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Die Dame von Monsoreau

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Einundzwanzigstes Kapitel
Wie unleugbar das Horchen das beste Mittel ist, um zu hören

Der Herzog von Anjou traf mit seinem Gast, dem Herzog von Guise in dem Zimmer der Königin von Navarra zusammen, wo einst der Béarner und Mouy, mit leiser Stimme und den Mund am Ohr, ihre Entweichungspläne verabredet hatten; der kluge Heinrich wusste wohl, dass es im Louvre wenige Zimmer gab, die nicht so beschaffen waren, dass sie die Worte, selbst mit halber Stimme gesprochen, an das Ohr desjenigen gelangen ließen, welcher ein Interesse hatte, sie zu hören. Dem Herzog von Anjou war dieser Umstand auch nicht unbekannt, doch völlig irre geführt durch die Freundlichkeit seines Bruders, vergaß er denselben oder legte ihm kein Gewicht bei.

Heinrich III. trat, wie gesagt, an seinen Beobachtungsposten in demselben Augenblick, wo sein Bruder im Zimmer erschien, so dass keines der Worte der Sprechenden dem König entging.

»Nun, Monseigneur?« fragte rasch der Herzog von Guise.

»Herzog, die Sitzung ist aufgehoben.«

»Ihr wart sehr bleich, Monseigneur.«

»Sichtbar?« versetzte der Herzog unruhig.

»Für mich, ja, Monseigneur.«

»Der König hat nichts gesehen?«

»Nichts, wenigstens wie ich glaube; und Seine Majestät hielt Eure Hoheit zurück.«

»Ihr habt es bemerkt, Herzog?«

»Allerdings, um mit Euch über den Vorschlag zu sprechen, den ich ihm gemacht habe.«

»Ja, mein Herr.«

Es trat ein ziemlich peinliches Stillschweigen ein, dessen Sinn Heinrich III., der so stand, dass er nicht ein Wort von ihrer Unterredung verlor, vollkommen begriff.

»Und was sagt Seine Majestät, Monseigneur? »fragte der Herzog von Guise.

»Der König billigt den Gedanken; doch je riesiger dieser Gedanke ist, desto gefährlicher kommt ihm ein Mann wie Ihr, an die Spitze desselben gestellt, vor.«

»Also sind wir dem Scheitern nahe?«

»Ich befürchte es, mein lieber Herzog, und die Ligue scheint mir unterdrückt.«

»Teufel!« rief der Herzog, »das hieße vor der Geburt sterben, vor dem Anfang endigen.«

»Sie haben Beide gleich viel Verstand,« sagte eine leise Stimme, an das Ohr von Heinrich klingend, der sich über sein Observatorium beugte.

Heinrich wandte sich rasch um und sah den großen Körper von Chicot, der sich ebenfalls vor einem Loche bückte, um zu horchen.

»Du bist mir gefolgt, Schurke!« rief der König.

»Schweige doch,« sagte Chicot, mit der Hand eine Gebärde machend, »schweige doch, mein Sohn, Du hinderst mich, zu hören.«

Der König zuckte die Achseln; doch da Chicot im Ganzen das einzige menschliche Wesen war, in das er Vertrauen setzte, so fing er wieder an zu horchen.

Der Herzog von Guise hatte abermals das Wort genommen und sagte:

»Monseigneur, mir scheint, der König würde in diesem Falle sogleich seine Weigerung ausgesprochen haben; er empfing mich schlecht genug, dass er es auch gewagt hätte, seine ganze Ansicht zu äußern; will er mich vielleicht entsetzen?«

»Ich glaube es,« erwiderte der Prinz zögernd.

»Dann würde er das ganze Unternehmen zu Grunde richten.«

»Sicherlich, und da Ihr den Kampf angesponnen hattet, so musste ich Euch mit allen meinen Mitteln unterstützen, und dies habe ich auch getan.«

»Worin, Monseigneur?«

»Darin: dass mir der König beinahe freie Hand gelassen hat, die Ligue in das Leben zu rufen oder für immer zu töten.«

»Wie dies?« sprach der lothringische Herzog, dessen Blick unwillkürlich funkelte.

»Hört, das wird immer der Billigung der Hauptführer unterworfen, wie Ihr begreift. Wenn er, statt die Ligue auszutreiben und aufzulösen, ein der Unternehmung günstiges Haupt ernennen würde, wenn er statt den Herzog von Guise zu diesem Posten zu erheben, den Herzog von Anjou auf denselben stellte …«

»Aha!« machte der Herzog von Guise, der weder diesen Ausruf bewältigen, noch das Blut zurückdrängen konnte, das ihm in das Gesicht stieg.

»Gut!« sagte Chicot, »die zwei Hunde werden sich um das Bein raufen.«

Doch zum großen Erstaunen von Chicot und besonders von Heinrich, der in diesem Punkte weniger wusste, als Chicot, hörte der Herzog von Guise plötzlich auf, sich zu verwundern und zu ärgern, und sprach mit einer ruhigen, beinahe freudigen Stimme:

»Ihr seid ein sehr geschickter Politiker, Monseigneur, wenn Ihr das gemacht habt.«

»Ich habe es gemacht,« antwortete der Herzog.

»Sehr rasch.«

»Ja, doch ich muss sagen, die Umstände unterstützten mich und ich benützte dies. Übrigens ist nichts bestimmt festgestellt, mein lieber Herzog, und ich wollte nicht abschließen, ehe ich Euch gesehen.«

»Warum, Monseigneur?«

»Weil ich noch nicht weiß, wohin dies führen wird.«

»Aber ich weiß es,« sagte Chicot.

»Das ist ein kleines Komplott,« sprach Heinrich lächelnd.

»Von dem Dir Herr von Morvilliers, der Deiner Behauptung nach immer sehr gut unterrichtet ist, nichts mitgeteilt hat; doch lass uns horchen, das wird interessant.«

»Nun, ich will Euch sagen, Monseigneur, nicht wohin uns das führen wird, denn Gott allein weiß dies, sondern wozu uns das nützen kann,« sprach der Herzog von Guise, »die Ligue ist eine zweite Armee; da ich nun die erste in Händen habe, wie mein Bruder, der Kardinal, die Kirche, so vermag Euch nichts zu widerstehen, so lange wir vereinigt bleiben.«

»Abgesehen davon,« versetzte der Herzog von Anjou, »abgesehen davon, dass ich der Präsumtiverbe der Krone bin.«

»Ah! Ah!« machte der König.

»Er hat Recht,« sagte Chicot, »das ist Deine Schuld, mein Sohn, Du trennst immer die zwei Hemden Unserer Lieben Frau von Chartres.«

»Monseigneur, obgleich Präsumtiverbe der Krone, berechnet einmal die schlimmen Chancen.«

»Herzog, glaubt Ihr, das sei nicht bereits geschehen und ich habe nicht alle hundertmal abgewogen?«

»Zuerst ist der König von Navarra da.«

»Oh! der beunruhigt mich nicht, denn es beschäftigt ihn ganz und gar seine Liebschaft mit der Fosseuse.«

»Monseigneur, er wird Euch Alles bis auf die Schnüre Eurer Börse streitig machen; er ist gerieben, er ist mager, er ist ausgehungert, er gleicht einer von den Katzen aus den Rinnsteinen, welche schon der Geruch einer Maus ganze Nächte vor einer Luke zubringen lässt, während die fette, vollgepfropfte, eingesperrte Katze, so plump ist ihre Pfote, ihre Krallen nicht aus der Umhüllung hervorbringen kann; der König von Navarra beobachtet Euch; er ist auf der Lauer; er verliert weder Euch, noch Euren Bruder aus dem Gesicht; es hungert ihn nach Eurem Throne. Wartet, bis demjenigen, welcher darauf sitzt, ein Unfall widerfährt, und Ihr werdet sehen, ob die magere Katze nicht Muskeln hat, und ob sie nicht mit einem einzigen Satze von Pau nach Paris springt, um Euch ihre Klauen fühlen zu lassen.«

»Ein Unfall demjenigen, welcher auf dem Thron sitzt,« wiederholte langsam Franz, seine forschenden Augen auf den Herzog von Guise heftend.

»Ei! ei!« flüsterte Chicot, »höre, Heinrich, dieser Guise sagt sehr belehrende Dinge, und ich rate Dir, Nutzen daraus zu ziehen.«

»Ja, Monseigneur,« wiederholte der Herzog von Guise, »ein Unfall! Die Unfälle sind nicht selten in Eurer Familie, Ihr wisst es wie ich, oder vielleicht besser als ich. Ein Prinz erfreut sich guter Gesundheit und verfällt plötzlich in ein Siechtum; ein anderer zählt noch auf lange Jahre, während er kaum noch ein paar Stunden zu leben hat.«

»Hörst Du, Heinrich, hörst Du?« sagte Chicot, den König, dessen Antlitz kalter Schweiß bedeckte, bei der Hand nehmend.

»Ja, es ist wahr,« sprach der Herzog mit einer so dumpfen Stimme, dass der König und Chicot, um ihn zu hören, ihre Aufmerksamkeit verdoppeln mussten. »Es ist wahr, die Prinzen meines Hauses werden unter unseligen Einflüssen geboren; doch mein Bruder Heinrich ist, Gott sei Dank! kräftig und gesund; er hat die Strapazen des Krieges ausgehalten und denselben widerstanden. Um so mehr wird er nun widerstehen, da sein Leben nur eine Reihe von Erholungen ist, die er ebenso gut aushält, als er einst den Krieg ausgehalten hat.«

»Ja, Monseigneur, erinnert Euch jedoch eines Umstandes: die Erholungen, denen sich die Könige von Frankreich hingeben, sind nicht immer ohne Gefahr; so ist zum Beispiel Euer Vater, König Heinrich II., der ebenfalls glücklich den Gefahren des Krieges entgangen war, bei den von Euch erwähnten Erholungen gestorben. Das Eisen des Spießes von Montgommery war allerdings eine harmlose Waffe, doch für einen Panzer und nicht für ein Auge; auch starb König Heinrich II., und das war, denke ich, ein Unfall. Ihr werdet mir sagen, fünfzehn Jahre nach diesem Unfall habe die Königin Mutter Herrn von Montgommery, der sich der Wohltat der Verjährung zu erfreuen glaubte, festnehmen und enthaupten lassen. Das ist wahr, aber der König ist darum nicht minder gestorben. Was Euren Bruder, den verstorbenen König Franz, betrifft, seht Ihr, wie seine geistige Schwäche ihm beim Volke geschadet hat; er ist auch sehr unglücklich gestorben, dieser würdige Fürst. Ihr werdet zugeben, ein Ohrenübel, wer Teufels würde das für einen Unfall halten? Es war doch einer und zwar ein sehr ernster. Ich habe auch mehr als einmal im Lager, in der Stadt und sogar bei Hofe sagen hören, diese tödliche Krankheit sei in das Ohr von König Franz II. durch einen eingeflößt worden, den man sehr mit Unrecht den Zufall genannt habe, insofern er einen andern wohlbekannten Namen führte.«

»Herzog,« murmelte Franz errötend.

»Ja, Monseigneur, ja,« fuhr der Herzog fort, »der Name König bringt seit einiger Zeit Unglück; wer sagtKönig, sagtgewagt. Seht Anton von Bourbon: es ist sicherlich der Königsname, der ihm den Büchsenschuss in die Schulter eingetragen hat, ein Unfall, der für jeden Andern als einen König keines Wegs tödlich gewesen wäre, und in Folge dessen er dennoch starb. Das Auge, das Ohr und die Schulter veranlassten viel Trauer in Frankreich, und das erinnert mich sogar daran, dass Euer Herr von Bussy bei dieser Gelegenheit sehr hübsche Verse gemacht hat.«

 

»Was für Verse?« fragte Heinrich.

»Geh' doch!« sagte Chicot, »solltest Du sie etwa nicht kennen?«

»Nein.«

»Wärst Du entschieden ein wahrer König, da man Dir dergleichen Dinge verbirgt? Ich will sie Dir sagen, höre:

 
›Durch das Auge, die Schulter und das Ohr
Frankreich drei Könige verlor,
Durch das Auge, das Ohr und die Schulter …‹
 

Doch stille! stille! bedenke, Dein Bruder wird noch etwas viel Interessanteres sagen.«

»Aber die Verse, wie lauten sie weiter?«

»Später; jetzt lass uns horchen.«

»Was meinst Du?«

»Ich meine, es fehlen noch zwei Personen zu dem Familiengemälde; aber höre, Herr von Guise spricht und wird sie gewiss nicht vergessen.«

Der Dialog fing wirklich in diesem Augenblick wieder an.

»Abgesehen davon, Monseigneur,« fuhr der Herzog von Guise fort, »abgesehen, dass die Geschichte Eurer Verwandten und Verbündeten nicht ganz in den Versen von Bussy enthalten ist.«

»Sagte ich es Dir nicht!« flüsterte Chicot, Heinrich mit dem Ellenbogen stoßend.

»Ihr vergesst Johanna d'Albret, die Mutter des Béarners, welche durch die Nase starb, weil sie an parfümierten Handschuhen roch, die sie auf dem Pont-Saint-Michel bei dem Florentiner gekauft hatte; ein sehr unerwarteter Unfall, der um so mehr alle Welt überraschte, als man die Leute kannte, welche damals dieses Todes ungemein bedurften. Werdet Ihr leugnen, Monseigneur, dass Euch dieser Tod sehr in Erstaunen setzte?«

Der Herzog bewegte nur statt jeder Antwort die Augenbrauen, was seinem tief liegenden Auge einen noch düstereren Ausdruck verlieh.

»Und der Unfall mit König Karl IX., den Eure Hoheit vergisst,« sagte der Herzog, »dieser verdient doch der Erwähnung. Ihn hat weder durch das Auge, noch durch das Ohr, noch durch die Nase der Unfall ergriffen, sondern durch den Mund.«

»Wie beliebt?« rief Franz.

Und Heinrich III. hörte auf dem dröhnenden Boden den Tritt seines Bruders, der voll Schrecken zurückwich.

»Ja, Monseigneur, durch den Mund,« wiederholte Guise, »es ist etwas Gefährliches um Jagdbücher, deren Blätter so an einander geklebt sind, dass man sie nicht umdrehen kann, ohne jeden Augenblick seinen Finger am Mund zu befeuchten. Solche alte Scharteken verunreinigen den Speichel, und ein Mensch, wäre es auch ein König, geht nicht weit, wenn sein Speichel verdorben ist.«

»Herzog! Herzog!« wiederholte zweimal der Prinz, »ich glaube, dass Ihr nach Eurem Vergnügen Verbrechen schmiedet.«

»Verbrechen,« entgegnete Guise, »ei! wer spricht denn von Verbrechen? Monseigneur, ich erzähle nur Unfälle; hört Ihr wohl, Unfälle! Es ist nie von etwas Anderem, als von Unfällen die Rede gewesen. War es nicht auch ein Unfall, das Abenteuer, das König Karl IX. auf der Jagd begegnete?«

»Halt!« sagte Chicot, »das ist eine Neuigkeit für Dich, da Du ein Jäger bist; höre, höre, das muss seltsam sein.«

»Ich weiß, was er meint,« versetzte Heinrich.

»Ja, aber ich weiß es nicht, ich war noch nicht bei Hofe vorgestellt; lass mich also horchen, mein Sohn.«

»Ihr wisst, Monseigneur, von welcher Jagd ich sprechen will,« fuhr der lothringische Prinz fort, »ich spreche von der Jagd, wo Ihr in der edelmütigen Absicht, das Wildschwein zu töten, das auf Euren Bruder zulief, mit solcher Hast Feuer gabt, dass Ihr, statt das Tier zu treffen, auf das Ihr zieltet, dasjenige trafet, auf welches Ihr nicht zieltet. Dieser Büchsenschuss, Monseigneur, beweist besser als alles Andere, wie sehr man Zufällen misstrauen muss. Man kennt bei Hofe Eure Geschicklichkeit, Monseigneur. Nie fehlt Eure Hoheit ihren Schuss, und Ihr musstet sehr erstaunt sein, als Ihr damals fehltet, besonders da die Böswilligkeit ausstreute, der Sturz des Königs unter sein Pferd hätte seinen Tod verursachen können, wäre es dem König von Navarra nicht gelungen, das Wildschwein zu erlegen, das Eure Hoheit gefehlt hatte.«

»Nun aber,« sprach der Herzog von Anjou, indem er die Sicherheit wieder zu erringen suchte, in welche die Ironie des Herzogs von Guise so grausam Bresche geschossen hatte, »was für ein Interesse hatte ich bei dem Tode des Königs, meines Bruders, da der Nachfolger von Karl IX. Heinrich III. heißen sollte?«

»Wartet einen Augenblick, Monseigneur, wir müssen uns verständigen; es war bereits ein Thron erledigt, der von Polen. Der Tod von König Karl IX. erledigte einen andern, den von Frankreich. Ich weiß wohl, Euer älterer Bruder hätte unstreitig den Thron von Frankreich gewählt. Doch es war immer noch ein sehr wünschenswerter schlimmster Fall, dieser Thron von Polen; es gibt Leute, welche, wie man versichert, mit aller Begierde nach dem armseligen Thrönchen des Königs von Navarra trachteten. König Heinrich III. ist wohl in zehn Tagen von Warschau zurückgekommen, warum solltet Ihr nicht, wenn ein Unfall eingetreten wäre, das getan haben, was Heinrich III. getan hat?«

Heinrich III. schaute Chicot an, der seinerseits den König anschaute, aber nicht mehr mit dem Ausdrucke der Bosheit und des Hohnes, den man gewöhnlich in dem Auge des Narren wahrnahm, sondern mit einem beinahe zärtlichen Interesse, das jedoch von seinem durch die Sonne des Süden gebräunten Gesicht alsbald wieder verschwand.

»Was folgert Ihr hieraus, Herzog?« fragte der Herzog von Anjou, der dieser Unterredung, in welcher die ganze Unzufriedenheit des Herzogs von Guise durchblickte, ein Ende zu machen suchte.

»Monseigneur, ich folgere daraus, dass jeder König, wie wir so eben sagten, seinen Unfall hat. Ihr aber seid der unvermeidliche Unfall von König Heinrich III., besonders wenn Ihr Haupt der Ligue werdet, denn Haupt der Ligue sein, heißt beinahe König des Königs sein, nicht zu rechnen, dass Ihr, indem Ihr Euch zum obersten Führer der Ligue macht, den Unfall der nahe bevorstehenden Regierung Eurer Hoheit, nämlich den Béarner, unterdrückt.«

»Nahe bevorstehend! hörst Du?« rief Heinrich III.

»Beim Teufel! ich glaube wohl, dass ich höre,« sagte Chicot.

»Also …« versetzte der Herzog von Guise.

»Also,« wiederholte der Herzog von Anjou, »ich werde annehmen, nicht wahr, das ist Eure Ansicht?«

»Wie?« rief der lothringische Prinz, »ich bitte Euch, anzunehmen, Monseigneur.«

»Und heute Abend?«

»Oh! seid unbesorgt, seit diesem Morgen sind meine Leute im Felde, und Paris wird heute Abend merkwürdig sein.«

»Was macht man diesen Abend in Paris?« fragte Heinrich.

»Wie, Du errätst es nicht?«

»Nein.«

»Oh! wie einfältig Du bist! diesen Abend unterzeichnet man öffentlich die Ligue, das versteht sich: denn man unterzeichnet sie längst insgeheim: man erwartete nur Deine Zustimmung; Du hast sie diesen Morgen gegeben, und heute Abend wird unterzeichnet; den Teufel! Du siehst es, Heinrich, Deine Unfälle, denn Du hast zwei … Deine Unfälle verlieren keine Zeit.«

»Es ist gut,« sprach der Herzog von Anjou, »diesen Abend also.«

»Ja, diesen Abend,« sagt, Heinrich.

»Wie,« versetzte Chicot, »Du würdest Dich der Gefahr aussetzen und heute Abend in den Straßen der Hauptstadt umherlaufen, Heinrich?«

»Allerdings.«

»Du hast Unrecht, Heinrich.«

»Warum?«

»Hüte Dich vor den Unfällen.«

»Ich werde gute Begleitung haben, sei unbesorgt; komm übrigens mit mir.«

»Geh! Du hältst mich für einen Hugenotten, mein Sohn, nein. Ich bin ein guter Katholik und will die Ligue unterzeichnen, eher zehnmal als einmal, eher hundertmal als zehnmal.«

Die Stimmen des Herzogs von Anjou und des Herzogs von Guise erloschen.

»Noch ein Wort,« sagte der König, Chicot zurückhaltend, der sich entfernen wollte: »Was denkst Du von Allem dem?«

»Ich denke, dass keiner von den Königen, Euren Vorfahren, seinen Unfall kannte: Heinrich II. hatte das Auge nicht vorhergesehen; Franz II. hatte das Ohr nicht vorhergesehen; Anton von Bourbon hatte die Schulter nicht vorhergesehen; Johanna d'Albret hatte die Nase nicht vorhergesehen; Karl IX. hatte den Mund nicht vorhergesehen. Ihr habt also einen großen Vorteil vor ihnen, Meister Heinrich, denn beim Teufel! Ihr kennt Euren Bruder, nicht wahr, Sire?«

»Ja, beim Tode Gottes! man wird es binnen Kurzem erfahren.«

Neuntes bis zwölftes Bändchen

Erstes Kapitel
Der Abend der Ligue

Paris hat so, wie wir es kennen, bei seinen Festen nur noch einen mehr oder minder großen Lärmen, eine mehr oder minder beträchtliche Menschenmenge; doch es ist immer derselbe Lärmen, es ist immer dieselbe Menge; das ehemalige Paris hatte mehr als dies. Es gewährte einen hübschen Anblick, wenn man durch die schmalen Gassen am Fuße dieser Häuser mit Balkonen und Giebeln, von denen jedes seinen eigentümlichen Charakter bot, die Myriaden von Menschen sich drängen sah, welche nach einem Punkte stürzten, auf dem Wege beschäftigt, sich anzuschauen, sich zu bewundern, sich einander zuzurufen, wegen der Seltsamkeit von Diesem oder Jenem. Kleider, Waffen, Sprache, Gebärde, Stimme, Gang, Alles bildete einen bemerkenswerten Umstand, und diese tausend Einzelheiten machten, auf einem einzigen Punkte versammelt, ein höchst interessantes Ganzes.

Man höre nun, wie Paris Abends um acht Uhr an dem Tage war, wo Herr von Guise nach seinem Besuche bei dem König und nach seiner Unterredung mit dem Herzog von Anjou die Ligue von den Bürgern der guten Hauptstadt des Königreiches unterzeichnen zu lassen gedachte.

Zahllose Bürger, angetan mit ihren schönsten Kleidern, wie zu einem Feste, oder bedeckt mit ihren schönsten Waffen, wie zu einer Revue oder zu einem Kampfe, wandten sich nach den Kirchen: die Haltung aller dieser Männer, welche von einem Gefühle bewegt wurden und nach einem Ziele steuerten, war zugleich freudig und bedrohlich, besonders wenn sie vor einem Posten von Schweizern oder von Chevaulegers vorüberkamen. Ihre Haltung und das Geschrei, das Gezische und die Drohungen, womit dieselbe begleitet war, müssten Herrn von Morvilliers in Unruhe versetzt haben, hätte dieser Beamte nicht seine guten Pariser gekannt … spöttische, witzige Leute, aber unfähig, zuerst Schlimmes zu tun, wenn nicht ein boshafter Freund sie antreibt oder ein unkluger Feind sie herausfordert.

Was noch das Geräusch dieser Menge und besonders den bunten Anblick, den sie bot, vermehrte, waren viele Frauen, welche es verachtet hatten, an einem so großen Tage das Haus zu hüten, und gutwillig oder mit Gewalt ihren Männern nachgefolgt wären: einige hatten noch etwas Besseres getan, sie hatten die Litanei ihrer Kinder mitgenommen, und sie waren seltsam anzuschauen, diese kleinen Tierchen, wie sie an den ungeheuren Musketen, an den riesigen Säbeln oder an den furchtbaren Hellebarden ihrer Väter hingen. Zu jeder Zeit, in allen Epochen, in allen Jahrhunderten, liebte es der Straßenjunge von Paris, eine Waffe zu schleppen, wenn er sie noch nicht tragen konnte, oder dieselbe bei einem Anderen zu bewundern, wenn er sie noch nicht selbst zu schleppen vermochte.

Von Zeit zu Zeit ließ eine etwas belebtere Gruppe die alten Schwerter, dieselben aus der Scheide ziehend, den Tag sehen: eine solche feindselige Demonstration fand besonders statt, wenn man an einem Hause vorüberkam, welches nach einem Hugenotten roch. Dann schrien die Kinder aus vollem Halse: »St. Bartholomä! … mi! mi!« während die Väter ausriefen: »Auf den Scheiterhaufen mit den Parpaillots!15 auf den Scheiterhaufen!«

Dieses Geschrei zog zuerst an die Fenster irgend ein bleiches Gesicht von einer alten Magd oder einem schwarzen Diener, und veranlassten hernach ein Geräusch von Riegeln hinter der Haustür. Dann setzte der Bürger, glücklich und stolz, dass er wie der Hase von Lafontaine, einem Feigeren als er, Furcht eingejagt hatte, seinen Triumphzug fort und übertrug an andere Orte seine lärmende, aber harmlose Drohung.

In der Rue de l'Arbre-Sec war die Versammlung besonders beträchtlich. Die Straße war buchstäblich vollgepfropft, und die Menge drängte sich stürmisch gegen eine glänzende Laterne, welche über einem Schilde hing, das viele von unsern Lesern erkennen werden, wenn wir ihnen sagen, dass dieses Schild ein sich auf einem Azurgrunde drehendes Huhn vorstellte, mit der Unterschrift: Zum Schönen Gestirne.

 

Auf der Schwelle dieses Hauses stand ein Mann mit einer baumwollenen Mütze nach der Mode der Zeit, welche ein vollkommen kahles Haupt bedeckte, und perorirte mit großer Heftigkeit und mit Einstreuung aller möglicher Beweissätze. In einer Hand schwang dieser Mann ein bloßes Schwert, mit der andern schüttelte er ein Register, dessen Blätter halb mit Unterschriften bedeckt waren, und dabei schrie er:

»Kommt! kommt! brave Katholiken, tretet in den Gasthof zum Schönen Gestirne, wo Ihr guten Wein und ein gutes Gesicht findet; kommt, der Augenblick ist günstig; in dieser Nacht werden die Guten von den Bösen getrennt. Morgen früh kennt man das gute Korn und die Trespe; kommt, meine Herren, Ihr, die Ihr zu schreiben wisst, kommt und schreibt, und Ihr, die Ihr nicht zu schreiben wisst, kommt ebenfalls und vertraut Eure Namen und Eure Vornamen entweder mir, Meister La Hurière, oder meinem Gehilfen, Herrn Croquentin.«

Herr Croquentin, ein junger Bursche aus Périgord, weiß gekleidet wie Éliacin und den Leib umgürtet mit einem Stricke, in welchem sich ein Messer und ein Schreibzeug den Raum zwischen der letzten und vorletzten Rippe, streitig machten, Herr Croquentin, sagen wir, schrieb wirklich die Namen seiner Nachbarn und obenan den seines ehrenwerten Patrons, des Meisters La Hurière.

»Meine Herren, es ist für die Messe,« rief aus vollem Halse der Wirt zum Schönen Gestirne, »meine Herren, es ist für die heilige Religion.

Es lebe die heilige Religion, meine Herren, es lebe die Messe. Ah! …«

Und er erstickte beinahe vor Aufregung und Müdigkeit, denn diese Begeisterung dauerte seit vier Uhr Nachmittags.

Folge hiervon war, dass viele Leute, beseelt von demselben Eifer, in dem Register von Meister La Hurière unterzeichneten, wenn sie schreiben konnten, oder ihre Namen Croquentin überließen, wenn sie es nicht verstanden.

Die Sache war um so schmeichelhafter für La Hurière, als die Nachbarschaft von Saint-Germain-l'Auxerrois eine furchtbare Konkurrenz für ihn bildete: doch zum Glücke waren die Gläubigen in jener Zeit zahlreich, und die zwei Anstalten näherten sich, statt sich zu schaden: diejenigen, welche nicht hatten bis in die Kirche dringen können, um ihre Namen auf dem Hauptaltare, wo man unterzeichnete, niederzulegen, suchten bis zu den Tischen zu schlüpfen, wo Meister La Hurière sein doppeltes Sekretariat hielt? und diejenigen, welche bei dem doppelten Sekretariat von La Hurière gescheitert waren, bewahrten die Hoffnung, glücklicher bei Saint-Germain-l'Auxerrois zu sein.

Als die Register von La Hurière und Croquentin beide voll waren, ließ der Herr des Schönen Gestirnes unverzüglich zwei andere verlangen, damit keine Störung im Unterschreiben stattfände, und die Einladungen begannen wieder auf's Schönste von Seiten des Wirtes, der ganz stolz auf diesen Erfolg war, welcher Meister La Hurière endlich im Geiste von Herrn Guise die hohe Stellung verschaffen musste, nach der er seit langer Zeit trachtete.

Während die Unterzeichner der neuen Register sich dem Strome eines unablässig zunehmenden Eifers überließen und, wie gesagt, von einer Straße in die andere und sogar von einem Quartier in das andere zurückflossen, sah man durch die Menge einen Mann von hoher Gehalt kommen, der sich, in guter Anzahl Rippenstöße und Fußtritte austeilend, eine Bahn brach und so das Register von Herrn Croquentin erreichte.

Hier angelangt, nahm er die Feder aus den Händen eines ehrlichen Bürgers, der so eben seine mit einem zitternden Schnörkel geschmückte Unterschrift vollendet hatte, schrieb seinen Namen in halbzollhohen Buchstaben auf eine noch weiße Seite, die sogleich schwarz wurde, säbelte dazu einen heldenmäßigen Federzug, verschönert mit Tintenspritzern und gekrümmt wie das Labyrinth von Dädalos, und gab dann die Feder einem Unterschriftgierigen, der hinter ihm Queue machte.

»Chicot!« sagte der zukünftige Unterzeichner. »Pst! das ist ein Herr, der wunderschön schreibt.«

Chicot, denn er war es wirklich, der, nachdem er, wie wir gesehen, seinen Herrn nicht hatte begleiten wollen, für eigene Rechnung der Ligue nachlief. Nachdem Chicot Urkunde von seiner Gegenwart in dem Register von Herrn Croquentin gegeben hatte, ging er sogleich zu dem von Meister La Hurière. Dieser hatte die flammende Unterschrift gesehen und für sich einen so glorreichen Federzug beneidet. Chicot wurde also nicht mit offenen Armen, aber mit offenem Register empfangen, nahm die Feder aus den Händen eines Wollenwaarenhändlers der Rue de Bethisy, und schrieb seinen Namen mit einem noch hundertmal herrlicheren Zuge ein, wonach er Meister La Hurière fragte, ob er nicht ein drittes Register hätte.

La Hurière verstand keinen Spaß: er war ein schlimmer Gast außerhalb seines Wirtshauses. Er sah Chicot schief an, Chicot schaute ihm ins Gesicht. La Hurière murmelte den Namen Parpaillot, Chicot nannte den Namen Sudelkoch. La Hurière ließ sein Register los, um die Hand an seinen Degen zu legen. Chicot legte seine Feder nieder, um im Stande zu sein, den seinigen aus der Scheide zu ziehen; endlich sollte sich die Szene wahrscheinlich durch einige Degenstiche endigen, wobei der Wirt zum Schönen Gestirne einen schlechten Handel gemacht hätte, als sich Chicot in den Ellenbogen gekniffen fühlte und sich umwandte.

Derjenige, welcher ihn kniff, war der König, als einfacher Bürger gekleidet; an seiner Seite hatte er Quélus und Schomberg, welche wie er verkleidet waren und außer ihrem Raufdegen jeder noch eine Büchse auf der Schulter trugen.

»Nun! nun!' sagte der König, »was gibt es denn? Gute Katholiken streiten sich unter einander! das ist ein schlimmes Beispiel.«

»Mein edler Herr,« erwiderte Chicot, ohne zu tun, als erkenne er Heinrich, »urtheilt, auf welcher Seite das Recht ist. Dieser Halunke hier schreit die Vorübergehenden an, damit man in seinem Register unterzeichne, und wenn man unterzeichnet hat, so schreit er noch viel lauter.«

Die Aufmerksamkeit von La Hurière wurde durch neue Liebhaber abgelenkt, und ein heftiges Gedränge trennte von der Anstalt des fanatischen Wirtes Chicot, den König und die Mignons, welche die Versammlung überschauten, da sie zufällig auf einer Türschwelle standen.

»Welch ein Feuer!« sagte Heinrich, »und wie schön ist es diesen Abend für die Religion in den Straßen meiner guten Stadt!«

»Ja, Sire, doch es ist schlimmes Wetter für die Ketzer, und Eure Majestät weiß, dass man sie für einen solchen hält. Schaut links, immer mehr links, dort, was seht Ihr?«

»Ah! ah! das breite Gesicht von Herrn von Mayenne und die spitzige Schnauze des Kardinals.«

»Stille, Sire, man spielt ein sicheres Spiel, wenn man weiß, wo die Feinde sind, und wenn unsere Feinde nicht wissen, wo wir sind.«

»Glaubst Du, ich habe etwas zu befürchten?«

»Ei, guter Gott! bei einer Menge wie diese hier kann man für nichts stehen. Man hat ein offenes Messer in seiner Tasche, dieses Messer bohrt sich ganz treuherzig in den Bauch des Nachbars, ohne zu wissen, was es thut; der Nachbar stößt einen Schwur aus und gibt den Geist auf. Wenden wir uns auf eine andere Seite, Sire.«

»Bin ich gesehen worden?«

»Ich glaube nicht, aber man wird Euch ohne allen Zweifel sehen, wenn Ihr länger hier bleibt«

»Es lebe die Messe! es lebe die Messe!« rief eine Volkswoge, welche aus den Hallen kam und wie eine steigende Flut in die Rue de l'Arbre-Sec stürzte.«

»Es lebe Herr von Guise! Es lebe der Kardinal! Es lebe Herr von Mayenne!« antwortete die vor der Türe von La Hurière stehende Menge, sobald sie die zwei lothringischen Prinzen erkannt hatte.

»Oh! oh! was bedeutet dieses Geschrei?« sagte Heinrich III., die Stirne faltend.

»Dieses Geschrei beweist, dass Jeder gut an seinem Platze ist und an demselben bleiben sollte: Herr von Guise auf den Straßen und Ihr im Louvre; geht in den Louvre, Sire! geht in den Louvre!«

»Kommst Du mit uns?«

»Ich? oh! nein, Du bedarfst meiner nicht, mein Sohn. Du hast Deine gewöhnlichen Leibwachen. Vorwärts, Quélus! vorwärts, Maugiron! Ich will das Schauspiel bis zum Ende sehen, denn ich finde es sonderbar, wenn auch nicht gerade belustigend.«

»Wohin gehst Du».

»Ich will meinen Namen in andere Register schreiben. Morgen sollen hundert Autographa von mir in den Straßen von Paris umherlaufen. Nun sind wir auf dem Quai, guten Abend, mein Sohn, ziehe Dich rechts, ich will mich links ziehen: Jeder seines Wegs; ich laufe nach Saint-Merry, um einen berühmten Prediger zu hören.«

»Oh! Ah! was bedeutet dieser neue Lärmen?« fragte plötzlich der König, »und warum läuft man so auf dem Pont-Neuf?»

Chicot erhob sich auf den Fußspitzen, aber er konnte nichts sehen, als eine schreiende, brüllende, drängende, stoßende Volksmasse, welche Jemand oder Etwas im Triumphe zu tragen schien.

15Ein Spottname für die Hugenotten