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Die schwarze Tulpe

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IV.
Ein Zweites Mitglied der Gartenbaugesellschaft

Rosa, von mächtigen Gefühlen durch die Gewißheit ergriffen, daß die schwarze Tulpe nunmehr wieder aufgefunden worden war, eilte hinab und begab sich in Begleitung ihres treuen Gefährten nach dem weißen Schwan. Unterwegs machte sie den jungen robusten Friesen, der allein im Stande gewesen wäre, mehrere Boxtel’s in kurzer Zeit zu vernichten, mit Allem bekannt, und, diesen einen für ihm in Aussicht gestellten günstigen Kampf mit Freude begrüßend, erbot sich, es mit dem Räuber allein aufzunehmen, ohne jedoch der schwarzen Tulpe den geringsten Schaden zu verursachen.

So noch im Gespräche vertieft, kamen beide auf den Groetmarkt an, als Rosa plötzlich von einem Gedanken erfaßt wurde, gleich der Minerva Homers, die Achilles in dem Augenblicke, wo er sich ganz von seinem Zorne hinreißen lassen wollte, bei den Haaren ergriff.

»Jetzt erst überlege ich,« sprach sie, »welch großen Fehler ich begangen habe, da ich durch meine Unvorsichtigkeit, der schwarzen Tulpe, Cornelius und mir selbst das größte Unglück bereiten muß.«

»Zuerst richtete ich die allgemeine Aufmerksamkeit auf mich, und gab Männern, die sich leicht gegen ein schwaches Weib verbinden können, genügende Veranlassung zum Argwohn.«

»O dann bin ich verloren, aber was läge auch daran, wenn ich es nur allein wäre, so ist es Cornelius und die Tulpe zugleich mit mir —« Sie blieb einige Augenblicke im Nachdenken stehen.

»Vorerst,« sprach sie dann weiter »weiß ich noch gar nicht, ob jener Boxtel, zu dem ich mich so eben begeben will, auch wirklich der in Verdacht gehaltene Jakob ist, oder ob es nicht vielleicht einem andern Tulpenliebhaber dieses Namens glückte, dasselbe Wunder zu entdecken. Dann konnte die Tulpe auch durch jemand Andern gestohlen worden sein, oder wenn selbst Jakob den Raub beging, so durfte er nur einen seiner Bekannten mit der Blume hierher senden, und ich kann dann gegen einen mir ganz fremden Mann auch wieder keine Klage führen.«

»Eben so gestaltet sich die Sache, wenn ich in dem Thäter Jakob auch erkenne, denn während wir der Blume wegen streiten, kann diese zu Grunde gehen, und es ist auch Alles verloren. O heilige Jungfrau, erleuchte und führe mich, es handelt sich ja um ein Leben, das stets nur Dir und Deinem erhabenen Sohne gewidmet war, es handelt sich um einen Unglücklichen, der vom Schicksale schon so hart gebeugt, nur durch die gerechte Entscheidung in dieser Angelegenheit gerettet werden kann.«

Und Rosa sah bei diesen letzten Worten so gläubig und andächtig gegen den Himmel, als erwarte sie in demselben Augenblicke die Erleuchtung, um die sie gebeten hatte.

Da erhob sich mit einem Male auf dem ganzen Groetmarkte ein ungewöhnlicher Lärm, alle Thore flogen weit auf, und eine Unzahl von Menschen eilte auf einen Punkt hin. Nur Rosa blieb gegen diese seltsame Erscheinung ganz kalt und unempfindlich.

»Ich darf keine Zeit verlieren,« sprach sie, »ich, muß zum Präsidenten zurück.«

»Dann kehren wir lieber gleich um,« bemerkte ihr, Begleiter.«

Sie eilten unverzüglich nach der Straße la Paille, in welcher der Präsident wohnte, der noch immer mit seiner besten Feder den Bericht über die schwarze Tulpe verfaßte.

Aber auf dem ganzen Wege, den sie zurücklegten, hören die Beiden von nichts Anderem, als von der wunderbaren Tulpe und dem gewonnenen Preise sprechen. Die Nachricht von der Existenz derselben hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet.

Mit unsäglicher Mühe, und erst nachdem Rosa sich des Zauberwortes »die schwarze Tulpe« bediente, gelang es ihr, vorgelassen zu werden.

Van Systens erkannte Rosa, die er aus Mitleid eher für wahnsinnig als für eine Verbrecherin hielt, also gleich und vom Zorne aufgeregt, befahl er ihr, sich augenblicklich zu entfernen.

Allein das Mädchen kreuzte die Arme über die Brust und sprach in dem Tone der Offenherzigkeit, der Jedermann einzunehmen pflegt.

»Ich flehe Euch nochmals an, mein Herr, mich nicht zurückzustoßen, und das mit Ruhe anzuhören, was ich Euch sagen muß. Ihr werdet mir ganz gewiß volles Recht verschaffen, um nicht einst vor Gottes Richterstuhle, eine schändliche Handlung, die Ihr unterdrücken könnt, verantworten zu müssen.«

Der Präsident war sichtlich aufgeregt, er zitterte vor Ungeduld, um so mehr, da er von demselben Mädchen zum zweiten Male in seinem glänzenden Berichte, auf den er sowohl als Bürgermeister wie auch als Präsident der Gartenbaugesellschaft stolz war, unterbrochen wurde.

»Aber was wollt Ihr denn« rief er, »bedenket, daß ich so eben den höchst wichtigen Bericht über die schwarze Tulpe verfasse.«

Rosa ließ sich aber keineswegs abweisen, sondern fuhr mit männlicher Entschlossenheit fort:

»Eben dieser Punkt ist für mich von größter Wichtigkeit, da ich überzeugt bin, daß dieser Bericht, das wichtigste Aktenstück zur Darlegung eines schändlichen Betruges werden soll. Gestattet mir nur, darum bitte ich Euch, den Herrn Boxtel, den ich für einen gewissen Jakob halte, in Eurer Gegenwart zu sprechen, und ich schwöre Euch, wenn ich weder ihn noch die Blume wiedererkenne, ganz von meiner Anklage abzustehen.«

»Hm, hm, das ist ein gar wunderbarer Vorschlag.«

»Was sollen diese Worte bedeuten?«

»Ich will Euch nur fragen, wie Ihr es beweisen könnt, daß Ihr die Blume wieder erkannt habt?«

»Dann mein Herr muß ich mich ganz auf Euere Redlichkeit, in der Ueberzeugung verlassen, daß Ihr ohne nähere Untersuchung den Preis nicht einem Manne übergeben werdet, der die Blume, statt sie zu entdecken,gestohlen hat.«

Die Mienen Rosa’s spiegelten in diesem Augenblicke die Reinheit ihres Innern, so wie die Wahrheit ihrer Aussage, in einem so klaren Lichte ab, daß der Präsident hierdurch zu einer ganz andern Meinung gebracht, ihr bereits sanfter antworten wollte, als sich ganz unverhofft vor dem Gebäude ein ausfallender Lärmer hob. Dieser war aber eigentlich nur eine Fortsetzung jenes Tumultes, den Rosa schon auf dem Groetmarkte gehört hatte, ohne ihm eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken oder sich in ihrem andächtigen Gebete stören zu lassen.

Das Haus schien unter den immer wachsenden Getöse zu erzittern.

Der Präsident horchte aufmerksam, Rosa erkannte erst jetzt, daß etwas Ungewöhnliches sich auf der Straße zutragen müsse.

»Was höre ich,« rief van Systens mit einem Male, »wäre es möglich, habe ich wirklich recht gehört?« Und ohne sich weiter um das Mädchen zu kümmern, eilte er in das Vorzimmer.

Er eilte hier zu der Hauptthüre, zu welcher eine Wendeltreppe von der Straße führte, und stieß unwillkürlich einen Schrei der höchsten Verwunderung aus, als er das, sich vor seinen Augen entfaltende Schauspiel gewahrte.

Ein einfach gekleideter junger Mann, stieg mit vornehmer Haltung so eben die Stufen herauf. Er trug einen kurzen Reitrock von Violettsammt, einfach mit Silber gestickt, und wurde von einem Officier der Marine und einem der Cavallerie begleitet, denen sodann eine unabsehbare jubelnde und jauchzende Volksmasse folgte. Van Systens bahnte sich mit Aufbietung seiner ganzen Kraft einen Weg durch seine ganz bestürzten Diener, und fiel dem neuen Ankömmling mit einer tiefen Verbeugung beinahe zu Füßen.«

»Euer Hoheit, ich fasse das unendliche Glück, und, die Ehre gar nicht, die meinem niedrigen Hause durch die beglückende Gegenwart eines so erlauchten Gastes wiederfährt.«

»Mein geehrter Herr Bürgermeister,« erwiderte Wilhelm von Oranien mit einer fröhlichen Miene, die bei ihm statt des Lächelns ersichtlich wurde, »Ihr werdet wohl nicht zweifeln, das ich als echter Holländer an all’ dem Geschmack finde, was meine Landsleute besonders hervorheben, und daher mit einer großen Neigung an den Blumen, und unter diesen wieder; an der Tulpe hänge. Zu Leyden erfuhr ich denn, das in Harlem das Wunder, die große schwarze Tulpe entdeckt worden sei, und man sie daselbst auch sehen könne. Ihr werdet es daher meiner Neugierde leicht nachsehen, daß ich Euch mit einem Besuche belästige.«

»Beglücken wollten Euer Hoheit sagen, ich bin von dieser Gnade ganz zerknirscht, und welche unendliche Freude wird die ganze Gesellschaft ergreifen, wenn diese erfährt, daß sich Euer Hoheit herablassen, ihre schwachen Leistungen eines gnädigen Blickes zu würdigen.«

»Ist die Blume da?« fiel der Prinz dem devoten Präsidenten in die Rede.

»Ja, sie ist hier, Euer Hoheit, aber leider noch nicht bei mir.«

»Wo befindet sie sich denn?«

»Bei ihrem Entdecker.«

»Wer ist derselbe?«

»Ein sehr fleißiger Tulpenzüchter aus Dortrecht

»Aus Dortrecht?«

»Ganz zu dienen.«

»Wie heißt er?-

»Isaak Boxtel.«

»Wo ist er jetzt.«

»Im Gasthofe zum weißen Schwan. Wenn aber Euer Hoheit sich gnädigst in diesen Saal verfügen wollen, so soll er in wenigen Augenblicken hier sein, und die wunderbare Blume in höchst Dero Gegenwart enthüllen.«

»Nun laßt ihn kommen«

»Aber noch etwas.«

»Was?«

»Nichts von besonderem Belange, gnädigster Herr.«

»Laßt es mich hören, ich halte auf dieser Welt Alles für hinreichend wichtig, um es anzuhören.«

»Dann will ich unverzüglich gehorchen und Euer Hoheit bekannt geben, daß sich bereits einige Schwierigkeiten ergeben haben.«

»Welcher Art?«

»Die Blume wird ihrem dermaligen Eigenthümer streitig gemacht. Freilich soll man sich darüber gar nicht wundern, denn hunderttausend Gulden sind eine schöne runde Summe.«

»Ja gewiß.«

»Es scheinen sich vermessene Betrüger ihrer bemächtigen zu wollen.«

»Das grenzt nahe an’s Verbrechen.«

»Es ist sogar eines.«

»Habt Ihr aber auch genügende Beweise?«

»Bis jetzt wohl noch keine, gnädigster Herr, denn das Mädchen . . . .« »

 

»Ein Mädchen?«

»Ich meine nämlich diejenige, welche die Tulpe als rechtliche Eigenthümerin in Anspruch nimmt, sie steht hier im Nebenzimmer.«

»So ist sie schon da? Was haltet Ihr von der Sache, Herr Bürgermeister?«

»Ich glaube, sie habe sich durch den ausgesetzten Preis blenden und verführen lassen.«

»Und sie will die Tulpe haben?«

»Ja, gnädigster Herr.«

»Welche Beweise bringt sie vor?«

»Wenn es Euer Hoheit gestatten, werde ich sie in höchst Dero Gegenwart befragen.«

»Ja, ja, da habt Ihr recht, die Sache interessirt mich ungemein, und als erster Gerichtsherr des Landes will ich ihr beiwohnen, um Gerechtigkeit zu pflegen.«

»Dann habe ich auch den weisen König Salomon gesunden,» erwiderte van Systens, sich bei diesem Komplimente tief verneigend.

Hierauf schritt der Bürgermeister dem Prinzen in den großen Saal voraus.

Nach wenigen Minuten durcheilten sie denselben und traten in van Systens Kabinet.

Rosa stand noch immer gedankenvoll an dem in den Garten führenden Fenster.

»So, so, eine Friesin,« sprach der Prinz, indem er des Mädchens rothe Röcke und die glänzende Goldhaube sorgfältig beobachtete.

Das Geräusch machte Rosa aufmerksam, sie wandte sich um, ohne jedoch den Prinzen zu bemerken, der sich bereits in einer dunkeln Ecke des Zimmers niedergelassen hatte.

Uebrigens hatte das Mädchen ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Bürgermeister, als die Hauptperson des Drama’s gerichtet, ohne den Fremden, der wahrscheinlich nur ein gewöhnlicher Besuch war, eines Blickes zu würdigen.

Dieser Fremde nahm, bevor er sich niedersetzte, ein Buch aus der offenstehenden Bibliothek, schlug dasselbe auf und bedeutete van Systens sodann, durch ein Zeichen, die Untersuchung zu beginnen.

Der Bürgemeister hatte genau alle Winke des unscheinenden Mannes beobachtet, ließ sich erst auf das erwähnte Zeichen nieder, und seinem Gesichte den Ausdruck besonderer Wichtigkeit einprägend, begann er mit ernstem, feierlichem Tone:

»Mein Kind! Ihr verspracht mir, bezüglich der verhängnißvollen, schwarzen Tulpe, die volle Wahrheit mitzutheilen?»

»Was ich versprach, werde ich auch strenge halten.«

»So theilt mir jetzt in Gegenwart dieses Herrn, der ebenfalls ein Mitglied der Gartenbaugesellschaft ist, Alles getreu und pünktlich mit.«

»Ja, aber was wollt Ihr noch wissen, da ich bereits Alles gesagt habe?«

»Gut, was verlangt Ihr dann noch.«

»Ich komme auf jene Bitte zurück, die ich bereits an Euch richtete.«

»Welche Bitte?«

»Ihr sollt nämlich so gütig sein, und den Herrn Boxtel hierher kommen lassen. Erkenne ich die Tulpe nicht für die meinige, so trete ich von jeder weiteren Anklage zurück, erkenne ich sie hingegen als dieselbe, dann fordere ich sie zurück, und wenn ich selbst dem Statthalter, seiner Hoheit Wilhelm von Oranien, zu, Füßen fallen und vor ihm den Beweis liefern sollte.«

»So, dann seid Ihr also im Besitze von Beweisen?«

»Der Allmächtige, der die Rechtlichkeit meiner Forderung kennt, wird mir diese an die Hand geben.«

Der Bürgermeister sah den Prinzen bedeutungsvoll und fragend an, während dieser sein Gedächtniß vergebens anstrengte, zu errathen, bei welcher Gelegenheit er diese, ihm wohlbekannte zarte Stimme schon gehört habe.

Auf einen Wink des Statthalters entfernte sich einer der Officiere, um Boxtel abzuholen.

Van Systens fuhr fort:

»Wiederholt mir nochmals, worauf Ihr eigentlich die sonderbare Behauptung stützt, daß die Tulpe Euch gehöre?«

»Aus den triftigsten Grund, den es auf dieser Welt geben kann, ich habe sie ja auf meinem eigenen Zimmer aufgezogen.«

»Auf Eurem Zimmer, und wo habt Ihr dieses Zimmer?«

»In der Festung Löwenstein

»Seid Ihr vom Löwenstein

»Ich bin des Kerkermeisters Tochter.«

Eine Bewegung des Statthalters schien sagen zu wollen:

»Jetzt erkenne ich das Mädchen.«

Und während er anscheinend fortfuhr, in seinem Buche zu lesen, betrachtete er das Mädchen mit unverkennbarer Spannung und Neugierde.

Der Bürgermeister fuhr fort:

»Ihr müßt die Blumen sehr lieben?«

»Ich liebe sie unendlich,«

»Dann habe ich wahrscheinlich, eine bisher unbekannte, erfahrene Tulpenzüchterin vor mir?«

Rosa blieb einen Augenblick stumm und verlegen, dann aber sich wieder sammelnd, sprach sie mit voller Würde und Ruhe:

»Ich glaube vor Ehrenmännern zu stehen!«

Zugleich lag in dem Tone ihrer Stimme so viel Wahrheit und Innigkeit, daß der Statthalter und der Bürgermeister beinahe in ein und demselben Augenblicke diese Frage mit dem Kopfe nickend, stillschweigend beantworteten.

»Nun so erfahret denn, meine Herrn, daß ich nur ein armes, friesisches Landmädchen, ohne alle weitere Bildung bin, daß ich vor drei Monaten noch gar nicht lesen und schreiben, und daher auch keine größere Ausbildung in der Erziehung der Blumen besitzen konnte. Ich habe die schwarze Tulpe nicht entdeckt.«

»Wer ist aber dann der eigentliche Entdecker?«

»Ein Gefangener vom Löwenstein

»Wie, was?« rief der Prinz, »ein Gefangener vom Löwenstein

Bei diesen Worten, bei dem ihr so bekannten Klange dieser Stimme, erschrack Rosa heftig.

Der Prinz schien diese Bewegung nicht zu beobachten, denn er sprach ruhig weiter: »Ihr sagt ein Gefangener vom Löwenstein, dann muß es ein Staatsgefangener sein, weil sich dort keine Andern befinden.«

»Ja,« lispelte Rosa bebend: »er ist ein Staatsgefangener.«

Der Bürgermeister wurde weiß, wie der reinste, gefallene Schnee, – ein solches Geständniß vor dem Prinzen war an und für sich beinahe ein Verbrechen.

»Seht Euere Untersuchung fort,« sprach der Prinz mit eisiger Kälte zu dem Bürgermeister.

»Herr,« flehte Rosa, sich gegen van Systens, »ihren vermeintlichen Richter wendend, »ich stehe auf dem Punkte gegen mich selbst eine schwere Anklage zu richten.«

»Ich erwarte das Kommende sehr gespannt,« sprach der Bürgermeister, »denn wie es sich vermuthen läßt, müssen die Gefangenen in Löwenstein ihre Geheimnisse haben«

»Ja – mein Herr.«.

»Und nach dem, was Ihr kurz vorher sagtet, läßt sich vermuthen, daß Ihr, die Tochter des Kerkermeisters die Gelegenheit benutzt, und dem Gefangenen bei der Pflege der Tulpe behilflich gewesen seid.«

»So ist es, wie Ihr es sagt, ich bin gezwungen, meine Schuld ganz zu bekennen, ich half ihm nicht nur seine Tulpe zu erziehen, ich sah ihn sogar alle Tage.«

»Armes, unglückliches Mädchen,« rief der Bürgermeister.

Der Statthalter erhob während des hieraus eingetretenen Stillschweigens den Kopf, und die Angst des Mädchens so wie den Schrecken des Präsidenten gewährend, unterbrach er die Pause, mit seiner seinen und zugleich festen Stimme:

»Laßt Euch in Euerer Mitteilung nicht stören, mein Kind, fahrt ungehindert fort, denn das, was Ihr so eben sagtet, geht die Gartenbaugesellschaft gar nichts an, diese hat einzig und allein über die schwarze Tulpe, aber nicht über politische oder über Criminalverbrechen zu entscheiden.«

Van Systens Blässe machte bei diesen milden Worten einer freundlichen Röthe Platz, während ein demuthsvoller Blick, dem Statthalter den tiefgefühlten Dank auszudrücken bestimmt war.

Auch Rosa fühlte sich durch die Aufmunterung des Unbekannten, der aber doch einen mächtigen Einfluß haben mußte, bedeutend gestärkt,ihr Muth erwachte neuerdings, und mit vernehmbarer Stimme begann sie die Erzählung aller Begebenheiten, die der Leser bereits kennt, und die ich nur in Kürze nochmals berühren will. Sie begann mit dem Augenblicke, wo ihr Vater die erste Zwiebelknospe zertretene sie schilderte den Gram und Schmerz des Gefangenen in den lebhaftesten Farben; theilte die Vorsichtsmaßregeln mit, die er hieraus getroffen hatte, um die beiden andern Zwiebelknospen vor einem ähnlichen Unglücke zu retten; erzählte hierauf wie sie die zweite Zwiebel gepflanzt, den Gefangenen aber durch volle acht Tage nicht besucht hatte; wie er krank an Körper und Seele, da er keine Nachricht mehr von der Tulpe erhielt, nichts essen und trinken wollte, und wahrscheinlich gestorben wäre, bis sie endlich in ihrer ganz wahrheitsgetreuen Schilderung bei dem Zeitpunkte anlangte, wo ihr die nun vollends aufgeblühte Tulpe, an demselben Tage und in dem Augenblicke der Absendung eines Boten nach Harlem auf unerklärbare Art, aus ihrem Zimmer geraubt wurde.

Diese Erzählung trug das Gepräge von Unschuld und Wahrheit in sich, so, daß der Bürgermeister sich ganz ergriffen fühlte, während der Prinz dadurch in seinem Gleichmuthe nicht im Geringsten gestört zu werden schien.

»Ist es schon sehr lange,« fragte der Prinz nach einer kurzen Pause, »daß Ihr den Gefangenen kennt?«

»Warum verlangt Ihr dies zu wissen, mein Herr?«

»Weil Euer Vater und Ihr mit ihm, Euch noch nicht länger als vier Monate aus dem Löwenstein befinden könnt.«

»Es ist auch nicht länger.«

»Und Ihr, Ihr habt doch nicht aus der Ursache die Uebersetzung Eueres Vaters dorthin verlangt, um dem Gefangenen aus Haag nach dem Löwensteine zu folgen?«

»Herr!« flehte Rosa mit bittendem Blicke, während eine glühende Röthe ihre Wangen übergoß.

»Beeilt Euch, mir zu antworten.«

»Dann muß ich bekennen, daß ich nur aus dieser Ursache um die Uebersetzung bat.«

»Beneidenswerther Gefangener,« sprach der Prinz, während ein sonderbares Lächeln seine Lippen umspielte.

Gleichzeitig erschien der nach Boxtel ausgesandte Officier, verkündend, daß dieser mit seiner Tulpe bereits im Vorzimmer warte.

V.
Die dritte Zwiebel

Beinahe in demselben Augenblicke wo der Officier Boxtels Ankunft verkündete, trat dieser auch schon von zwei Männern begleitet, welche die kostbare Last trugen, in den Vorsaal des Herrn van Systems ein, und ließ hier die Tulpe vorsichtig auf einen Tisch nieder stellen.

Der Prinz hatte sich erhoben, er trat in den Saal, bewunderte längere Zeit die majestätische Blume, und kehrte dann mit wohlgefälligem Lächeln auf seinen früher innegehabten Platz zurück.

Rosa harrte zitternd und bebend auf den Augenblick, wo man sie ebenfalls einladen würde, die Tulpe zu besehen.

Boxtel sprach so eben, sie vernahm die bekannte Stimme.

»Ja, ja, er ist es,« rief sie freudig.

Der Prinz bedeutete ihr durch ein Zeichen, an die halbgeöffnete Thüre zu treten und in den Vorsaal hinzusehen.

Sie befolgte diesen Befehl genau, aber zugleich schluchzte sie, die Hände faltend:

»Es ist meine Blume, armer Cornelius, ich erkenne sie ganz genau.«

Und langer nicht mehr im Stande ihren Schmerz zu bekämpfen, ließ sie den herabströmenden Thränen freien Lauf.

Der Prinz trat zur Thüre, er stand dort einige Minuten in dem durch die großen Fenster des Vorsaales reichlich hereinströmenden Lichte.

Rosa sah ihn unverwandt an, und immer mehr ward die Ueberzeugung in ihr wach, daß sie diesen Mann bereits irgendwo gesehen haben müsse.

Jetzt befahl der Prinz Boxtel, in das Kabinet einzutreten.

Dieser gehorchte mit unbeschreiblicher Hast, und stand mit einem Male vor dem Statthalter.

»Euere Hoheit!« rief er, und blieb wie eingewurzelt auf seinem Platze.

»Seine Hoheit!« rief Rosa gleichzeitig, von ihrem Schmerze erwachend.

Boxtel wandte sich nach jener Seite, woher dieser Ruf gekommen war, und erblickte das ihm wohl bekannte Mädchen.

Gleichsam als habe ihn ein elektrischer Strom berührt, zuckte sein ganzer Körper zusammen.

Der Prinz hatte diese Bewegung bemerkt, »hm,«sprach er leise, »der Mann erschrickt.«

Eben so schien aber Boxtel verstanden zu haben was der Prinz sagte, und einer mächtigen Anstrengung gelang es, sich vollkommen wieder zu fassen.

»Nun Herr Boxtel,« wandte sich Wilhelm an den Tulpenzüchter, »Ihr seid der Entdecker der schwarzen Tulpe.«

»Gnädigster Herr, ich bin es,« antwortete der Angeredete, obwohl seine Stimme noch ein wenig zitterte.

Dieses Zittern konnte aber auch sehr leicht durch die Aufregung hervorgebracht werden, die der Mann in Gegenwart so hoher Personen auf leicht erklärbare Weise empfinden mußte.

»Wie kommt es aber, daß dieses junge Mädchen behauptet, sie habe das Geheimnis entdeckt, und die Tulpe aufgezogen?«

»Das weiß ich nicht,« sprach Boxtel, indem er verächtlich lächelte und die Achseln zuckte.

Der Prinz beobachtete jede seiner Mienen mit der gespanntesten Neugierde und mit unverkennbarem Interesse.

 

»Ihr kennt wahrscheinlich dieses Mädchen gar nicht?«

»Nein, ich habe sie nie gesehen, gnädigster Herr.«

»Was sagt aber Ihr, junges Mädchen, kennt Ihr den Herrn Boxtel

»Nein, als Herrn Boxtel kenne ich ihn nicht, dafür aber als Herrn Jakob recht genau.«

»Was soll das bedeuten?«

»Das soll bedeuten, daß jener Herr, der zu Harlem Isaak Boxtel heißt, sich im Löwenstein Jakob Gisel nannte.«

»Was antwortet Ihr darauf, Herr Boxtel

»Ich antworte ganz kurz, dieses Mädchen lügt.«

»Ihr behauptet also nie auf dem Löwenstein gewesen zu sein?«

Der ernste und forschende Blick, den der Statthalter unverwandt auf den Angeklagten richtete, ließ diesem eine Lüge als zu gewagt erscheinen, und er antwortete daher:

»Ich war wohl im Löwenstein, allein meine dortige Anwesenheit steht mit der Tulpe in gar keiner Berührung.«

»Ja keiner Berührung? Ihr habt mir sie aus meinem versperrten Zimmer gestohlen,« rief Rosa zornentflammt.

»Diese Behauptung erkläre ich mehr für Wahnsinn, als für eine Lüge.«

»Wahnsinn nennt Ihr es. Nun gut, gebt aber genau jetzt auf mehrere Einzelheiten acht, die ich in Euerm Gedächtnisse erwecken will. Erinnert Ihr Euch wohl jenes Tages, an dem ich die für die Tulpe bestimmte Rabatte in meinem Garten zu recht richtete? Wißt Ihr, wie Ihr mir da nachschlichet und alle meine Bewegungen mit der größten Aufmerksamkeit verfolgtet? Ich hatte Euch gesehen, durch Euer Benehmen beängstigt, wollte ich mir Gewißheit über Euere eigentliche Absicht verschaffen, darum ging ich wenige Tage hierauf wieder in den Garten und that, als wenn ich auf dem bezeichneten Platze die Tulpe pflanze. Ihr sprangt aus Euern Verstecke hervor, saht Euch; sorgfältig um, stürztet dann auf die Rabatte nieder, wühltet mit den Händen in der Erde, und als Euere vergeblichen Bemühungen die Gewißheit erweckten, daß Ihr der Gegenstand einer wohlberechneten List ward, da ordnetet Ihr alles sorgfältig wieder, um jeden Verdacht zu verhindern. Wißt Ihr das Alles nicht mehr?«

Boxtel blieb während dieser Anklage ganz ruhig und kalt, dem Mädchen bloß einen verächtlichen Blick zuwerfend, als sie geendet hatte. Ohne aber auch nur; im Mindesten eines ihrer Worte zu berücksichtigen, wandte er sich an den Statthalter:

»Gnädigster Herr, seit beinahe zwanzig Jahren, jenem Zeitpunkte also, wo sich erst meine geistige Thätigkeit entfaltete, beschäftigt ich mich ausschließlich mit der Blumenzucht. Ich besitze ein zu diesem erhabenen. Zwecke eigens eingerichtetes Haus zu Dortrecht, und mein Name wurde, durch die Entdeckung einer neuen, dem Könige von Portugal gewidmeten und nach ihm benannten Tulpe, ruhmvoll in die Protokolle der Gartenbaugesellschaft eingetragen. Durch einen Umstand, den ich später mittheilen werde, erfuhr dieses, Mädchen, daß ich die schwarze Tulpe entdeckt habe, und, in Verbindung mit ihrem Liebhaber, einem Gefangenen Löwenstein, beschloß dieselbe mich in das Verderben zu stürzen, um den ausgeschriebenen Preis von Einmal hunderttausend Gulden, der mir durch die Gerechtigkeit Eurer Hoheit gewiß nicht entzogen werden wird, zu erhalten.«

»O der Schändliche,« rief Rosa.

»Ruhig,« rief der Prinz, und sich an Boxtel wendend sprach er weiter: »Kennt Ihr vielleicht den Gefangenen, den Ihr den Liebhaber des Mädchens nennt.«

Rosa war einer Ohnmacht nahe, sie wußte sehr wohl, daß der unglückliche Baerle dem Prinzen als einer der größten Verbrecher bezeichnet worden war.

Für Boxtel war diese Frage der glänzendste Hoffnungsstern.

»Euere Hoheit fragt, wer der Gefangene sei?«

»Der Name dieses Mannes wird Euer Hoheit allein genügend beweisen, welchen Glauben man auf seine Ehrlichkeit haben kann. Er ist einer der größten Verbrechen dessen Leben nur durch Höchst dero Huld und Gnade erhalten wurde.«

»Wie nennt er sich?«

Rosa bedeckte ihr Antlitz mit beiden Händen.

»Cornelius van Baerle. Er ist das Taufkind des Cornelius von Witt, jenes, Euer Hoheit wohl bekannten Staatsverräthers.«

Wie von einem Blitze getroffen, fuhr der Prinz empor, sein Auge erglänzte gleich einem funkelnd Sterne, aber augenblicklich kehrte die frühere Ruhe und Kälte wieder zurück.

Er trat näher zu Rosa und befahl, ihr die Hände vom Gesichte zu entfernen.

Ohne ihn anzusehen gehorchte Rosa mechanisch, gleichsam als stehe sie unter dem Einfluße einer höheren, magnetischen Kraft.

»Ihr batet mich in Leyden nur darum Euren Vater nach Löwenstein zu übersehen, damit Ihr jenem Manne folgen könntet.«

»Ach ja, gnädigster Herr!«

»Setzt Euere Erzählung fort,« befahl der Prinz Boxtel.

»Meine Erzählung ist eigentlich schon vollendet, nur muß ich noch jenen Umstand erwähnen, durch welchen das Mädchen Kenntniß von der schwarzen Tulpe und den mit ihrer Entdeckung verbundenem hohen Preise erhielt.

»Wichtige Geschäfte nämlich, zwangen mich nach Löwenstein zu reisen. Dort machte ich zufällig die, Bekanntschaft des Kerkermeisters Gryphus, und durch ihn in der Folge auch die seiner hier anwesenden Tochter. Bei ihrem ersten Begegnen erwachte in meinem Herzen eine ernste Neigung und ich begehrte sie zur Frau, vorher aber, da ich sonst gänzlich arm bin, ihr die gemachte Entdeckung und das mir so nach zufallende Vermögen vertrauend. Allein von jenem Augenblicke bemerkte ich zu meinem Staunen, daß sich das Mädchen selbst mit der Tulpenzucht zum Scheine befaßte, es also gerade so wie ihr Liebhaber machte, der unter dem gleichen Vorwande Umsturzpläne schmiedete.

»Wenige Tage nachher ward mir die Tulpe gestohlen, und ich entdeckte sie mit äußerster Vorsicht und Gewandtheit in dem Zimmer des jungen Mädchens. Der Plan war also sehr geschickt angelegt, ihre Umgebung hatte gesehen, daß sie sich mit den Tulpen befasse, es konnte ihr mithin durch einen Zufall glücken, die schwarze Tulpe zu entdecken, und zugleich gewährte ihr dies Manöver den Vortheil, daß sie im Falle einer von mir gemachten Beschuldigung Zeugen entgegenstellen konnte. Da aber ihr Gemüth sonst noch nicht ganz verdorben, und sie nur durch ihren Liebhaber zu diesem Verbrechen verleitet worden sein durfte, so fühlte ich besonders ihrer Jugend und Unerfahrenheit wegen Anfangs einiges Mitleid, und läugnete kurz sie zu kennen, indem ich ihr den einzigen möglichen Weg der Rettung an die Hand geben wollte. Nach dem Vorhergegangenen scheint sie aber eine bereits ganz verstockte Sünderin zu sein, und ich sehe mich daher genöthigt, den Thatbestand wahrheitsgetreu mitzutheilen und die Gerechtigkeit und Weisheit Euer Hoheit nunmehr in Anspruch zu nehmen.«

,,O Gott, Du mein Gott,«l rief Rosa, und gänzlich verzweifelnd stürzte sie zu den Füßen des Statthalters, der zwar Mitleid mit ihrem Schmerze hatte, sie aber dennoch für schuldig hielt.

»Euere Handlung ist sehr schlecht,« sprach der Prinz, »und derjenige, der Euch die hierauf bezüglichen Rathschläge ertheilte, soll sehr strenge bestraft werden, denn er ich kann es unmöglich glauben, daß Ihr bei Euerer Jugend und einem sonst ganz rechtlichem Aussehen, solcher Verbrechen fähig sein solltet.«

»Euer Hoheit, gnädigster Herr, der Gefangene ist schuldlos.«

»Ihr meint wohl nur, bei diesem Gegenstande?«

»Nein, nein, gnädigster Herr, ich meine damit, daß er an jedem ihm aufgebürdeten Verbrechen schuldlos ist.«

»An Jedem sagt Ihr, das ist sehr kühn, dann dürfte Euch sein erstes Verbrechen, dessen er vor Gericht überwiesen wurde, nicht bekannt sein, und ich will mich herablassen, Euch dieses mitzutheilen. Cornelius van Baerle wurde angeklagt, an der verrätherischen Correspondenz seines Taufpathen, des Cornelius von Witt mit dem Marquis de Louvois durch Aufbewahrung der Akten, thätig Theil genommen zu haben.«

»Wohl, gnädigster Herr, daß er die Papiere verwahrte, wurde leicht bewiesen, daß er aber weder deren Inhalt noch ihren eigentlichen Zweck kannte, dies zu enthüllen nahmen sich die Richter keine Mühe. Nein, nein, er kannte das ihm übergebene Gut nicht, ich schwöre es Euch. Denn jenes reine, einem klaren Edelsteine gleichende Herz liegt bis in seine tiefsten Tiefen aufgedeckt, vor mir da. Wenn er schuldig wäre, ja er hätte es mir und ich es Euch jetzt gestanden, aber er ist unschuldig; – ja, ja, gnädigster Herr entladet Euren ganzen Zorn auf mich schwaches Mädchen, aber ich wiederhole es nochmals, Cornelius van Baerle ist schuldlos, an jedem ihm aufgebürdeten Verbrechen.«

»O! Euer Hoheit,« rief Boxtel, »Ihr kennt ja die Witt viel zu gut, als daß Ihr diesen Worten glauben könntet.«

»Ruhig« befahl der Prinz »ich wiederhole es nochmals, daß Staatsangelegenheiten nicht unter die Verhandlungen der Gartenbaugesellschaft zu Harlem gehören.«

Dann umzog eine düstere Wolke seine Stirne-

»Ihr, Herr Boxtel könnt ganz beruhigt sein, ich werde volle Gerechtigkeit üben.«

Der Angedeutete verneigte sich beinahe bis zur Erde, sein Herz pochte hörbar.