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Die Dame von Monsoreau

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Plötzlich öffneten sich die Volkswogen in dem Augenblick, wo der breiter werdende Quai, der Rue des Lavandières gegenüber, der Menge sich rechts und links auszudehnen gestattete, und, wie das vom Gewässer zu den Füßen vom Hyppolyt getragene Ungeheuer, wurde ein Mensch, der die Hauptperson dieser burlesken Szene zu sein schien, durch die Volkswellen bis zu den Füßen des Königs getrieben.

Dieser Mensch war ein Mönch auf einem Esel reitend; der Mönch sprach und gestikulierte.

Der Esel schrie.

»Alle Teufel!« sagte Chicot, sobald er den Mann und den Esel, welche einander tragend, in Szene getreten waren, erkannt hatte, »ich sprach so eben von einem berühmten Prediger, den ich in Saint-Merry hören wollte; es ist nicht mehr nötig, so weit zu gehen; hören wir ein wenig diesen.«

»Ein Prediger auf einem Esel,« versetzte Quélus.

»Warum nicht, mein Sohn.«

»Das ist Silen!« rief Maugiron.

»Welcher ist der Prediger?« fragte der König. »Sie sprechen Beide zu gleicher Zeit.«

»Der Untere ist beredter,« erwiderte Chicot, »aber der Obere spricht besser Französisch; höre, Heinrich, höre!«

»Stille!« rief man von allen Selten, »stille!«

»Stille!« rief Chicot mit einer Stimme, welche alle andere Stimmen übertönte.

Jeder schwieg. Man bildete einen Kreis um den Mönch und den Esel. Der Mönch hob an und sprach:

»Meine Brüder, Paris ist eine herrliche Stadt, Paris ist der Stolz Frankreichs, und die Pariser sind ein Volk von geistreichen Leuten, wie das Lied sagt.«

Und der Mönch begann aus voller Kehle zu singen:

 
»Pariser Du, mein schöner Freund,
Was kennst Du doch die Wissenschaften!«
 

Aber mit diesen Worten oder vielmehr mit dieser Melodie vermischte der Esel sein Accompagnement so laut und mit solcher Heftigkeit, dass er seinem Reiter den Vers abschnitt.

Das Volk brach in ein Gelächter aus.

»Schweige doch, Panurgos,« rief der Mönch, »du wirst sprechen, wenn die Reihe an dir ist. Aber laß mich zuerst reden.«

Der Esel schwieg.

»Meine Brüder,« fuhr der Prediger fort, »die Erde ist ein Tal der Schmerzen, in welchem der Mensch meistens seinen Durst nur mit Tränen löschen kann.«

»Er ist völlig betrunken,« sagte der König.

»Bei Gott!« versetzte Chicot.

»Ich, der ich mit Euch rede,« fuhr der Mönch fort, »komme, so wie Ihr mich seht, aus der Verbannung zurück wie die Hebräer, und seit acht Tagen leben wir, Panurgos und ich, nur von Almosen und Entbehrungen.«

»Wer ist denn Panurgos?« fragte der König.

»Aller Wahrscheinlichkeit nach der Superior seines Klosters,« antwortete Chicot. »Doch laß mich hören; der gute Mann rührt mich.«

»Wer hat mir das eingetragen? Herodes. Ihr wisst, von welchem Herodes ich sprechen will.«

»Und Du auch, mein Sohn,« sagte Chicot, »ich habe Dir das Anagramm erklärt.«

»Bursche!«

»Mit Wem sprichst Du, mit mir, mit dem Mönch oder mit dem Esel?«

»Mit allen Dreien.«

»Meine Brüder,« fuhr der Mönch fort, »hier ist mein Esel, den ich wie ein Lamm liebe; er wird Euch sagen, dass wir in drei Tagen von Villeneuve-le-Roi hierher gereist sind, um der großen Feierlichkeit dieses Abends beizuwohnen, und wie sind wir gereist:

 
»Die Börse leer,
Die Kehle trocken.
 

»Doch daraus haben wir uns nichts gemacht, Panurgos und ich.«

»Wen des Teufels nennt er denn Panurgos?« fragte der König, den dieser pantagruelische Name beschäftigte.

»Wir sind also gereist,« fuhr der Mönch fort, »und wir sind angekommen, um zu sehen, was vorgeht; wir sehen zwar nun, aber wir begreifen nicht. Was geht denn vor, meine Brüder? Setzt man heute Herodes ab? Steckt man Bruder Heinrich heute in ein Kloster?«

»Ah! ah!« sagte Quélus, »ich habe große Lust, dieses dicke Weinfass anzustechen; was meinst Du, Maugiron?«

»Bah!« versetzte Chicot, »Du ärgerst Dich wegen einer solchen Kleinigkeit, Quélus? Steckt sich der König nicht jeden Tag in ein Kloster? Glaube mir, Heinrich, wenn man Dir nicht mehr thut, als dieses, so hast Du Dich nicht zu beklagen, nicht wahr, Panurgos?«

Bei seinem Namen gerufen, spitzte der Esel die Ohren und fing an furchtbar zu schreien.

»Oh! Panurgos, oh!« sagte der Mönch, »hast du Leidenschaften! Meine Herren,« fuhr er fort, »ich habe Paris mit zwei Reisegefährten verlassen, mit Panurgos, der mein Esel ist, und mit Chicot, der der Narr Seiner Majestät ist. Meine Herren, könnt Ihr mir sagen, was aus meinem armen Freunde Chicot geworden?«

Chicot machte eine Grimasse.

»Ah!« sagte der König, »es ist Dein Freund!«

Quélus und Maugiron brachen in ein Gelächter aus.

»Er ist schön, Dein Freund,« fügte der König bei, »und besonders ehrfurchtsvoll; wie heißt er denn?«

»Es ist Gorenflot, Heinrich; Du weißt, der liebe Gorenflot, den Herr von Morvilliers bereits mit zwei Worten bei Dir berührt hat.«

»Der Brandstifter von Sainte-Geneviève?«

»Derselbe.«

»Dann werde ich ihn hängen lassen.«

»Unmöglich!«

»Warum?«

»Weil er keinen Hals hat.«

»Meine Brüder,« fuhr Gorenflot fort, »meine Brüder, Ihr seht in mir einen wahren Märtyrer. Meine Brüder, meine Sache, oder vielmehr die aller guten Katholiken verteidigt man in diesem Augenblick. Ihr wisst nicht, was in der Provinz vorgeht und was die Hugenotten brauen. Wir waren genötigt, in Lyon einen Menschen zu töten, der den Aufruhr predigte. So lange noch eine einzige Brut in ganz Frankreich übrig ist, haben die guten Herzen keinen Augenblick Ruhe. Rotten wir also die Hugenotten aus. Zu den Waffen, meine Brüder, zu den Waffen!«

Mehrere Stimmen wiederholten:

»Zu den Waffen!«

»Beim Tode Gottes!« sprach der König, »mach', dass dieser Trunkenbold schweigt, oder er bereitet uns eine zweite Bartholomäusnacht.«

»Warte, warte,« sagte Chicot.

Und ein Blasohr aus den Händen von Quélus nehmend, ging er hinter den Mönch und versetzte ihm mit seiner ganzen Kraft mit dem hohlen, klingenden Instrument einen Schlag auf die Schulter.

»Mörder! Mörder!« rief der Mönch.

»Ah! Du bist es,« sagte Chicot, seinen Kopf unter dem Arm des Mönches durchstreckend, »wie geht es Dir, Kuttenmann?«

»Zu Hilfe, Herr Chicot, zu Hilfe, die Feinde des Glaubens wollen mich ermorden; doch ich werde nicht sterben, ohne dass meine Stimme sich hörbar macht; in's Feuer mit den Hugenotten, auf den Scheiterhaufen den Béarner!«

»Willst Du schweigen, Tier!«

»Zum Teufel die Gascogner!« fuhr der Mönch fort.

In diesem Augenblick fiel ein zweiter Schlag, nicht von einem Rohre, sondern von einem Stocke, auf die Schulter von Gorenflot, der diesmal wirklich einen Schmerzensschrei ausstieß.

Chicot schaute erstaunt umher, aber er sah nur den Stock; der Streich war von einem Manne geführt worden, der sich in der Menge verlor, nachdem er dem Bruder Gorenflot diese flüchtige Züchtigung erteilt hatte.

»Ah! ah!« sagte Chicot, »wer Teufels rächt uns so? Ich muss mir darüber Sicherheit verschaffen.«

Und er lief dem Manne mit dem Stocke nach, der, von einem einzigen Gefährten begleitet, längs dem Quai hinschlüpfte.

Zweites Kapitel
Die Rue de la Ferronnerie

Chicot besaß gute Beine und würde sich derselben mit Vorteil bedient haben, um den Mann einzuholen, der Gorenflot geschlagen, hätte ihm nicht etwas Seltsames in der Haltung dieses Mannes und besonders in der seines Gefährten begreiflich gemacht, es wäre gefährlich, so ungestüm eine Wiedererkennung hervorzurufen, die er vermeiden zu wollen schien. Die zwei Flüchtlinge trachteten sichtbar darnach, sich in der Menge zu verlieren, und wandten sich nur an den Straßenecken um, in der Absicht, sich zu versichern, dass man ihnen nicht folgte.

Chicot dachte, es gebe nur ein Mittel, den Anschein zu vermeiden, als folgte er ihnen, nämlich ihnen voranzugehen. Beide gingen nach der Rue Saint-Honoré durch die Rue de la Monnaie und die Rue Tirechappe; an der Ecke der letzteren schritt er an ihnen vorbei, lief rann rasch zu und legte sich am Ende der Rue des Bourdonnais in Hinterhalt.

Die zwei Männer gingen die Rue Saint-Honoré hinauf, zogen sich auf der Seite der Getreidehalle hin und marschierten, den Hut über die Stirne herabgeschlagen, den Mantel bis an die Augen hinaufgezogen, mit einem eiligen Schritte, der etwas Militärisches hatte, nach der Rue de la Ferronnerie. Chicot ging ihnen fortwährend voran.

An der Ecke der Rue de la Ferronnerie blieben die zwei Männer abermals stehen, um zum letzten Male umherzuschauen.

Mittlerweile hatte Chicot immer mehr Raum gewonnen und war bis in die Hälfte der Straße gelangt.

Mitten in der Straße und vor einem Hause, das dem Einsturz nahe zu sein schien, so alt war es, stand eine Sänfte mit zwei kräftigen Pferden bespannt. Chicot blickte umher, sah den eingeschlafenen Führer auf dem Vordersitze und eine Frau, welche unruhig zu sein schien und ihr Gesicht an die Jalousie drückte; es kam ihm der leuchtende Gedanke, die Sänfte erwarte die zwei Männer; er drehte sich um dieselbe und schlüpfte, beschützt von ihrem Schatten, so wie von dem des Hauses, unter eine große Steinbank, die zur Auslage für Gemüsehändler diente, welche zweimal in der Woche in jener Zeit in der Rue de la Ferronnerie Markt hielten.

Kaum hatte er sich darunter gekauert, als er die zwei Männer an den Köpfen der Pferde erscheinen sah, wo sie abermals unruhig anhielten; einer von ihnen weckte den Kutscher, und da dieser einen sehr harten Schlaf hatte, so entschlüpfte ihm ein vortrefflich ausgesprochenes Cap di diou, während der andere, noch ungeduldiger, ihn mit seiner Dolchspitze in das Hinterteil stach.

»Oh! oh!« sagte Chicot, »ich täusche mich nicht, es sind Landsleute; es wundert mich nicht mehr, dass sie Gorenflot so hübsch gestriegelt haben, da er schlimm von den Gascognern sprach.«

 

Die junge Frau erkannte ebenfalls in den zwei Männern diejenige, welche sie erwartete, und neigte sich rasch aus dem Schlage der schweren Maschine. Chicot sah sie nun deutlicher; sie mochte etwa zwanzig bis zwei und zwanzig Jahre alt sein, war sehr schön und sehr bleich, und wenn es Tag gewesen wäre, so hätte man an dem Dunste, der ihre goldblonden Haare und ihre schwarzumkreisten Augen befeuchtete, an ihren mattweißen Händen, an der kraftlosen Haltung ihres ganzen Körpers zu erkennen vermocht, dass sie einem krankhaften Zustande preisgegeben war, dessen Geheimnis die häufigen Ohnmachten und die Rundung ihres Leibes rasch enthüllt haben würden.

Doch von Allem dem sah Chicot nur dreierlei: dass sie jung, bleich und blond war.

Die zwei Männer näherten sich der Sänfte und standen so natürlich zwischen ihr und der Bank, unter der sich Chicot verborgen hatte.

Der Größere von Beiden nahm mit zwei Händen die weiße Hand, die ihm die Dame durch die Öffnung der Sänfte reichte, stellte den Fuß auf den Tritt und setzte die zwei Arme auf den Schlag.

»Nun, mein Herzchen,« fragte er die Dame, »nun, mein Liebchen, wie geht es uns?«

Die Dame antwortete mit einem traurigen Lächeln, den Kopf schüttelnd und auf ihren Flacon mit Riechsalz deutend.

»Abermals Schwächen! Ventre-saint-gris! wie böse wäre ich Euch, dass Ihr so krank seid, meine Geliebte, wenn ich mir Eure süße Krankheit nicht zum Vorwurf machen müsste!«

»Und warum des Teufels führt Ihr Madame nach Paris,« sprach der andere Mann mit ziemlich hartem Tone, »es ist bei meiner Treue ein wahrer Fluch, dass Ihr beständig irgend einen Unterrock an Euer Wamms genäht haben müsst.«

»Ei! lieber Agrippa,« sagte derjenige von den zwei Männern, welcher zuerst gesprochen hatte und der Gatte oder der Geliebte der Dame zu sein schien, »es ist ein so großer Schmerz, sich von dem, was man liebt, zu trennen.«

»Cordioux! ich möchte bei meiner Seele rasend werden, wenn ich Euch so sprechen höre,« versetzte der saure Gefährte, »seid Ihr nach Paris gekommen, um Liebesgeschichten zu treiben, grüner Galant? Es scheint mir, Béarn ist groß genug für Eure sentimentalen Spaziergänge, und Ihr brauchtet sie nicht bis nach Babylon fortzutreiben, wo Ihr uns zwanzigmal diesen Abend beinahe kreuzlahm gemacht hättet. Kehrt zurück, wenn Ihr an den Vorhängen von Sänften buhlen wollt; doch hier, Mordioux! macht keine andere Intrigen als politische, mein Herr und Gebieter.«

Chicot hätte bei dem Worte Gebieter gern den Kopf erhoben, doch er konnte eine solche Bewegung nicht wagen, ohne gesehen zu werden.

»Lasst ihn brummen, mein Liebchen, und kümmert Euch nicht darum; ich glaube, er bekäme Übelkeiten und Ohnmachten wie Ihr, wenn er nicht mehr brummen würde!«

»Ventre-saint-gris! wie Ihr sagt,« rief der Andere, »steigt doch wenigstens in die Sänfte, wenn Ihr Madame Zärtlichkeiten sagen wollt, Ihr setzt Euch weniger der Gefahr aus, erkannt zu werden, als wenn Ihr auf der Straße stehen bleibt.«

»Du hast Recht, Agrippa,« sagte der verliebte Gascogner. »Und Ihr seht, mein Liebchen, dass er kein so schlimmer Ratgeber ist, als man glauben sollte. Macht mir Platz, mein Herzchen, das heißt, wenn Ihr mir erlaubt, mich an Eure Seite zu setzen, insofern ich nicht zu Euren Füßen liegen kann.«

»Ich erlaube es nicht nur, Sire, sondern ich wünsche es sehnlichst,« antwortete die junge Dame.

»Sire!« murmelte Chicot, der fortgerissen von einer unüberlegten Bewegung den Kopf erheben wollte und sich schmerzhaft an der Sandsteinbank stieß, »Sire, was sagt sie denn da?«

Mittlerweile benützte der glückliche Liebhaber die Ihm erteilte Erlaubnis, und man hörte den Boden der Sänfte unter einem neuen Gewichte knarren.

Auf das Knarren folgte ein langer, zärtlicher Kuss.

»Mordioux!« rief der außerhalb der Sänfte gebliebene Gefährte, »der Mensch ist in der Tat ein sehr albernes Tier.«

»Ich lasse mich hängen, wenn ich etwas begreife,« murmelte Chicot, »doch wir wollen warten: Jeder kommt zum Ziele, der zu warten weiß.«

»Oh! wie glücklich bin ich,« fuhr, ohne sich im Geringsten um die Ungeduld seines Freundes zu bekümmern, an die er übrigens seit langer Zeit gewohnt zu sein schien, derjenige fort, welchen man Sire nannte; »Ventre-saint-gris, es ist heute ein schöner Tag. Meine guten Pariser verfluchen mich von ganzer Seele und würden mich ohne Barmherzigkeit umbringen, wenn sie wüssten, wo sie mich zu diesem Behufe festnehmen könnten. Meine Pariser arbeiten vortrefflich, um mir den Weg zum Throne zu ebnen, und ich halte in meinen Armen die Frau, die ich liebe! Wo sind wir, d'Aubigné? Wenn ich König bin, – will ich an dieser Stelle eine Statue dem Genius des Béarners errichten lassen.«

»Des Béarn …«

Chicot hielt an, er hatte sich eine zweite Beule auf der ersten gestoßen.

»Wir sind in der Rue de la Ferronnerie, Sire, und es riecht hier nicht gut,« sprach d'Aubigné, der die Dinge angriff, wenn er die Menschen anzugreifen müde war.

»Es scheint mir,« fuhr Heinrich fort, denn unsere Leser haben ohne Zweifel bereits den König von Navarra erkannt, »es scheint mir, ich umfasse klar mein ganzes Leben; ich sehe mich als König, ich fühle mich auf dem Throne, stark und mächtig, doch vielleicht weniger geliebt, als ich es zu dieser Stunde bin, und mein Blick taucht in die Zukunft bis zu der Minute meines Todes. Oh! meine Geliebte, wiederholt mir noch einmal, dass Ihr mich liebt, denn bei Eurer Stimme schmilzt mein Herz.«

Und mit einem schwermütigen Gefühle, das sich seiner oft bemächtigte, ließ der Béarner tief seufzend seinen Kopf auf die Schulter seiner Geliebten sinken.

»O mein Gott!« sagte die junge Frau erschrocken, »seid Ihr unwohl, Sire?«

»Gut! das fehlte noch,« murmelte d'Aubigné, »ein schöner Soldat, ein schöner General, ein schöner König, der in Ohnmacht fällt.«

»Nein, mein Liebchen, beruhigt Euch,« versetzte Heinrich, »es wäre ein Glück, wenn ich bei Euch ohnmächtig würde.«

»In der Tat, Sire,« sprach d'Aubigné, »ich weiß nicht, warum Ihr Heinrich von Navarra unterzeichnet; Ihr solltet Ronsard oder Clement Marot unterzeichnen. Cordioux! wie kommt es, dass Ihr eine so schlechte Ehe mit Frau Margot führt, während Ihr Beide so zärtlich der Poesie ergeben seid?«

»Ah! d'Aubigné, ich bitte Dich, schweige von meiner Frau. Ventre-saint-gris! Du kennst das Sprichwort: wenn wir sie treffen würden?«

»Gut, dass sie in Navarra ist, nicht wahr?« sprach d'Aubigné.

»Ventre-saint-gris! bin ich nicht auch in Navarra? Nimmt man nicht wenigstens an, ich sei dort? Höre, Agrippa, Du hast mir einen Schauer gemacht; steig? ein und laß uns zurückkehren.«

»Meiner Treue, nein,« erwiderte d'Aubigné, »geht, und ich werde Euch von hinten folgen; ich würde Euch belästigen und, was noch schlimmer ist, Ihr würdet mich belästigen.«

»Schließe also den Schlag, Bär von Béarn, und mache, was Du willst,« sagte Heinrich.

Dann sich an den Kutscher wendend: »Lavarenne, Du weißt, wohin?«

Die Sänfte entfernte sich langsam, gefolgt von d'Aubigné, der, obgleich den Freund schmähend, doch den König bewachen wollte.

Dieser Abgang befreite Chicot von einer furchtbaren Angst, denn nach einer solchen Unterredung mit Heinrich war d'Aubigné nicht der Mann, den Unglücklichen, der sie gehört, leben zu lassen.

»Nun fragt es sich,« sagte Chicot, auf Händen und Füßen unter seiner Bank hervorkommend, »nun fragt es sich, soll der Valois erfahren, was vorgefallen ist?«

Chicot richtete sich auf, um seinen, durch den Krampf steif gewordenen langen Beinen wieder Elastizität zu geben.

»Und warum soll er es erfahren?« fuhr der Gascogner, mit sich selbst sprechend, fort, »zwei Männer, die sich verbergen, und eine schwangere Frau! In der Tat, das wäre feig. Nein, ich werde nichts sagen, und dann, ist es nicht die Hauptsache, dass ich unterrichtet bin, da ich im Ganzen regiere?«

Chicot machte ganz allein einen freudigen Luftsprung.

»Es ist etwas Hübsches um die Verliebten!« sprach Chicot, »doch d'Aubigné hat Recht, er liebt zu oft für einen König in partibus, dieser teure Heinrich von Navarra. Vor einem Jahre kam er wegen Frau von Sauves nach Paris zurück; heute lässt er sich dahin das reizende kleine Geschöpf folgen, das Ohnmachten hat. Wer Teufels mag es sein? Die Fosseuse wahrscheinlich. Und dann, wenn ich es mir überlege, wenn Heinrich von Navarra ein ernstlicher Prätendent ist, wenn er wirklich nach dem Throne strebt, der arme Junge, so muss er ein wenig daran denken, seinen Feind den Balafré, seinen Feind den Kardinal von Guise, und seinen Feind diesen teuren Herzog von Mayenne zu vernichten. Wohl, ich liebe ihn, den Béarner, und bin überzeugt, dass er früher oder später diesem abscheulichen lothringischen Schlächter einen schlimmen Streich spielen wird. Ich werde entschieden nicht von dem schnaufen, was ich gesehen und gehört habe.«

In diesem Augenblick zog eine Bande betrunkener Liguisten unter dem Rufe: »Es lebe die Messe! Tod dem Béarner! Auf den Scheiterhaufen die Hugenotten! Verbrennt die Ketzer!« vorüber.

Die Sänfte drehte sich indessen um die Mauerecke des Cimetière des Saints-Innocens und verschwand in den Tiefen der Rue Saint-Denis.

»Wir wollen uns die Sache noch einmal wiederholen und durchgehen,« sagte Chicot, »ich habe den Kardinal von Guise gesehen, ich habe den Herzog von Mayenne gesehen, ich habe den König Heinrich von Valois gesehen, ich habe den König Heinrich von Navarra gesehen; ein einziger Prinz fehlt mir zu meiner Sammlung, das ist der Herzog von Anjou; wir wollen ihn suchen, bis wir ihn finden. Lasst sehen, wo ist mein Franz III. Bei Gott! ich habe eine wahre Sehnsucht nach dem Anblick dieses würdigen Monarchen.«.

Hiernach schlug Chicot wieder den Weg nach der Kirche Saint-Germain-l'Auxerrois ein.

Chicot war nicht der Einzige, der den Herzog von Anjou suchte und sich über seine Abwesenheit beunruhigte; auch die Guisen suchten ihn überall, doch sie waren nicht glücklicher als Chicot. Herr von Anjou war nicht der Mann, sich unkluger Weise bloßzustellen, und wir werden später sehen, welche Vorsichtsmaßregeln ihn noch von seinen Freunden entfernt hielten. Einen Augenblick jedoch glaubte ihn Chicot gefunden zu haben; es war dies in der Rue Béthisy: eine zahlreiche Gruppe hatte sich vor der Türe eines Weinhändlers gebildet, und unter dieser Gruppe erkannte Chicot Herrn von Monsoreau und den Balafré.

»Gut!« sagte er, »hier sind die Schiffshalter!16 der Haifisch kann nicht fern sein.«

Chicot täuschte sich; Herr von Monsoreau und der Balafré waren beschäftigt, vor der Türe, einer mit Trunkenen vollgepfropften Schenke viel Wein einem Sprecher einzugießen, dessen stammelnde Beredsamkeit sie dadurch anstachelten.

Dieser Redner war der über alles Maß berauschte Gorenflot, Gorenflot, der seine Reise nach Lyon und seinen Zweikampf in einem Gasthofe mit einem furchtbaren Anhänger von Calvin erzählte.

Herr von Guise schenkte dieser Erzählung, in der er einen Zusammenhang mit dem Stillschweigen von Nicolas David zu erkennen glaubte, die beharrlichste Aufmerksamkeit.

Die Rue Béthisy war gedrängt voll von Menschen; mehrere liguistische Edelleute hatten ihre Pferde an einem Rundplatz angebunden, wie sie sehr gewöhnlich in den meisten Straßen jener Zeit waren. Chicot blieb am Ende der Gruppe, welche diesen Rundplatz schloss, stehen und horchte.

Taumelnd, unablässig von seinem lebendigen Stuhle zurückfallend und wohl oder übel wieder in den Sattel von Panurgos gesetzt, sprach Gorenflot nur noch in Abstößen; doch er sprach leider immer noch und war das Spielzeug der Beharrlichkeit des Herzogs und der Geschicklichkeit von Herrn von Monsereau, welche Bruchstücke von Vernunft und Brocken von Geständnissen aus ihm herauszogen.

Eine solche Beichte erschreckte den Gascogner natürlich viel mehr, als die Anwesenheit des Königs von Navarra in Paris. Er sah den Augenblick kommen, wo Gorenflot seinen Namen entschlüpfen lassen würde, und dieser Name konnte ein unseliges Licht auf das ganze Geheimnis werfen. Chicot verlor keine Zeit; er schnitt oder band die Zäume der Pferde ab, welche sich an den Läden der Buden des Rundplatzes liebkosten, gab einigen derselben heftige Steigriemenhiebe und jagte sie so mitten unter die Menge, die sich vor ihrem Galopp und ihrem Gewieher hastig und durchbrochen öffnete.

 

Gorenflot hatte bange für Panurgos, die Edelleute hatten bange für ihre Pferde und ihre Mantelsäcke, Viele hatten bange für sich selbst. Die Versammlung brach aus einander und zerstreute sich. Der Ruf: Feuer! Feuer! erscholl von einem Dutzend Stimmen wiederholt. Chicot schoss wie ein Pfeil durch die Gruppen, näherte sich Gorenflot, zeigte ihm ein Paar flammende Augen, die demselben den Rausch zu benehmen anfingen, ergriff Panurgos beim Zügel und drehte, statt der Menge zu folgen, dieser den Rücken zu, so dass die doppelte Bewegung, in entgegengesetzter Richtung gemacht, bald einen beträchtlichen Raum zwischen Gorenflot und dem Herzog von Guise ließ, einen Raum, den auf der Stelle der stets anwachsende Kern zu spät herbei gelaufener Neugieriger füllte.

Chicot zog nun den schwankenden Mönch in den Hintergrund einer Art von Sackgasse, welche das Seitengemälde der Kirche Saint-Germain- l'Auxerrois bildete, lehnte ihn und Panurgos an die Mauer an, wie es ein Bildhauer getan haben würde, der ein Basrelief in den Stein hätte incrustiren wollen, und sagte zu ihm:

»Ah! Trunkenbold! ah! Heide! ah! Verräter! ah! Abtrünniger! Du ziehst also immer einen Krug Wein Deinem Freunde vor?«

»Ah! Herr Chicot!« stammelte der Mönch.

»Wie! ich füttere Dich, Schändlicher!« fuhr Chicot fort, »ich tränke Dich, ich fülle Dir die Taschen und den Magen, und Du verrätst Deinen Herrn?«

»Ah! Chicot,« sagte der Mönch erschüttert.

»Du erzählst meine Geheimnisse, Elender!«

»Lieber Freund!«

»Schweige, Du bist ein Schmarotzer und verdienst eine Züchtigung.«

Der gedrängte, kräftige, ungeheure Mönch, der Mönch, mächtig wie ein Stier, aber gezähmt durch die Reue und besonders durch den Wein, wankte, ohne sich zu verteidigen, in den Händen von Chicot, der ihn schüttelte wie einen von Luft aufgeblasenen Ball.

Panurgos allein protestierte gegen die Gewalt, die man seinem Freunde antat, durch Fußtritte, welche Niemand trafen, und ihm von Chicot mit Stockschlägen zurückgegeben wurden.

»Mir eine Züchtigung!« murmelte der Mönch, »eine Züchtigung Eurem Freunde, lieber Herr Chicot?«

»Ja, ja, Du sollst sie bekommen,« rief Chicot und der Stock des Gascogners ging auf einen Augenblick von dem Kreuze des Esels auf die breiten, fleischigen Schultern des Mönches über.

»Oh! wenn ich nüchtern wäre,« sagte Gorenflot mit einer Bewegung des Zornes.

»Du würdest mich schlagen, nicht wahr, Undankbarer, nicht wahr, mich, Deinen Freund?«

»Ihr mein Freund, Herr Chicot? Und Ihr schlagt mich tot!«

»Wen der Herr lieb hat, den züchtigt er.«

»Reißt mir lieber sogleich das Leben aus,« rief Gorenflot.

»Ich sollte es tun.«

»Oh! Wenn ich nüchtern wäre,« wiederholte der Mönch mit einem tiefen Seufzer.

»Du hast es bereits gesagt,« sprach Chicot, seine Freundschaftsbeweise gegen den armen Genovever wiederholend, der aus Leibeskräften zu blöken anfing.

»Gut, nach dem Ochsen kommt das Kalb,« sagte der Gascogner. »Man klammre sich nun an Panurgos an und lege sich hübsch im Füllhorn zu Bette.«

»Ich sehe meinen Weg nicht mehr,« sagte der Mönch, aus dessen Augen große Tränen liefen.

»Ah!« rief Chicot, »wenn Du den Wein beweinen würdest, den Du getrunken hast, so könnte es Dir vielleicht wenigstens den Rausch benehmen. Doch nein, ich muss Dir noch als Führer dienen.«.

Und Chicot fing an, den Esel am Zaume zu ziehen, während sich der Mönch mit beiden Händen an seinem Tiere anklammerte und sich unsäglich anstrengte, um seinen Schwerpunkt zu behaupten.

So wanderten sie über den Pont aux Meuniers durch die Rue Saint-Barthelemy, über die kleine Brücke und durch die Rue Saint-Jacques hinauf, der Mönch stets weinend, der Gascogner stets ziehend.

Zwei Kellner, Gehilfen von Meister Bonhomet, heben den Mönch auf Befehl von Chicot von seinem Esel herab und führten ihn in das unsern Lesern bekannte Kabinett.

»Es ist geschehen,« sagte Meister Bonhomet zurückkehrend.

»Hat er sich niedergelegt?« fragte Chicot.

»Er schnarcht.«

»Vortrefflich! Da er jedoch früher oder später erwachen wird, so erinnert Euch, dass er nicht erfahren soll, wie er zurückgekommen ist: also kein Wort der Erklärung; es wäre sogar nicht übel, wenn er glauben würde, er hätte dieses Haus seit der bekannten Nacht, wo er in seinem Kloster so großen Lärmen gemacht, nicht verlassen, und wenn er Alles, was ihm in der Zwischenzeit begegnet ist, für einen Traum hielte.«

»Schon gut, Herr Chicot,« erwiderte der Wirt, »doch was ist denn dem armen Mönche begegnet?«

»Ein großes Unglück, es scheint, er hat in Lyon mit einem Abgesandten von Herrn von Mayenne Streit bekommen und ihn getötet.«

»Oh! mein Gott!« rief der Wirt, »dann hat wohl …«

»Herr von Mayenne hat, wie es scheint, geschworen, er wolle seinen Namen verlieren, wenn er ihn nicht lebendig rädern lasse,« antwortete Chicot.

»Seid unbesorgt,« sagte Bonhomet, »er wird unter keinem Vorwand von hier wegkommen.«

»Gut; und nun,« fuhr der Gascogner über Gorenflot beruhigt fort, »und nun muss ich durchaus meinen Herzog von Anjou finden, und den wollen wir stracks suchen.«

Und er lief eiligst nach dem Hotel Seiner Majestät Franz III.

16Eine Gattung von Fischen mit einem Schilde auf dem Kopfe, mittels dessen sie sich an verschiedene Körper anhängen oder ansaugen und die man oft an Haifischen hängend findet. Ihr Name Schiffshalter rührt von der alten Sage her, sie seien im Stande, ein Schiff im Laufe aufzuhalten. D. Übers.