbündeter gegenüber, Protestanten in meinem Lande?«

Der Herzog schien zu suchen.

»Vier,« sagte Chicot.

Bei diesem neuen Witze brachen die Freunde des Königs in ein Gelächter aus, während Guise die Stirne faltete und die Edelleute im Vorzimmer laut gegen die Frechheit des Gascogners murrten.

Der König wandte sich langsam gegen die Türe um, von wo das Murren kam, und da Heinrich, wenn er wollte, einen Blick voll Würde besaß, so hörte das Murren alsbald auf.

Dann seinen Blick auf den Herzog zurückwendend, ohne etwas an dem Ausdrucke desselben zu ändern, sagte er:

»Sprecht, mein Herr, was verlangt Ihr? kommt zum Ziele …«

»Ich verlange, Sire, denn die Volkstümlichkeit meines Königs ist mir vielleicht noch teurer als die meinige, ich verlange, dass Eure Majestät klar zeige, sie sei uns in ihrem Eifer für die katholische Religion ebenso sehr überlegen, wie in allen andern Dingen, und dass sie so den Unzufriedenen jeden Vorwand, die Kriege wieder zu beginnen, benehme.«

»Ah! wenn nur vom Kriege die Rede ist, mein Vetter, ich besitze Truppen, und Ihr allein habt unter Euren Befehlen in dem Lager, das Ihr verließet, um mir diese vortrefflichen Ratschläge zu geben, gegen fünf und zwanzig tausend Mann.«

»Sire, wenn ich vom Kriege spreche, so muss ich mich vielleicht deutlicher erklären.«

»Erklärt Euch, mein Vetter; Ihr seid ein großer Feldherr, und es wird mir Vergnügen machen, Euch über solche Stoffe reden zu hören.«

»Sire, ich wollte sagen, dass in den gegenwärtigen Zeitläuften die Könige berufen seien, zweierlei Kriege zu führen, den moralischen Krieg, wenn ich mich so ausdrücken darf, und den politischen Krieg, den Krieg gegen die Ideen und den Krieg gegen die Menschen.«

»Gottes Tod!« rief Chicot, »wie kräftig ist diese Auseinandersetzung.«

»Stille, Narr,« sagte der König.

»Die Menschen,« fuhr der Herzog fort, »die Menschen sind sichtbar, fühlbar, sterblich; man trifft sie, man greift sie an, man schlägt sie; und wenn man sie geschlagen hat, macht man ihnen den Prozess und henkt sie, oder besser noch ….«

»Ja,« sagte Chicot, »man hängt sie, ohne ihnen den Prozess zu machen; das ist kürzer und königlicher.«

»Doch die Ideen,« fuhr der Herzog fort, »sie trifft man nicht so, Sire, sie entschlüpfen, sie sind, unsichtbar und eindringend; sie verbergen sich hauptsächlich vor den Augen derjenigen, welche sie zerstören wollen; geschützt im Grunde der Seele, schlagen sie tiefe Wurzeln, und je mehr man die unklugen Zweige, welche hervorkommen, abschneidet, desto mächtiger und unausrottbarer werden die inneren Wurzeln. Eine Idee, Sire, ist ein Zwerg-Riese, den man Tag und Nacht überwachen muss, denn die Idee, welche gestern noch zu Euren Füßen kroch, wird morgen Euer Haupt überragen. Eine Idee, Sire, ist der Funke, der in das Stroh fällt; man bedarf guter Augen am hellen Tage, um den Anfang des Brandes zu erraten, und darum, Sire, sind Millionen von Wächtern nötig.«

»Also die vier Hugenotten Frankreichs zu allen Teufeln!« rief Chicot, »bei Gott, ich beklage sie.«

14Schnepfen