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Die Dame von Monsoreau

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Vierundzwanzigstes Kapitel
Wie Herr von Saint-Luc Herrn von Monsoreau den Stoß zeigte, den der König ihm gezeigt hatte

Herr von Monsoreau erwartete Saint-Luc mit dem Degen in der Hand und furchtbare Appelle mit dem Fuße machend.

»Bist Du fertig?« sagte der Graf.

»Ah! Ihr habt Euch keinen schlechten Platz gewählt,« erwiderte Saint-Luc, »den Rücken gegen die Sonne; ganz nach Belieben!«

Monsoreau machte eine Viertelswendung.

»Das lasse ich mir gefallen,« rief Saint-Luc, »auf diese Art kann ich sehen, was ich thue.«

»Schone mich nicht, denn ich werde ohne Umschweife zu Werke gehen,« sprach Monsoreau.

»Ah! Ihr wollt mich also durchaus töten?«

»Ob ich es will!… oh! Ja … ich will es.«

»Der Mensch denkt, Gott lenkt,« sprach Saint-Luc den Degen ziehend.

»Du sagst …«

»Ich sage: seht jenes Büschel von Klapperosen und Löwenzahn an.«

»Nun?«

»Darauf will ich Euch niederstrecken.«

Und er legte sich, beständig lachend, aus.

Monsoreau fiel wütend aus und führte einige Größe mit unglaublicher Behendigkeit, die aber Saint-Luc mit derselben Behendigkeit parierte.

»Bei Gott! Herr von Monsoreau,« sagte er, fortwährend mit dem Eisen seines Gegners spielend, »Ihr handhabt den Degen auf eine ganz angenehme Weise, und außer mir und Bussy wäre jeder Andere durch Euer letztes Losmachen getötet worden.«

Monsoreau erbleichte furchtbar, als er sah, mit wem er es zu tun hatte.

»Ihr wundert Euch vielleicht, dass Ihr mich mit dem Degen in der Hand so angemessen findet,« sagte Saint-Luc, »das kommt davon her, dass mir der König, der mich, wie Ihr wisst, ungemein liebt, Lektionen gegeben und unter Anderem einen Stoß gezeigt hat, den ich Euch sogleich auch zeigen werde. – Ich bemerke Euch dies, dass Ihr, wenn ich Euch mit diesem Stoße zufällig töte, das Vergnügen habt, zu wissen, Ihr seid mit einem vom König gelehrten Stoße getötet worden, was außerordentlich schmeichelhaft für Euch ist.«

»Ihr habt unendlich viel Witz!« rief Monsoreau in Verzweiflung, weit ausfallend, um einen geraden Stoß zu führen, der eine Mauer durchbohrt haben müsste.

»Verdammt! man thut was man kann,« sagte Saint-Luc sich auf die Seite werfend und durch diese Bewegung seinen Gegner nötigend, eine halbe Volte zu machen, die ihm die Sonne gerade in die Augen brachte.

»Ah! Ah!« rief er. »Nun seid Ihr einstweilen da, wo ich Euch sehen wollte, bis Ihr auf der Stelle seid, auf die ich Euch legen werde. Nicht wahr, ich habe diesen Coup ziemlich gut ausgeführt? Ich bin auch zufrieden, wahrhaftig sehr zufrieden. Ihr hattet so eben nur fünfzig Chancen bei hundert, getötet zu werden, jetzt habt Ihr neun und neunzig.«

Und mit einer Geschwindigkeit, mit einer Stärke und einer Heftigkeit, welche Monsoreau nicht kannte, und Niemand bei diesem weibischen jungen Manne vermutet hätte, führte Saint-Luc hinter einander und ohne Unterbrechung fünf bis sechs Stöße gegen den Oberstjägermeister aus, der sie ganz betäubt von diesem mit Zischen und Blitzen vermischten Orkan parierte; der sechste war ein Primecoup, bestehend aus einer doppelten Finte, einer Parade und einem Gegenstoß, dessen erste Hälfte zu sehen die Sonne ihn verhinderte, und dessen zweite er nicht sehen konnte, weil der Degen von Saint-Luc ganz in seiner Brust verschwand.

Monsoreau blieb noch einen Augenblick stehen, doch wie eine entwurzelte Eiche, welche nur einen Hauch erwartet, um zu wissen, auf welche Seite sie fallen soll.

»Nun sind die hundert Chancen voll,« sagte Saint-Luc, »und bemerkt wohl, mein Herr, Ihr fallt gerade auf das Büschel, das ich Euch bezeichnet habe.«

Dem Grafen schwanden die Kräfte, seine Hände öffneten sich, seine Augen verschleierten sich; seine Knie bogen sich, und er fiel auf die Klapperrosen, mit deren Purpur er sein Blut vermischte.

Saint-Luc wischte ruhig seinen Degen ab und betrachtete die Abnahme der Nuancen, welche allmählich das Gesicht des sterbenden Menschen in eine Totenmaske verwandelt.

»Ah! Ihr habt mich getötet, mein Herr,« sprach Monsoreau.

»Ich trachtete danach,« erwiderte Saint-Luc, »doch nun, da ich Euch dem Tode nahe hier liegen sehe, soll mich der Teufel holen, wenn mir das, was ich getan, nicht leid ist; Ihr seid mir nun heilig, mein Herr; allerdings seid Ihr furchtbar eifersüchtig, aber Ihr habt Euch mutig benommen.«

Und ganz zufrieden mit dieser Leichenrede kniete Saint-Luc neben Monsoreau nieder und sagte zu ihm:

»Habt Ihr einen letzten Willen zu erklären, mein Herr? Bei meinen, adeligen Ehrenworte, er soll vollzogen werden; ich weiß, gewöhnlich hat man Durst, wenn man verwundet ist: habt Ihr Durst, so werde ich Euch Wasser holen.«

Monsoreau antwortete nicht.

Er hatte sich mit dem Gesicht gegen die Erde gekehrt, biss in den Rasen und zerarbeitete sich in seinem Blute.

»Armer Teufel!« murmelte Saint-Luc aufstehend.

»Oh! Freundschaft, Freundschaft, Du bist eine sehr anspruchsvolle Gottheit!«

Monsoreau öffnete ein schwer gewordenes Auge, suchte den Kopf zu erheben, und fiel mit einem dumpfen Seufzer wieder zurück.

»Vorwärts! er ist tot,« sprach Saint-Luc, »denken wir nicht mehr an ihn … Das ist leicht gesagt, denken wir nicht mehr an ihn … Ich habe bei alle dem doch einen Menschen getötet … Man wird nicht sagen, ich habe auf dem Lande meine Zeit verloren.«

Und rasch schwang er sich auf die Mauer, lief durch den Park und erreichte das Schloss.

Die erste Person, die er erblickte, war Diana; sie plauderte mit ihrer Freundin.

»Wie ihr schwarz so gut stehen wird,« sagte Saint-Luc.

Dann sich der reizenden Gruppe der zwei Frauen nähernd, sprach er zu Diana:

»Verzeiht, liebe Diana, ich habe notwendig ein paar Worte mit Frau von Saint-Luc zu reden.«

»Tut das, mein lieber Gast; ich will meinen Vater in der Bibliothek aufsuchen; wenn Du mit Herrn von Saint-Luc zu Ende bist, so holst Du mich dort ab.«

»Ja, unfehlbar,« erwiderte Jeanne.

Diana entfernte sich mit der Hand und mit einem Lächeln grüßend.

Das Ehepaar blieb allein.

»Was gibt es denn?« fragte Jeanne mit dem lachendsten Gesicht, »Ihr seht finster aus, mein teurer Gemahl?«

»Ja wohl, ja wohl,« antwortete Saint-Luc.

»Was ist denn geschehen?«

»Ei! mein Gott, ein Unfall.«

»Euch?« fragte Jeanne erschrocken.

»Nicht gerade mir, aber einer Person, die bei mir war.«

»Welcher Person denn?«

»Derjenigen, mit welcher ich spazieren ging.«

»Herrn von Monsorean?«

»Ach! ja. Armer Mann!«

»Was ist ihm denn begegnet?«

»Ich glaube, er ist tot.«

»Tot!« rief Jeanne mit einer leicht begreiflichen Erschütterung, »tot!«

»So ist es.«

»Er, der noch so eben hier war, sprechend, schauend …«

»Ei! gerade das ist die Ursache seines Todes: er hat zu viel geschaut und besonders zu viel gesprochen.«

»Saint-Luc, mein Freund,« sagte die junge Frau, ihren Gatten bei beiden Händen fassend.

»Was?«

»Ihr verbergt mir etwas?«

»Nein, durchaus nichts, ich schwöre Euch, nicht einmal den Ort, wo er gestorben ist.«

»Und wo ist er gestorben?«

»Dort hinter der Mauer, auf der Stelle, wo unser Freund Bussy sein Pferd anzubinden pflegte.«

»Ihr habt ihn getötet, Saint-Luc!«

»Bei Gott! wer soll es denn getan haben? Wir waren nur zu zwei, ich komme lebendig zurück und sage Euch, dass er tot ist; es lässt sich leicht erraten, wer von Beiden den Andern getötet hat.«

»Ihr Unglücklicher!«

»Oh! teure Freundin, er hat mich beleidigt, herausgefordert; er hat den Degen aus der Scheide gezogen.«

»Das ist furchtbar! das ist furchtbar! der arme Mann!«

»Gut!« versetzte Saint-Luc, »das wusste ich; ich bin überzeugt, ehe acht Tage vergehen, wird man der heilige Monsoreau sagen.«

»Aber Ihr könnt nicht hier bleiben!« rief Jeanne, »Ihr könnt nicht länger unter dem Dach des Mannes wohnen, den Ihr getötet habt.«

»Das sagte ich mir sogleich, und deshalb lief ich hierher, um Euch zu bitten, liebe Freundin, alle Vorkehrungen zur Abreise zu treffen.«

»Er hat Euch wenigstens nicht verwundet?«

»So ist es gut! das ist eine Frage, die zwar etwas spät kommt, mich jedoch mit Euch aussöhnt; nein, ich bin vollkommen unversehrt.«

»Dann werden wir abreisen.«

»So schnell als möglich, denn Ihr begreift, dass man den Unfall jeden Augenblick entdecken kann.«

»Welchen Unfall?« rief Frau von Saint-Luc, auf ihren Gedanken zurückkommend, wie man zuweilen auf den Weg, den man gemacht, zurückkommt.

»Oh!« machte Saint-Luc.

»Ich bedenke, Frau von Monsoreau ist nun Witwe.«

»Das sagte ich mir vorhin auch.«

»Nachdem Ihr ihn getötet hattet?«

»Nein, vorher.«

»Geht, indes ich sie in Kenntnis setze …«

»Verfahrt nur sehr schonend, liebe Freundin!«

»Schlimme Natur! Während ich ihr die Sache mitteile, sattelt selbst die Pferde, wie zu einem Spazierritte.«

»Vortrefflicher Gedanke! Es wird gut sein, wenn Ihr noch mehr dergleichen habt; denn was mich betrifft … ich muss gestehen, mein Kopf fängt an, etwas in Verwirrung zu geraten.«

»Doch wohin gehen wir?«

»Nach Paris.«

»Nach Paris! und der König?«

Der König wird Alles vergessen haben; es sind so viele Dinge vorgefallen, seitdem wir uns nicht mehr gesehen; auch ist mein Platz an seiner Seite, wenn es Krieg gibt, was wahrscheinlich der Fall sein wird.«

»Es ist gut, wir reisen also nach Paris.«

»Ja: nur wünschte ich Tinte und Feder zu haben.«

»Um an wen zu schreiben?«

»An Bussy; Ihr begreift, dass ich Anjou nicht verlassen kann, ohne ihm zu sagen, warum ich es verlasse.«

»Das ist richtig, Ihr findet in meinem Zimmer Alles, was Ihr zum Schreiben braucht.«

Saint-Luc ging sogleich hinauf und schrieb mit einer Hand, die, was er auch darin haben mochte, ein wenig zitterte, in Hast folgende Zeilen:

 

»Lieber Freund,

»Ihr werdet durch die Stimme des Gerüchtes den Unfall erfahren, der Herrn von Monsoreau begegnet ist; wir hatten in der Gegend des alten Schlages einen Streit über die Ursachen und Wirkungen des Verfalls der Mauern und über das Ungeeignete der Pferde, welche allein gehen.Während der Hitze dieses Streites fiel Herr von Monsoreau auf ein Büschel von Klapperrosen und Löwenzahn, und zwar so unglücklich, dass er auf der Stelle todt war.

»Euer Freund für das Leben

Saint-Luc.

N.S.

»Da Euch dies im ersten Augenblicke etwas unwahrscheinlich vorkommen dürfte, so füge ich bei, dass wir, als sich dieser Unfall ereignete, Beide den Degen in der Hand hatten.

»Ich reise sogleich nach Paris ab, um dem König meine Huldigung darzubringen, da mir Anjou nach dem, was vorgefallen ist, nicht sehr sicher vorkommt.«

Zehn Minuten nachher eilte ein Diener des Barons als Überbringer dieses Briefes nach Angers, während Herr und Frau von Saint-Luc durch eine Hintertüre, die nach einem Seitenwege ging, allein abreisten und Diana sehr in Tränen und besonders sehr in Verlegenheit, wie sie dem Baron die traurige Geschichte dieses Zweikampfes erzählen sollte, zurückließen.

Sie wandte die Augen ab, als Saint-Luc vorüber kam.

»Dient doch Euren Freunden,« sagte dieser zu seiner Frau, »offenbar sind alle Menschen undankbar; nur ich allein bin dankbar.«

Fünfundzwanzigstes Kapitel
Worin man die Königin Mutter sehr wenig triumphmäßig in die gute Stadt Angers einziehen sieht

In derselben Stunde, wo Herr von Monsoreau unter dem Degen von Saint-Luc fiel, erscholl eine große Fanfare von vier Trompeten an den bekanntlich mit der größten Sorgfalt geschlossenen Toren von Angers.

Davon in Kenntnis gesetzt, erhoben die Wachen eine Standarte und antworteten durch ähnliche Symphonien.

Es war Catharina von Medicis, welche mit einem ziemlich ansehnlichen Gefolge ihren Einzug in Angers halten wollte.

Man meldete es sogleich Bussy, der sich von seinem Bette erhob, und Bussy suchte den Prinzen auf, welcher sich in das seinige legte.

Die von den angevinischen Trompetern gespielten Melodien waren allerdings sehr schöne Melodien, doch sie hatten nicht die Kraft derjenigen, welche einst die Mauern von Jericho fallen machten; die Tore von Angers öffneten sich nicht.

Catharina neigte sich aus ihrer Sänfte, um sich den vordersten Wachen zu zeigen, in der Hoffnung, die Majestät eines königlichen Gesichtes würde mehr Wirkung hervorbringen, als der Klang der Trompeten. Die Milizer von Angers sahen die Königin, begrüßten sie mit aller Höflichkeit, aber die Tore blieben geschlossen.

Catharina schickte einen Edelmann an die Barriere. Man machte diesem Edelmann alle mögliche Komplimente; als er jedoch Einlass für die Königin Mutter forderte und darauf drang, dass Ihre Majestät mit allen ihr gebührenden Ehren empfangen würde, antwortete man ihm, da Angers ein Kriegsplatz wäre, würde man die Stadt nicht ohne einige unerlässliche Förmlichkeiten öffnen.

Der Edelmann kam sehr gedemütigt zu seiner Gebieterin zurück, und es entschlüpfte Catharina in der ganzen Bitterkeit seines wirklichen Gehaltes und in der Fülle der dafür angenommenen Bedeutung das Wort, das später Ludwig XIV. nach den Verhältnissen, welche die königliche Würde gewonnen hatte, modifizierte.

»Ich warte!« murmelte sie, und ihre Edelleute zitterten an ihrer Seite.

Bussy, der eine halbe Stunde angewendet hatte, um dem Herzog zu predigen und ihm, hundert Staatsgründe zu schmieden, von denen die einen immer peremtorischer waren, als die andern, Bussy entschloss sich endlich. Er ließ ein Pferd satteln und ihm glänzende Decken auflegen, wählte fünf Edelleute unter denen, welche der Königin Mutter am Unangenehmsten waren, stellte sich an ihre Spitze und ritt Ihrer Majestät mit einem Rectorsschritte entgegen.

Catharina fing an müde zu werden, nicht des Wartens, sondern des Nachsinnens über die Rache, welche sie gegen diejenigen üben wollte, die ihr diesen Streich spielten.

Sie erinnerte sich des arabischen Märchens, worin erzählt wird, ein rebellischer Geist habe, in einem kupfernen Gefäße gefangen, Jeden, der ihn in den zehn ersten Jahrhunderten seiner Gefangenschaft befreien würde, zu bereichern versprochen; später aber habe er wütend, dass er so lange warten musste, dem Unklugen, der den Deckel zerbrechen würde, den Tod geschworen.

So weit war Catharina. Anfangs hatte sie sich vorgenommen, die Edelleute, welche sich ihr entgegenzukommen beeilen würden, auf das Freundlichste zu behandeln. Dann aber gelobte sie sich, denjenigen, welcher zuerst sich zeigen würde, mit ihrem Zorne niederzuschmettern.

Bussy erschien ganz geschmückt an der Barriere, schaute unentschieden hinaus, wie eine nächtliche Schildwache, welche mehr hört als sieht, und rief:

»Wer da?«

Catharina erwartete wenigstens Kniebeugungen; ihr Edelmann schaute sie an, um ihren Willen zu erkennen.

»Geht,« sagte sie, »geht noch einmal an die Barriere, man ruft: Wer da? Antwortet, mein Herr, es ist eine Förmlichkeit …«

Der Edelmann kam an die Spitzen des Fallgatters und sprach:

»Es ist die Frau Königin Mutter, welche die gute Stadt Angers besuchen will.«

»Sehr schön, mein Herr,« antwortete Bussy, »wollt Euch links wenden, ungefähr achtzig Schritte von hier findet Ihr das Schlupfthor, eine Seitenpforte für Ihre Majestät!«

»Das Schlupfthor!« rief der Edelmann, »das Schlupfthor, eine Seitenpforte für Ihre Majestät!«

Bussy war nicht mehr da, um zu hören. Er hatte sich bereits mit seinen Edelleuten, welche in die Faust lachten, nach dem Orte gewendet, wo nach seinen Instruktionen Ihre Majestät die Königin Mutter absteigen sollte.

»Hat Eure Majestät gehört?« fragte der Edelmann.

»Das Schlupfthor!«

»Oh! ja, mein Herr, ich habe gehört; gehen wir dort hinein, da man dort hineingeht.«

Und der Blitz ihres Blickes machte den Ungeschickten, der einen Nachdruck auf die der Königin widerfahrene Demütigung gelegt hatte, schnell erbleichen.

Der Zug wandte sich links, und das Schlupfthor öffnete sich.

Bussy kam zu Fuß, das bloße Schwert in der Hand, zu dem kleinen Tore heraus und verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor Catharina; um ihn her fegten die Federn der Hüte den Boden.

»Eure Majestät sei in Angers willkommen,« sprach er. An seinen Seiten waren Trommler, welche nicht schlugen, und Hellebardiere, die ihre Waffen nicht bei Fuß setzten.

Die Königin stieg aus ihrer Sänfte und ging, sich auf den Arm eines Edelmanns von ihrem Gefolge stützend, nach dem kleinen Tore zu, nachdem sie zuvor nur mit den Worten: »Ich danke, Herr von Bussy,« geantwortet hatte.

Dies war der ganze Schluss der Betrachtungen, zu denen man ihr Zeit gelassen.

Sie schritt den Kopf hoch tragend weiter. Bussy wandte sich plötzlich und hielt sie sogar am Arme zurück.

»Ah! nehmt Euch in Acht, Madame, das Thor ist sehr niedrig und Eure Majestät könnte sich stoßen.«

»Ich muss mich also bücken?« sprach die Königin, »wie soll ich das machen? … Es ist das erste Mal, dass ich so in eine Stadt eintrete.«

Vollkommen natürlich ausgesprochen, hatten diese Worte für die gewandten Höflinge einen Sinn, eine Tiefe und eine Bedeutung, welche mehr als einen Anwesenden nachdenken machten, und Bussy selbst drehte sich, auf die Seite schauend, den Schnurrbart.

»Du bist zu weit gegangen,« sagte ihm Livarot in das Ohr.

»Bah! lass nur,« erwiderte Bussy, »sie wird noch ganz Anderes hören.«

Man hob die Sänfte Ihrer Majestät mit einer Zugwinde über die Mauer, und sie konnte sich wieder einsetzen, um in den Palast zu fahren.

Bussy und seine Freunde stiegen abermals zu Pferde und geleiteten die Sänfte auf beiden Seiten.

»Mein Sohn,« sagte plötzlich Catharina, »ich sehe meinen Sohn von Anjou nicht.«

Diese Worte, welche sie zurückhalten wollte, waren ihr von einem unwiderstehlichen Zorne entrissen worden. Die Abwesenheit von Franz in einem solchen Augenblick war der höchste Grad der Beleidigung.

»Monseigneur ist krank und liegt im Bette, Madame; Eure Majestät kann nicht daran zweifeln, dass sonst Seine Hoheit sich beeilt hätte, ihr selbst die Honneurs seiner Stadt zu machen.«

Hier wurde Catharina wieder erhaben durch Heuchelei.

»Krank! mein armes Kind krank!« rief sie. »Oh! meine Herren, beeilen wir uns … er wird doch wenigstens gut gepflegt?«

»Wir tun, was in unsern Kräften liegt,« sprach Bussy, Catharina voll Erstaunen anschauend, als wollte er erforschen, ob in dieser Frau wirklich eine Mutter wäre.

»Weiß er, dass ich hier bin?« fragte Catharina nach einer Pause, die sie nützlich dazu anwandte, alle Edelleute die Revue passieren zu lassen.

»Ja, gewiss, Madame, ja.«

Die Lippen von Catharina pressten sich zusammen.

»Dann muss er sehr leiden,« fügte sie im Tone tiefen Mitleids bei.

»Furchtbar,« sprach Bussy.

»Monseigneur ist plötzlichen Unpässlichkeiten unterworfen.«

»Es ist eine plötzliche Unpässlichkeit, Herr von Bussy?«

»Mein Gott, ja, Madame.«

So gelangte man zum Palast. Eine große Menschenmenge bildete ein Spalier auf dem Wege der Bussy sprang die Stufen hinauf voran, trat ganz atemlos bei dem Herzog ein und rief:

»Sie ist da … Aufgepasst!«

»Ist sie wütend?«

»Außer sich.«

»Beklagt sie sich?»

»Oh! nein, es ist noch schlimmer, sie lächelt.«

»Was hat das Volk gesagt?«

»Das Volk hat keine Miene verzogen; es schaut diese Frau mit einem stummen Schrecken an: wenn es dieselbe nicht kennt, so errät es sie doch.«

»Und sie?«

»Sie teilt Kusshände aus und beißt sich in die Fingerspitzen.«

»Teufel!«

»Das habe ich mir wohl gedacht, Monseigneur. Donner und Wetter! weicht nicht von der Stelle!«

»Wir halten uns auf dem Kriegsfuß, nicht wahr?«

»Bei Gott! verlangt hundert, um zehn zu bekommen, und Ihr werdet bei ihr immer nur fünf haben.«

»Bah! Du hältst mich also für sehr schwach? … Seid Ihr Alle da? Warum ist Herr von Monsoreau nicht zurückgekommen?« fragte der Herzog.

»Ich glaube, er ist in Méridor … Oh! wir können seiner wohl entbehren.«

»Ihre Majestät die Königin Mutter!« rief der Huissier auf der Schwelle.

Und sogleich erschien Catharina bleich und ihrer Gewohnheit gemäß schwarz gekleidet.

Der Herzog von Anjou machte eine Bewegung, um aufzustehen, doch mit einer Behendigkeit, welche man bei diesem durch das Alter abgenutzten Körper nicht hätte voraussetzen sollen, warf sich Catharina in die Arme ihres Sohnes und bedeckte ihn mit Küssen.

»Sie wird ihn ersticken,« dachte Bussy, »das sind wahre Küsse, Mord und Tod!«

Sie tat noch mehr, sie weinte.

»Misstrauen wir ihr,« sprach Antraquet zu Ribeirac, »jede Thräne wird mit einem Ohm Blut bezahlt werden.«

Als Catharina ihre Umhalsungen beendigt hatte, setzte sie sich an das Bett des Herzogs; Bussy machte ein Zeichen, und die Anwesenden entfernten sich. Er, als wäre er zu Hause, lehnte sich an die Pilaster des Bettes an und wartete ruhig.

»Wollt Ihr nicht die Güte haben, für meine armen Leute zu sorgen, lieber Herr von Bussy?« sagte plötzlich Catharina.

»Nach meinem Sohne seid Ihr unser teuerster Freund und der Herr im Hause; nicht wahr, Ihr tut mir den Gefallen?«

Es war nicht zu zögern.

»Ich bin gefangen,« dachte Bussy.

»Madame, ich fühle mich stets zu glücklich, Eurer Majestät gefällig sein zu können, und gehe deshalb,« sprach er.

»Warte,« murmelte Bussy, »Du kennst hier die Türen nicht so gut, wie im Louvre, ich werde zurückkommen.«

Und er ging hinaus, ohne nur dem Herzog ein Zeichen machen zu können. Catharine misstraute ihm und verlor ihn keine Sekunde aus dem Blick.

Vor Allem suchte Catharina zu erfahren, ob ihr Sohn krank wäre oder sich nur krank stellte. Das musste die ganze Grundlage ihrer diplomatischen Operationen sein.

Doch als ein würdiger Sohn einer solchen Mutter spielte Franz seine Rolle bewunderungswürdig. Sie hatte geweint, er hatte das Fieber.

Catharina wurde getäuscht und glaubte, er wäre krank; sie hoffte daher mehr Einfluss auf einen durch körperliche Leiden geschwächten Geist zu haben, überhäufte den Herzog mit Zärtlichkeiten, umarmte ihn abermals, weinte wieder, und zwar dergestalt, dass er darüber erstaunte und sie nach der Ursache fragte.

»Ihr wart so großer Gefahr preisgegeben! mein Kind,« erwiderte sie.

»Als ich mich aus dem Louvre flüchtete, meine Mutter?«

 

»Oh! nein, nachdem Ihr Euch geflüchtet hattet.«

»Wie so?«

»Diejenigen, welche Euch in dieser unglücklichen Entweichung unterstützten …«

»Nun?«

»Waren Eure grausamsten Feinde …«

»Sie weiß nichts, aber sie möchte gern wissen,« dachte er.

»Der König von Navarra!« sprach sie ganz heftig, »diese ewige Geißel unseres Geschlechts … Ich erkenne ihn wohl.«

»Ah! ah!« rief Franz, »sie weiß es.«

»Solltet Ihr glauben, dass er sich dessen rühmt und Alles gewonnen zu haben wähnt?« sagte Catharina.

»Das ist unmöglich, man täuscht Euch, meine Mutter.«

»Warum?«

»Weil er keinen Anteil an meiner Entweichung hat und weil ich, wenn er auch Anteil daran hätte, unversehrt bin, wie Ihr bemerkt … Ich habe den König von Navarra seit zwei Jahren nicht gesehen.«

»Ich spreche nicht allein von dieser Gefahr, mein Sohn,« versetzte Catharina, fühlend, dass der Schlag nicht getroffen hatte.

»Was noch mehr, mein Mutter?« fragte der Herzog, häufig in seinem Alkoven die Tapete betrachtend, welche sich hinter der Königin bewegte.

Catharina näherte sich Franz und sprach mit einer Stimme, der sie den Ausdruck des Schreckens zu verleihen suchte:

»Der Zorn des Königs! dieser wütende Zorn, der Euch bedroht!«

»Es ist mit dieser Gefahr, wie mit der andern, Madame; der König, ich glaube es wohl, hat einen wütenden Zorn, doch ich bin unverletzt.«

»Ihr meint?« entgegnete sie mit einem Tone, der ganz fähig war, auch die Kühnsten einzuschüchtern.

Die Tapete zitterte.

»Ich bin dessen gewiss,« antwortete der Herzog, »und es ist dies so wahr, meine gute Mutter, dass Ihr selbst gekommen seid, um es mir anzukündigen.«

»Wie so?« fragte Catharina unruhig über diese Ruhe.

»Weil Ihr,« fuhr er mit einem neuen Blicke nach der Scheidewand fort, »weil Ihr, wenn Ihr nur den Auftrag gehabt hättet, mir diese Drohungen zu überbringen, nicht gekommen wäret, und weil der König in einem solchen Falle gezögert haben würde, mir eine Geisel wie Eure Majestät zu liefern.«

Die Königin warf den Kopf zurück.

»Ich! eine Geisel!« rief sie.

»Die heiligste und ehrwürdigste von allen,« erwiderte der Herzog lächelnd und Catharina die Hand küssend, doch nicht ohne einen neuen, triumphierenden Blick gegen die Tapete.

Catharina ließ wie vernichtet ihre Arme sinken; sie konnte nicht erraten, dass Bussy durch eine geheime Türe seinen Herrn überwachte und seit dem Anfange des Gespräches, ihm bei jedem Zögern Mut und Geist zusendend, den Prinzen unter seinem Blicke im Schach hielt.

»Mein Sohn,« sprach sie endlich, »es sind nur Friedensworte, was ich Euch bringe, Ihr habt vollkommen Recht.«

»Ich höre, meine Mutter, und Ihr wisst, mit welcher Ehrfurcht; ich glaube, wir fangen an, uns zu verstehen.«