Tasuta

Die Dame von Monsoreau

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Zehntes Kapitel
Eteokles und Polynikes

Dieser Tag der Ligue endigte stürmisch und glänzend, wie er angefangen hatte.

Die Freunde des Königs freuten sich, die Prediger der Ligue schickten sich an, Bruder Heinrich zu kanonisieren, und unterhielten sich, wie man es einst beim heiligen Moritz getan hatte, von den großen Kriegertaten von Valois, dessen Jugend so strahlend gewesen war.

Die Günstlinge sagten: »Endlich ist der Löwe erwacht.«

Die Liguisten sagten:

»Endlich hat der Fuchs die Falle erraten.«

Und da der Charakter der französischen Nation hauptsächlich Eitelkeit ist und die Franzosen Häupter von untergeordnetem Verstand nicht lieben, so freuten sich die Verschwörer selbst, dass sie von ihrem König überlistet worden waren.

Die Vornehmsten derselben hatten sich allerdings in Sicherheit gebracht.

Die drei lothringischen Prinzen hatten Paris mit verhängten Zügeln verlassen, und ihr Hauptagent, Herr von Monsoreau, war im Begriff, aus dem Louvre wegzugehen und Anstalten zu seiner Abreise zu treffen, um den Herrn Herzog von Anjou einzuholen.

Doch in dem Augenblick, wo er den Fuß auf die Schwelle setzte, trat Chicot auf ihn zu.

Der Palast war leer von Liguisten, und der Gascogner hatte nichts mehr für seinen König zu befürchten.

»Wohin geht Ihr denn in so großer Hast, Herr Oberstjägermeister?«

»Zu Seiner Hoheit,« antwortete der Graf lakonisch.

»Zu Seiner Hoheit?«

»Ja, ich bin unruhig über Monseigneur. Wir leben nicht in einer Zeit, wo die Prinzen sich ohne ein gutes Gefolge auf die Reise begeben können.«

»Oh! dieser ist brav, so brav, dass man es verwegen nennen könnte.«

Der Oberstjägermeister schaute den Gascogner an.

»In jedem Fall,« sagte Chicot, »wenn Ihr unruhig seid, bin ich es noch viel mehr.«

»Über wen?«

»Immer über dieselbe Hoheit.«

»Warum?«

»Ihr wisst nicht, was man spricht?«

»Sagt man nicht, er sei abgereist?«

»Man sagt, er sei todt,« flüsterte der Gascogner ganz leise dem Grafen in's Ohr.

»Bah!« versetzte Monsoreau mit einem Tone des Erstaunens, der von einer Beimischung der Freude nicht ganz frei war, »Ihr sagtet doch, er wäre auf dem Wege.«

»Verdammt, man hatte mich überredet. Ich bin so vertrauensvoll, dass ich jeden Bären glaube, den man mir aufbindet; nun aber habe ich alle Ursache, anzunehmen, dass der arme Prinz, wenn er sich auf dem Wege befindet, auf dem Wege nach der andern Welt begriffen ist.«

»Was veranlasst Euch zu diesem traurigen Gedanken?«

»Nicht wahr, er ist gestern in den Louvre hereingekommen?«

»Allerdings; ich kam mit ihm herein.«

»Nun, man hat ihn nicht wieder hinausgehen sehen.«

»Aus dem Louvre?«

»Nein.«

»Doch Aurilly?«

»Verschwunden!«

»Doch seine Leute?«

»Verschwunden! verschwunden! verschwunden!«

»Das ist ein Scherz, nicht wahr, Herr Chicot?« sagte der Oberstjägermeister.

»Fragt!«

»Wen?«

»Den König.«

»Man fragt Seine Majestät nicht.«

»Bah! es ist nur, wie man sich dabei benimmt.«

»Hört,« sagte der Graf, »ich kann nicht in einem solchen Zweifel bleiben.«

Und Chicot verlassend, oder vielmehr ihm voranschreitend, ging er nach dem Kabinett des Königs.

Seine Majestät hatte sich so eben entfernt.

»Wohin ist der König gegangen?« fragte der Oberstjägermeister, »ich muss ihm über gewisse Befehle, die er mir gegeben, Bericht erstatten.«

»Zu dem Herrn Herzog von Anjou,« antwortete derjenige, an welchen er sich wandte.

»Zu dem Herrn Herzog von Anjou!« sagte der Graf zu Chicot, »der Prinz ist also nicht tot?«

»Ah! ich fürchte, es ist nicht viel besser,« versetzte der Gascoqner.

Die Gedanken des Oberstjägermeisters verwirrten sich ganz und gar; es wurde zur Gewissheit, dass Herr von Anjou den Louvre nicht verlassen hatte. Einzelne Gerüchte, die er auffasste, gewisse Bewegungen von Dienstleuten bestätigten ihm die Wahrheit.

Da er aber die eigentliche Ursache der Abwesenheit des Prinzen nicht wusste, so setzte ihn diese Abwesenheit in einem so entscheidenden Augenblick in Erstaunen.

Der König hatte sich wirklich zu dem Herzog von Anjou begeben; da aber der Oberstjägermeister, trotz seines großen Verlangens, zu erfahren, was bei dem Prinzen vorging, nicht bis zu ihm dringen konnte, so musste er in der Flur auf Nachrichten warten.

Um der Sitzung beizuwohnen, hatten die vier Mignons erwähntermaßen ihre Stelle an Schweizer übergeben; doch sobald die Versammlung vorüber war, trug trotz des Überdrusses, den ihnen ihre Wache bei dem Prinzen bereitete, der Wunsch, Seiner Hoheit unangenehm zu sein, indem sie ihm den Triumph des Königs mitteilen würden, den Sieg über den Widerwillen davon, und sie nahmen wieder ihren Posten ein, Schomberg und Épernon im Salon, Maugiron und Quélus unmittelbar in dem Zimmer Seiner Hoheit.

Franz fühlte sich seinerseits von der furchtbaren, durch die Unruhe verdoppelten Langweile heimgesucht, und es ist nicht zu leugnen, das Gespräch dieser Herren war durchaus nicht geeignet, ihn zu zerstreuen.

»Siehst Du,« rief Quélus von einem Ende des Zimmers zum andern, als ob der Prinz gar nicht da gewesen wäre, Maugiron zu, »siehst Du, Maugiron, erst seit einer Stunde fange ich an, unsern Freund Valois zu schätzen; in der Tat, es ist ein großer Politiker.«

»Erkläre Deine Worte,« erwiderte Maugiron, sich auf einer Chaise-longue breit machend.

»Der König hat ganz laut von der Verschwörung gesprochen, folglich stellte er sich vorher, als merkte er nichts davon; stellte er sich, als merkte er nichts davon, so fürchtete er sie; wenn er aber nun ganz laut davon sprach, so fürchtete er sie nicht mehr.«

»Logisch,« sagte Maugiron.

»Wenn er sie nicht mehr fürchtet, so wird er sie bestrafen; Du kennst Valois, er glänzt gewiss durch eine große Anzahl hoher Eigenschaften, aber seine strahlende Person ist ziemlich dunkel in Beziehung auf Milde.«

»Zugestanden.«

»Wenn er aber nun die genannte Verschwörung bestraft, so geschieht es durch einen Prozess; findet ein Prozess statt, so bekommen wir, ohne uns viel Mühe zu geben, eine zweite Vorstellung der Geschichte von Amboise zu genießen.«

»Bei Gott, ein schönes Schauspiel!«

»Ja, und wobei unsere Plätze zum Voraus bezeichnet sind, wenn nicht …«

»Lass hören, wenn nicht …«

»Wenn nicht … das ist auch möglich, wenn man nicht alle richterliche Formen bei Seite lässt, wegen der Stellung der Angeklagten, und die Sache, wie man zu sagen pflegt, unter dem Kaminmantel abmacht.«

»Ich bin für die letzte Meinung,« sprach Maugiron, »so werden gewöhnlich Familienangelegenheiten behandelt; und die neueste Verschwörung ist eine wahre Familienangelegenheit.«

Aurilly warf dem Prinzen einen unruhigen Blick zu.

»Meiner Treu,« sprach Maugiron, »ich weiß Eines: ich würde an der Stelle des Königs die ganzen Köpfe nicht schonen; in der Tat, weil sie zweimal schuldig sind, wenn sie sich eine Verschwörung erlauben, glauben diese Herren, es sei ihnen jede Conspiration gestattet. Ich sage also, ich würde einen oder zwei mit Ruten streichen lassen, Einen ganz besonders und zwar tüchtig, dann würde ich die ganze Brut ertränken.«

»In diesem Falle wäre es nicht übel, wenn man die berüchtigte Erfindung der Säcke wieder ins Leben rufen würde,« rief Quélus.

»Und worin bestand die Erfindung?«

»Eine königliche Laune, welche sich ungefähr aus dem Jahre 1350 herschreibt; man band nämlich einen Menschen in einen Sack in Gesellschaft von drei bis vier Katzen und warf das ganze in das Wasser; die Katzen, welche die Feuchtigkeit nicht ertragen können, fühlten sich nicht so bald in der Seine, als sie sich wegen des Unfalls, der ihnen begegnet, an den Menschen hielten, dann gingen in dem Sack Dinge vor, welche man leider nicht sehen konnte.«

»In der Tat, Du bist der Born des Wissens, und Dein Gespräch ist höchst interessant.«

»Man könnte diese Erfindung nicht auf die Führer anwenden; die Vornehmen haben immer das Recht, die Wohltat der Enthauptung auf öffentlichen Platze oder die Ermordung in einem Winkel zu fordern; doch wie Du sagtest, auf die Brut, und unter Brut verstehe ich die Günstlinge. Die Stallmeister, Haushofmeister, die Lautenspieler …«

»Meine Herren,« stammelte Aurilly bleich vor Schrecken.

»Antworte doch nicht, Aurilly,« sagte Franz, »das kann nicht mich betreffen und folglich auch nicht mein Haus; man spottet nicht über Prinzen von Geblüt in Frankreich.«

»Nein, man behandelt sie ernsthafter,« sagte Quélus, »man schneidet ihnen den Hals ab; Ludwig XI., der große König, enthielt sich dessen nicht, zum Beweise dient Herr von Nemours.«

Die Mignons waren so weit in ihrem Gespräche, als man Geräusch im Salon hörte; die Türe öffnete sich und der König erschien auf der Schwelle.

Franz stand auf und rief:

»Sire, ich appelliere an Eure Gerechtigkeit wegen der unwürdigen Behandlung, die mich Eure Leute erdulden lassen.«

Doch Heinrich schien seinen Bruder weder gesehen noch gehört zu haben.

»Guten Morgen, Quélus,« sagte er, seinen Günstling auf beide Wangen küssend, »guten Morgen, mein Kind, Dein Anblick erquickt meine Seele; und Du, mein armer Maugiron, wie geht es Dir?«

»Ich langweile mich zum Sterben,« antwortete Maugiron, »als ich es übernahm, Euren Bruder zu bewachen, Sire, glaubte ich, es würde unterhaltender sein. Pfui! der langweilige Prinz; das ist ganz der Sohn Eures Vaters und Eurer Mutter.«

»Sire, Ihr hört,« sagte Franz, »liegt es denn in Eurem königlichen Willen, dass man Euren Bruder so beleidigt?«

»Stille, mein Herr,« erwiderte Heinrich, ohne sich umzudrehen, »ich liebe es nicht, dass meine Gefangenen sich beklagen.«

»Gefangener, so lange es Euch gefällt, doch dieser Gefangene ist darum nicht minder Euer ….«

 

»Der Titel, den Ihr anruft, ist gerade derjenige, welcher Euch in meinem Geiste zu Grunde richtet. Mein Bruder schuldig, ist doppelt schuldig.«

»Doch wenn er es nicht ist?«

»Er ist es!«

»Welches Verbrechens?«

»Mir missfallen zu haben, mein Herr.«

»Sire,« sagte Franz gedemütigt, »bedürfen unsere Familienstreitigkeiten der Zeugen?«

»Ihr habt Recht. Meine Herren, meine Freunde, lasst mich also einen Augenblick mit meinem Herrn Bruder plaudern.«

»Sire,« flüsterte ihm Quélus zu, »es ist nicht klug von Eurer Majestät, zwischen zwei Feinden zu bleiben.«

»Ich nehme Aurilly mit,« sagte Maugiron dem König in das andere Ohr.

Die zwei Edelleute führten Aurilly, der zugleich vor Neugierde brannte und vor Unruhe starb, mit sich hinaus.

»Wir sind nun allein,« sagte der König.

»Ich erwartete diesen Augenblick mit Ungeduld, Sire.«

»Und ich auch; ah! Ihr trachtetet nach meiner Krone, mein würdiger Etiokles; ah! Ihr machtet Euch aus der Ligue ein Mittel und aus dem Throne ein Ziel. Ah! man salbte Euch in einem Winkel von Paris, in einer einsamen Kirche, damit Ihr Euch plötzlich den Parisern ganz glänzend von heiligem Oele zeigen könntet.«

»Eure Majestät lässt mich nicht sprechen,« sagte Franz, der allmählich den Zorn des Königs steigen fühlte.

»Warum sprechen? um zu lügen, oder wenigstens um mir Dinge zu sagen, die ich eben so gut weiß, als Ihr; doch nein, Ihr würdet lügen, mein Bruder, denn das Geständnis dessen, was Ihr getan habt, wäre zugleich das Geständnis, dass Ihr den Tod verdientet! Ihr würdet lügen, und diese Schande will ich Euch ersparen.«

»Mein Bruder! mein Bruder!« versetzte Franz bestürzt, »ist es wirklich Eure Absicht, mich mit solchen Schmähungen zu überhäufen?«

»Wenn das, was ich sage, für Schmähung gehalten werden kann, so lüge ich, und ich will dann auch lügen. Sprecht, sprecht, ich höre, unterrichtet uns darüber, dass Ihr kein Unredlicher, und was noch schlimmer ist, kein Ungeschickter seid.«

»Ich weiß nicht, was Eure Majestät damit sagen will, und sie scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, in Rätseln mit mir zu sprechen.«

»Dann will ich Euch meine Worte erklären,« rief Heinrich mit einer drohenden Stimme, welche gewaltig an die Ohren von Franz klang: »Ja, Ihr habt gegen mich konspiriert, wie Ihr einst gegen meinen Bruder Karl konspiriertet; nur geschah es früher mit Hilfe des Königs von Navarra, während es heute mit Hilfe des Herzogs von Guise geschieht. Ein schöner Plan, ich bewundere ihn: er hätte Euch eine herrliche Stelle in der Geschichte der Usurpatoren verschafft. Es ist wahr, früher krocht Ihr wie eine Schlange, und heute wollt Ihr beißen wie ein Löwe; nach der Treulosigkeit die offene Gewalt, nach dem Gifte das Schwert.«

»Gift! was wollt Ihr damit sagen, mein Herr!« rief Franz bleich vor Zorn und wie jener Etiokles, mit dem ihn Heinrich verglichen hatte, eine Stelle suchend, wo er Polynikes mit seinen Flammenblicken, in Ermanglung von Schwert und Dolch, treffen könnte. »Welches Gift?«

»Das Gift, mit dem Du unsern Bruder Karl ermordet hast; das Gift, das Du Heinrich von Navarra, Deinem Verbündeten, bestimmtest. Es ist bekannt, dieses unselige Gift; unsere Mutter hat schon so oft davon Gebrauch gemacht, deshalb hast Du ohne Zweifel darauf Verzicht geleistet; deshalb wolltest Du die Rolle eines Feldherrn spielen und die Milizen der Ligue befehligen. Doch schaue mir wohl in's Gesicht, Franz,« fuhr Heinrich mit einem drohenden Schritte gegen seinen Bruder fort, »schaue mich an und sei überzeugt, dass ein Mann von Deinem Schlage niemals einen Mann von dem meinigen tödten wird.«

Franz wankte unter dem Gewichte dieses furchtbaren Angriffs; aber ohne Rücksicht, ohne Barmherzigkeit für seinen Gefangenen fuhr der König fort:

»Das Schwert! das Schwert! ich mochte Dich wohl in diesem Zimmer mit mir unter vier Augen das Schwert in der Hand haltend sehen. Ich habe Dich bereits im Betruge besiegt, Franz; denn auch ich habe krumme Pfade eingeschlagen, um zum Throne von Frankreich zu gelangen, doch um diese Pfade zurückzulegen, musste man über den Bauch von einer Million Polen hin schreiten; das war etwas Anderes. Wenn Ihr Betrüger sein wollt, so seid es, aber auf diese Weise; wenn Ihr mich nachahmen wollt, so ahmt mich nach, doch nicht indem Ihr mich verkleinert. Das sind königliche Intrigen, das ist eine Betrügerei eines Feldherrn würdig; ich wiederhole Dir also, in listigen Ränken bist Du besiegt und in einem ehrlichen Kampfe würdest Du getötet. Denke also nicht mehr daran, auf die eine oder die andere Weise zu kämpfen, denn von nun an handle ich als König, als Gebieter, als Despot, von nun an überwache ich Dich in allen Deinen Bewegungen und Schwankungen, verfolge ich Dich in Deiner Finsternis, und bei dem geringsten Zögern, bei dem geringsten Zweifel, bei der geringsten Dunkelheit strecke ich meine mächtige Hand aus und werfe Dich, den Schwachen, keuchend dem Beile meines Henkers zu. Dies hatte ich Dir in Beziehung auf unsere Familienangelegenheiten zu sagen, mein Bruder; deshalb wollte ich Dich ohne Zeugen sprechen, Franz; deshalb werde ich meinen Freunden befehlen, Dich diese Nacht allein zu lassen, damit Du über meine Worte nachdenken kannst. Bringt die Nacht wirklich guten Rat, wie man sagt, so muss dies besonders bei Gefangenen der Fall sein.«

»Also wegen einer Laune Eurer Majestät,« murmelte der Herzog, »auf einen Verdacht, der einem bösen Traum gleicht, den Ihr gemacht hättet, bin ich bei Euch in Ungnade gefallen?«

»Besser, Franz! Du bist unter meine Gerechtigkeit gefallen.«

»Aber bestimmt doch wenigstens eine Frist meiner Gefangenschaft, Sire, damit ich weiß, woran ich mich zu halten habe.«

»Wenn man Euch Euer Urteil vorliest, werdet Ihr es erfahren.«

»Meine Mutter! könnte ich nicht meine Mutter sehen?«

»Warum? Es gab nur drei Exemplare in der Welt von dem berüchtigten Jagdbuch das mein armer Bruder Karl verschlungen hat … verschlungen, ja, das ist das rechte Wort: von den zwei andern ist eines in London, und eines in Florenz. Überdies bin ich kein Nimrod, wie mein armer Bruder. Lebt wohl, Franz!«

Der Prinz fiel ganz niedergeschmettert auf einen Stuhl.

»Meine Herren,« sagte der König, die Türe wieder öffnend, »der Herzog hat mich um die Freiheit gebeten, diese Nacht über eine Antwort nachzudenken, die er mir morgen geben soll. Ihr werdet ihn also allein lassen, mit Ausnahme der Vorsichtbesuche, die Ihr ihm von Zeit zu Zeit machen zu müssen glaubt. Ihr werdet Euren Gefangenen vielleicht etwas exaltiert durch das Gespräch finden, das wir mit einander gehabt haben; aber bedenkt, dass der Herzog von Anjou, gegen mich konspirierend, auf den Titel meines Bruders Verzicht geleistet hat; es gibt also hier nur einen Gefangenen und Wachen, und keine Zeremonien; wenn Euch der Gefangene unartig begegnet, so meldet es mir, ich habe die Bastille unter der Hand, und in der Bastille Meister Laurent Testu, den ersten Mann der Welt, um widerspenstige Gefangene zu bezähmen.«

»Sire! Sire!« murmelte Franz, einen letzten Versuch wagend, »erinnert Euch, dass ich Euer …«

»Ihr wart, glaube ich, auch der Bruder von Karl IX.,« sagte Heinrich.

»Aber man gebe mir wenigstens meine Diener zurück.«

»Ihr könnt Euch nicht beklagen, Ich beraube mich der meinigen, um sie Euch zu geben.«

Und der König schloß die Türe vor dem Gesichte seines Bruders, und dieser wich bleich und wankend zurück und sank in seinen Lehnstuhl nieder.

Elftes Kapitel
Wie man nicht immer seine Zeit verliert, wenn man in den leeren Schränken nachsucht

Die Szene, welche der Herzog von Anjou mit dem König gehabt, ließ ihn seine Lage als ganz verzweifelt betrachten. Die Mignons machten ihn mit Allem bekannt, was im Louvre vorgefallen; sie schilderten ihm die Niederlage der Herren von Guise und den Triumph von Heinrich noch viel größer, als Beides in Wirklichkeit gewesen war; er hatte, was ihm Anfangs völlig unbegreiflich vorkam, die Stimme des Volks: »Es lebe der König und es lebe die Ligue!« schreien hören. Er fühlte sich verlassen von den Hauptführern, welche ihre eigenen Personen zu verteidigen hatten. Verlassen von seiner durch Vergiftungen und Morde dezimierten, durch Hass und Zwistigkeiten getrennten Familie, seufzte er, die Augen der Vergangenheit zuwendend, an die ihn der König erinnert hatte, und bedenkend, dass er bei seinem Kampfe gegen Karl IX. wenigstens zu Vertrauten oder vielmehr zu Betörten die zwei ergebenen Seelen, die zwei flammenden Schwerter, die man La Mole und Coconnas nannte, gehabt hatte.

Das Beklagen verlorener Vorteile ist die Reue bei vielen Gewissen.

In seiner Vereinzelung fühlte Herr von Anjou zum ersten Male eine Art von Reue, dass er La Mole und Coconnas aufgeopfert.

In jener Zeit liebte, tröstete ihn Schwester Margarethe. Wie hatte er es seiner Schwester Margarethe gelohnt?

Es blieb noch seine Mutter, die Königin Catharina. Sie hatte sich seiner nie anders bedient, als wie er sich Anderer bediente, das heißt in der Eigenschaft von Werkzeugen… und Franz ließ sich Gerechtigkeit widerfahren. Einmal in den Händen seiner Mutter, fühlte er, dass er sich nicht mehr gehören würde, als das Schiff im Ozean, wenn der Sturm braust, seiner Herr ist.

Er bedachte, dass er noch vor Kurzem ein Herz, das so viel wert war, als alle andere Herzen, einen Degen, der alle andere Degen aufwog, bei sich hatte.

Bussy, der brave Bussy trat in seiner vollen Gestalt vor sein Gedächtnis.

Ah! diesmal glich dass Gefühl von Franz wirklich einem Gewissensbisse, denn er hatte Bussy gegen sich aufgebracht, um Monsoreau zu gefallen; er hatte Monsoreau gefallen wollen, weil dieser sein Geheimnis wusste, und nun war das Geheimnis, mit dem dieser beständig drohte, zur Kenntnis des Königs gelangt, so dass Monsoreau nicht mehr zu fürchten war.

Er hatte sich also mit Bussy unnötig und umsonst entzweit, eine Handlung, welche, wie seitdem ein großer Politiker gesagt hat, viel mehr als ein Verbrechen, ein Fehler war.

Welch ein Vorteil wäre es aber für den Prinzen in seiner gegenwärtigen Lage gewesen, zu wissen, dass Bussy, Bussy dankbar und folglich treu, über ihm wachte; Bussy der Unüberwindliche, Bussy das redliche Gemüt; Bussy der Liebling von Allen, so sehr machen ein redliches Gemüt und eine kräftige Hand Jedem, der das eine von Gott und die andere vom Zufall erhalten hat, Freunde.

Wachte Bussy über ihm, so wurde die Freiheit wahrscheinlich, die Rache gewiss.

Doch im Herzen verwundet, grollte Bussy dem Prinzen und hatte sich unter sein Zelt zurückgezogen, und es blieben dem Gefangenen fünf und vierzig Fuß Höhe zu durchmessen, um in die Gräben hinab zu gelangen, und vier Mignons kampfunfähig zu machen, um bis in den Gang zu dringen; abgesehen davon, dass die Höfe voll von Schweizern und Soldaten waren.

Von Zeit zu Zeit kehrte er auch an das Fenster zurück und senkte seinen Blick in die Gräben hinab; doch eine solche Höhe konnte dem mutigsten einen Schwindel verursachen, und Herr von Anjou war durchaus nicht über den Schwindel erhaben.

Dabei trat von Stunde zu Stunde einer von den Wächtern des Prinzen, Schomberg oder Maugiron, Épernon oder Quélus, in sein Zimmer, machte, ohne sich um die Anwesenheit des Prinzen zu bekümmern, zuweilen sogar auch ohne ihn zu grüßen, seine Runde, öffnete die Türen und die Fenster, durchsuchte die Schränke und die Kisten, schaute unter die Betten und unter die Tische, und versicherte sich sogar, dass die Vorhänge an ihrem Platze und dass die Leintücher nicht in Streifen zerschnitten waren.

Von Zeit zu Zeit neigten sich diese Wachen über den Balkon, und die fünf und vierzig Fuß Höhe beruhigten sie.

»Meiner Treue,« sagte Maugiron, als er nach einer solchen Durchsuchung zurückkehrte, »meiner Treue, ich leiste darauf Verzicht; ich verlange, nicht mehr den Saal zu verlassen, wo bei Tage unsere Freunde uns besuchen, und nicht mehr bei Nacht von vier Stunden zu vier Stunden aufzuwachen, um dem Herrn Herzog von Anjou einen Besuch abzustatten.

»Man sieht auch wohl, dass wir große Kinder sind,« sagte Épernon, »und dass wir stets Kapitän und nie Soldaten gewesen; wir verstehen es nicht, den Befehl auszulegen.«

»Wie dies?« fragte Quélus.

»Allerdings; was verlangt der König? dass wir Herrn von Anjou bewachen, und nicht, dass wir ihn anschauen.«

»Um so mehr,« versetzte Maugiron, »als er gut zu bewachen, aber gar nicht schön anzuschauen ist.«

»Vortrefflich,« rief Schomberg, »aber nehmen wir uns in Acht, in unserer Bewachung nicht nachlässig zu werden, der Teufel ist verschmitzt.«

»Das mag sein,« sprach Épernon, »doch man muss nicht nur verschmitzt sein, wie mir scheint, um über den Leib von vier Burschen, wie wir sind, zu schreiten.«

 

Und sich aufrichtend, kräuselte Épernon stolz seinen Schnurrbart.

»Er hat Recht,« sagte Quélus.

»Gut,« entgegnete Schomberg, »glaubst Du, der Herr Herzog von Anjou sei so einfältig, es zu versuchen, gerade durch unsere Galerie zu entfliehen? Wenn er sich durchaus flüchten will, so wird er ein Loch durch die Mauer machen.«

»Womit? er hat keine Waffen.«

»Er hat die Fenster,« sagte ziemlich schüchtern Schomberg, der die Tiefe der Gräben gemessen zu haben sich erinnerte.

»Ah! die Fenster! das ist bei meinem Worte reizend,« rief Épernon, »bravo, Schomberg! die Fenster! Du würdest also fünf und vierzig Fuß hinabspringen.«

»Ich gestehe, dass fünf und vierzig Fuß …«

»Und er, der hinkt, er, der ungeschickt ist, er, der furchtsam ist wie…«

»Du,« versetzte Schomberg.

»Mein Lieber,« sprach Épernon, »Du weißt, dass ich nur vor Gespenstern Angst habe; das ist eine Nervensache.«

»Alle diejenigen, welche er im Duell getötet hat, sind ihm in derselben Nacht erschienen,« sprach Quélus mit ernstem Tone.

»Lachen wir nicht,« versetzte Maugiron, »ich habe eine Menge von wunderbaren Entweichungen gelesen, mit Betttüchern zum Beispiel.«

»Ah! was das betrifft, die Bemerkung von Maugiron ist sehr vernünftig,« sagte Épernon. »Ich sah in Bordeaux einen Gefangenen, der sich mittelst seiner Betttücher geflüchtet hatte.«

»Du hörst,« rief Schomberg.

»Ja,« erwiderte Épernon, »aber seine Schenkel waren gebrochen und der Kopf gespalten; sein Tuch war zufällig um etwa dreißig Fuß zu kurz gewesen, und er hatte sich genötigt gesehen, zu springen, wonach man die Flucht als vollständig betrachten konnte, denn sein Körper war aus seinem Gefängnis und seine Seele aus seinem Leibe entflohen.«

»Nun, und wenn er entkommt, so haben wir eine Jagd auf einen Prinzen von Geblüt,« sagte Quélus, »wir verfolgen ihn, wir umstellen ihn, und während wir ihn umstellen, bemühen, wir uns ihm, ohne dass es den Anschein einer Absicht hat, etwas zu zerschlagen.«

»Ah! Gottes Tod! dann treten wir in unsere Rolle zurück,« rief Maugiron, »wir sind wieder Jäger und nicht mehr Gefangenenwärter.«

Die Verhandlung schien geschlossen und man ging zu etwas Anderem über, jedoch nicht ohne zu bestimmen, dass man fortwährend von Stunde zu Stunde einen Besuch in dem Zimmer des Prinzen machen müsse.

Die Mignons hatten ganz Recht darin, dass der Herzog von Anjou nie eine Flucht mit Gewalt versuchen und eben so wenig sich zu einer gefahrvollen oder schwierigen Entweichung entschließen würde.

Nicht als ob es dem würdigen Prinzen an Einbildungskraft gefehlt hätte, wir müssen im Gegenteil sagen, dass sich seine Einbildungskraft einer wütenden Arbeit hingab, während er zwischen seinem Bette und dem bekannten Kabinett auf- und abging, das einige Nächte hindurch La Mole bewohnt hatte, als ihn Margarethe in der Bartholomäusnacht bei sich aufgenommen.

Von Zeit zu Zeit drückte sich das bleiche Gesicht des Prinzen an die Scheiben des Fensters, das nach den Gräben des Louvre ging. Jenseits der Gräben dehnte sich ein ungefähr fünfzehn Fuß breites, sandiges Ufer aus, und jenseits dieses Ufers sah man inmitten der Dunkelheit die Seine ruhig wie einen Spiegel sich entrollen.

Auf der andern Seite erhob sich mitten in der Finsternis ein unbeweglicher Riese, das war die Tour de Nesle.

Der Herzog hatte den Sonnenuntergang in allen seinen Phasen verfolgt; er hatte mit dem Interesse, das der Gefangene solchen Schauspielen bewilligt, die Abnahme des Lichtes und die Fortschritte der Dunkelheit verfolgt; er hatte das bewunderungswürdige Schauspiel des alten Paris mit seinen durch die letzten Sonnenstrahlen vergoldeten und durch die ersten Strahlen des Mondes versilberten Dächern betrachtet; allmählich aber ergriff ihn ein gewaltiger Schrecken, als er ungeheure Wolken am Himmel hinrennen und, über dem Louvre sich anhäufend, ein Gewitter für die Nacht verkündigen sah.

Unter anderen Schwächen hatte der Herzog von Anjou auch die, bei dem Lärmen des Donners zu zittern.

Dann hätte er viel gegeben, wenn ihn die Mignons unmittelbar unter ihren Augen bewacht haben würden, und wäre er dabei auch ihren Beleidigungen ausgesetzt gewesen.

Es war aber nicht möglich, sie zurückzurufen, denn er hätte dadurch ihren Spöttereien einen zu schönen Spielraum gewährt.

Der Prinz versuchte es, sich auf sein Bett zu werfen, konnte aber durchaus nicht schlafen; er wollte lesen, die Buchstaben wirbelten vor seinen Augen wie schwarze Teufel; er wollte trinken, der Wein kam ihm bitter vor; er streifte mit den Fingerspitzen über die Laute von Aurilly hin, welche an der Wand hängen geblieben war, aber er fühlte das Vibriren der Saiten so auf seine Nerven wirken, dass er zum Weinen Lust bekam. Dann fing er an zu fluchen wie ein Heide und Alles zu zerbrechen, was er im Bereiche seiner Hand fand. Das war ein Familienfehler, an den man sich längst im Louvre gewöhnt hatte.

Die Mignons öffneten ein wenig die Türe, um zu sehen, was diesen abscheulichen Lärmen veranlasste; als sie wahrnahmen, dass es der Prinz war, der sich zu zerstreuen suchte, schlossen sie die Türe wieder, wodurch sich der Zorn des Prinzen verdoppelte.

Er hatte gerade einen Stuhl zerbrochen, als ein Geklirre, in dessen Ton man sich nie täuscht, ein kristallisches Geklirre auf der Seite des Fensters erklang, während zu gleicher Zeit Herr von Anjou einen scharfen Schmerz an der Hüfte fühlte.

Sein erster Gedanke war, man hätte ihn mit einem Büchsenschuss verwundet, und dieser Schuss wäre das Werk eines Emissärs des Königs.

»Ah! Verräter! ah! Feiger!« rief der Gefangene, »Du lässt mich erschießen, wie Du es mir versprochen hast. Oh! ich bin tot.«

Und er sank auf den Teppich nieder.

Doch im Fallen brachte er seine Hand an einen ziemlich harten Gegenstand, der ungleicher und besonders dicker war, als es eine Flintenkugel zu sein pflegt.

»Oh! ein Stein,« sagte der Prinz, »also ein Falkonettschuss? Doch ich hätte den Knall hören müssen.«

Und zu gleicher Zeit zog er das Bein zurück und streckte es wieder aus; obgleich der Schmerz ziemlich heftig war, so hatte der Prinz doch offenbar nichts gebrochen.

Hob den Stein auf und untersuchte die Scheibe.

Der Stein war so kräftig geschleudert worden, dass er das Glas mehr durchlöchert, als zerbrochen hatte.

Der Stein schien in ein Papier gewickelt.

Die Gedanken des Herzogs fingen nun an ihre Richtung zu verändern.

Kam ihm dieser Stein, statt von einem Feinde nach ihm geschleudert worden zu sein, nicht im Gegenteil von einem Freunde zu?

Der Schweiß trat ihm auf die Stirne; die Hoffnung hat ihre Bangigkeiten, wie der Schrecken.

Der Herzog näherte sich dem Lichte.

Es war um den Stein wirklich ein Papier gewickelt, das mittelst eines seidenen Fadens mit mehreren Knöpfen festgehalten wurde.

Das Papier hatte offenbar die Härte des Steines gemildert, denn dieser würde ohne seine Umhüllung dem Prinzen sicherlich heftigere Schmerzen gemacht haben, als er ihm machte.

Die Seide zerreißen, das Papier entrollen und lesen war für den Herzog die Sache einer Sekunde, denn er fühlte sich völlig wiederbelebt.

»Ein Brief,« murmelte er, verstohlen umherschauend.

Und er las.

»Seid Ihr müde, das Zimmer zu hüten? liebt Ihr die frische Lust und die Freiheit? Tretet in das Kabinett, in welchem die Königin von Navarra Euren armen Freund, Herrn de la Mole verborgen hielt; öffnet den Schrank, und die untere Leiste verschiebend werdet Ihr einen doppelten Boden finden: in diesem doppelten Boden ist eine seidene Leiter; befestigt sie selbst an den Balkon, zwei kräftige Arme werden Euch die Leiter unten im Graben steif machen.

Ein Pferd, schnell wie der Wind, bringt Euch an sicheren Ort.

Ein Freund.«

»Freund!« rief der Prinz, »ein Freund! ich wusste nicht, dass ich einen Freund habe. Wer ist denn dieser Freund, der sich meiner erinnert?«

Und der Herzog dachte einen Augenblick nach; da er aber nicht wusste, auf wem er seinen Geist halten lassen sollte, lief er an das Fenster, um hinauszuschauen, doch er sah Niemand.

»Sollte es eine Falle sein?« murmelte der Prinz, bei dem die Furcht zuerst von allen Gefühlen erwachte.

»Doch man kann sich vorerst versichern, ob der Schrank einen doppelten Boden hat, und ob dieser doppelte Boden eine Leiter enthält,« fügte er bei.