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Die Dame von Monsoreau

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Neuntes Kapitel
Wie der König einen Anführer für die Ligue ernannte und wie dies weder Seine Hoheit der Herzog von Anjou, noch Monseigneur der Herzog von Guise war

Die Stunde des großen Empfangs war gekommen, oder sollte vielmehr kommen, denn seit Mittag empfing der Louvre die bedeutendsten Häupter, die Beteiligten und sogar die Neugierigen. Paris, stürmisch wie am Tage zuvor, nur mit dem Unterschied, dass die Schweizer, welche dem Feste des vorhergehenden Tages nicht beigewohnt hatten, an diesem Tage die Hauptpersonen des Schauspiels waren; Paris, stürmisch wie am Tage zuvor, sagen wir, schickte nach dem Louvre seine Deputationen von Liguisten, seine Körperschaften von Arbeitern, seine Schöppen, seine Milizen und seine sich immer wieder gebärenden Wellen von Zuschauern, welche an den Tagen, wo das ganze Volk mit irgend Etwas beschäftigt ist, um das Volk her, um es zu beschauen, erscheinen, eben so zahlreich, eben so tätig, eben so neugierig, als ob es in Paris zwei Völker gäbe, und als ob in dieser Stadt, im Kleinen dem Bilde der Welt, sich jede einzelne Person nach Belieben in zwei Teile teilen könnte, von denen die eine handeln und die andere handeln sehen würde.

Es hatte sich also eine beträchtliche Volksmasse um den Louvre zusammengedrängt; doch man zittere darum nicht für den Louvre. Es war noch nicht die Zeit, wo das Gemurmel der Völker, in Donner verwandelt, die Mauern mit dem Hauche seiner Kanonen zertrümmert und das Schloss über seinen Herren zusammenstürzt; die Schweizer, diese Vorfahren des 10. August und des 27. Juli lächelten über die Massen der Pariser, obgleich diese Massen bewaffnet waren, und die Pariser lächelten über die Schweizer, die Zeit war noch nicht für das Volk gekommen, den Vorhof seiner Könige mit Blut zu bespritzen.

Man glaube indessen nicht, dass es dem Drama, weil es minder düster war, an Interesse gebrach; es war im Gegenteil eine der merkwürdigsten Szenen, die wir bis jetzt skizziert haben, die Szene, welche der Louvre bot. Der König saß in seinem großen Saale, im Thronsaale, von seinen Freunden, von seinen Dienern, von seinen Offizieren, von seiner Familie umgeben und wartete, bis alle Körperschaften vor ihm defiliert hatten, um sodann, ihre Führer in diesem Palast zurücklassend, die ihnen angewiesenen Plätze unter den Fenstern und in den Höfen des Louvre einzunehmen.

Er konnte so mit einem Male in Masse seine Feinde überschauen und beinahe zählen … von Zeit zu Zeit durch Chicot unterrichtet, der hinter seinem königlichen Fauteuil verborgen war, gewarnt durch einen Blick der Königin Mutter, oder aufmerksam gemacht durch ein Zittern geringerer Liguisten, welche weniger eingeweiht in die Geheimnisse, als ihre Führer, viel ungeduldiger waren, als diese.

Plötzlich trat Herr von Monsoreau ein.

»Sieh,« sagte Chicot, »schau doch, Henriquet.«

»Was soll ich anschauen?«

»Schau, bei Gott! Deinen Oberstjägermeister an! es ist der Mühe wert; er ist bleich und kotig genug, um ein Anschauen zu verdienen.«

»In der Tat, er ist es,« sprach der König.

Heinrich machte Herrn von Monsoreau ein Zeichen, der Oberstjägermeister näherte sich ihm.

»Was macht Ihr im Louvre, mein Herr?« fragte Heinrich. »Ich glaubte, Ihr wäret in Vincennes beschäftigt, uns einen Hirsch zu bestätigen.«

»Der Hirsch war wirklich um sieben Uhr diesen Morgen bestätigt; als es aber beinahe Mittag war und ich keine Nachricht hatte, befürchtete ich, es wäre Euch ein Unglück widerfahren, und eilte hierher.«

»In der Tat?» versetzte der König.

»Sire,« sprach der Graf, »wenn ich mich gegen meine Pflicht verfehlt habe, so schreibt diesen Fehler nur einem Übermaß von Ergebenheit zu.«

»Ja, mein Herr,« antwortete Heinrich,«und glaubt mir, dass ich diese Ergebenheit zu schätzen weiß.«

»Wenn nun…« sagte der Graf zögernd, »wenn nun Eure Majestät verlangt, dass ich nach Vincennes zurückkehre, da ich mich überzeugt habe…«

»Nein, nein, bleibt, mein Oberstjägermeister, diese Jagd war eine Phantasie, die uns durch den Kopf fuhr und wieder ging, wie sie gekommen ist; bleibt und entfernt Euch nicht, ich brauche in meiner Umgebung Leute, die mir ergeben sind, und Ihr habt Euch selbst unter diejenigen gestellt, auf deren Ergebenheit ich rechnen kann.«

Monsoreau verbeugte sich.

»Wo befiehlt Eure Majestät, dass ich mich aufhalten soll?« fragte der Graf.

»Willst Du mir ihn für eine halbe Stunde geben?« flüsterte Chicot dem König ins Ohr.

»Warum?«

»Um ihn in Wut zu bringen. Was macht es Dir? Du bist mir wohl einige Entschädigung dafür schuldig, dass ich einer so verdrießlichen Zeremonie, wie die, welche Du uns versprichst, beiwohnen muss.«

»Nun, so nimm ihn.«

»Ich habe die Ehre gehabt, Eure Majestät zu fragen, wo sie wünsche, dass ich Platz nehme?« fragte der Graf zum zweiten Male.

»Ich glaubte Euch geantwortet zu haben: Wo Ihr wollt. Hinter meinem Stuhle, zum Beispiel. Dahin stelle ich meine Freunde.«

»Kommt, mein Oberstjägermeister,« sprach Chicot, Herrn von Monsoreau einen Teil von dem Raume überlassend, den er sich allein vorbehalten hatte, »kommt und riecht mir ein wenig diese Bursche da. Das ist ein Wildbret, das man ohne Leithund stellen kann. Donner und Teufel, welch ein Geruch, Herr Graf! Die Schuhmacher ziehen vorüber oder sind vielmehr vorübergezogen; nun kommen die Rotgerber. Tod meines Lebens! mein Oberstjägermeister, wenn Ihr die Fährte von diesen verliert, so erkläre ich Euch, dass ich Euer Anstellungspatent zurücknehme!«

Herr von Monsoreau stellte sich, als hörte er, oder er hörte vielmehr, ohne den Sinn der Worte aufzufassen. Er war zu sehr beschäftigt und schaute mit einer Unruhe umher, welche dem König um so weniger entging, als Chicot ihn darauf aufmerksam zu machen bemüht war.

»Ei!« sagte er ganz leise zum König, »weißt Du, auf was Dein Oberjägermeister in diesem Augenblick jagt?«

»Nein; auf was jagt er?«

»Auf Deinen Bruder Anjou.«

»Den hat er auf jeden Fall nicht im Gesicht,« sagte Heinrich lachend.

»Nein, er kann höchstens seinen Stand mutmaßen. Ist Dir daran gelegen, dass er nicht erfährt, wo er sich befindet?«

»Es wäre mir nicht unangenehm, wenn er eine falsche Spur verfolgen würde, das muss ich gestehen.«

»Warte, warte! ich will ihn auf eine falsche Spur bringen. Man sagt, der Wolf habe den Geruch des Fuchses; er wird sich darin täuschen. Frage ihn nur, wo die Gräfin sei?«

»Warum dies?«

»Frage ihn immerhin.«

»Herr Graf,« sprach Heinrich, »was habt Ihr denn mit Frau von Monsoreau gemacht? Ich erblicke sie nicht unter diesen Damen.«

Der Graf bebte, als ob ihn eine Schlange in den Fuß gestochen hätte.

Chicot kratzte sich an der Nasenspitze und blinzelte dem König mit den Augen zu.

»Sire,« antwortete der Oberstjägermeister, »die Frau Gräfin ist krank, die Luft von Paris war ihr schädlich und sie reiste in dieser Nacht, nachdem sie sich von der Königin Urlaub erbeten und diesen erhalten hätte, mit dem Baron von Méridor, ihrem Vater, ab.«

»Nach welchem Teile von Frankreich reist sie?« fragte der König, sehr erfreut, eine Gelegenheit zu finden, den Kopf abzuwenden, während die Rotgerber vorüberzogen.

»Nach Anjou, ihrer Heimat, Sire.«

»Es ist wahr,« sagte Chicot ernst, »die Luft von Paris ist schwangeren Frauen nicht zuträglich: Gravidis uxoribus Lutetia inclemens. Ich rate Dir, das Beispiel des Grafen nachzuahmen, Heinrich, und Deine Frau auch irgendwohin zu schicken, wenn sie einmal schwanger sein wird…«

Monsoreau erbleichte und schaute Chicot wütend an.

Dieser aber schien, den Ellenbogen auf den königlichen Sessel und das Kinn in seine Hand gestützt, äußerst aufmerksam die Posamentierer zu betrachten, welche unmittelbar auf die Rotgerber folgten.

»Und wer hat Euch gesagt, Herr Unverschämt, die Gräfin wäre schwanger?' murmelte Monsoreau.

»Ist sie es nicht?« sagte Chicot, »mir scheint, es wäre noch viel unverschämter, dies vorauszusetzen.«

»Sie ist es nicht, mein Herr.«

»Halt! halt,« versetzte Chicot, »hast Du gehört, Heinrich? ich glaube, Dein Oberstjägermeister hat denselben Fehler begangen, wie Du; er hat die Hemden Unserer Lieben Frau einander zu nähern vergessen.«

Monsoreau schloss die Fäuste und verschlang seinen Zorn, nachdem er Chicot einen Blick des Hasses und der Drohung zugeworfen hatte, den dieser dadurch erwiderte, dass er seinen Hut auf die Augen drückte und die dünne, lange Feder, welche diesen Hut beschattete, wie eine Schlange spielen ließ.

Der Graf sah, dass der Augenblick schlecht gewählt war, und schüttelte den Kopf, als wollte er von seiner Stirne die Wolken, von denen sie belastet, fallen machen.

Chicot entwölkte sich ebenfalls und sprach, von einer düsteren Miene zum freundlichsten Lächeln übergehend:

»Die arme Gräfin, sie wird vor Langweile auf dem Wege sterben.«

»Ich habe dem König gesagt, sie reise mit ihrem Vater,« erwiderte Monsoreau.

»Es mag sein, ein Vater ist etwas Ehrwürdiges, doch nicht gerade unterhaltend; und wenn sie zu ihrer Zerstreuung auf dem Wege nur den würdigen Baron hätte, aber glücklicher Weise…«

»Was?« fragte rasch der Graf.

»Was, was?« versetzte Chicot.

»Was soll das glücklicher Weise bedeuten?«

»Ah! ah! es war eine Ellipse, die Ihr machtet, Herr Graf.«

Der Graf zuckte die Achseln.

»Ich bitte Euch um Verzeihung, mein Oberstjägermeister. Die fragende Form, der Ihr Euch bedientet, nennt man eine Ellipse, fragt nur Heinrich, der ein Philolog ist.«

»Ja,« sagte Heinrich, »doch was bedeutete Dein Adverbium: Glücklicher Weise

»Glücklicher Weise bedeutet glücklicher Weise. Glücklicher Weise, sagte ich und darin bewunderte ich die Güte Gottes. Glücklicher Weise, sagte ich, befinden sich zu dieser Stunde auf der Landstraße einige von unseren Freunden und zwar von den kurzweiligsten, welche die Gräfin, wenn sie dieselbe treffen, sicherlich zerstreuen werden; und,« fügte Chicot nachlässig bei, »und da sie denselben Weg verfolgen, so werden sie die Gräfin sehr wahrscheinlich treffen. Oh! ich sehe sie von hier aus. Siehst Du sie, Heinrich, Du, der Du ein Mann von Einbildungskraft bist? Siehst Du sie auf einem schönen grünen Wege ihre Pferde tummelnd und der Gräfin fünfzig lustige Schwänke erzählend, worüber sich die liebe Dame halb zu Tode lacht?«

 

Ein zweiter Dolch, noch schneidender als der erste, in die Brust des Oberstjägermeisters gedrückt! Es war jedoch nicht möglich, auszubrechen; der König war anwesend, und Chicot hatte wenigstens für den Augenblick einen Verbündeten im König. Monsoreau nahm auch eine Freundlichkeit an, die für die Anstrengung zeugte, mit der er seine böse Laune bewältigt hatte, und sprach, Chicot zugleich mit dem Blicke und der Stimme schmeichelnd:

»Wie, Ihr habt Freunde, die nach Anjou reisen?«

»Ihr könntet sogar sagen, wir haben, Herr Graf, denn diese Freunde sind noch mehr die Eurigen, als die meinigen.«

»Ihr setzt mich in Erstaunen, Herr Chicot; ich kenne Niemand, der …«

»Gut! spielt den Geheimnisvollen.«

»Ich schwöre Ihnen.«

»Mein Herr Graf, diese Freunde sind Euch so teuer, dass Ihr sie so eben aus Gewohnheit, denn es ist Euch vollkommen bekannt, dass sie sich auf der Straße nach Anjou befinden, dass Ihr sie so eben, sage ich, aus Gewohnheit, wie ich gesehen, unter der Menge gesucht habt… vergebens, wohl verstanden.«

»Ich,« versetzte der Graf, »Ihr wollt das gesehen haben?«

»Ja, Ihr, der Oberstjägermeister, der bleichste von allen vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Oberstjägermeistern, von Nimrod bis auf Herrn von d'Antefort, Euren Vorgänger.«

»Herr Chicot …«

»Der bleichste, ich wiederhole es: Veritas veritatum. Das ist ein Barbarismus, in Betracht, dass es immer nur eine Wahrheit gibt, und insofern, wenn es zwei geben würde, wenigstens eine davon nicht wahr wäre; Ihr seid kein Philolog, lieber Herr Esau.«

»Nein, mein Herr, das bin ich nicht; deshalb bitte ich Euch, unmittelbar auf die Freunde zurückzukommen, von denen Ihr spracht, und, wenn es Euch das Übermaß von Einbildungskraft, das man an Euch bemerkt, gestattet, diese Freunde bei ihren wahren Namen nennen zu wollen.«

»Ei! Ihr wiederholt immer dieselbe Sache. Sucht, Herr Oberstjägermeister, sucht beim Teufel! es ist Euer Gewerbe, die Tiere zu bestätigen, dies beweist der unglückliche Hirsch, den Ihr diesen Morgen gestört habt, ohne dass er es von Euch gewärtigen durfte. Wenn man Euch im Schlafe hindern würde, wäret Ihr damit zufrieden?«

Die Augen von Monsoreau irrten voll Schrecken auf der Umgebung von Heinrich umher.

»Was!« rief er, als er einen Platz neben dem König leer sah.

»Vorwärts!« sagte Chicot.

»Der Herr Herzog von Anjou!« rief der Oberstjägermeister.

»Tajo! tajo! das Tier ist lanciert,« sprach Chicot.

»Er ist heute abgereist!« rief der Graf.

»Er ist heute abgereist,« antwortete Chicot, »aber er mag gestern Abend abgereist sein. Ihr seid kein Philolog, mein Herr, doch fragt den König, der es ist. Wann, das heißt in welchem Augenblick ist Dein Bruder verschwunden, Henriquet?«

»In dieser Nacht,« antwortete der König.

»Der Herzog, der Herzog abgereist,« murmelte Monsoreau bleich und zitternd. »Ah! mein Gott! mein Gott! was sagt Ihr mir da, Sire!«

»Ich sage nicht, mein Bruder sei abgereist,« erwiderte der König, »ich sage nur, er sei in dieser Nacht verschwunden, und seine besten Freunde wissen nicht, wo er sei.«

»Oh!« rief der Graf voll Zorn, »wenn ich das glaubte!«

»Nun! nun! was würdet Ihr tun? Bedenkt übrigens ein wenig, was für ein großes Unglück wäre es denn, wenn er Frau von Monsoreau einige Süßigkeiten vorsagen würde? Er ist der Galant der Familie, unser Freund Franz; er war es für den König Karl IX., zur Zeit, da König Karl IX, noch lebte, und er ist es für König Heinrich III., der etwas Anderes zu tun hat, als galant zu sein; es ist beim Teufel doch das Wenigste, dass es am Hofe einen Prinzen gibt, der den Geist der Franzosen vertritt.«

»Der Herzog, der Herzog abgereist,« wiederholte Monsoreau, »seid Ihr dessen gewiss, mein Herr?«

»Und Ihr?« fragte Chicot.

Der Oberstjägermeister wandte sich noch einmal nach dem Platze um, den gewöhnlich der Herzog in der Nähe seines Bruders einnahm, dieser Platz aber blieb fortwährend leer.

»Ich bin verloren,« murmelte er mit einer Bewegung, die seine Absicht, zu entfliehen, so deutlich bezeichnete, dass ihn Chicot zurückhielt.

»Verhaltet Euch doch ruhig, Mord und Tod! Ihr bewegt Euch fortwährend hin und her, und das macht dem König übel. Ich möchte um mein Leben gern an der Stelle Eurer Frau sein, und wäre es nur, um den ganzen Tag einen Prinzen mit zwei Nasen zu sehen und Herrn Aurilly zu hören, der die Laute spielt wie der selige Orpheus. Welches Glück hat Eure Frau, welches Glück!«

Monsoreau bebte vor Zorn.

»Ruhig, Herr Oberstjägermeister,« sagte Chicot, »Verbergt doch Eure Freude; seht, die Sitzung beginnt; es ist unschicklich, so seine Leidenschaften zu offenbaren; hört die Rede des Königs.«

Der Oberstjägermeister war genötigt, an seinem Platze zu bleiben, denn der Saal des Louvre hatte sich wirklich allmählich gefüllt: er verharrte also unbeweglich und in der vom Ceremonial vorgeschriebenen Stellung. Die ganze Versammlung hatte sich niedergesetzt, Herr von Guise trat ein und beugte das Knie vor dem König, nicht ohne einen Blick unruhigen Erstaunens auf den von dem Herrn Herzog von Anjou leer gelassenen Stuhl zu werfen.

Der König stand auf; die Herolde befahlen Stillschweigen.

»Meine Herren, sprach der König unter dem tiefsten Stillschweigen, nachdem er sich versichert hatte, dass Épernon, Schomberg, Maugiron und Quélus, von ihrer Wache durch einen Posten von sechs Schweizern abgelöst, eingetreten waren und sich hinter ihm hielten, »meine Herren, gleichsam zwischen den Himmel und die Erde gestellt, hört ein König eben so wohl die Stimmen, die ihm von Oben, als die Stimmen, die ihm von Unten zukommen, nämlich das, was Gott befiehlt, und das, was sein Volk verlangt. Die Vereinigung aller Gewalten in einem einzigen Bunde zusammengefasst, um den katholischen Glauben zu verteidigen, enthält eine Bürgschaft für alle meine Untertanen, das begreife ich sehr wohl. Ich halte auch den Rat, den uns mein Vetter von Guise gegeben hat, ganz genehm und erkläre die heilige Ligue als ordentlich und wie sich's gehört gebilligt und eingesetzt, und da ein so großer Körper ein gutes und mächtiges Haupt haben muss, da es von Wichtigkeit erscheint, dass der zu Aufrechterhaltung der Kirche berufene Führer einer der eifrigsten Söhne der Kirche ist, und dass ihm dieser Eifer durch seine Natur und durch seine Stellung eingeprägt und vorgezeichnet wird, so erwähle ich einen christlichen Fürsten, um ihn an die Spitze der Ligue zu stellen, und erkläre, dass fortan dieser Führer heißen wird…«

Heinrich machte absichtlich eine Pause.

Der Flug einer Mücke hätte unter dieser allgemeinen Unbeweglichkeit Aufsehen erregt.

Heinrich wiederholte:

«Und erkläre, dass dieser Führer heißen wird: Heinrich von Valois, König von Frankreich und von Polen.«

Diese Worte sprechend erhob Heinrich die Stimme absichtlich, zum Zeichen des Triumphs und um die Begeisterung seiner zum Ausbruch bereiten Freunde anzufachen, wie auch, um die Liguisten vollends niederzuschmettern, deren dumpfes Gemurmel Unzufriedenheit, Erstaunen und Schrecken kundgab.

Der Herzog von Guise blieb wie vernichtet, große Schweißtropfen liefen von seiner Stirne; er wechselte einen Blick mit dem Herzog von Mayenne und dem Kardinal, seinem Bruder, welche sich mitten unter den Gruppen der Häupter der Ligue, der eine zu seiner Rechten, der andere zu seiner Linken, hielten.

Mehr erstaunt als je über die Abwesenheit des Herzogs von Anjou, fing Monsoreau an, der Worte von Heinrich III. sich erinnernd, ruhiger zu werden.

Der Herzog konnte in der Tat verschwunden, und deshalb doch nicht abgereist sein …

Der Kardinal verließ, ohne dass es den Anschein einer bestimmten Absicht hatte, die Gruppe, in der er sich befand, und schlüpfte zu seinem Bruder.

»Franz,« sagte er ihm ins Ohr, »wenn ich mich nicht sehr täusche, sind wir hier nicht mehr in Sicherheit. Lasst uns eiligst Abschied nehmen, denn der Pöbel ist seltsam, und der König, den er gestern verfluchte, wird auf einige Tage sein Götze werden.«

»Lasst uns weggehen,« erwiderte Mayenne. »Erwartet unsern Bruder hier, ich will den Rückzug vorbereiten.«

Während dieser Zeit hatte der König zuerst die auf dem Tische liegende und zum Voraus von Herrn von Morvilliers, der einzigen Person, welche nebst der Königin Mutter von dem Geheimnis Kenntnis hatte, abgefasste Urkunde unterzeichnet; als dies geschehen war, sagte er mit dem höhnischen Tone, den er bei Gelegenheit so gut anzunehmen wusste, näselnd zu Herrn von Guise:

»Unterschreibt doch, mein teurer Vetter.«

Und er reichte ihm die Feder und fügte mit der Fingerspitze den Platz bezeichnend bei:

»Dort, dort, unter mir. Dann, gebt die Feder dem Herrn Kardinal und dem Herrn Herzog von Mayenne.«

Doch der Herzog von Mayenne war bereits unten an den Stufen und der Kardinal im andern Zimmer.

Der König bemerkte ihre Abwesenheit und sprach: »Nun so gebt sie dem Oberstjägermeister.«

Der Herzog unterzeichnete, reichte die Feder dem Oberstjägermeister und machte eine Bewegung, um sich zurückzuziehen.

»Wartet,« sagte der König.

Und während Quélus mit einer spöttischen Miene die Feder aus den Händen von Herrn von Monsoreau nahm, und nicht nur der ganze gegenwärtige Adel, sondern auch alle zu diesem Ereignis zusammengerufene Vorsteher von Körperschaften sich anschickten, unter dem König auf fliegende Blätter zu unterzeichnen, deren Folge die verschiedenen Register bilden sollten, in denen am Abend vorher Jeder, groß oder klein, edel oder gemein, seinen Namen hatte einschreiben können, während dieser Zeit sagte der König zum Herzog von Guise:

»Mein Vetter, es war, glaube ich, Eure Ansicht für die Bewachung unserer Hauptstadt ein gutes Heer mit allen Kräften der Ligue zu errichten? Das Heer ist errichtet und zwar auf eine entsprechende Weise, insofern der natürliche General der Pariser der König ist.«

»Sicherlich,« antwortete der Herzog, ohne genau zu wissen, was er sagte.

»Doch ich vergesse nicht,« fuhr der König fort,«ich vergesse nicht, dass noch ein anderes Heer zu befehligen ist, und dass dieser Oberbefehl von Rechts wegen dem ersten Kriegsmanne des Reiches zukommt. Während ich bei der Ligue befehlige, befehligt Ihr bei der Armee, mein Vetter.«

»Und wann soll ich abreisen?« fragte der Herzog.

»Auf der Stelle,« antwortete der König.

»Heinrich, Heinrich,« sagte Chicot, den die Etiquette verhinderte, geraden Wegs auf den König zuzulaufen, um ihn in voller Rede aufzuhalten, wozu er große Lust hatte.

Da ihn aber der König nicht hörte, oder wenn er ihn hörte, nicht begriff, so schritt er, eine ungeheure Feder in der Hand haltend, ehrfurchtsvoll vor und brach sich Bahn bis zum König, dem er ganz leise zuflüsterte: »Du wirst wohl schweigen, doppelter Pinsel.«

Doch es war bereits zu spät, der König hatte, wie wir gesehen, dem Herzog von Guise seine Ernennung schon angekündigt und übergab ihm trotz aller Gebärden und Grimassen des Gascogners sein zum Voraus unterzeichnetes Patent.

Der Herzog von Guise nahm sein Patent und ging hinaus.

Der Kardinal erwartete ihn an der Türe des Saals und der Herzog von Mayenne erwartete Beide am Thor des Louvre.

Sie stiegen auf der Stelle zu Pferde, und nach kaum zehn Minuten waren alle drei außerhalb Paris.

Der Rest der Versammlung zog sich allmählich zurück.

Die Einen riefen: »Es lebe der König!« die Andern: »Es lebe die Ligue!«

»Ich habe wenigstens ein großes Problem gelöst,« sagte Heinrich lachend.

»O ja, Du bist ein tüchtiger Mathematiker,« murmelte Chicot.

»Allerdings,« versetzte der König, »indem ich alle diese Schufte die zwei entgegengesetzten Rufe ausstoßen machte, gelang es mir, sie Eines und dasselbe schreien zu lassen.«

»Sta bene!« sagte die Königin Mutter, Heinrich die Hand drückend.

»Glaube dies und trinke Milch,« sprach der Gascogner, »sie ist wütend, denn die Guisen sind durch den Schlag niedergeschmettert.«

»Oh! Sire, Sire, welch einen herrlichen Gedanken habt Ihr da gehabt,« riefen die Günstlinge, sich stürmisch dem König nähernd.

»Sie glauben, es werde ihnen Geld wie Manna regnen.«

Heinrich wurde im Triumph in seine Gemächer zurückgeführt; mitten unter dem Cortège, der den König begleitete, spielte Chicot die Rolle des antiken Verleumders, indem er seinen Herrn mit Wehklagen verfolgte.

 

Die Beharrlichkeit, mit der Chicot den Halbgott des Tages daran erinnerte, dass er nur ein Mensch war, fiel ihm dergestalt auf, dass er alle Welt entließ und mit Chicot allein blieb.

»Hört, Freund,« sagte Heinrich sich gegen den Gascogner umwendend, »wisst Ihr, dass Ihr nie zufrieden seid, Meister Chicot, und dass dies höchst lästig wird? Was Teufels! ich verlange keine Gefälligkeit von Euch, sondern gesunden Verstand.«

»Du hast Recht, Heinrich, denn dessen bedarfst Du am meisten.«

»Gestehe wenigstens, dass der Streich gut gespielt war?«

»Das ist es gerade, was ich nicht zugestehen will.«

»Ah! Du bist eifersüchtig, mein Herr König von Frankreich?«

»Ich, Gott soll mich behüten! ich würde mir bessere Gegenstände zur Eifersucht wählen.«

»Den Teufel! Herr Epilogist.«

»Oh! welch eine furchtbare Eitelkeit!«

»Sprich, bin ich König der Ligue, oder bin ich es nicht.«

»Gewiss, Du bist es ganz unzweifelhaft. Aber …«

»Was aber?«

»Du bist nicht mehr König von Frankreich.«

»Und wer ist denn König von Frankreich?«

»Jedermann außer Dir, Heinrich, Dein Bruder zuerst.«

»Mein Bruder? Von wem sprichst Du?«

»Von Herrn von Anjou, bei Gott!«

»Den ich gefangen halte?«

»Ja, denn obgleich Gefangener ist er gesalbt und Du bist es nicht.«

»Durch wen ist er gesalbt?«

»Durch den Kardinal von Guise; in der Tat, Heinrich, ich rate Dir, noch einmal von Deiner Polizei zu sprechen; man salbt einen König in Paris in Gegenwart von zwei und dreißig Personen in der Sainte-Geneviève-Kirche, und Du weißt es nicht.«

»Den Teufel, und Du weißt es?«

»Ganz gewiss.«

»Und wie kannst Du wissen, was ich nicht weiß?«

»Oh! weil Du Dir Deine Polizei durch Herrn von Morvilliers machen lässt, während ich sie mir selbst mache.«

Heinrich runzelte die Stirne.

»Wir haben also bereits als König von Frankreich, ohne Heinrich von Valois zu zählen, Franz von Anjou, dann haben wir noch, lass sehen,« sagte Chicot, indem er sich die Miene gab, als suchte er, »wir haben noch den Herzog von Guise.«

»Den Herzog von Guise?«

»Den Herzog von Guise, Heinrich von Guise, Heinrich der Balafré. Ich wiederhole Dir: wir haben noch den Herzog von Guise.«

»In der Tat, ein schöner König, den ich verbanne, den ich zur Armee schicke.«

»Gut! als ob man Dich nicht nach Polen verbannt hätte; als ob es nicht näher von La Charité nach dem Louvre, denn von Warschau nach Paris wäre! Oh! es ist wahr, Du schickst ihn zur Armee; das ist die Feinheit des Stoßes, die Geschicklichkeit des Streiches; Du schickst ihn zur Armee, das heißt, Du stellst dreißig tausend Mann unter seine Befehle; alle Donner und welche Armee! … eine wahre Armee … nicht wie Deine Armee der Ligue … Nein … nein … eine Armee von Bürgern, das ist gut für Heinrich von Valois, den König der Mignons; Heinrich von Guise braucht eine Armee von Soldaten und von welchen Soldaten! von abgehärteten, an den Krieg gewöhnten, durch die Kanone geröteten Leuten, welche fähig sind, zwanzig Heere der Ligue zu verschlingen, so dass Heinrich von Guise, bereits König der Sache nach, wenn er eines Tags den albernen Gedanken hätte, König dem Namen nach werden zu wollen, nur seine Trompeten gegen die Hauptstadt drehen und sagen dürfte: ›Vorwärts! verschlingen wir Paris als einen Bissen und Heinrich von Valois und den Louvre zugleich,‹ und sie würden es tun, die Bursche, ich kenne sie.«

»Ihr vergesst nur Eines bei Eurer Beweisführung, Ihr erhabener Politiker,« sprach Heinrich.

»Ah, verdammt! wohl möglich, besonders wenn das, was ich vergesse, ein vierter König ist.«

»Nein,« sagte Heinrich mit erhabener Verachtung, »Ihr vergesst, dass man, um den Gedanken zu haben, über Frankreich zu regieren, während ein Valois die Krone trägt, ein wenig rückwärts schauen und seine Ahnen zählen muss. Käme ein solcher Gedanke Herrn von Anjou, so wollte ich es mir noch gefallen lassen; er ist vom Geschlecht, um Ansprüche zu machen; seine Ahnen sind die meinigen; die Waage kann zwischen uns schwanken, denn unter uns ist es nur eine Erstgeburtsfrage. Aber Herr von Guise … geht doch, Meister Chicot, studiert die Wappenkunst, Freund, und sagt uns, ob die Lilien von Frankreich nicht von besserem Hause sind, als die Amseln von Lothringen.«

»Ei! Ei!« rief Chicot, »das ist gerade der Irrtum, Heinrich.«

»Wie, wo ist der Irrtum?«

»Allerdings. Herr von Guise ist von viel besserem Hause, als Du glaubst.«

»Von besserem Hause, als ich vielleicht?« entgegnete Heinrich lächelnd.

»Es gibt kein vielleicht, mein lieber Henriquet.«

»Ihr seid ein Narr, Herr Chicot.«

»Bei Gott! das ist mein Titel.«

»Aber ich sage, ein wirklicher Narr, ein Narr, den man binden sollte. Lernt ein wenig lesen, mein Freund.«

»Nun wohl, Heinrich, Du, der Du lesen kannst, Du, der Du nicht nötig hast, in die Schule zurückzukehren, wie ich, lies ein wenig dieses.«

Chicot zog hiernach aus seiner Brust das Pergament hervor, auf welches Nicolas David die uns bekannte Genealogie geschrieben hatte, dieselbe, welche von Avignon, gebilligt vom Papst, zurückgekommen war und Heinrich von Guise von Karl dem Großen abstammen ließ.

Heinrich erbleichte, sobald er einen Blick auf das Pergament geworfen und bei der Unterschrift des Legaten das Siegel des heiligen Vaters erkannt hatte.

»Was sagst Du dazu, Heinrich?« fragte Chicot, »die Lilien sind etwas verrückt, wie? So wahr Gott lebt, die Amseln scheinen mir so hoch fliegen zu wollen, als der Adler Cäsars; nimm Dich in Acht, mein Sohn!«

»Sprich, durch welches Mittel hast Du Dir diese Genealogie verschafft?«

»Ich, beschäftige ich mich mit dergleichen Dingen? sie hat mich aufgesucht.«

»Aber wo war sie, ehe sie Dich aufsuchte?«

»Unter dem Kopfkissen eines Advokaten.«

»Und wie hieß dieser Advokat?«

»Meister Nicolas David.«

»Wo war er?«

»In Lyon.«

»Und wer hat sie unter dem Kopfkissen dieses Advokaten geholt?«

»Einer von meinen Freunden.«

»Was macht dieser Freund?«

Er predigt.«

»Wie heißt er?«

»Gorenflot.«

»Wie,« rief Heinrich, »der abscheuliche Liguist, der die aufrührerische Rede in Sainte-Geneviève hielt und mich gestern in den Straßen von Paris beschimpfte?»

»Du erinnerst Dich der Geschichte von Brutus, der den Narren spielte …«

»Dein Genovever ist also ein tiefer Politiker?«

»Habt Ihr von Herrn von Machiavelli, dem Sekretär der Republik Florenz, sprechen hören? Eure Großmutter ist seine Schülerin.«

»Er hat also dieses Pergament dem Advokaten entwendet?

»Ah! ja wohl, entwendet; er hat es ihm mit Gewalt genommen.«

»Nicolas David, diesem Raufer?»

»Nicolas David, diesem Raufer.«

»Dein Mönch ist also mutig?«

»Wie Bayard.«

»Und nachdem er diesen schönen Schlag ausgeführt, hat er sich nicht vor mir gezeigt, um seine Belohnung in Empfang zu nehmen?«

»Er ist demütig in sein Kloster zurückgekehrt und wünscht nur, man möge vergessen, dass er es verlassen hat.«

»Demnach ist er bescheiden?«

»Wie der heilige Crispin.«

»Chicot, so wahr ich ein Edelmann bin, Dein Freund erhält die erste erledigte Abtei,« sprach der König.

»Ich danke für ihn, Heinrich.«

»Meiner Treue,« sagte Chicot sodann zu sich selbst, »er steht nun zwischen Mayenne und Valois, zwischen einem Stricke und einer Präbende; wird er gehenkt, wird er Abt werden? Das Ende wird es lehren. In jedem Fall muss er, wenn er noch schläft, in diesem Augenblick drollige Träume haben.«