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Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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»Ich sage Ihnen, General,« versicherte der Marquis, »daß Alles dies nur in Ihrer Einbildung besteht.«

»Hören Sie nur weiter, lieber alter Feind. Sie sind Wolfsjägermeister, nicht wahr?«

»Ja.«

»Wenn Sie in dem weichen Boden die Fährte eines zweijährigen Keilers sehen, werden Sie sich dann einreden lassen, dass dieser Keiler nur das Gespenst eines wilden Schweines sey? Sie müssen wissen, Marquis, daß ich’s gesehen – oder vielmehr gelesen habe.«

»Pardieu!« sagte der Marquis mit gespannter Aufmerksamkeit, »Sie sollten mir"s erzählen.«

»Sehr gern,« antwortete der General. »Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit. Lassen Sie mir ein Stückchen Pastete und eine Flasche Wein bringen; ich will Ihnen dann Alles erzählen.«

»Gut; aber unter der Bedingung, daß ich Ihnen Gesellschaft leiste.«

»Das läßt sich hören!«

»Ein guter Magen kennt keine Uhr.«

Der Marquis sprang aus dem Bett, kleidete sich schnell an, zog die Glocke, ließ einen Tisch decken und nahm mit unverkennbarer Neugierde dem General gegenüber Platz.

II.
Wo gezeigt wird, daß die Spinnengewebe nicht bloß den Fliegen gefährlich sind. (Fortsetzung.)

»Sie wissen, lieber Marquis,« begann der General, »dass ich keineswegs die Absicht habe, Ihnen Ihre Geheimnisse zu entlocken, und ich bin fest überzeugt, daß Alles so geschehen ist, wie ich behaupte; Sie haben daher nicht nöthig, mir zu sagen, ob ich mich irre oder nicht.«

»Erzählen Sie doch,« sagte der Marquis, der eben so ungeduldig war, als wenn in Jean Oullier bei frischgefallenem Schnee meldete, daß er eine Wolfsfährte gefunden.

»Ich will mit dein Anfange den Anfang machen. Ich wußte, daß der Graf von Bonneville in der vorgestrigen Nacht in Begleitung eines Bauernburschen, der einem verkleideten Frauenzimmer sehr ähnlich war, in Ihr Haus gekommen war. Wir hatten bereits Argwohn, daß es die Herzogin von Berry sey. Dies weiß ich von Spionen, deren Berichte ich keineswegs als Rechtswohlthat in mein Inventarium aufnehmen will.«

»Sie haben Recht – pfui!« sagte der Marquis.

»Aber als ich in eigener Person hier eintraf, wie wir Soldaten uns in unseren Rapporten ausdrücken, machte ich, ohne mich durch Ihre Höflichkeit und Zuvorkommenheit irre machen zu lassen, zwei Bemerkungen —«

»Welche, wenn ich fragen darf?«

»Erstens, daß der Tisch für zehn Personen gedeckt war, daß aber fünf Servietten aufgerollt waren, wie für tägliche Tischgäste. Im Fall eines Prozesses – vergessen Sie das nicht, lieber Marquis – wäre dies ein sehr mildernder Umstand.«

»Wieso?«

»Allerdings. Wenn Sie die wirkliche Bedeutung Ihrer Gäste gekannt hätten, würden Sie gewiß nicht zugegeben haben, daß sie ihre Servietten, als ob sie Hausfreunde wären, aufrollten. Die Nußbaumschränke im Schlosse Souday enthalten Wäsche genug, um der Herzogin von Berry bei jeder Mahlzeit eine reine Serviette geben zu können. Ich muß daher glauben, daß die blonde Dame mit der schwarzen Perrücke für Sie nur ein blutjunger Mensch war, der aus gewissen Rücksichten seinen wahren Namen verschwieg.«

»Weiter! weiter!« sagte der Marquis, der sich ärgerte, daß ein Anderer ihn an Scharfsinn übertraf.

»Gut, ich will mich kurz fassen,« fuhr der General fort.

»Ich bemerkte also fünf aufgerollte Servietten, und zog daraus den Schluß, daß die Abendmahlzeit keineswegs für uns zubereitet worden war, wie Sie sagen, sondern daß Sie uns unter anderen die Plätze des Grafen Bonneville und seines Begleiters einräumten, da diese nicht gerathen fanden, uns zu erwarten.«

»Und die zweite Bemerkung?« fragte der Marquis, sich in die Lippen beißend.

»Die zweite Bemerkung war, daß Fräulein Bertha, die ich für ein nettes, reinliches, junges Mädchen halte, mit Spinnengeweben bedeckt war, als ich die Ehre hatte, ihr vorgestellt zu werden. Sie hatte die Spinnengewebe sogar in ihrem schönen Haar. Aus Coketterie konnte sie diesen Kopfputz nicht gewählt haben; ich suchte daher in aller Frühe den Ort auf, wo sich die Kunstprodukte dieser interessanten Insecten am häufigsten finden —«

»Und was haben Sie entdeckt?«

»Was ich entdeckt habe, machte Ihrer Frömmigkeit eben keine Ehre, lieber Marquis – wenigstens was die Andachtsübungen betrifft. Denn gerade an der Thür Ihrer Capelle bemerkte ich ein Dutzend Spinnen, die mit lobenswerthem Eifer an der Ausbesserung der über Nacht in ihrem zarten Gewebe entstandenen entstandenem Risse arbeiten. Diese Thätigkeit bewies, daß das Aufmachen der Thür, in welcher sie ihr Atelier aufgeschlagen hatten, nur ein Zufall war, dessen Wiederholung nicht zu befürchten.«

»Lieber General, das sind nur unsichere Anzeichen.«

»Das ist wahr; aber wenn Ihr Schweißhund die Nase hochhält und einen Hinterfuß hebt, so sind dies noch unsichrere Anzeichen, aber trotzdem durchsuchen Sie sorgfältig den Wald.«

»Allerdings,« sagte der Marquis, der immer aufmerksamer wurde.

»So mache ichs auch,« fuhr der General fort. »Und in Ihren Alleen, denen es an Sand fehlt, entdeckte ich sehr auffallende Spuren —«

»Es finden sich überall Fußstapfen,« unterbrach der Marquis, »sowohl von Männern als von Frauenzimmern.«

»Nein, nicht überall finden sich Fußstapfen gerade in der Anzahl, die ich von den handelnden Personen erwartete – und zwar Fußstapfen von laufenden Personen —«

»Woran haben Sie erkannt, daß diese Personen gelaufen sind?«

»Daran, daß die Fußspitzen tiefer eingedrückt waren als die Fersen, und daß die Erde zurückgeworfen war. Das wissen Sie so gut wie ich, Herr Jägermeister, es ist ja das A-B-C des edlen Waidwerkes.«

»Jawohl,« antwortete der Marquis, der als Kenner seine Zustimmung nicht versagen konnte. »Weiter!«

»Ich untersuchte die Fußstapfen. Es waren Männertritte von allen Formen: Stiefel, Halbstiefel, beschlagene Schuhe und mitten unter ihnen ein kleiner zarter Frauenfuß, dessen sich, trotz den beschlagenen Schuhen, eine Andalusierin nicht zu schämen hätte – ein Fuß, auf den Aschenbrödel stolz seyn könnten.«

»Weiter! weiter!«

»Warum denn?«

»Weil Sie sich in den Fuß verlieben werden, wenn Sie sich länger dabei aufhalten.«

»Sie haben Recht, ich möchte ihn in meiner Hand halten – vielleicht wird’s noch dahin kommen. Die kothigen Füße waren nicht nur auf den Stufen vor der Capelle, sondern auch auf den Steinplatten im Innern deutlich sichtbar. Ueberdies fand ich neben dem Altar viele Wachstropfen, und zwar um zwei kleine zarte Fußstapfen – ganz gewiß von Fräulein Bertha. Und da ich außerhalb der Capellenthür noch Wachstropfen fand, so schloß ich daraus, daß Ihre Tochter in der linken Hand das Licht gehalten und mit der rechten den Schlüssel in das Schloß gesteckt hatte. Die von der Thür losgerissenen und in ihren Haaren wiedergefundenen Spinnengewebe beweisen überdies, daß Fräulein Bertha vorangegangen ist.«

»Fahren Sie fort.«

»Das Uebrige ist kaum der Rede werth. Ich sah, daß alle Fußstapfen vor dem Altar still gestanden; ein Fuß des geschnitzten Osterlammes, hinter welchem der stählerne Knopf verborgen gewesen, war zertrümmert, so daß ich mir die Entdeckung des geheimen Mechanismus nicht zum Verdienst anrechnen kann. Der Knopf wollte nicht nachgeben, so wie er den Anstrengungen Ihrer Tochter widerstanden; eine Blutspur an dem frischen Bruch des gemeißelten Holzes zeigt, daß sich Fräulein Bertha die Finger verletzt hat. Ich sah mich, wie sie, nach einem harten Gegenstande um, und wie sie, nahm ich den hölzernen Griff der Glocke, an welchem sich ebenfalls eine kleine Blutspur fand.«

»Bravo!« sagte der Marquis, der mit immer mehr steigender Theilnahme zuhörte.

»Ich ging natürlich in den unterirdischen Raum hinunter,« fuhr der General fort. »Die Fußstapfen der Flüchtlinge waren in dem feuchten Sande deutlich sichtbar. Draußen in den Ruinen ist einer von ihnen gefallen, ich sah es an den zerdrückten und zerrissenen Nesseln. Denn absichtlich hat man die Nesseln gewiß nicht mit der Hand zerzaust. In einem Winkel der Ruinen, vor einer Thür waren Steine weggeräumt, um einer schwächeren Person den Weg zu bahnen. In den dicht an der Mauer wachsenden Nesseln fand ich die beiden Wachskerzen, die man weggeworfen, ehe man ins Freie gekommen war. Endlich fand ich auf dem Wege die Fußstapfen wieder, und da sie sich trennten, konnte ich sie in der bezeichneten Weise eintheilen.«

»Sie sind noch nicht zu Ende.«

»Wie, noch nicht zu Ende? ich habe Ihnen ja Alles erzählt.«

»Nein Wer hat Ihnen gesagt, daß einer der Flüchtlinge den andern auf den Rücken genommen?«

»Es scheint wirklich, Marquis, daß ich mit meinem bisschen Verstande prahlen soll. Das allerliebste Füßchen mit den beschlagenen Schuhen, das reizende Füßchen, in welches ich so verliebt bin, daß ich nicht ruhen werde, bis ich es wiedergefunden – ich habe es in dem unterirdischen Gange und in dem Hohlwege wiedergefunden. An der Stelle, wo die Fremden stillgestanden und sich berathen haben, ist der kleine Fuß noch zu sehen, und er zeigte sich noch einmal in der Richtung gegen den Bach – endlich verschwindet er bei einem großen Steine, der ungeachtet des Regens mit Koth beschmutzt war. Da es in unserer prosaischen Zeit keine Hippogryphe mehr gibt so vermuthe ich, dass der Graf von Bonneville seinen jungen Begleiter auf die Schultern genommen. Ueberdies wurde der Schritt des Grafen schwerfälliger; es ist nicht mehr der Gang eines flinken jungen Mannes, wie wir in seinem Alter waren, Marquis, Sie wissen doch, eine trächtige Bache ist leicht an der Fährte zu erkennen: die Klaue dringt nicht in die Erde, wie bei einem flink laufenden Thier, sondern drückt sich platt und steht auseinander: eben so ist’s mit den Fußstapfen des Grafen von Bonneville.«

»Sie haben noch etwas vergessen, General.«

»Ich glaube nicht.«

»O, ich lasse Sie nicht so wohlfeilen Kauf’s wieder los. Woraus schließen Sie, daß der Graf von Bonneville die Nachbarn zu einer Berathung zusammenberufen?«

 

»Sie sagten mir ja selbst, daß Sie das Haus nicht verlassen haben. Als ich aber in den Stall kam, um nachzusehen; ob mein Pferd gehörig gefüttert werde, sah ich Ihr Lieblingspferd – welches mir von dem hübschen Bauernmädchen als solches bezeichnet wurde – bis an die Mähne mit Koth bedeckt. Sie würden Ihr Pferd natürlich nur einem Manne, der bei Ihnen in großer Achtung steht, anvertraut haben.«

»Jetzt noch eine Frage.«

»Reden Sie, Marquis, ich bin ja hier, um Ihnen zu antworten.«

»Woraus schließen Sie, daß der Begleiter des Grafen von Bonneville die eben genannte hohe Person sey.«

»Weil man ihn immer vorangehen läßt und ihm die Steine aus dem Wege räumt.«

»Erkennen Sie denn an den Fußstapfen, ob der oder die Gehende brünett oder blond ist?«

»Nein, aber ich erkenne es an andern Anzeichen«

»Woran denn? Dies soll meine letzte Frage seyn, und wenn Sie diese beantworten —«

»Was dann?«

»Nichts. Fahren Sie fort.«

»Lieber Marquis, Sie haben mir gerade das Zimmer angewiesen; welches der Begleiter des Grafen Bonneville gestern bewohnt hat.«

»Ja, dasselbe Zimmer. Und was weiter?«

»Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir diese Ehre erwiesen haben. Sehen Sie, diesen kleinen Perlmutterkamm fand ich vor dem Bett. Sie werden gestehen, lieber Marquis, daß man einen solchen Kamm bei einem Bauernburschen nicht erwartet. Die darin zurückgebliebenen dunkelblonden Haare sind ganz verschieden von den goldblonden Locken Ihrer zweiten Tochter, der einzigen Blondine in Ihrem Hause.«

»General,« erwiderte der Marquis, vom Stuhl aufspringend und seine Gabel mitten in’s Zimmer werfend, »lassen Sie mich arretieren, wenn Sie wollen; aber ich sage Ihnen eins für allemal, nach England gebe ich nicht! Nein, ich gehe nicht!«

»Oho, Marquis, was fällt Ihnen ein?«

»Nein, Sie haben meinen Ehrgeiz, meine Eigenliebe aufgestachelt. Wenn Sie, nach dem Feldzuge zu mir kommen, wie Sie versprochen, so weiß ich wahrhaftig nichts zu erzählen, was sich mit Ihren Geschichten messen könnte.«

»Hören Sie mich an, mein lieber alter Feind,« erwiderte der General, »ich habe Ihnen mein Wort gegeben, Sie für dieses Mal wenigstens nicht zu arretieren. Dieses Wort werde ich halten, trotz Allem, was Sie gethan haben; aber ich beschwöre Sie bei dem Antheil, den ich an Ihnen nehme, ich bitte Sie im Namen Ihrer liebenswürdigen Töchter, handeln Sie nicht unbesonnen, und wenn Sie Frankreich nicht verlassen wollen, so verhalten Sie sich wenigstens ruhig.«

»Warum denn?«

»Weil die Erinnerung an die heldenmüthigen Kämpfe, welche Ihnen das Blut rascher durch die Adern treibt, eben nur eine Erinnerung ist; weil die Zeit, für welche Sie schwärmen, nicht wiederkehren wird; weil unsere Zeitgenossen einer so opferfreudigen Hingebung nicht fähig sind. Ich habe sie sehr gut gekannt, die unbezähmbare Vendée; meine Brust,« setzte der General, auf seine Uniform schlagend, hinzu, »meine Brust hat mehr als eine Narbe von ihr aufzuweisen; ich bin seit einem Monate hier, aber ich suche vergebens die alte Vendée, ich finde sie nicht mehr. Zählen Sie die wenigen kühnen, unternehmenden jungen Männer, zählen Sie die Heldengreise, welche, wie Sie, noch jetzt für Pflicht hatten, war sie im Jahre 1793 dafür hielten – und urtheilen Sie, ob ein so ungleicher Kampf nicht unsinnig wäre!«

»Der Kampf wird um so rühmlicher seyn, lieber General,« erwiderte der Marquis mit einem Eifer; der die politische Stellung des Gastes gar nicht berücksichtigte.

»Nein, es wird nicht einmal Ruhm dabei zu ernten seyn. Sie werden sehen, was sehr bald geschieht, und gedenken Sie meiner Worte; ehe etwas unternommen wird. Alle Ereignisse werden kleinlich, farblos, erbärmlich seyn – und zwar auf beiden Seiten: bei uns werden Sie widerliche Selbstsucht, schmählichen Verrath, auf Ihrer Seite unbesonnene Verschwörungen, elende Parteiumtriebe sehen. Sie sind von den Kugeln der Blauen verschont geblieben, aber der Anblick aller dieser Erbärmlichkeiten wird Ihnen den Todesstoß geben.«

»Sie betrachten die Verhältnisse von dem Standpunkte eines Anhängers der Regierung,« erwiderte der Marquis, »Sie vergessen, daß wir selbst in Ihrer Armee viele Freunde haben und daß sich das ganze Land auf das erste Zeichen wie Ein Mann erheben wird.«

Der General zuckte die Achseln.

»Zu meiner Zeit, mein alter Camerad,« sagte er, »war alles Blaue wirklich blau, alles Weiße wirklich weiß; roth war nur der Henker und die Guillotine. Sie hatten keine Freunde in unserem Lager, wir keine in den Ihrigen – und deshalb waren wir gleich stark, gleich groß, gleich furchtbar. Sie sagen, die Vendée werde sich auf ein Zeichen erheben! Sie irren sich; seit 1795 gibt es keine Vendée mehr: sie ließ sich niedermetzeln im Vertrauen auf das Wort eines Prinzen, dessen Ankunft vergebens erwartet wurde; er hielt nicht Wort. Der Aufruf der Herzogin von Berry wird fruchtlos verhallen, die Vendée wird sich nicht rühren. Die Bauern haben jenen politischen Glauben verloren, der die Menschenmasse gegen einander treibt und zerschmettert, bis die Bruchstücke in einem Blutmeer untergehen; es fehlt ihnen der religiöse Glaube, der die Märtyrer todesmuthig macht. Und auch wir, ich muß es gestehen, auch wir besitzen nicht mehr die Begeisterung für Freiheit, für Fortschritt und Ruhm, welche die alte Welt aus den Angeln hob und so viele Helden schuf. In dem bevorstehenden Bürgerkriege – wenn er wirklich zum Ausbruch kommt – muß der Sieg auf der Seite der stärksten Bataillone und der schwersten Geldsäcke bleiben. Deshalb sagte ich Ihnen: Bedenken Sie wohl was Sie thun, ehe Sie sich zu diesem unsinnigen Unternehmen entschließen.«

»Sie irren sich, General, an Soldaten wird es uns nicht fehlen, und überdies werden wir einen Anführer haben, dessen Geschlecht die Furchtsamsten elektrisiren, alle Getreuen versammeln, alle Eifersüchtigen zum Schweigen bringen wird.«

»Die unglückliche junge Dame!« sagte der alte Krieger mit dem Ausdruck tiefen Mitleides, »in einer Viertelstunde werde ich ihr erbittertster Feind seyn. Aber so lange ich noch in diesem Zimmer, auf diesem neutralen Gebiet bin, muß ich Ihnen sagen, wie sehr ich ihre Entschlossenheit, ihren Muth, ihre Beharrlichkeit bewundere, aber wie sehr ich zugleich bedauere, daß sie in einer Zeit geboren ist, wo alle Verhältnisse zu kleinlich für eine so romantische Kühnheit sind. Die Zeit ist vorüber, wo Johanna von Montfort ganze Schaaren von bewaffneten Streitern aus dem Boden der Bretagne stampfen konnte. Merken Sie wohl, Marquis, was ich der armen Dame heute prophezeie, und sagen Sie es ihr wieder, wenn Sie sie sehen: diese edle Dame, welche die Gräfin Johanna an Kühnheit noch übertrifft, wird zum Lohn für ihre Thatkraft und Selbstverleugnung, für ihren hohen fürstlichen Sinn und ihre Mutterliebe nur Gleichgültigkeit, Undank, Feigheit und Verrath ernten. – Jetzt, lieber Marquis, sagen Sie Ihr letztes Wort.«

»Mein letztes Wort gleicht dem ersten, General.«

»Dann wiederholen Sie es.«

»Ich gehe nicht nach England.«

»Sie sind stolz wie ein Gascogner, obschon Sie ein Vendéer sind,« fuhr der General fort, indem er den Marquis scharf ansah und ihm die Hand auf die Schulter legte, »Ihre Einkünfte sind gering, ich weiß es – machen Sie kein so finsteres Gesicht und lassen Sie mich ausreden. Sie wissen ja, daß ich Ihnen nichts anbieten werde, was ich nicht selbst annehmen würde.«

Das Gesicht des Marquis nahm seinen früheren Ausdruck wieder an.

»Ihre Einkünfte sind wie gesagt, gering. Und in diesem verwünschten Lande ist es nicht genug, Einkünfte zu haben, sie seyen nun groß oder klein, man muß sie auch eintreiben können. Vielleicht fehlt Ihnen für den Augenblick das Geld, über den Canal la Manche zu fahren und in England ein hübsches Landhaus zu beziehen; ich bin auch nicht reich, aber ich biete Ihnen als Camerad einige hundert Louisdor an, die ich von meinem Solde erspart habe. Nehmen Sie es an? Wenn wieder Friede ist, geben Sie mir’s zurück.«

»Genug! genug!« sagte der Marquis. »Sie kennen mich erst seit gestern, General, und behandeln mich wie einen alten Freund!«

Der alte Vendéer kratzte sich am Ohr und setzte, wie mit sich selbst redend, hinzu:

»Wie soll ich wieder gut machen, was Sie für mich thun?«

»Sie nehmen es also an?«

»Nein, nein – ich lehne es ab.«

»Aber Sie reisen ab?«

»Nein, ich bleibe.«

»Dann möge Gott Sie in seinen Schutz nehmen,« erwiderte der alte General, der endlich die Geduld verlor. »Aber es ist wahrscheinlich, daß der Zufall – den der Teufel hole – uns wieder, wie vormals, einander gegenüberstellen wird. Jetzt kenne ich Sie, und wenn’s wieder ein Scharmützel gibt, wie vor sechsunddreißig Jahren zu Laval – dann werde ich Sie suchen, darauf verlassen Sie sich!«

»Und ich, erwiderte der Marquis mit jugendlichen Feuer, »ich verspreche Ihnen, daß ich Sie aus Leibeskräften rufen werde. O, mit welcher Freude, mit welchem Stolz werde ich den Gelbschnäbeln zeigen, was die Männer in dem großen Kriege waren!«

»Es wird zum Abmarsch geblasen. Leben Sie wohl, Marquis, nehmen Sie meinen Dank für Ihre Gastfreundschaft.«

»Auf Wiedersehen, General! Ich hoffe Ihnen beweisen zu können, wie sehr ich Ihre Freundschaft schätze und erwidere.«

Die beiden alten Herren schieden mit einem warmen Händedruck. Der General ging fort.

Der Marquis kleidete sich an und sah die kleine Colonne die Allee hinaufmarschiren. Hundert Schritte vom Schlosse; commandirte der General ein »Rechtes schwenkt!« hielt sein Pferd an und warf noch einen Blick auf die Wohnung seines neuen Freundes zurück. Er bemerkte den Marquis am Fenster, winkte ihm noch ein Lebewohl zu und sprengte in den Seitenweg, seinen Soldaten nach.

Als der Marquis von Souday, nachdem er die Truppen und ihren Commandanten mit den Blicken verfolgt, vom Fenster zurücktrat, hörte er ein leises Klopfen an einer kleinen Thür, die aus seinem Alcoven in ein Cabinet führte und mit einer Seitentreppe in Verbindung stand.

»Wer in aller Welt mag das seyn?» dachte er.

Er ging in den Alcoven und schob den Riegel zurück.

Die Thür that sich sogleich auf, und Jean Oullier erschien.

»Jean Oullier!« sagte der Marquis, freudig überrascht, »Bist Du wieder da, mein braver Jean? Wahrhaftig, eine gute Vorbedeutung für den heutigen Tag.«

Er reichte dem alten Waldhüter beide Hände, die dieser mit Dank und Ehrerbietung drückte.

Dann griff Jean Oullier in die Tasche und reichte dem Marquis ein grobes Papier, das aber in Briefform zusammengelegt war.

Der Marquis nahm das Schreiben, öffnete es und las.

Während des Lesens nahm sein Gesicht den Ausdruck unaussprechlicher Freude an.

»Jean Oullier,« sagte er, »rufe meine Tochter, rufe alle Leute herbei – nein, rufe Niemanden, aber putze meinen Degen, meine Pistolen, meine Büchse, setze meinen ganzen Wehrapparat in Stand, füttere Tristan gut mit Hafer. Der Feldzug wird eröffnet, lieber Jean, es geht los! – Bertha! Mary!«

»Herr Marquis,« erwiderte Jean Oullier kalt, »für mich ist der Feldzug bereits seit gestern um drei Uhr eröffnet.«

Auf den Ruf des Marquis eilten die beiden Mädchen herbei.

Mary hatte rothgeweinte Augen. Bertha strahlte vor Freude.

»Ihr werdet dabei seyn, Kinder,« sagte der Marquis, »Ihr müßt mit mir kommen. – Lest, lest!«

Er reichte Bertha den Brief, den er von Jean Oullier erhalten hatte.

Dieser Brief lautete folgendermaßen:

»Herr Marquis von Souday, es ist für die Sache König Heinrichs V. von Nutzen, daß Sie den bewaffneten Aufstand um einige Tage beschleunigen. Ich ersuche Sie daher, in der unter Ihrem Befehle stehenden Division möglichst viele Getreue zu versammeln und sich mit denselben, aber insbesondere sich selbst, zu meiner Verfügung zu halten.

»Ich glaube, daß noch zwei Amazonen in unserem kleinen Heere zugleich die Liebe und das Ehrgefühl unserer Freunde anspornen könnten, und es wäre mir lieb, Herr Marquis, wenn Sie mir Ihre beiden schönen Jägerinnen als Adjutanten überließen.

»Ihr wohl geneigter Petit-Pierre.«

»Wir brechen also auf?« fragte Bertha.

»Das versteht sich,« antwortete der Marquis.

»Dann erlaube mir, Vater«s setzte Bertha hinzu, »daß ich Dir einen Recruten vorstelle.«

Mary blieb stumm und regungslos.

»Wer ist er?«

»Der Baron Michel de La Logerie,« erwiderte Bertha mit starker Betonung dieses Titels, »er wünscht Dir zu beweisen, daß Se. Majestät Ludwig XVIII. durch die Verleihung des Adels keinen Fehlgriff gemacht hat.«

Der Marquis machte ein finsteres Gesicht, als er den Namen Michel de La Logerie hörte, aber er bekämpfte seinen Unwillen.

 

»Ich werde seinen Bestrebungen, diesen Zweck zu erreichen, mit Theilnahme folgen,« sagte er nach einer Pause.

Diese nüchternen Worte sprach er in dem Tone, den Napoleon am Tage vor der Schlacht von Marengo oder Austerlitz angenommen haben mochte.